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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt aus Essen wird abgelehnt.
G R Ü N D E
2Der am 25.03.2021 bei Gericht eingegangene Antrag der Antragstellerin,
3den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen zur Finanzierung von FFP2-Masken in Höhe von monatlich 127,50 EUR, hilfsweise 85 Masken als Sachleistung zu gewähren,
4war abzulehnen.
5Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.
6Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf vorläufige Gewährung eines Mehrbedarfs für FFP2-Masken gem. § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
7Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R und Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, jeweils juris).
8Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Eine solche besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist nur zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91).
9Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) für Vornahmesachen dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, SGb 2015, 175, m.w.N. und vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, BVerfGK 20, 196). Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte bei rechtlichen Fragen: BVerfG Beschluss vom 27.05.1998, 2 BvR 378/98, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Anspruchs aus verfassungsrechtlichen Gründen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Grundrechte droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG Beschluss vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
10Bei der nach den obigen Grundsätzen gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage liegen weder Anordnungsgrund noch Anordnungsanspruch vor.
11Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass in ihrem Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf i. S. des § 21 Abs. 6 SGB II auf Versorgung mit medizinischen Masken über den gegen die gesetzliche Krankenversicherung bestehenden Leistungsanspruch nach der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung hinaus besteht.
12Ein solcher Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dies ist vorliegend zur Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.
13Das Gericht hält bereits die begehrte Anzahl von monatlich 85 FFP2-Masken für völlig überzogen. Aber auch bei Zugrundelegung eines solch hohen Bedarfs liegt kein Unabweisbarer Bedarf vor.
14Unter den Voraussetzungen des § 3 Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronaschutzverordnung – (CoronaSChVO) besteht die Verpflichtung zum Tragen einer sog. medizinischen Maske. Medizinische Masken im Sinne dieser Verordnung sind sogenannte OP-Masken, Masken des Standards FFP2 und höheren Standards. Ausreichend sind somit grundsätzlich OP-Masken. Ein Anspruch auf FFP2-Masken besteht zur Überzeugung des Gerichts daher nicht. OP-Masken sind bereits ab 0,06 EUR/Maske erhältlich. Legt man den mit der Antragschrift geltend gemachten Bedarf von 85 Masken/Monat zugrunde, ergibt sich ein Bedarf in Höhe von 5,10 EUR. Auch FFP2 Masken sind mittlerweile ab 0,46 EUR erhältlich. Hier würde sich ein rechnerischer Bedarf von 39,10 EUR ergeben. Aufgrund der gegenwärtig vorhandenen Einsparmöglichkeiten wird hier kein Anordnungsanspruch gesehen.
15Eine besondere Eilbedürftigkeit wird aus den o.g. Gründen ebenfalls nicht gesehen.
16Das Gericht folgt nicht der vom SG Karlsruhe (Beschluss vom 11.02.2021, 12 AS 213/21 ER) vertretenen und völlig abwegigen Rechtsauffassungen, wonach Bürger über die Regelungen in den Corona-Verordnungen hinaus zum Tragen von FFP2-Masken verpflichtet seien, da sie bei der Verwendung von sog. OP-Masken „zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der (gefährlichen) Körperverletzung im Wege der Gesundheitsschädigung durch eine Ansteckung in subjektiv bedingt vorsätzlicher Weise unmittelbar“ ansetzen würden (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 23.03.2021, L 13 AS 125/21 B ER).
17Der Antrag war daher abzulehnen.
18Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
19Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 73a S 1 SGG in Verbindung mit § 114 S 1 ZPO abzulehnen, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus den oben genannten dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.
20Rechtsmittelbelehrung:
21Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem
22Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg
23schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem
24Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
25schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
26Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
27- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
28- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
29Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.