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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
G r ü n d e :
2I.
31. Der Beschwerdeführer wendet sich unmittelbar gegen § 2 Abs. 1a, § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 7. Januar 2021 (GV. NRW. S. 2b). § 2 CoronaSchVO lautet auszugsweise:
4„(1) Partys und vergleichbare Feiern sind generell untersagt.
5(1a) Ansammlungen und ein Zusammentreffen von Personen sind im öffentlichen Raum nur zulässig, wenn nach den nachfolgenden Regelungen der Mindestabstand unterschritten werden darf oder wenn die Ansammlung oder das Zusammentreffen nach anderen Vorschriften dieser Verordnung unter Wahrung des Mindestabstands ausdrücklich zulässig ist.
6(1b) Im öffentlichen Raum ist zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern (Mindestabstand) einzuhalten, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist oder die Einhaltung des Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist.
7(2) Der Mindestabstand darf unterschritten werden
81. zwischen Personen des eigenen Hausstandes,
91a. beim Zusammentreffen von Personen eines Hausstandes mit höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand, die von zu betreuenden Kindern aus ihrem Hausstand begleitet werden kann,
102. wenn dies zur Begleitung und Beaufsichtigung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen oder aus betreuungsrelevanten Gründen erforderlich ist sowie zur Wahrnehmung von Umgangsrechten,
113. bei der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen, der Kindestagespflege und heilpädagogischen Einrichtungen sowie bei Angeboten der Kinderbetreuung in besonderen Fällen (Brückenprojekte) nach Maßgabe der Coronabetreuungsverordnung,
124. in Schulklassen, Kursen und festen Gruppen der Ganztagsbetreuung in öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen im Sinne des Schulgesetzes NRW einschließlich schulischer Veranstaltungen außerhalb der Schulgebäude nach Maßgabe der Coronabetreuungsverordnung,
135. durch Kinder bei der Nutzung von Spielplätzen im Freien,
146. bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen,
157. in Einsatzsituationen von Sicherheitsbehörden, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz,
168. bei zwingenden Zusammenkünften zur Berufsausübung,
179. bei den nach dieser Verordnung zulässigen dringend erforderlichen Veranstaltungen zur Jagdausübung bezogen auf feste und namentlich dokumentierte Gruppen von jeweils höchstens fünf Personen innerhalb der Gesamtgruppe der Teilnehmer,
1810. zwischen nahen Angehörigen bei Beerdigungen und standesamtlichen Trauungen sowie Zusammenkünften unmittelbar vor dem Ort der Trauung.
19(3) 1Soweit dies zur bestimmungsgemäßen Nutzung von nach dieser Verordnung zugelassenen Einrichtungen und Angeboten erforderlich ist, kann auf die Einhaltung des Mindestabstands verzichtet werden, wenn zur vollständigen Verhinderung von Tröpfcheninfektionen geeignete Schutzmaßnahmen (bauliche Abtrennung, Abtrennung durch Glas, Plexiglas oder ähnliches) vorhanden sind oder die Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske nach § 3 besteht. 2Dasselbe gilt für Ausbildungstätigkeiten oder Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann (körpernahe Ausbildungen, körpernahe Dienstleistungen).
20[…]“
21Die Vorschrift des § 18 CoronaSchVO lautet auszugsweise:
22„(1) Ordnungswidrigkeiten werden gemäß § 73 Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet.
23(2) Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1a Nummer 24 in Verbindung mit §§ 32, 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
241. entgegen § 2 Absatz 1 Partys oder vergleichbare Feiern veranstaltet oder daran teilnimmt,
251a. entgegen § 2 Absatz 1a in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1a im öffentlichen Raum entweder mit anderen Personen als Angehörigen des eigenen Hausstands und höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand zusammentrifft oder als Einzelperson mit anderen Personen als Angehörigen eines einzigen anderen Hausstands zusammentrifft […]“.
26§ 2 und § 18 CoronaSchVO sollten ursprünglich mit Ablauf des 31. Januar 2021 außer Kraft treten. Inzwischen hat der Verordnungsgeber ihre Geltungsdauer bis zum Ablauf des 14. Februar 2021 erweitert. Die hier streitige Bestimmung des § 2 Abs. 1a CoronaSchVO gilt unverändert fort. Absatz 2 des § 18 CoronaSchVO gilt ab dem 30. Januar 2021 in folgender Fassung:
27„(2) Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1a Nummer 24 in Verbindung mit §§ 32, 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
281. entgegen § 1 Absatz 3 Satz 5 Zusammenkünfte mit mehr als zehn Teilnehmenden nicht oder nicht rechtzeitig anzeigt,
291a. entgegen § 2 Absatz 1 Partys oder vergleichbare Feiern veranstaltet oder daran teilnimmt,
301b. entgegen § 2 Absatz 1a in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1a im öffentlichen Raum entweder mit anderen Personen als Angehörigen des eigenen Hausstands und höchstens einer Einzelperson aus einem anderen Hausstand zusammentrifft oder als Einzelperson mit anderen Personen als Angehörigen eines einzigen anderen Hausstands zusammentrifft, wobei die Einzelperson von zu betreuenden Kindern aus ihrem Hausstand begleitet werden kann, […]“.
