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Verwaltungsgericht Minden, 10 L 258/18.A

Datum:
16.03.2018
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 L 258/18.A
ECLI:
ECLI:DE:VGMI:2018:0316.10L258.18A.00
 
Schlagworte:
Asylverfahren, Behandlung, unmenschliche oder erniedrigende, flüchtig, Italien, Mitgliedstaat, Schwachstelle, systemisch, Überstellungsfrist, Zuständigkeit
Normen:
EMRK Art 3; GrCh Art 4;; VO 604/2013 Art 3 Abs 2 Unterabs 2;; VO 604/2013 Art 29 Abs 2 Satz 2
Leitsätze:

1. Grundvoraussetzung dafür, dass eine zu überstellende Person i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO 604/2013 flüchtig ist, ist, dass sie sich für einen nicht unerheblichen Zeitraum aus von ihr zu vertretenden Gründen an einem Ort aufhält, der den zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats nicht bekannt ist.

2. Wird eine zu überstellende Person anlässlich eines Überstellungsversuchs zu einer Zeit nicht in ihrer Unterkunft angetroffen, zu der nach der allgemeinen Lebenserfahrung damit zu rechnen ist, dass sie sich dort aufhält (im konkreten Fall: 4:30 Uhr), ist dies ein starkes Indiz dafür, dass sie flüchtig ist. In einem solchen Fall hat die betreffende Person im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 15 AsylG plausibel darzulegen, dass sie nicht flüchtig war, indem sie konkret darlegt, wann sie sich wo zu welchem Zweck aufgehalten hat, und ihre Angaben ggf. unter Beweis zu stellen.

3. Eine zu überstellende Person ist unabhängig davon flüchtig, ob der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt der Information des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin nicht bekannt ist, wo sie sich aufhält (entgegen VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 -, juris, Rn. 20).

4. Hält sich eine zu überstellende Person ohne Mitteilung an die Ausländerbehörde für einen Zeitraum von mehreren Tagen (im konkreten Fall: sieben) nicht in ihrer Unterkunft auf, nimmt sie unabhängig davon, ob ihr ein konkreter Abschiebungstermin bekannt war, zumindest billigend in Kauf, dass eine für diesen Zeitraum vorgesehene Abschiebung nicht durchgeführt werden kann.

5. Asylbewerber, die in Italien noch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, laufen im Falle ihrer Überstellung nach Italien keine Gefahr, dort aufgrund von systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingun-gen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass ihnen im Falle der Gewährung von Flüchtlings- oder subsidiärem Schutz durch die italienischen Behörden in Italien möglicherweise die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GrCh droht.

 
Tenor:

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Antragsteller.

 
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