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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2015 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-82 E2 auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur 3, Flurstück 282, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zur Hälfte und der Beklagte und die Beigeladene zu je einem Viertel. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig; zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen findet keine Kostenerstattung statt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger und die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Der Kläger und die Beigeladene können die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn dieser vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger beantragte am 08.12.2014 die Erteilung einer immissionsschutzrecht-lichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs F2. E-82 E2 mit einer Nabenhöhe von 138,38 m und einem Rotordurchmesser von 82 m (Gesamthöhe: 179,38 m) auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur 3, Flurstück 282 (Repowering einer Windenergieanlage vom Typ N2. O2. mit 50 m Nabenhöhe). Der Vorhabenstandort liegt östlich der Ortschaften E. und F.---r und in einer sowohl mit der 8. als auch mit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen ausgewiesenen Fläche für die Windenergienutzung. Mit der 17. und – erneut – mit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans erfolgte eine Höhenbegrenzung auf 100 m.
3Die Verfahren zur 8., 17. und 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen gestalteten sich im Wesentlichen wie folgt:
4Am 29.05.1995 hatte der Rat der Beigeladenen beschlossen, den Flächennutzungsplan in den Ortsteilen E. , F1. und O1. „zum Zwecke der Ausweisung von Windkraftkorridoren“ zu ändern (BA IV Bl. 2). Die öffentliche Auslegung wurde im Amtsblatt des Kreises Q1. vom 30.12.1996 bekanntgemacht (BA IV Bl. 83 ff.). In der Bekanntmachung heißt es, es sei beschlossen worden, denFlächennutzungsplan „für die Ortsteile F1. , E. und O1. “ zu ändern. Ziel der Änderung sei die Ausweisung von Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen; die Änderungsbereiche seien in den beigefügten Übersichtsplänen dargestellt. Die Inhaltsübersicht des Amtsblatts vom 30.12.1996 verweist auf die „8. Änderung des Flächennutzungsplans in den Ortsteilen F1. , E. und O1. “.
5In der Offenlegungsfassung des Erläuterungsberichts „8. Änderung des Flächennutzungsplans in der Gemeinde C2. Windkraftvorranggebiete OT O1. E. F1. “ (in BA IV) wird unter „A. Flächennutzungsplanung – Bereich und Umfang“ – u.a. – ausgeführt:
6„Die so festgelegten Änderungsbereiche des Flächennutzungsplanes erstrecken sich nunmehr auf insgesamt ca. 255 ha Fläche. (…) Die beschlossenen Grenzen der Änderungsbereiche entsprechen den Darstellungen der Planunterlagen. Die Änderung schafft die planerische Voraussetzung zur geordneten Nutzung erneuerbarer Energien (…) auf den entsprechend abgegrenzten Flächen und schließt gleichzeitig die kommerzielle Windenergienutzung in den übrigen außerhalb liegenden Bereichen der Gemarkung aus.“
7Unter „3.0 Abgrenzung des Änderungsbereiches“ heißt es:
8„Im Umkehrschluß ist aus den bisherigen Erläuterungen abzuleiten, dass die Errichtung von kommerziell betriebenen Windkraftanlagen außerhalb der dargestellten Änderungsbereiche nicht zulässig ist (…). Aufgrund der Flächennutzungsplanänderung sind damit Windkraftanlagen, auch trotz deren Privilegierung gem. § 35 (1), 7 BauGB, außerhalb des Änderungsbereichs nicht zulässig.“
9Der Rat der Beigeladenen beschloss am 17.03.1997 die 8. Änderung des Flächennutzungsplans für die Windenergiegebiete in E. und F1. ; das Verfahren betreffend die Flächen in O1. wurde abgetrennt. Die Bezirksregierung E2. genehmigte den Flächennutzungsplan unter dem 18.07.1997. Die Genehmigung wurde im Amtsblatt vom 06.08.1997 bekannt gemacht (BA IV Bl. 164). Unter „Hinweise:“ wird ausgeführt:
10„Eine Verletzung der in § 244 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Baugesetzbuches bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften ist unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit dieser Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde C2. geltend gemacht worden ist. Mängel der Abwägung sind gemäß § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit dieser Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde C2. geltend gemacht worden sind. Bei dieser Geltendmachung ist der Sachverhalt, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll, darzulegen.“
11Mit der 17. Änderung des Flächennutzungsplans setzte die Beigeladene eineHöhenbegrenzung auf 100 m fest. In der Beschlussvorlage 059/2000 vom 15.05.2000 wird dargelegt, es erscheine sinnvoll, die Höhe auf 100 m zu begrenzen, das heiße, die Höhe des Mastes und der rotierenden Flügel dürfe 100 m nicht überschreiten. Anlagen über 100 m müssten wegen des Flugverkehrs beleuchtet und farblich gekennzeichnet werden, was die negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild wesentlich verstärken würde. Die 17. Änderung wurde am 21.05.2001 beschlossen; die Genehmigung durch die Bezirksregierung E1. vom 03.07.2001 wurde am 18.07.2001 im Amtsblatt des Kreises Q. bekannt gemacht. Die textliche Festsetzung in der Planausfertigung lautet:
12„Für die im Plan dargestellten Flächen für die Windenergienutzung (Flächendarstellung ist Inhalt der 8. Änderung des FNP vom 06.08.1997 (-Inkrafttre-tung-) wird eine Höhenbegrenzung von 100 m (einschließlich Rotorradius, gemessen von der unveränderten Geländeoberfläche) für die Windenergieanlagen festgesetzt. Die Begrenzung der absoluten Höhe der Windenergieanlagen erfolgt mit der Zielsetzung, den Eingriff in das Landschaftsbild durch eine einheitliche Regelung der maximal zulässigen Höhe in den Flächen für die Windenergienutzung (Vorranggebiete) zu minimieren. Mit der Begrenzung der maximalen Höhe auf 100 m wird den betriebswirtschaftlichen, städtebaulichen und landschaftsräumlichen Ansprüchen gleichermaßen Rechnung getragen.“
13Am 22.12.2003 beschloss der Rat der Beigeladenen, den Flächennutzungsplan erneut zu ändern, um den Anforderungen Rechnung zu tragen, die die Rechtsprechung mittlerweile an die wirksame Ausweisung von Windvorranggebieten stelle. Im Rahmen dieser 23. Änderung des Flächennutzungsplans wurde durch die I. und T1. J. GmbH eine Überprüfung des Gemeindegebiets vorgenommen. Ausweislich der Begründung – Satzungsfassung Stand 09/05 (BA III Bl. 394 ff.) – ist dabei zunächst zugrunde gelegt worden, dass das überwiegende Gemeindegebiet ausreichend windhöffig ist (T. . 6 des Berichts). Als „Ausschluss- und Abstandsflächen“ wurden Flächen verstanden, „die bereits anderweitig genutzt werden oder für die planerisch eine andere, zur Windkraftnutzung in einem konflikthaften Widerspruch stehende Nutzung vorgesehen ist bzw. deren Schutzbedürfnis einen gewissen Abstand erfordert“ (T. . 6 f.). Zunächst wurden sodann Abstände zu reinen und allgemeinen Wohngebieten von 1.000 m angesetzt, zu Dorf- und Mischgebieten 800 m, zu Einzelhäusern/Weilern/Splittersiedlungen 400 m und zu Gewerbegebieten 200 m. Jeweils 500 m Abstand sollten eingehalten werden zu Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten, 200 m zu Waldgebieten. Um den die im Flächennutzungsplan der Stadt Q. als Schutzgebiet für den Flugplatz Q. -I1. wurde ein Radius von 2.000 m festgelegt, um dort bauliche Anlagen zu verhindern, die in den Bauschutzbereich hineinragen. 100 m Abstand wurden vorgesehen zu Straßen. Die genannten Gebiete wurden – neben weiteren – als „Restriktionsflächen“ bzw. als „durch Tabuzonen belegt“ bezeichnet, die verbleibenden Gebiete als „Suchbereiche / potenzielle Windvorrangflächen“ (T. . 20).
14Eingangs der Ausführungen unter „3 Folgerungen aus den Restriktionsflächenkartierungen / Einzelfallbetrachtung“ (T. . 21) heißt es, die gefundenen Potenzialflächen seien das Ergebnis der strikten Anwendung der abstrakten Ausschlüsse und Abstände. Zusätzlich werde zum einen überprüft, ob gefundene Potenzialflächen wegen anderer Belange, die nicht in den Restriktionsparametern ihren Niederschlag gefunden hätten, noch zusätzlich herausfallen sollten. Zum anderen sei zu prüfen, obFlächen, die nach der Anwendung der Restriktionsparameter herausgefallen seien, bei einzelfallbezogener Betrachtung nicht doch als Potenzialflächen berücksichtigt werden sollten.