312. Mit seiner Verfassungsbeschwerde und seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte, insbesondere der Menschenwürde (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 2 Abs.1 GG). Ferner seien die angegriffenen Bestimmungen nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Es fehle an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der streitigen Regelungen, weil das darin geregelte Kontaktverbot im Hinblick auf seine Erstreckung auf das gesamte Land Nordrhein-Westfalen nicht von der in der Verordnung genannten Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Es lägen ferner Verstöße gegen den Wesentlichkeits-, den Bestimmtheits- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor.
32II.
33Die Verfassungsbeschwerde und der damit verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zu Gunsten des Beschwerdeführers dahingehend auszulegen, dass sie sich (auch) gegen § 2 Abs. 1a, § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b CoronaSchVO in der bis zum 14. Februar 2021 geltenden Fassung richten. Insbesondere die begehrte Aussetzung des Vollzugs der angegriffenen Vorschriften ginge anderenfalls ins Leere.
34Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
35Nach § 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGHG) vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 400), kann der Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
361. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere steht ihm nicht die Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem fachgerichtlichen Eilrechtsschutz entgegen.
37Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 23. November 2020– VerfGH 179/20.VB-1, juris, Rn. 20, m. w. N.). Einen – jedenfalls im Hinblick auf § 2 Abs. 1a CoronaSchVO statthaften – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 VwGO i. V. m. § 109a JustizG NRW, für den das Oberverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig ist (vgl.VerfGH NRW, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 67/20.VB-1, NVwZ 2020, 1042 = juris Rn. 8) hat der Beschwerdeführer zwar selbst nicht gestellt. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in mehreren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anträge anderer Rechtsschutzsuchender auf vorläufige Aussetzung des Vollzugs des § 2 Abs. 1a CoronaSchVO (sowohl in der bis zum 30. Januar 2021 als auch in der bis zum 14. Februar 2021 geltenden Fassung) abgelehnt, weil die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags offen seien und die deshalb anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der jeweiligen Antragsteller ausfalle (vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Januar 2021 – 13 B 1899/20.NE, juris, und vom 2. Februar 2021 – 13 B 1661/20.NE, juris, Rn. 143 ff.).
38Vor dem Hintergrund ist es dem Beschwerdeführer gegenwärtig nicht zuzumuten, nun seinerseits zunächst einen Antrag beim Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 6 VwGO auf vorläufige Aussetzung des Vollzugs des § 2 Abs. 1a CoronaSchVO zu stellen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 23. November 2020– VerfGH 179/20.VB-1, juris, Rn. 22 m. w. N.).
392. Der Antrag ist unbegründet.
40a) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 VerfGHG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt sind, ist wegen der meist weitreichenden Folgen einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung ein strenger Maßstab anzulegen. Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Zudem sind erkennbare Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens den Grundrechtsschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit endgültig vereitelte. Ergibt in einem solchen Fall die Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz der schwere Nachteil für das gemeine Wohl im Sinne des § 27 Abs. 1 VerfGHG (vgl. zum Ganzen VerfGH NRW, Beschluss vom 23. November 2020 – VerfGH 179/20.VB-1, juris, Rn. 27, m. w. N.).
41b) Ausgehend davon kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Dahingestellt bleiben kann, ob die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde den sich aus § 18 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 VerfGHG ergebenden Begründungsanforderungen genügt. Sie ist weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet. Eine Folgenabwägung geht jedenfalls zu Lasten des Beschwerdeführers aus.
42aa) Wird ihm die einstweilige Anordnung versagt und hätte die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren Erfolg, weil die angegriffene Rechtsnorm den Beschwerdeführer in seinen in der Landesverfassung enthaltenen Rechten verletzt, wäre ihm das Zusammentreffen im öffentlichen Raum mit Personen aus mehr als einem Haushalt zu Unrecht bußgeldbewehrt untersagt worden. Der Beschwerdeführer hätte die damit verbundenen Einschränkungen seines Soziallebens ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung hinnehmen müssen.
