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Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2009 verpflichtet, den am 26. September 2008 angezeigten Zeckenbiss als Dienstunfall anzuerkennen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin steht als Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. In der Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 begleitete sie als Leiterin eine Klasse bei einer genehmigten Klassenfahrt nach N. im T. . Unter dem 26. September 2008 zeigte sie an, dass sie während einer Wanderung im Waldgebiet von N. von einer Zecke gestochen worden sei. Durch den Zeckenstich sei sie mit einer Borreliose infiziert worden. Die Angaben der Klägerin wurden von den begleitenden Lehrerinnen bestätigt.
3Durch Bescheid vom 10. November 2008 lehnte die Bezirksregierung Münster den Antrag auf Anerkennung des Zeckenstiches als Dienstunfall mit der Begründung ab, bei einem Zeckenstich, den eine Lehrerin bei einer Wanderwoche mit der Schulklasse erleide, verwirkliche sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, dem der spezifische Zusammenhang mit dem Beamtenrecht fehle. Es handele sich hierbei rechtlich um eine unbeachtliche Gelegenheitsursache.
4Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2009 zurück.
5Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie habe sich durch den Zeckenstich anlässlich einer Wanderung während der Klassenfahrt nach N. mit einer Borreliose infiziert. Bei dem Zeckenstich im Rahmen des Waldspaziergangs handele es sich um einen Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG -. Dienstunfall im Sinne der vorgenannten Vorschrift sei ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten sei. Sie sei unstreitig im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit, zu der auch die Betreuung einer Klassenfahrt gehöre, von einer Zecke gestochen worden. Die Schädigung sei kausal im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit verursacht worden. Um eine Gelegenheitsursache, wie vom beklagten Land angenommen, handele es sich nur, wenn zwischen dem Schaden und der dienstlichen Tätigkeit eine rein zufällige Beziehung bestehe. Dies sei der Fall, wenn das schädigende Ereignis alltäglich, insbesondere auch im privaten Bereich, hätte vorkommen können. In ihrem Fall sei jedoch zu berücksichtigen, dass sie an einer Schule im städtischen Bereich tätig sei und auch in der Stadt wohne. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne daher ein Zeckenstich sowohl im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im geschlossenen Klassenzimmer als auch im privaten Lebensumfeld ausgeschlossen werden. Da es sich bei der Betreuung der Klassenfahrt um eine dienstliche Verpflichtung gehandelt habe und es ohne die Teilnahme an der Waldwanderung nicht zu einer entsprechenden Gefährdungssituation gekommen wäre, sei die Schädigung kausal im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit verursacht worden.
6Die Klägerin beantragt,
7das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2009 zu verpflichten, den am 26. September 2008 angezeigten Zeckenbiss im Rahmen der durch die Klägerin geleiteten Klassenfahrt als Dienstunfall im Sinne von § 31 BeamtVG anzuerkennen.
8Das beklagte Land beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung wird vertiefend ausgeführt, die Anerkennung als Dienstunfall setze einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes voraus. Die besondere Dienstbezogenheit könne nur angenommen werden, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade einer bestimmten Erkrankung in sich berge. Bei einem Zeckenbiss, den ein Lehrer während einer Wanderung mit einer Schulklasse erleide, verwirkliche sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, dem der spezifische Zusammenhang mit dem Beamtendienst fehle. Der amtsgemäße Aufgabenbereich einer Lehrkraft sei nicht durch einen planvollen Einsatz im Außenbereich gekennzeichnet.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des von ihr angezeigten Zeckenstiches als Dienstunfall; die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
14Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Stich einer Zecke ist ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches Ereignis im Sinne der genannten Vorschrift, durch das ein Körperschaden verursacht wird. Fallbezogen ist dieses Ereignis örtlich und zeitlich bestimmbar und in Ausübung bzw. infolge des Dienstes eingetreten.
15Ein Körperschaden liegt vor, wenn der physische oder psychische Zustand eines Menschen für eine bestimmte Mindestzeit ungünstig verändert ist, wobei es auf die Schwere des Körperschadens grundsätzlich nicht ankommt und auch kleinere Körperschäden rechtserheblich sind, wenn der Schaden aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitzt. Eine Behandlungsbedürftigkeit ist nicht erforderlich. Gemessen hieran bewirkt ein Zeckenstich einen Körperschaden. Neben der Hautverletzung ist hier durch den Stich eine Infektion mit Borreliose erfolgt.
16Die Anforderungen des § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG an die örtliche und zeitliche Bestimmbarkeit des als Dienstunfall geltend gemachten Ereignisses sind ebenfalls erfüllt. Ein Ereignis ist örtlich und zeitlich bestimmbar, wenn sich genau feststellen lässt, wann und wo sich das Ereignis abgespielt hat. Ist der genaue Zeitpunkt eines plötzlichen Unfallereignisses später nicht mehr bestimmbar, weil es zunächst unbemerkt geblieben ist und zeitlich keine unmittelbaren Folgen hatte, so muss es zumindest in einem kurzen Zeitraum stattgefunden haben, der konkret bestimmbar ist.
17Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.01.2006 - 2 B 46.05 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C II 3.1, Nr. 88.
18Hiernach ist das Ereignis örtlich und zeitlich bestimmbar, weil, vom beklagten Land insoweit auch nicht bestritten, die Klägerin am 00.00.0000 nachmittags von einer Zecke gestochen worden ist. Dies ist im Übrigen auch so von den begleitenden Lehrerinnen bestätigt worden. Die Klägerin hat den Zeckenstich im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG auch in Ausübung bzw. infolge des Dienstes erlitten. Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben dem Kausalitätszusammenhang zwischen Ereignis und Schaden einen bestimmten Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes. Insoweit genügt nicht jedweder ursächlicher Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes, vielmehr bedarf es einer besonders engen ursächlichen Verknüpfung mit dem Dienst, da der Vorschrift des § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG nach ihrem Sinn und Zweck das Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse im Dienst durch den Dienstherr zugrundeliegt. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Soweit das beklagte Land hierzu die Auffassung vertreten hat, es fehle an der besonderen Dienstbezogenheit, bei einem Zeckenbiss, den ein Lehrer während einer Wanderung mit einer Schulklasse erleide, verwirkliche sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, dem der spezifische Zusammenhang mit dem Beamtendienst fehle, ist diese Argumentation rechtlich nicht haltbar.
19Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungen vom 26. Februar 2008 - 2 B 135/07 - und vom 3. Dezember 2008 - 2 B 72/08 -, jeweils juris, entschieden, dass ein Unfall, den ein Lehrer während einer Klassenfahrt erleidet, jedenfalls dann in Ausübung des Dienstes im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG geschehe, wenn der Lehrer aus dienstlichen Gründen gehalten war, die ihm anvertrauten Schüler auch im Freien zu beaufsichtigen. Dies war hier bei der Klägerin - unbestritten - der Fall. Die danach erforderliche besonders enge ursächliche Verknüpfung mit dem Dienst ist daher hier ohne Weiteres gegeben.
20Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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