15Unter 3.2 wurden zunächst zusätzlich Flächen als ungeeignet ausgeschieden, die eine Mindestgröße von ca. 25 ha unterschritten, weil dort nur maximal fünf Windkraftanlagen errichtet werden und so eine nennenswerte Konzentration nicht erreicht werden könne (T. . 22: „3.2 Definition einer Mindestgröße für ein Windvorranggebiet“). Nach einer ersten Einzelfallbetrachtung der Suchbereiche erfolgte im Rahmen einer zweiten Einzelfallbetrachtung eine Überprüfung der Abstände zu einzelnen Flächennutzungen. Die sich ergebenden Änderungen wurden tabellarisch zusammengefasst (T. . 31). Während die Abstände zu Siedlungsbereichen aufrecht erhalten blieben, wurde der vorgesehene Abstand von 200 m zu Gewerbegebieten ebenso aufgegeben wie der Abstand von 500 m zu Landschaftsschutzgebieten. Zu den Landschaftsschutzgebieten selbst wurde ausgeführt, dass dort keine Windkraftanlagen stehen dürften, weil der Schutzzweck eines Landschaftsschutzgebiets ansonsten konterkariert werde. Darüber hinaus erstreckten sich die Landschaftsschutzgebiete vorrangig auf Tallagen und bewaldete Bereiche und kämen für eine Windenergienutzung somit kaum in Betracht (T. . 30).
16Schließlich wurde unter Berücksichtigung der geänderten Abstände eine erneute Einzelfallbetrachtung der sich danach ergebenden potenziellen Vorrangflächen vorgenommen. In diesem Rahmen erfolgte u.a. eine Aussonderung von Flächen aufgrund deren Naherholungsfunktion und des intakten Landschaftsbildes (Flächen 2, 3 und 4 sowie 13, 14, 30, 31 und 32) sowie – kumulativ – aufgrund der vorhandenen Blickbeziehung, des Landschaftsbildes und der Strukturvielfalt sowie mangelnder Windhöffigkeit (Flächen 5, 6, 7 und 37).
17Insgesamt wurden vier Vorrangzonen mit einer Gesamtgröße von ca. 126 ha zur Ausweisung vorgesehen, für die wie bisher eine Höhenbeschränkung von max. 100 m gelten sollte, um die visuelle Beeinträchtigung in Grenzen zu halten (T. . 45). Dazu war unter „5 Höhenfestsetzung“ (T. . 44) ausgeführt worden:
18„Die Gemeinde bestimmt eine Höhenbegrenzung von 100 m bis zur Flügelspitze am höchsten Drehpunkt aus folgenden Gründen:
19Eine größere Höhe als 100 m bedingt eine Dauerkennzeichnung aus luftverkehrlichen Gründen, die sich u.a. in Blinklichtern zeigt. Eine solche Kennzeichnung wirkt sich erheblich störender auf das Landschaftsbild aus als kleinere Anlagen ohne Kennzeichnung. Vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes würde dieses zu einer nicht akzeptablen Belastung führen.
20Darüber hinaus besteht ohne Zweifel die Möglichkeit, WKA mit einer Gesamthöhe von max. 100 m wirtschaftlich zu betreiben. Dieses zeigen die vorliegenden Vertragsentwürfe, in denen den Flächeneigentümern von potenziellen Betreibern Pachten/Nutzungsentschädigungen in Höhe von mindestens 500 Euro/100kW/a angeboten werden.“
21Der Rat beschloss die 23. Änderung des Flächennutzungsplans am 26.09.2005. Die Genehmigung der Bezirksregierung E1. erfolgte am 24.11.2005, die Bekanntmachung im Amtsblatt des Kreises Q. vom 07.12.2005 mit folgendem Hinweis:
22„Eine Verletzung der in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Baugesetzbuches bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften ist unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren seit dieser Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde C2. geltend gemacht worden ist.
23Mängel in der Abwägung sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren seit dieser Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde C2. geltend gemacht worden sind.
24(…)“
25Unter Hinweis auf die entgegenstehenden Festsetzungen ihres Flächennutzungsplans verweigerte die Beigeladene unter dem 21.01.2015 die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu dem Vorhaben des Klägers.
26Mit Bescheid vom 10.07.2015 lehnte der Beklagte die Erteilung der vom Kläger beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ab: Das gemeindliche Einvernehmen sei von der Beigeladenen zu Recht versagt worden und daher nicht zu ersetzen. Neben den Darstellungen des Flächennutzungsplans stünden im Übrigen auch militärische Belange hinsichtlich der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen entgegen.
27Der Kläger hat am 10.08.2015 Klage erhoben.
28Während des Klageverfahrens erklärte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr mit Schreiben vom 20.01.2016, nach erneuter Überprüfung stünden dem Vorhaben des Klägers keine militärischen Belange entgegen.
29Nach einem diesbezüglichen Hinweis des Gerichts machte die Beigeladene die Genehmigungen der 17. und 23. Änderungen des Flächennutzungsplans durch die Bezirksregierung E1. in ihrem Amtsblatt vom 29.08.2016 erneut bekannt: Damit würde die 17. Änderung (Windvorranggebiete Höhenbeschränkung) rückwirkend ab dem Zeitpunkt des ursprünglichen Inkrafttretens am 18.07.2001 und die 23. Än-derung (Ausweisung von Windvorranggebieten) rückwirkend ab dem ursprünglichen Inkrafttreten am 07.12.2005 wirksam.
30Der Kläger macht zur Begründung seiner Klage geltend, die Höhenbegrenzung im Flächennutzungsplan der Beigeladenen könne seinem Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Sowohl die 17. als auch die 23. Änderung sei unwirksam.
31Die 23. Änderung leide sowohl an Fehlern im Abwägungsergebnis als auch im Abwägungsvorgang. Bei der Ausweisung von Vorrangzonen fehle eine ausreichend dokumentierte Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen. Auch wenn ansatzweise eine entsprechende Unterscheidung zum Ausdruck gekommen sein möge, lasse sich eine diesbezüglich differenzierende Behandlung der Kriterien im Planungsprozess nicht feststellen. Hinsichtlich der unter 2.2 des Erläuterungsberichts erwähnten „abstrakten Restriktionsparameter“ bleibe insgesamt unklar, bezüglich welcher Parameter die Beigeladene irrtümlich von einem harten Tabukriterium ausgegangen sei und bezüglich welcher Parameter sie Ermessen ausgeübt habe. Die Behandlung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten als Tabuzonen bedürfe einer besonderen Rechtfertigung; in beiden Gebieten gebe es die Möglichkeit einer Befreiung vom grundsätzlich bestehenden Bauverbot. Ob eine solche in Betracht gezogen werden könne, sei nicht geprüft worden. Die zu einzelnen Nutzungsarten angesetzten Abstandsflächen seien – wenn sie denn überhaupt zu rechtfertigen seien – deutlich zu groß. Es sei insbesondere fehlerhaft davon ausgegangen worden, dass um Naturschutzgebiete eine Abstandszone von 500 m gerechtfertigt sei, um den Schutzzweck nicht zu gefährden und zu beeinträchtigen. Dabei werde verkannt, dass der Schutzzweck in den Schutzgebietsverordnungen definiert sei. Warum ohne einen entsprechenden Abstand Windkraftanlagen die Schutzzwecke der Naturschutzgebiete beeinträchtigen würden, sei nicht dargelegt worden. Das herangezogene Kriterium der Naherholungsfunktion sei nicht tragfähig. Diese Mängel im Abwägungsvorgang könnten aufgrund des fehlerhaften Bekanntmachungshinweises im Amtsblatt vom 07.12.2005 weiterhin gerügt werden.
32Die Planung stelle darüber hinaus eine Verhinderungsplanung dar; es würden lediglich 1,63 % des Gemeindegebiets als Vorrangzone ausgewiesen. Gegenüber der zuvor ausgewiesenen Vorrangzonen liege eine Verringerung um ca. ein Drittel, nämlich von 177 ha auf 126 ha vor. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf die festgesetzte Höhenbegrenzung.
33Die Festsetzung einer Höhenbegrenzung von 100 m stelle ebenfalls einen Fehler im Abwägungsergebnis dar. Nicht jede Veränderung des Orts- und Landschaftsbildes könne eine Höhenbegrenzung rechtfertigen. Die luftverkehrsrechtliche Kennzeichnungspflicht von Anlagen über 100 m führe nicht ohne Weiteres zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Die Notwendigkeit eines Landschaftsbildschutzes hätte konkret dargelegt werden müssen, ebenso, welche Beeinträchtigungen im Einzelnen zu befürchten seien; eine dementsprechende Vorgabe enthalte der Windenergie-Erlass des Landes unter Nr. 4.3.7. Einer Berücksichtigung der konkreten städtebaulichen Situation hätte es insbesondere in Bezug auf die Konzentrationszone östlich von E. bedurft, weil in dem auf M. Gemeindegebiet gelegenen und unmittelbar angrenzenden Windpark I2. Anlagen mit Gesamthöhen von deutlich mehr als 100 m errichtet worden seien.