43bb) Erginge die begehrte einstweilige Anordnung und bliebe der Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg versagt, würde mit der Außervollzugsetzung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum zu Unrecht in das Schutzkonzept des Verordnungsgebers eingegriffen, mit dem er nach der amtlichen Begründung zur Coronaschutzverordnung die Ausbreitung des Coronavirus weiterhin so einzudämmen versucht, dass sich Gefahren für das Leben und die Gesundheit sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems nicht realisieren. Dieses Ziel wird ausweislich der amtlichen Begründung zur Verordnung zur Änderung der Coronaschutzverordnung vom 7. Januar 2021, mit der die Geltungsdauer der streitgegenständlichen Bestimmungen bis zum 14. Februar 2021 verlängert wird, weiterhin verfolgt. Dort heißt es, trotz der seit dem 16. Dezember 2020 landesweit geltenden strikten Schutzmaßnahmen habe das Infektionsgeschehen noch nicht so begrenzt werden können, dass die Zahl der Neuinfektionen landesweit wieder unter den Wert von 100 oder gar 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern in einer Woche gesunken sei. Auch die Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen habe sich noch nicht entspannt und die Zahl der Verstorbenen mit einer Coronavirusinfektion steige weiterhin kontinuierlich an. Zu dieser damit weiterhin angespannten Infektionssituation kämen erhebliche zusätzliche Risiken durch das Auftreten mutierter Virusstämme, die nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko aufwiesen. Ein Außervollzugsetzen der § 2 Abs. 1a, § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b CoronaSchVO hätte damit – jedenfalls nach den dem Konzept des Verordnungsgebers zugrundeliegenden Annahmen – ernsthafte Gefahren für Leib und Leben Dritter zur Folge.
44cc) Vor dem Hintergrund der insoweit bestehenden Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers muss das Interesse des Beschwerdeführers an einer unverzüglichen Aufhebung der Kontaktbeschränkungen – derzeit – hinter dem Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Vollzug des zumindest nicht offensichtlich fehlsamen Konzepts des Verordnungsgebers, mit dem er seinen – auch derzeit dringlichen – verfassungsrechtlichen Auftrag zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG (vgl. VerfGH NRW, Beschlüsse vom 23. November 2020 – VerfGH 179/20.VB-1, juris, Rn. 47, und vom 29. Januar 2021 – VerfGH 16/21.VB-1, n. v.; BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2020 – 1 BvR 1630/20, juris, Rn. 25, m. w. N.) zu erfüllen sucht, zurücktreten. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung der besonderen gesundheitlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers, der nach seiner Schilderung an einer depressiven Problematik erkrankt und schwerbehindert ist und allein wohnt.
45Das berechtigte Interesse des Beschwerdeführers am Zusammentreffen mit anderen Menschen wird durch die geltenden Kontaktbeschränkungen empfindlich beeinträchtigt. Dies gilt umso mehr, als bereits im Frühjahr 2020 über einen längeren Zeitraum vergleichbare Beschränkungen bestanden. Die erneute Untersagung von Zusammentreffen im öffentlichen Raum, die über die Angehörigen eines Haushalts sowie einer weiteren Person (die von zu betreuenden Kindern aus ihrem Hausstand begleitet werden kann) hinausgehen, kann für eine Vielzahl von Menschen gravierende soziale Beeinträchtigungen sowie – insbesondere für Personen, die an psychischen Erkrankungen leiden – gesundheitliche Folgen haben.
46Eingegrenzt werden diese nachteiligen Auswirkungen indes zunächst durch die noch hinnehmbare Geltungsdauer des Verbots bis zum 14. Februar 2021. Daneben ist zu berücksichtigen, dass das Abstandsgebot und die damit im Zusammenhang stehenden Kontaktbeschränkungen nur Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum betreffen. Treffen in häuslicher Umgebung (mit Ausnahme von Partys und vergleichbaren Feiern, § 2 Abs. 1 CoronaSchVO) sind hingegen nicht verboten. Überdies sieht § 2 Abs. 2 CoronaSchVO eine Reihe von Ausnahmen, unter anderem bei Begleitung oder Beaufsichtigung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen, aus betreuungsrelevanten Gründen, bei zwingenden Zusammenkünften zur Berufsausübung und zwischen nahen Angehörigen bei Beerdigungen und standesamtlichen Trauungen vor. § 2 Abs. 2 Nr. 1a CoronaSchVO erlaubt überdies Zusammentreffen von Personen eines Hausstands mit höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand, die von zu betreuenden Kindern aus ihrem Hausstand begleitet werden darf. Hierdurch wird die Isolation alleinerziehender Elternteile vermieden und jedenfalls ein Mindestmaß zwischenmenschlicher Kontakte – auch für alleinlebende Personen wie den Beschwerdeführer – im öffentlichen Raum gewährleistet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 13 B 1899/20.NE, juris, Rn. 106).
