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Quelle: © panthermedia.net / Jenny Sturm

Jugendkriminalität

Erscheinungsformen und Maßnahmen zur Bekämpfung

Der Straffälligkeit junger Menschen konsequent und zügig mit passgenauen Maßnahmen zu begegnen, ist eine zentrale Aufgabe der Justiz. Ziel ist es, junge Menschen, die kriminell geworden sind, in ein straffreies Leben zu führen.

Der Straffälligkeit junger Menschen konsequent und zügig mit passgenauen Maßnahmen zu begegnen, ist eine zentrale Aufgabe der Justiz. Ziel ist es, junge Menschen, die kriminell geworden sind, in ein straffreies Leben zu führen.

Erscheinungsformen

Die „typische“ Jugendkriminalität lässt sich durch drei wesentliche Merkmale wie folgt charakterisieren:
•    Sie findet sich durchgängig in allen gesellschaftlichen Schichten,
•    sie ist episodenhaft und auf eine vorübergehende Phase beschränkt und
•    sie ist im Bagatellbereich (z. B. "Schwarzfahren", Ladendiebstahl) angesiedelt.

Jugendliche und Heranwachsende befinden sich in einer Lebensphase der Identitätsfindung und Suche nach ihrer Rolle in der Gesellschaft. Normen, Werte und Regeln des Zusammenlebens haben sich bei ihnen noch nicht verfestigt. Sie erproben neue Verhaltensweisen, testen ihre Grenzen aus und versuchen, sich von der Welt der Erwachsenen abzugrenzen. Sie handeln spontan und oft dient ihr Verhalten der öffentlichen Selbstdarstellung. Junge Menschen können leicht durch ihr soziales Umfeld aus der Bahn geworfen werden. Im Gegenzug sind sie aber auch leichter wieder formbar. Vereinzelte Verfehlungen und Grenzüberschreitungen sind in dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Jugendtypische Straftaten wie das sog. Schwarzfahren, der Ladendiebstahl oder Auseinandersetzungen untereinander sind in der Regel kein Indikator für schwerwiegende Entwicklungs- oder Erziehungsdefizite. Sie erfordern eine Reaktion mit Augenmaß, die dem jungen Straftäter Grenzen aufzeigt, ohne einen Vertrauensbruch in gesellschaftliche und staatliche Institutionen herbeizuführen oder private und berufliche Zukunftsperspektiven zu nehmen. Ziel der jugendstrafrechtlichen Sanktionierung ist allein die Erziehung zu künftig straffreiem Verhalten. Hierzu reichen die Verpflichtung zur Ableistung von Arbeitsstunden in gemeinnützigen Einrichtungen oder die Verhängung von Zuchtmitteln in Form eines Jugendarrestes oftmals aus.

Den "typisch" straffälligen Jugendlichen steht allerdings eine Gruppe junger Straftäter und Straftäterinnen gegenüber, die als sogenannte Intensivtäter in Erscheinung treten und von der Öffentlichkeit mit Besorgnis wahrgenommen werden. In der Mehrzahl handelt es sich um jugendliche und heranwachsende Männer, die zahlreiche und zum Teil erhebliche Straftaten in kurzen Zeitabständen begehen. Sie wachsen oft sozial oder emotional vernachlässigt auf und verfügen frühzeitig über teils erhebliche Gewalterfahrungen. Zu sozialen Problemen und negativen Erfahrungen in Schule und Ausbildung kommt häufig eine allgemeine Perspektivlosigkeit hinzu. Ihre Lebensweise lässt befürchten, dass es sich nicht um eine bloße Episode handelt, sondern ihr Weg in ein von Kriminalität geprägtes Leben vorgezeichnet ist.

Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität

Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen haben unterschiedliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität getroffen, die gezielt auf die jeweiligen Tätergruppen zugeschnitten sind. Grundgedanke aller Maßnahmen ist die Vernetzung aller am Jugendstrafverfahren beteiligten Akteure und das Modell der kurzen Wege.

"Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte für den Ort"

Bei den Staatsanwaltschaften des Landes bearbeiten sogenannte "Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte für den Ort" sämtliche in der ihnen zugewiesenen Gemeinde bzw. dem ihnen zugewiesenen Stadtteil von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Straftaten. Diese kennen nicht nur die jungen Straftäter und ihr familiäres und soziales Umfeld, sondern auch besondere soziale Brennpunkte in der Gemeinde, Gefährdungslagen, auffällige Cliquenbildungen und kriminelle Peergroups. In enger und strukturell vernetzter Zusammenarbeit mit Polizei, Jugendhilfe und freien Trägern können sie effizient und ortsbezogen auf jugendliche Straftäter reagieren. Droht ein Jugendlicher auf die schiefe Bahn zu geraten, ist es wichtig, dass alle Beteiligte konsequent Hand in Hand zusammen arbeiten, um angemessene Sanktionen und Hilfsangebote abzustimmen, aber auch, um dem gefährdeten Jugendlichen die Konsequenzen seines Verhaltens unmissverständlich vor Augen zu führen. Zu ihrer Arbeit gehören zudem Besprechungen mit den verantwortlichen Partnern von Stadt und Polizei, die Planung und Durchführung von "Diversionstagen" und die Erarbeitung örtlich geprägter Intensivtäterkonzepte. Überdies stehen sie als örtliche Ansprechpartner/innen für alle mit der Jugendarbeit befassten Stellen, wie Schulen, Heime und Jugendtreffs zur Verfügung. Durch diese ortsbezogene Arbeitsweise hat jede Gemeinde einen für sie zuständigen Staatsanwalt bzw. eine zuständige Staatsanwältin.

"Staatsanwalt vor Ort" in Remscheid

Im Rahmen eines Projekts versieht eine Jugendstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Wuppertal zeitweise ihren Dienst vor Ort in den Räumen des Amtsgerichts Remscheid (sogenannter "Staatsanwalt vor Ort"). Sie steht dort als unmittelbare Ansprechpartnerin für Jugendrichter, Polizei, die Jugendgerichtshilfe und die Schulen zur Verfügung. Ihre Präsenz vor Ort schafft Zeit und Raum für eine intensive Kommunikation mit allen Beteiligten. Sie erhält so einen detaillierten Einblick in die Situation vor Ort und kann schnell und effektiv reagieren.

"Häuser des Jugendrechts für Intensivtäter“

Eine weitere qualitative Optimierung erreicht die Sachbearbeitung von Jugendstrafverfahren durch die Zusammenführung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe "unter einem Dach" im "Haus des Jugendrechts für Intensivtäter". Wenn staatliche Reaktionen auf massives sanktionsbedürftiges Fehlverhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden Wirkung entfalten sollen, müssen sie vor allem behördenübergreifend abgestimmt, zeitnah, individuell und spürbar sein. Bereits die Tatsache, dass Justiz und Polizei „Tür an Tür“ sitzen und der Jugendstaatsanwalt bzw. die Jugendstaatsanwältin jederzeit greifbar ist, ermöglicht eine besonders intensive Einwirkung auf die jungen Straftäterinnen und Straftäter. Sie kommen gleich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens mit der Jugendstaatsanwältin bzw. dem Jugendstaatsanwalt in Kontakt. Bereits während der Ermittlungen können ihnen die Folgen ihres Verhaltens deutlich gemacht und zugleich Handlungsoptionen - auch in unmittelbarem Austausch mit der Jugendgerichtshilfe - aufgezeigt werden. Ziel ist es, „kriminelle Karrieren“ abzuwenden und die Weichen für ein straffreies Leben zu stellen.

Häuser des Jugendrechts für Intensivtäter wurden in Köln (2009), Paderborn (2014), Dortmund (2016), Essen (2018) und Oberhausen (2020) errichtet; weitere sind geplant.

Verantwortlich: Ministerium der Justiz NRW, Abteilung III, Stand: 2022