34Die durch die 17. Änderung erfolgte Begrenzung der zulässigen Anlagenhöhe sei aus denselben Gründen abwägungsfehlerhaft. Die Höhenbegrenzung dort sei darüber hinaus unbestimmt, weil der in der Planurkunde als Bezugspunkt genannte Begriff der „unveränderten Geländeoberfläche“ unklar sei. Außerdem fehle eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb bei einer auf 100 m begrenzten Anlagenhöhe möglich sei. Schließlich sei die mit der 17. Änderung des Flächennutzungsplans erfolgte Höhenbegrenzung deshalb unwirksam, weil die Ausweisung von Vorrangzonen aufgrund der 8. Änderung unwirksam sei, auf die die 17. Änderung aufbaue. Die 8. Änderung beruhe nicht auf einem in sich schlüssigen gesamträumlichen Plankonzept. Es sei keine flächendeckende Untersuchung des Gemeindegebiets erfolgt, und eine Differenzierung zwischen den angewandten Tabukriterien fehle. Aufgrund der Herausnahme der ausweislich der Offenlegungsfassung noch als Änderungsbereich ausgewiesenen Fläche in O1. hätte es einer erneuten Offenlegung bedurft. Schließlich sei die Bekanntmachung der Offenlegung am 30.12.1996 fehlerhaft erfolgt, weil der maßgebliche Planbereich der 8. Änderung falsch dargestellt worden sei. Aus der Bekanntmachung ergebe sich nicht, dass die 8. Änderung des Flächennutzungsplans insoweit das gesamte Gemeindegebiet betreffe, als außerhalb der ausgewiesenen Flächen für die Windkraft die Errichtung von Windenergieanlagen ausgeschlossen sei. Die Anstoßfunktion sei so nicht bewirkt worden. Der Bekanntmachungshinweis im Amtsblatt vom 06.08.1997 sei erneut fehlerhaft, sodass die Rügefrist hinsichtlich von Verfahrens- und Formvorschriften nicht in Lauf gesetzt worden sei und diese Fehler damit nach wie vor beachtlich seien. Die Höhenbegrenzung durch die 17. Änderung des Flächennutzungsplans sei daher vollzugsunfähig i.T. .d. § 1 Abs. 3 BauGB.
35Der Kläger beantragt,
36den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2015 zu verpflichten, ihm die beantragte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs F2. E-82 E2 auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur 3, Flurstück 282, zu erteilen.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Er ist der Auffassung, auch wenn der Erläuterungsbericht zur 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen die Begriffe „harte“ und „weiche“ Tabukriterien nicht nenne, lasse er eine entsprechende Differenzierung erkennen. So würden unter 2.2 die Begriffe „Ausschluss- und Abstandsflächen“ verwandt und insoweit unterschieden zwischen Flächen, die bereits anderweitig genutzt würden bzw. für die planerisch eine andere Nutzung vorgesehen sei, und Flächen, deren Schutzbedürfnis einen gewissen Abstand erforderten.
40Der Vorwurf einer Verhinderungsplanung sei angesichts der Ausführungen im Erläuterungsbericht nicht berechtigt.
41Eine Höhenbegrenzung lasse sich nach einem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auch mit dem Erfordernis einer Kennzeichnungspflicht nach dem Luftverkehrsgesetz begründen. Dass Windenergieanlagen mit einer Höhe von 100 m an den vorgesehenen Standorten wirtschaftlich betrieben werden könnten, würde durch entsprechende Genehmigungsanträge belegt. So seien auf dem Gebiet der Beigeladenen im Februar 2016 eine und in M1. im April und Oktober 2015 zwei Anlagen mit unter 100 m Gesamthöhe genehmigt worden.
42Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
43die Klage abzuweisen.
44Sie macht zunächst geltend, durch die erneute Bekanntmachung sowohl der 17. als auch der 23. Änderung des Flächennutzungsplans sei ein – unterstellter – Bekanntmachungsmangel rückwirkend ab Inkrafttreten geheilt. Die Rügefristen nach § 215 Abs. 1 BauGB seien dadurch nicht erneut in Lauf gesetzt worden.
45Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans sei städtebaulich gerechtfertigt i.T. .d. § 1 Abs. 3 BauGB. Die Gemeinden seien nicht zu einer besonders windenergiefreundlichen Planungspolitik verpflichtet.
46Abwägungsmängel betreffend die 23. Änderung könnten nicht mehr gerügt werden; der Bekanntmachungshinweis, wonach Mängel der Abwägung binnen zwei Jahren zu rügen seien, sei zutreffend gewesen. Bis zum Inkrafttreten des EAG Bau 2004 habe der Gesetzgeber bei der Planerhaltung nicht zwischen Mängeln im Abwägungsvorgang und im Abwägungsergebnis unterschieden mit der Folge, dass Abwägungsmängel nach altem Recht unabhängig davon, ob sie dem Abwägungsvorgang oder dem Abwägungsergebnis zuzuordnen waren, innerhalb von zwei Jahren gerügt werden mussten. Für die 23. Änderung habe das Baugesetzbuch in der vor dem Inkrafttreten des EAG Bau geltenden Fassung gegolten, da nach § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB altes Recht anzuwenden sei.
47Rügen gegen die 8. Änderung des Flächennutzungsplans könnten nicht mehr geltend gemacht werden, weil sie innerhalb von sieben Jahren hätten erhoben werden müssen.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft) und der Beigeladenen (1 Heft und 2 Ordner) verwiesen. Sämtliche Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
49Entscheidungsgründe:
50Die Klage ist insgesamt zulässig, aber nur zum Teil begründet.
51Der Kläger hat Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags vom 08.12.2014, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 10.07.2015 trägt die Ablehnung der Genehmigungserteilung nicht, und ein Anspruch auf Genehmigungserteilung lässt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand auch nicht aus anderen Gründen verneinen (dazu unter I.). Da sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht im Sinne einer Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO feststellen lässt, ob das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft oder ihm bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen (dazu unter II.), ist die Klage mit dem darüber hinaus gehenden Klageantrag auf Erteilung der beantragten Genehmigung unbegründet. Infolgedessen war der Beklagte unter Heranziehung der zum sog. steckengebliebenen Genehmigungsverfahren entwickelten Grundsätze gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung des Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
52I.
53Der Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stehen Darstellungen im Flächennutzungsplan der Beigeladenen nicht entgegen.
54Eine für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Verordnung ergebenden Pflichten erfüllt sind (Nr. 1) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).
55Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Außenbereich geplanten Vorhabens richtet sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist im Außenbereich ein Vorhaben, das der Nutzung der Windenergie dient, nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist.
56Der Standort der vom Kläger geplanten Windenergieanlage liegt innerhalb einer sowohl mit der 8. als auch mit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen ausgewiesenen Konzentrationszone, so dass § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keinen entgegenstehenden öffentlichen Belang darstellt. Darauf hat die Beigeladene die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens auch nicht gestützt.
57Die Festsetzung einer maximalen Anlagenhöhe von 100 m über Grund im Flächennutzungsplan führt nicht zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens des Klägers nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Die auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 16 Abs. 1 BauNVO gestützte Beschränkung ist unwirksam, weil sowohl die 23. (dazu unter 1.) als auch die 17. Änderung des Flächennutzungsplans (2.) unwirksam sind. Andere Gründe, die der Erteilung der beantragten Genehmigung entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich (3.).
581.
59Mangels eines ordnungsgemäßen Hinweises auf die Rügefrist sind der 23. Änderung des Flächennutzungsplans anhaftende Abwägungsmängel weiterhin beachtlich (a)). Es liegen zur Unwirksamkeit führende Mängel im Abwägungsvorgang vor (b)), die den Flächennutzungsplan in der 23. Änderungsfassung zur Gänze unwirksam machen (c)).
60a)
61Die Möglichkeit, Fehler in der Abwägung weiterhin geltend zu machen, folgt zwar nicht aus der zulässigerweise erfolgten erneuten Bekanntmachung und rückwirkenden Inkraftsetzung der 23. Änderung des Flächennutzungsplans im Amtsblatt der Beigeladenen vom 29.08.2016 (dazu unter aa)). Der Hinweis in der Bekanntmachung der 23. Flächennutzungsplanänderung im Amtsblatt des Beklagten vom 07.12.2005 (dazu unter bb)) ist jedoch unzutreffend, so dass Abwägungsmängel weiterhin beachtlich sind. Eine Verwirkung des Rügerechts ist nicht eingetreten (cc)).
62aa)
63Die im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB erfolgte Bekanntmachung der 23. Änderung hat die Rügefrist nicht (erneut) in Lauf gesetzt.
64Die zur Unbeachtlichkeit eines Abwägungsmangels führende Frist nach § 215 Abs. 1 BauGB beginnt auch dann zu laufen, wenn die ursprüngliche Bekanntmachung aufgrund von Verfahrensfehlern unwirksam war. Erforderlich, aber auch hinreichend für den Beginn des Fristlaufs ist lediglich, dass die Bekanntmachung „als solche“ fehlerfrei war, indem der rechtsstaatlich gebotene Verkündungszweck, nämlich den Plan der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich zu machen, dass sich die Betroffenen verlässlich Kenntnis von seinem Inhalt verschaffen können, erreicht wurde. Eine solche Bekanntmachung ist geeignet, Präklusionswirkung für die Rüge von Abwägungsmängeln nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Frist zu erzeugen; ob sie ordnungsgemäß erfolgt ist, ist ohne Belang. Es widerspräche dem Ziel des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB und dessen Systematik, mit der erneuten Bekanntmachung des Plans die Rügemöglichkeit erneut zu eröffnen.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.08.2015 – 4 CN 10/14 –, juris Rn. 7 m.w.O. . und Rn. 9 und Beschluss vom 25.02.1997 – 4 NB 40/96 –, juris Rn. 8.
66bb)
67Die Bekanntmachung der 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen im Amtsblatt des Beklagten vom 07.12.2005 hat die zweijährige Rügefrist nach § 215 Abs. 1 BauGB in der seit dem 20.07.2004 durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau – vom 24.06.2004 (BGBl. I T. . 1359) geltenden Fassung – im Folgenden: BauGB 2004 – aber nicht ausgelöst, weil der Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB fehlerhaft war.
68Nach § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB sind die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung anwendbar. § 233 BauGB gilt speziell für die Planerhaltungsvorschriften und ist deshalb gegenüber der Regelung in § 244 BauGB – die im Übrigen nur Bebauungspläne betrifft – vorrangig,
69so ausdrücklich OVG NRW, Urteil vom 14.04.2011 – 8 A 320/09 –, juris Rn. 78.
70§ 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB bestimmt, dass abweichend von Satz 1 für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden sind.
71Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen ist am 07.12.2005 bekannt gemacht worden und in Kraft getreten, also vor der Änderung des § 215 Abs. 1 BauGB durch Gesetz vom 21.12.2006 (BGBl. I T. . 3316) mit der Folge, dass § 215 BauGB noch in der seit dem 20.07.2004 geltenden Fassung anwendbar ist.
72Nach § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB 2004 werden nach § 214 Abs. 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Mängel des Abwägungsergebnisses waren (und sind) infolgedessen – anders als Mängel des Abwägungsvorgangs – ohne zeitliche Einschränkung beachtlich.
73Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.03.2010 – 4 BN 66.09 –, juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 14.04.2011 – 8 A 320/09 –, juris Rn. 76 m.w.O. .; VGH BW, Urteil vom 15.07.2008 – 3 T. 2772/06 –, juris Rn. 60 und Leitsatz 3.
74Voraussetzung für die Wirkung der zweijährigen Rügefrist ist gemäß § 215 Abs. 2 BauGB, dass bei Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist. Diese Belehrung darf keinen irreführenden Zusatz haben und insbesondere nicht geeignet sein, einen Betroffenen vom rechtzeitigen Geltendmachen von Mängeln abzuhalten. Ein Hinweis, der geeignet ist, beim Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und ihn davon abzuhalten, gegenüber der Gemeinde einen die Verletzung der in § 215 Abs. 1 BauGB genannten Vorschriften begründenden Sachverhalt geltend zu machen, löst die Unbeachtlichkeit nicht aus.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.06.2012 – 4 CN 5/10 –, juris Rn. 15 m.w.O. .
76So liegt es hier. Absatz 2 des Hinweises in der Bekanntmachung der 23. Änderung widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB 2004, weil dort ausgeführt wird, dass „Mängel der Abwägung“, also nicht nur Mängel im Abwägungsvorgang, sondern auch Mängel im Abwägungsergebnis, unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren geltend gemacht werden. Der insoweit fehlerhafte Hinweis ist irreführend, sodass die zweijährige Einwendungsfrist nach § 215 Abs. 1 BauGB 2004 in Bezug auf Mängel des Abwägungsvorgangs nicht in Lauf gesetzt wurde und diese neben den „ewig“ rügefähigen Mängeln im Abwägungsergebnis beachtlich bleiben.
77Vgl. VGH BW, Urteil vom 09.06.2009 – 3 T. 1108/07 –, juris Rn. 31, und Urteil vom 15.07.2008, a.a.O. Rn. 60 ff.
78Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der der Bekanntmachung vom 07.12.2005 beigegebene Hinweis in Bezug auf Mängel des Abwägungsvorgangs insoweit zutreffend ist, als diese ebenfalls Mängel der Abwägung sind. Angesichts dessen, dass auch einem „mündigen Bürger“ die Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und -ergebnis in der Regel nicht geläufig sein wird, tritt die irreführende Wirkung jedoch umfassend ein, ohne dass hinsichtlich der Fehlergruppe „Abwägungsvorgang“ einer- und der Fehlergruppe „Abwägungsergebnis“ andererseits differenziert werden könnte.
79Der letztgenannte Aspekt steht auch einer Planerhaltung in Bezug auf die 23. Änderung entgegen, die auf die Erwägung gestützt wird, dass Mängel im Abwägungsvorgang auf der Grundlage der Regelung in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB 2004 ausschließlich als der Verfahrensebene zugewiesene Ermittlungs- und Bewertungsfehler zu qualifizieren seien mit der Folge, dass sie nach § 214 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz BauGB 2004 nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden könnten.
80So Petz, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Band III (3. Auflage; Stand Mai 2014), § 214 Rn. 57 und 136 ff. unter Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien; a. A. Kukk, in: Schrödter (Hrsg.), BauGB (8. Auflage 2015), § 214 Rn. 55.
81In Bezug auf § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB 2004 ist der Hinweis in der Bekanntmachung vom 07.12.2005 allerdings zutreffend; Absatz 1 des Hinweises entspricht dem Wortlaut des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 2004. Nach Auffassung der Kammer ist eine separate, von dem Hinweis in Absatz 2 losgelöste Betrachtung aber nicht möglich, weil Mängel im Abwägungsvorgang nicht eindeutig entweder – als Verfahrens- und Formfehler – § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB 2004 oder – als Mängel der Abwägung – § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB zugeordnet werden können. Vielmehr gibt es – zum Teil auch begründet mit der fehlenden Relevanz der Frage, welchem Bereich ein Fehler im Abwägungsvorgang zuzuordnen ist,
82vgl. VGH BW, Urteil vom 06.05.2009 – 3 T. 3037/07 –, juris Rn. 23; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Band V (Stand: 01.05.2016), § 214 Rn. 39b und 139 –
83keine trennscharf zwischen §§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 2004 auf der einen und §§ 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz, 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB 2004 differenzierende Rechtsprechung. Vielmehr werden in Bezug auf Fehler im Abwägungsvorgang häufig beide Fehler- bzw. Unbeachtlichkeitsregelungen zitiert.
84Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22.09.2010 – 4 CN 2/10 –, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2015 – 8 C. 253/15 –, juris Rn. 17; Urteil 01.07.2013 – 2 D 46/12. NE –, juris Rn. 77 und 91, dort wird in Bezug auf den Fristlauf allerdings nur § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB herangezogen, und Urteil vom 04.07.2012 – 10 D 47/10.NE –, juris Rn. 68.
85Welchen eigenständigen Anwendungsbereich § 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB neben § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB haben kann, ist ebenfalls nicht geklärt. Zum Teil wird vertreten, dass jedenfalls ein vollständiger Abwägungsausfall nach wie vor der materiellen Überprüfung nach § 1 Abs. 7 BauGB vorbehalten ist,
86vgl. VGH BW, Urteil vom 06.05.2009, a.a.O. Rn. 23.
87Das Bundesverwaltungsgericht ordnet demgegenüber auch einen vollständigen Abwägungsausfall dem Abwägungsvorgang zu und wendet die Planerhaltungsvorschriften §§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB an.
88Vgl. Urteil vom 22.09.2010, a.a.O. Rn. 22.
89Betrachtet man die auf Anregung des Bundesrates eingefügte „Angstklausel“ des § 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB 2004
90– so Erbguth, „Rechtsschutzfragen und Fragen der §§ 214, 215 BauGB im neuen Städtebaurecht“, DVBl. 2004, 802 <807 f.> –
91mit der oben zitierten Literaturmeinung mit dem Argument als obsolet, dass es nach der Einführung von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB 2004 keine materiell-rechtlichen Aspekte im Abwägungsvorgang mehr gibt und es sich komplett um verfahrensrechtliche Anforderungen handelt, gibt es für § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB 2004 ebenfalls keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr. § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 2004 erfasst dann sämtliche beachtlichen Mängel des Abwägungsvorgangs.
92Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis auf die Rügeobliegenheiten in der Bekanntmachung im Amtsblatt des Beklagten vom 07.12.2005 ungeachtet dessen, dass die Ausführungen in Absatz 1 dem Gesetzestext des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 2004 entsprechen, geeignet, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Geltendmachung von Mängeln abzuhalten. Eine klare Unterscheidung der Fallgruppen des § 215 Abs. 1 BauGB 2004 ist in Bezug auf Mängel im Abwägungsvorgang nicht möglich, undallein dies hätte es erlaubt, den Hinweis auf die richtig benannte Fallgruppe als richtig und infolgedessen teilwirksam
93– vgl. dazu VGH BW, Urteil vom 09.06.2009 – 3 T. 1108/07 –, juris Rn. 34 –
94zu betrachten. Mit anderen Worten: Die Fehlerhaftigkeit des auf § 215 Abs.1 Nr. 3 BauGB 2004 bezogenen Hinweises in Absatz 2 der Bekanntmachung der 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen schlägt auf Absatz 1 des Hinweises durch.
95cc)
96Der Kläger hat sein Rügerecht schließlich nicht verwirkt.
97Wegen seiner inter-omnes-Wirkung kann das Recht zur Geltendmachung eines Abwägungsfehlers im Sinne des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. allenfalls in Ausnahmefällen – personenbezogen – verwirkt sein. Eine Verwirkung setzt – anknüpfend an das Verhalten eines bestimmten Einwenders – voraus, dass seit der Möglichkeit der (erneuten) Geltendmachung der Rüge durch den jeweiligen Einwender eine längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung durch den betreffenden Einwender als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment).
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.03.2011 – 2 A 371/09 –, juris Rn. 77 m.w.O. .
99Umstände, die in Bezug auf den Kläger die Annahme gerechtfertigt hätten, er werde sein Rügerecht nicht ausüben, sind weder vom Beklagten noch von der Beigeladenen vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Allein der Umstand, dass er innerhalb einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Vorrangzone eine Windenergieanlage errichtet hat und betreibt, reicht nicht aus. Es stellt kein widersprüchliches Verhalten dar, sich gegen (nachteilige) Festsetzungen eines Flächennutzungsplans zu wenden, auch wenn man in anderer Hinsicht von dessen Festsetzungen profitiert hat.
100b)
101Die Ausweisung von Windvorrangzonen durch die 23. Änderung des Flächennutzungsplans ist in Bezug auf den Abwägungsvorgang in erheblicher Weise mangelhaft. Ob auch Mängel im Abwägungsergebnis vorliegen, bedarf keiner Entscheidung mehr.
102Soll eine planerische Entscheidung die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auslösen – hiernach stehen öffentliche Belange einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist –, verlangt das Abwägungsgebot die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt. Die gemeindliche Entscheidung muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten.
103Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11 –, vom 13.03.2003 – 4 C 3.02 – und vom 17.12.2002 – 4 C 15.01 –; OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013 – 2 D 46/12.NE –; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.06.2016 – 12 KN 64/14 –, sämtlich in juris.
104Die Ausarbeitung eines Plankonzepts, das Auskunft darüber gibt, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird und welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen freizuhalten, ist auf der Ebene des Abwägungsvorgangs nach § 1 Abs. 7 BauGB angesiedelt.
105Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.09.2009 – 4 BN 25/09 –, juris Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 04.07.2012 – 10 D 47/10.NE –, juris Rn. 77.
106Das dort normierte Gebot, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, setzt in tatsächlicher Hinsicht die Ermittlung aller abwägungsrelevanten Belange voraus. Unbeachtlich sind Belange (nur), wenn sie für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren oder wenn sie keinen städtebaulichen Bezug haben, geringwertig oder makelbehaftet oder solche sind, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht. In rechtlicher Hinsicht erfordert das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB, dass weder die Bedeutung einzelner Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen werden, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis schon dann genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.
107Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 27 f. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG.
108Eine diesen Anforderungen genügende Ausarbeitung eines Planungskonzepts für die Darstellung von Konzentrationszonen i.T. .d. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vollzieht sich abschnittsweise. In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als Tabuzonen zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in “harte“ und “weiche“ untergliedern. Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Gemeindegebietsteilen, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung schlechthin ungeeignet sind. Mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden dagegen Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen der Gemeinde aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen von vornherein ausgeschlossen werden soll. Die Potentialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind dann in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d. h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird.
109Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 34 unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 11.04.2013 – 4 CN 2/12 –, juris Rn. 5 ff., und vom 13.12.2012 – 4 CN 1/11 –, juris Rn. 10, sowie Beschluss vom 15.09.2009 – 4 BN 25/09 –, juris Rn. 7, und Urteil vom 20.11.2012 – 8 A 252/10 –, juris Rn. 52.
110Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, deren Bereitstellung für die Windenergienutzung an § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitert. Für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht erforderlich ist ein Bauleitplan dann, wenn seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. Harte Tabuflächen sind demnach einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen im Rahmen des § 1 Abs. 7 BauGB entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Zuge der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Dies ändert aber nichts daran, dass sie keine eigenständige Kategorie im System des Rechts der Bauleitplanung bilden, sondern der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass städtebauliche Gesichtspunkte hier nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substantiell Raum schafft. Seine Entscheidung für weiche Tabuzonen muss der Plangeber rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d. h. kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen. Diese Forderung ist mit dem schlussendlichen Abwägungsparameter rückgekoppelt, dass, je kleiner die für die Windenergienutzung verbleibenden Flächen am Ende ausfallen, umso mehr das gewählte methodische Vorgehen zu hinterfragen ist.
111Vgl. erneut OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 36 ff., und OVG Lüneburg, Urteil vom 23.06.2016 – 12 KN 64/14 –, juris Rn. 62, jeweils unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG.
112Den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen muss sich die Gemeinde bewusst machen und ihn dokumentieren. Es ist schon aus sich heraus abwägungsfehlerhaft, wenn die Gemeinde entgegen der sie insofern treffenden Dokumentationspflicht keine Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen dokumentiert hat, obwohl diese in der spezifischen vorliegenden Planungssituation materiell-rechtlich geboten ist. Denn infolgedessen kann sie sich bei Abwägung, Standortfindung und Standortzuweisung nicht bewusst machen, welche der von ihr herangezogenen Kriterien zur Ermittlung des Suchraums zu einem § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zuzuordnenden Ausscheiden von Gemeindeflächen für die Windenergienutzung von vornherein und auf Dauer führen würden, also zu harten Tabuzonen, und welche der vorab ausgeschiedenen Flächen (als weiche Tabuzonen) der Abwägung im Rahmen des § 1 Abs. 7 BauGB zuzuschlagen sind. So bleibt im Unklaren, ob und in welchem Umfang bereits auf der ersten Stufe des Planungsprozesses, in der Phase der Suchraumfindung, abwägerische Entscheidungen gefordert waren. Damit kann die Gemeinde auch ihre (weitere) Abwägung über die Auswahl und den Zuschnitt von Konzentrationszonen im Rahmen der zweiten Planungsphase nicht rechtmäßig steuern und nicht hinreichend präzise, schlüssig-ausgewogen entscheiden, ob sie der Windenergie tatsächlich substantiell Raum verschafft. Fehlt die danach erforderliche Dokumentation und lässt sich deshalb nicht feststellen, welche Ausschlusskriterien als “hart” und welche als “weich” behandelt wurden, liegt ein selbständig tragender beachtlicher Abwägungsmangel vor. Es kommt dann nicht darauf an, ob bestimmte Ausschlusskriterien zu Recht als harte Tabuzonen angesehen wurden.
113Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 39 ff..
114Den danach zu stellenden Anforderungen wird der Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der Fassung der 23. Änderung nicht gerecht, weil bei der Ermittlung der Potenzialflächen bereits nicht hinreichend zwischen harten und weichen Tabuzonen unterschieden und dies dokumentiert wurde (aa)). Dies führt selbstständig tragend zur Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans. Ungeachtet dessen weist die Planung der Beigeladenen aber auch weitere Mängel auf. So wird etwa die Ausscheidung von Landschaftsschutzgebieten aus den Potenzialflächen nicht nachvollziehbar begründet (bb)). Ein Bauschutzbereich des Flugplatzes Q. -I1. , zu dem ein Abstand von 2.000 m eingehalten werden soll, existiert nicht (cc)). Die pauschal festgelegten Mindestabstände zu einzelnen Nutzungen, wie etwa Siedlungsbereichen und Naturschutzgebieten, sind ebenfalls nicht tragfähig (dd)).
115aa)
116In der Begründung zur 23. Änderung des Flächennutzungsplans bleibt unklar, welche Bereiche die Beigeladene auf der Grundlage von harten, einer weiteren Abwägung nicht zugänglichen Kriterien ausgeschieden hat, und welche Bereiche zwar im Prinzip für eine Nutzung der Windenergie in Betracht kommen, aber aufgrund einer planerischen Entscheidung der Gemeinde dafür nicht zur Verfügung gestellt werden sollen. Eine ausreichende Differenzierung der Tabukriterien ist an keiner Stelle der Planbegründung dokumentiert worden. Die Beigeladene hat sich insgesamt nicht klar gemacht, welche Umstände einer Vorrangzonenausweisung per se entgegenstehen und welche einer Abwägung zugänglich sind. Auf welcher Grundlage sie insoweit Flächen ausgeschieden hat, ist nicht ersichtlich.
117Dies zeigt sich insbesondere auch bei der Festlegung von Schutzabständen um einzelne Flächennutzungen.
118Nach dem Inhalt des Erläuterungsberichts sind zunächst „Ausschluss- und Abstandflächen“ benannt worden, die im Folgenden als Restriktionsflächen bzw. Tabuzonen qualifiziert wurden. Während auf T. . 7 des Berichts dazu festgehalten wird, dass die Bestimmung insbesondere der Schutzabstände Bestandteil des planerischen Abwägungsermessens der Gemeinde sei – im Sinne der o.g. Begrifflichkeiten also „weiche“ Tabuzonen –, heißt es einleitend in den Ausführungen zu den „Folgerungen aus den Restriktionsflächenkartierungen / Einzelfallbetrachtung“, dass die „so gefundenen Potenzialflächen (…) das Ergebnis der strikten Anwendung der abstrakten Ausschlüsse und Abstände“ seien. Letzteres lässt im Widerspruch zu den vorangegangenen Darlegungen nur den Schluss zu, dass die Beigeladene die der Restriktionsflächenkartierung zugrunde liegenden Kriterien ihrer Planung jedenfalls zunächst als „harte“ im Sinne der Rechtsprechung zugrunde gelegt hat.
119Aber auch wenn man zugunsten der Beigeladenen annimmt, sie habe bislang eine Betrachtung des Gemeindegebiets unter Abstandsgesichtspunkten als „weiches“ Tabukriterium durchgeführt, ergibt sich keine ausreichend deutliche Differenzierung der angewandten Kriterien. Auch im Folgenden bleibt unklar, auf welcher Grundlage die Beigeladene ihre planerischen Entscheidungen getroffen hat, nachdem sie die von ihr aufgrund ihrer ersten Untersuchung gefundenen Potenzialflächen unter 3. einer „einzelfallbezogenen Betrachtung“ im Sinne einer „einzelfallbezogene<n> Verfeinerung der Selektionsparameter“ unterzogen hat (T. . 20).
120Bei der Überarbeitung der Abstände, die zu einzelnen Flächennutzungen eingehalten werden sollen, sind ausweislich des Erläuterungsberichts offenbar nicht sämtliche Nutzungen in den Blick genommen worden. Erwähnung finden – u.a. – Siedlungsbereiche, Gewerbegebiete und Landschaftsschutzgebiete, die ihrerseits – weiterhin –als nicht für die Windenergienutzung in Betracht kommend qualifiziert werden. In Bezug auf die Siedlungsbereiche wird lediglich festgehalten, dass die diesbezüglichen Abstände konstant bleiben; auf der Grundlage welcher Erwägungen, wird nicht ausgeführt. In Bezug auf Landschaftsschutzgebiete, Biotope und Naturdenkmale sowie Flächen nach § 1a BauGB wird die Auffassung vertreten, dass „zusätzliche Schutzbereiche nicht zwingend erscheinen“ würden und daher kein Abstand vorzusehen sei.
121Ob der Ausschluss bestimmter Flächennutzungen als Vorrangzone auf einer planerischen Abwägungsentscheidung oder auf § 1 Abs. 3 BauGB fußt, bleibt ebenfalls offen. Grundlegende Ausführungen dazu fehlen; im Erläuterungsbericht wird dies– wenn überhaupt – lediglich in Bezug auf die zu den einzelnen Flächennutzungen einzuhaltenden Abstände thematisiert, so bei den Ausführungen zu Landschaftsschutzgebieten (T. . 30) und in Bezug auf die Schutzzone um den Bauschutzbereich des Flugplatzes Q. -I1. (T. . 19).
122Soweit unter 3. als einer Vorrangzonenausweisung entgegenstehend eine Flächengröße von weniger als 25 ha angenommen wird, lässt sich dem Erläuterungsbericht erneut nicht entnehmen, ob es sich um ein hartes oder weiches Tabukriterium handelt. Die Begründung, Flächen dieser Größe seien „ungeeignet“, weil sie weniger als fünf Windenergieanlagen Raum böten, und deshalb als „nicht arrondierungsfähige Splitterflächen“ auszuscheiden, gibt Anlass zu der Annahme, es handele sich um ein indisponibles Kriterium. Die Erwägungen, die in der dann folgenden – ersten – Einzelfallbetrachtung der potenziellen Windvorrangflächen angestellt werden, beruhen dagegen offenbar auf einer abwägenden Entscheidung. Denn dort wird zum einen eine Fläche von deutlich weniger als 25 ha (Fläche 17: 13,8 ha) weiter in Betracht gezogen – und am Ende auch tatsächlich ausgewiesen. Zum anderen wird das Argument der zu geringen Flächengröße dann auch bei den zusammenhängend betrachteten Flächen 2, 3 und 4 ins Feld geführt, obwohl diese Flächen insgesamt 27,46 ha groß sind (T. . 23 unten). Die bauleitplanerische Aussagekraft, die dem Kriterium „Flächenmindestgröße“ zukommen soll, bleibt so offen.
123bb)
124Ein Fehler im Abwägungsvorgang liegt des Weiteren darin, dass Landschaftsschutzgebiete nach der Planbegründung ohne weitere Begründung – ebenso wie andere Flächennutzungen – aus den Potenzialflächen ausgeschieden worden sind, also wie harte Tabuzonen behandelt worden sind.
125Bei der Annahme sog. harter Tabuzonen ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Die Gemeinde muss im Blick behalten, dass eine von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sanktionierte Vollzugsunfähigkeit der Konzentrationszonenplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB – in harten Tabuzonen – nur dann gerechtfertigt ist, wenn das angenommene – zur harten Tabuzone leitende – tatsächliche oder rechtliche Hindernis für die Realisierung der Planung nicht noch absehbar auf einer nachfolgenden Zulassungsebene überwunden werden kann, es also zwangsläufig und auf Dauer eintreten wird.
126Vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 – 4 C 15.01 –, juris Rn. 17 und 20; OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 47.
127Diese Rechtsfolge ist schon allgemein in der Bauleitplanung tendenziell selten. Insbesondere bei der Flächennutzungsplanung ist sie aber im Ausgangspunkt auch aus weitergehenden Gründen die – wenn auch durch die unmittelbar wirkende positive wie negative Standortszuweisungsentscheidung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB relativierte – Ausnahme, weil der Flächennutzungsplan grundsätzlich noch auf eine Verfeinerung auf der nachgelagerten Planungs- und Einzelzulassungsebene angelegt ist.
128Zu den Flächen, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für eine Windkraftnutzung ausscheiden, werden daher regelmäßig nur Flächen mit offensichtlich zu geringer Windhöffigkeit, besiedelte Splittersiedlungen im Außenbereich als solche, zusammenhängende Waldflächen, Verkehrswege und andere Infrastrukturanlagen selbst, strikte militärische Schutzbereiche, Naturschutzgebiete (§ 23 BNatSchG), Nationalparke und Nationale Naturmonumente (§ 24 BNatSchG), Biosphärenreservate (§ 25 BNatSchG) und gesetzlich geschützte Biotope (§ 32 BNatSchG) zählen können. Darüber hinaus können unter Umständen je nach Planungssituation sowohl Landschaftsschutzgebiete (§ 26 BNatSchG) sowie Natura 2000-Gebiete (§ 31 ff. BNatSchG; FFH-Gebiete) als harte Tabuzonen behandelt werden.
129Vgl. OVG NRW, Urteile vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 49 ff., und vom 20.11.2012 – 8 A 252/10 –, juris Rn. 54; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2011 – OVG 2 A 2.09 –, juris Rn. 62 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2013 – 1 C 11003/12 –, juris Rn. 43 ff.
130Natur- und auch Landschaftsschutz stellen vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres und von vornherein harte Tabukriterien dar. Ihre Zuordnung zu § 1 Abs. 3 BauGB erfordert insbesondere mit Blick auf die Befreiungs- und Ausnahmemöglichkeiten zumindest einer auf das einzelne Gebiet bezogenen, näheren Begründung.
131Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O. Rn. 46, 68.
132Daran fehlt es. Auch im Rahmen der sog. zweiten Einzelfallbetrachtung (unter 3.4 der Planbegrünung) sind Landschaftsschutzgebiete als von vornherein nicht für eine Vorrangzonenausweisung in Betracht kommend ausgeschieden worden (T. . T. . 30; Bl. 423 BA III), indem ausgeführt wird, dass in Landschaftsschutzgebieten keine Windkraftanlagen stehen dürften, weil dadurch der Schutzzweck konterkariert werde. Die Prognose einer regelhaften Unvereinbarkeit der Windenergienutzung mit den in anderen Gebieten vorrangigen Funktionen und Nutzungen reicht für die Annahme einer harten Tabuzone nicht aus, sofern sich nicht aus den Merkmalen der jeweiligen Art des Vorranggebietes herleiten lässt, dass theoretisch denkbare Ausnahmen von der Unvereinbarkeit auf Einzelfälle beschränkt bleiben werden.
133Vgl. OVG Nds., Urteil vom 23.06.2016, a.a.O., juris Rn. 71.
134Dass Letzteres der Fall wäre, ist vorliegend nicht ersichtlich. Soweit der Ausschluss von Landschaftsschutzgebieten ergänzend damit begründet wird, dass diese „vorrangig Tallagen und bewaldete Bereiche abdecken“ würden und damit „für eine Windenergiennutzung kaum in Betracht“ kämen, ist dies zu allgemein, um die Annahme eines harten Tabukriteriums zu rechtfertigen. Dies gilt um so mehr, als eingangs des Erläuterungsberichts dargelegt worden war, dass das Gemeindegebiet insgesamt ausreichend windhöffig ist.
135cc)
136Die Festlegung einer Abstandfläche von 2.000 m um den im Flächennutzungsplan der Stadt Q. dargestellten Schutzbereich um den Flugplatz Q. -I1. erweist sich nicht als tragfähig, weil ein Bauschutzbereich nach § 12 LuftVG nicht festgelegt wurde, da der Landeplatz Q. -I1. kein Flughafen ist. Dies ist der Beigeladenen von der Bezirksregierung N1. als zuständiger Luftverkehrsbehörde mit Schreiben vom 18.07.2015 auch mitgeteilt worden.
137dd)
138Die angenommenen Mindestabstände zu bestimmten Flächennutzungen begegnen insgesamt Bedenken.
139Immissionsschutzrechtlich begründete Mindestabstände zu Siedlungsbereichen sind in der Regel dem Spektrum weicher Tabuzonen zuzurechnen, jedenfalls wenn sie zumindest auch der Verwirklichung des Vorsorgegrundsatzes des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG dienen. Immissionsschutzrechtlich bedingte harte Tabuzonen können nur ausnahmsweise solche Flächen sein, in denen mit dem Betrieb von Windkraftanlagen absehbar unüberwindbar zwangsläufig und auf Dauer zum Nachteil der Nachbarschaft gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG oder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen wird. Um dies festzustellen, kann die Gemeinde nicht regelhaft pauschal auf Mindestabstände zu Siedlungsflächen zurückgreifen und diese als harte Tabuzonen klassifizieren. Mindestabstände als solche sagen über die konkrete immissionsschutzrechtliche Realisierbarkeit einer Windenergienutzung in der Regel nichts Entscheidendes aus.
140Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, a.a.O., juris Rn. 55 unter Bezugnahme auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2013 – 1 C 11003/12 –, juris Rn. 38; BayVGH, Beschluss vom 21.01.2013 – 22 CS 12.2297 –, juris Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2011 – OVG 2 A 2.09 –, juris Rn. 65.
141Entsprechendes gilt für die vorgesehenen Abstände von 500 m zu Naturschutzgebieten. Welche Rechtsgrundlagen der Errichtung von Windenergieanlagen in diesen Abstandsflächen entgegenstehen sollen, ist der Satzungsfassung der Planbegründung nicht zu entnehmen. Entsprechendes gilt für den zu Straßennutzungen festgelegten Abstand von 100 m, zu dem lediglich ausgeführt wird, dass pauschal von einem Mindestabstand von 100 m ausgegangen werde, weil die „Größe der <Windenergie> Anlagen nicht bekannt“ sei.
142c)
143Die Fehler im Abwägungsvorgang sind gemäß §§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB 2004 beachtlich.
144Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist offensichtlich, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Mitglieder des Rats über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist. Er ist auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre.
145Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11 –, juris Rn. 16 m. w. O. .
146Dass die Beigeladene die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen nicht dokumentiert hat, ist objektiv unter Auswertung der Aufstellungsvorgänge feststellbar. Ebenso ist objektiv feststellbar, dass die von ihr verwendeten Suchkriterien im Wesentlichen die Annahme harter Tabuzonen der Sache nach nicht tragen. Diese Fehler sind auf das Abwägungsergebnis offensichtlich von Einfluss gewesen, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass mehr oder größere Vorrangflächen für die Windenergienutzung dargestellt worden wären, wenn die Beigeladene sich die Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen vor Augen geführt hätte. Sie wäre dann womöglich zu dem Resultat gelangt, dass der Windenergie in ihrem Gemeindegebiet mehr Platz eingeräumt werden muss, damit die Forderung der substantiellen Raumverschaffung erfüllt wird.
147d)
148Mangels wirksamer Ausweisung von Vorrangzonen ist auch die an sie anknüpfende Festsetzung einer Höhenbegrenzung von 100 m unwirksam und kann dem Vorhaben des Klägers nicht entgegengehalten werden.
149Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen (nur) dann nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen – für sich betrachtet – noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können (Grundsatz der Teilbarkeit) und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen mit Sicherheit auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Plangebers). Diese Regel stellt die bauplanungsrechtliche Konkretisierung eines allgemeinen Rechtsgedankens dar, der auch in anderen Rechtsgebieten gilt und etwa in § 139 BGB oder § 44 Abs. 4 VwVfG zum Ausdruck gelangt. Er bewirkt, dass nicht jeder Planungsfehler zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans führen muss, solange der fehlerfreie Teil des Plans noch (objektiv) sinnvoll bleibt und – mit Sicherheit – (subjektiv) vom Planungswillen der Gemeinde getragen wird. Die Erklärung der Teilunwirksamkeit darf nicht zu einer Verfälschung des kommunalen Planungskonzepts beitragen. Vielmehr ist der Gemeinde im Zweifel die Möglichkeit zu einer neuen planerischen Gesamtentscheidung zu eröffnen.
150Vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.02.2013 – 2 D 108/11.NE –, juris Rn. 106 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.02.2009 – 4 C. 54.08 –, juris Rn. 5, Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07 –, juris Rn. 30, Beschlüsse vom 06.04.1993 – 4 NB 43.92 –, juris Rn. 11, vom 29.03.1993 – 4 NB 10.91 –, juris Rn. 27, vom 20.08.1991 – 4 NB 3.91 –, juris Rn. 16 ff., und vom 08.08.1989 – 4 NB 2.89 –, juris Rn. 14 ff.
151Auf dieser Grundlage kann nicht von einem mutmaßlichen Willen der Beigeladenen ausgegangen werden, dass sie die Höhenbegrenzung auf 100 m auch ohne die Ausweisung von Vorrangflächen für die Windenergie beschlossen hätte. Gegen diese Annahme spricht bereits, dass die Höhenbegrenzung eben nur auf die Vorrangzonen bezogen war und sich aus den Vorgängen zur 23. Änderung des Flächennutzungsplans nichts ergibt, was einen entsprechenden örtlichen Bezug, der unzweifelhaft gewollt war, ergeben könnte.
1522.
153Die mit der 17. Änderung des Flächennutzungsplans aufgenommene Höhenbegrenzung kann dem Vorhaben des Klägers ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Rügen gegen die am 18.07.2001 im Amtsblatt des Beklagten bekanntgemachte 17. Änderung selbst sind aufgrund der Planerhaltungsvorschriften zwar nicht mehr beachtlich (dazu unter a)). Beachtlich ist aber die vom Kläger gegen die mit der 8. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen erfolgte Ausweisung von Windvorrangzonen erhobene Rüge einer fehlerhaften Offenlegung (b)), und die mit der 17. Änderung erfolgte Höhenbegrenzung ist ohne die 8. Änderung gegenstandslos und damit unwirksam (c)).
154a)
155Die 17. Änderung enthält in der Bekanntmachung vom 18.07.2001 einen im Ergebnis nicht zu beanstandenden Hinweis nach § 215 BauGB 1997. Er entspricht dem Gesetzestext lediglich insoweit nicht, als die Darlegungsanforderungen nach § 215 Abs. 1, 2. Halbsatz BauGB 1997 nur auf die Mängel der Abwägung bezogen worden sind. Eine relevante Irreführung geht damit nicht einher. Der Kläger macht diesbezüglich auch nichts geltend, er bezieht sich vielmehr in diesem Zusammenhang allein darauf, dass die Ausweisung von Vorrangzonen in der 8. Änderung abwägungsfehlerhaft war und dies noch rügefähig ist, weil der nach § 215 Abs. 2 BauGB erforderliche Hinweis unzutreffend war.
156b)
157Die 8. Änderung des Flächennutzungsplans ist unwirksam. Die Vorschriften über die Beteiligung der Bürger nach § 3 Abs. 2 BauGB 1987 wurden verletzt (aa)). Die vom Kläger diesbezüglich erhobene Rüge ist nach wie vor beachtlich (bb)).
158aa)
159Die Auslegungsbekanntmachung der 8. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen im Amtsblatt des Beklagten vom 30.12.1996 hat die Anstoßwirkung nach § 3 Abs. 2 BauGB 1987 nicht entfaltet. Es wird nicht erkennbar, dass die Beigeladene eine mit der Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gekoppelte Darstellung von Vorrangzonen für die Windenergie plante.
160Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1987 sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit dem Erläuterungsbericht oder der Begründung auf die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Ort und Dauer der Auslegung mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekanntzumachen mit dem Hinweis darauf, dass Bedenken und Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können.
161Der Begriff der Anstoßfunktion kennzeichnet schlagwortartig die Anforderungen, die an die in § 3 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung des Ortes und der Dauer der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne zu stellen sind. Die Bekanntmachung muss in einer Weise geschehen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Abgabe einer Stellungnahme bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Sie soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Ihre Aufgabe ist es nicht, über den Inhalt der angelaufenen Planung selbst so detailliert Auskunft zu geben, dass die Einsichtnahme in die Planunterlagen am Ort der Auslegung entbehrlich wird. Erforderlich ist, dass die Bekanntmachung erkennen lässt, welches Planungsvorhaben die Gemeinde betreiben will. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Bürger in die Lage versetzt wird, das Vorhaben einem bestimmten Raum zuzuordnen. Ein Flächennutzungsplan, der Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten soll, entfaltet durch die Festlegung von Konzentrationszonen für Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB regelmäßig Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet, es sei denn, die Gemeinde macht von der Ermächtigung in § 5 Abs. 2b BauGB Gebrauch, einen sachlichen Teilflächennutzungsplan aufzustellen. Erfasst die in Aussicht genommene Kombination von Konzentrations- und Ausschlusszonen das gesamte Gemeindegebiet, erfüllt die Bekanntmachung jedenfalls dann ihre Anstoßfunktion, wenn sie kenntlich macht, dass die Grenzen des Geltungsbereichs des in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans mit den Gemeindegrenzen übereinstimmen sollen.
162Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.09.2008 – 4 BN 22/08 –, juris Rn. 4 f. m.w.O. . auf die Rechtsprechung.
163Dass sich der Geltungsbereich des Flächennutzungsplans in der Fassung der 8. Änderung aufgrund des Ausschlusses von Windenergienutzungen außerhalb der Vorrangzonen auf das gesamte Gebiet der Beigeladenen erstreckt, ist der öffentlichen Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung nicht zu entnehmen.
164Dass mit der 8. Änderung des Flächennutzungsplans durch die Darstellung von Flächen für die Windenergienutzung beabsichtigt war, derartige Vorhaben außerhalb dieser Flächen künftig auszuschließen, ergibt sich erst aus der Offenlegungsfassung des Erläuterungsberichts, der entsprechend tituliert ist und in dem ausdrücklich ausgeführt wird, dass die kommerzielle Windenergienutzung in den außerhalb liegenden Bereichen ausgeschlossen werden soll. Das daraus resultierende Erfordernis, in der Auslegungsbekanntmachung deutlich zu machen, dass sich die 8. Änderung des Flächennutzungsplans auf das gesamte Gemeindegebiet bezog, wird nicht dadurch relativiert, dass diese bereits am 30.12.1996 erfolgte, also vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs vom 30.07.1996 (BGBl. I T. . 1189) am 01.01.1997. Die Festsetzung von Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan in Kombination mit einer Ausschlusswirkung im Übrigen war bereits vor der mit diesem Gesetz erfolgten Ergänzung des § 35 Abs. 3 BauGB um eine dem heutigen Satz 3 entsprechende Regelung möglich und zulässig
165– vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 – 4 C 57/84 –, juris Rn. 25 ff.; OVG NRW, Urteil vom 20.11.2012 – 8 A 252/10 –, juris Rn. 61 –
166und – wie gesehen – von der Beigeladenen auch gerade beabsichtigt.
167Indem sowohl in der Auslegungsbekanntmachung selbst als auch in der Inhaltsübersicht des Amtsblatts Nr. 59 vom 30.12.1996 von der 8. Änderung des Flächennutzungsplans „in den Ortsteilen F1. , E. und O1. “ bzw. „für die Ortsteile F1. , E. und O1. “ die Rede ist, der Begriff der Windvorrang- oder -konzentrationsfläche an keiner Stelle verwendet wird
168– vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.07.2002 – 7 A 860/01 –, juris Rn. 69: „Als "erster informativer Hinweis" reicht die Umschreibung des Planungsvorhabens als "Vorrangzone für Windkraftanlagen" im Rahmen der Flächennutzungsplanung aus, denn diese Umschreibung lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass die Planung nach dem nunmehr geltenden Recht auch von Bedeutung für das übrige Gemeindegebiet sein kann.“ –
169und die beigefügten Übersichtspläne lediglich die ins Auge gefassten Flächen für die Errichtung von Windenergieanlagen zeigen, wird nicht ansatzweise deutlich, dass die beabsichtigte Planänderung sich nicht nur auf die benannten (Orts-)Teile, sondern auf das gesamte Gemeindegebiet der Beigeladenen bezieht. Insofern ermöglicht die Bekanntmachung nicht allen betroffenen Bürgern eine vorläufige Entscheidung darüber, ob die städtebauliche Planungsabsicht der Beigeladenen für sie von Interesse sein könnte. Der „erste informative Hinweis“, der der Offenlegungsbekanntmachung insbesondere mit Blick auf das Plangebiet abgefordert wird,
170vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1984 – 4 C 22/80 –, juris Rn. 17 a.E.,
171ist daher unzulänglich.
172bb)
173Der nach § 215 Abs. 2 BauGB 1987 erforderliche Hinweis die Rügeobliegenheit nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1987 in der Schlussbekanntmachung der 8. Änderung im Amtsblatt vom 06.08.1997 war unzutreffend.
174Nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1987 ist eine Verletzung der in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres gerügt wird. Eine beachtliche Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften liegt nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB 1987 vor, wenn – wie hier – die Vorschriften über die Beteiligung der Bürger nach § 3 Abs. 2 BauGB verletzt worden sind. Da in der Bekanntmachung der 8. Änderung nicht auf die Rügefrist betreffend Verfahrens- und Formvorschriften nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BauGB 1987, sondern nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB hingewiesen wird, ist die vom Kläger erhobene Rüge, § 3 Abs. 2 BauGB sei verletzt worden, nach wie vor beachtlich. Der fehlerhafte Hinweis in der Schlussbekanntmachung war ohne Weiteres geeignet, einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und einen Betroffenen davon abzuhalten, eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften gegenüber der Gemeinde geltend zu machen.
175Der zutreffende Hinweis in der Bekanntmachung der 17. Änderung des Flächennutzungsplans vom 18.07.2001 führt nicht dazu, dass die fehlerhafte Auslegungsbekanntmachung der 8. Änderung nicht mehr beachtlich ist. Mit der 17. Änderung ist die 8. Änderung weder ausdrücklich noch sinngemäß erneut bekannt gemacht worden; dies wäre aber – mindestens – erforderlich, um die Rügefrist nach § 215 Abs. 1 BauGB diesbezüglich in Lauf zu setzen und infolgedessen einen Rügeverlust eintreten zu lassen.
176c)
177Die 17. Änderung bezieht sich in der mit dem Plan enthaltenden textlichen Festsetzung ausdrücklich auf die Flächenausweisung, die mit der 8. Änderung erfolgt ist und überschreibt diese mit einer Höhenbegrenzung. Anhaltspunkte dafür, dass der Plangeber eine Höhenbegrenzung auch ohne eine vorherige – wirksame – Vorrangzonenausweisung vorgenommen hätte, sind nicht gegeben mit der Folge, dass die durch die 17. Flächennutzungsplanänderung erfolgte Höhenbegrenzung unwirksam ist.
178Entsprechend der Ausführungen zur 23. Änderung kann auch in Bezug auf die 17. Änderung des Flächennutzungsplans nicht davon ausgegangen werden, dass die Höhenbegrenzung auf 100 m ohne die zuvor mit der 8. Änderung erfolgte Ausweisung von Vorrangflächen für die Windenergie beschlossen worden wäre. Vielmehr spricht alles dafür, dass – hätte sie die Unwirksamkeit der mit der 8. Änderung erfolgten Flächenausweisung erkannt – die Beigeladene die Höhenbegrenzung zusammen mit einer erneuten Vorrangzonenausweisung erlassen hätte, weil letztere für sie von grundlegender Bedeutung auch bei der Begrenzung der zulässigen Höhe von Windenergieanlagen war. Insofern besteht zwischen der Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windkraft und der Höhenbegrenzung ein untrennbarer Zusammenhang, der ungeachtet dessen, dass die Höhenbegrenzung in einem von der Vorrangzonenausweisung getrennten Verfahren erfolgt ist, zur Unwirksamkeit auch der 17. Änderung führt.
179Mangels Wirksamkeit auch der 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen widersprechen die Darstellungen im Flächennutzungsplan nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB der Errichtung der vom Kläger beabsichtigten Errichtung einer insgesamt knapp 180 m hohen Windenergieanlage nicht.
1803.
181Da zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine anderen Gründe ersichtlich waren, die einer Genehmigungserteilung definitiv entgegenstehen würden, war der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 10.07.2015 rechtswidrig. Soweit das mangelnde Entgegenstehen der Höhenbegrenzung sich auf darauf gründet, dass im Flächennutzungsplan der Beigeladenen keine wirksame Vorrangzonenausweisung erfolgt ist, führt dies zwar dazu, dass der Vorhabenstandort nicht mehr innerhalb einer Vorrangzone liegt. Das Vorhaben bleibt aber nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert.
182II.
183Der Kläger hat über den aus den vorstehenden Ausführungen folgenden Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags hinaus keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verpflichtet wird. Es kann nicht im Sinne einer Spruchreife festgestellt werden, dass sämtliche Voraussetzungen nach §§ 6 Abs. 1, 5 BImSchG vorliegen. U.a. sind genehmigungsbedürftige Anlagen nach 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erheblichen Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Vorliegend fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Feststellung, dass die vom Kläger geplante Anlage nicht zu unzulässigen Turbulenzbelastungen führt bzw. sie diesen selbst nicht ausgesetzt wird. Das vom Kläger im Genehmigungsverfahren vorgelegte Gutachten bedarf nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten einer Überarbeitung; außerdem fehlt eine zusätzliche Begutachtung zum Eiswurf. Darüber hinaus ist nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht noch der Vorlage einer überarbeiteten Typenprüfung erforderlich.
184Das Urteil, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ersetzt das gemeindliche Einvernehmen nur im Umfang der planungsrechtlichen Entscheidungsreife.
185Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.06.2003 – 4 C. 14.03 –, juris Rn. 8.
186Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
187Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.