47Außerdem hat sich die Landesregierung in § 19 Abs. 2 CoronaSchVO verpflichtet, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelungen fortlaufend zu überprüfen und sie insbesondere dem aktuellen Infektionsgeschehen und den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Verlauf der Covid-19-Pandemie anzupassen.
48Der Verordnungsgeber muss bei Umsetzung der von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder ohne rechtliche Verbindlichkeit beschlossenen Maßnahmen den konkreten tatsächlichen Verhältnissen im Land Nordrhein-Westfalen hinreichend Rechnung tragen. Hierzu gehören nicht nur die Feststellung und Bewertung der aktuellen Entwicklung der Pandemie in den maßgeblichen Gebieten und die Auswertung aktueller Erkenntnisse über die Ursachen ihrer weiteren Verbreitung. Die Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers muss insbesondere auch erkennbar und plausibel vom Prinzip der größtmöglichen Schonung der Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabeeinschränkungen Betroffenen geleitet sein. Unsicherheiten über die Ursachen der Ausbreitung des Coronavirus dürfen nicht ohne Weiteres „im Zweifel“ zu Lasten der Freiheits- und Teilhaberechte aufgelöst werden. Die Zumutung konkreter Einschränkungen bedarf umso mehr der grundrechtssensiblen Rechtfertigung, je unklarer der Beitrag der untersagten Tätigkeit zur Verbreitung des Coronavirus ist und je länger diese Einschränkung dauert. Gerade auf unsicherer Tatsachengrundlage darf der Verordnungsgeber sich nicht stets für das vermeintlich wirksamste Mittel entscheiden, sondern muss auch geringfügig weniger wirksame, aber erheblich schonendere Maßnahmen prüfen und erkennbar in seine Abwägung einbeziehen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 29. Januar 2021 – VerfGH 16/21.VB-1, n. v., S. 9 f. des Umdrucks).
49Aktuell ist in Nordrhein-Westfalen ein fortschreitendes Absinken der Inzidenzzahlen sowie der Anzahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle zu verzeichnen. So ist die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern in einer Woche seit dem am 23. Dezember 2020 erreichten bisherigen Höchstwert von 200,8 inzwischen auf 70,6 gesunken (Stand: 9. Februar 2021, siehe <https://www.lzg.nrw.de/inf_schutz/corona_meldelage/index.html>, zuletzt abgerufen am 9. Februar 2021). Die gemeldeten intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle haben sich von 1.167 am 3. Januar 2021 auf 727 verringert, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Zahl der freien Intensivbetten im gleichen Zeitraum von 846 auf 788 (jeweils ohne Notfallreservekapazität) zurückgegangen ist (Stand: 9. Februar 2021, siehe <https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/zeitreihen>, zuletzt abgerufen am 9. Februar 2021). Diese Indikatoren des jeweiligen Infektionsgeschehens hat der Verordnungsgeber ausweislich der amtlichen Begründung zur aktuellen Coronaschutzverordnung als maßgebliche Kriterien für die ergriffenen Maßnahmen eingestuft. Insofern ist jedenfalls die vom Verordnungsgeber in der amtlichen Begründung als „Zwischenziel“ formulierte Senkung der landesweiten Zahl der Neuinfektionen auf unter 100 je 100.000 Einwohnern in einer Woche zwischenzeitlich erreicht worden. Zwar handelt sich dabei aktuell noch um eine kurzfristige Entwicklung der jüngsten Vergangenheit, aus der sich vor einer hinreichenden Verstetigung noch keine Pflicht zur sofortigen Anpassung der Verordnung ableiten lassen dürfte. Allerdings obliegt dem Verordnungsgeber im Falle der weiteren Konsolidierung der Lage die Pflicht, sich über die fortdauernde Notwendigkeit der Maßnahmen neu zu vergewissern und (auch) künftig auf einer jeweils aktuellen, umfassenden Tatsachenbasis eine der Bedeutung der Freiheitsgrundrechte jederzeit gerecht werdende Entscheidung zu treffen.
50Das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschwerdeführers an der Außervollzugsetzung der Kontaktbeschränkungen wiegt damit zwar schwer. In Anbetracht des gebotenen strengen Maßstabes, der für den ausnahmsweisen Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuwenden ist, und unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers überwiegt es das Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit durch die vorliegend angegriffenen befristeten Maßnahmen jedoch hier nicht.
51Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG).