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Quelle: Panthermedia/alphaspirit

Empfehlungen für leichtere Unternehmensnachfolge

Arbeitsgruppe unter der Federführung Nordrhein-Westfalens legt Abschlussbericht vor

Unter der Federführung Nordrhein-Westfalens hat eine Länderarbeitsgruppe einen Bericht mit zwölf Empfehlungen zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vorgelegt. Die gemeinsam mit den Ländern Berlin, Hessen und Niedersachsen erarbeiteten Vorschläge verdeutlichen, wie die Unternehmensnachfolge in Deutschland rechtlich vereinfacht und bürokratische Hürden abgebaut werden können.

Auftrag der Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe wurde von der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder 2022 eingerichtet. Die Einrichtung erfolgte ausgehend von dem Befund, dass das für die Unternehmensnachfolge bedeutsame Recht des Unternehmenskaufs in Deutschland trotz seiner enormen Bedeutung für die Wirtschaft einen nur untergeordneten Stellenwert im kodifizierten Recht besitzt. Nach einer Umfrage der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022 vom 28. März 2023) suchen bis zum Ende des Jahres 2026 rund 560.000 der insgesamt etwa 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen eine Nachfolge, in den nächsten 10 bis 15 Jahren sogar mehr als die Hälfte der Unternehmen.

Die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie des Handelsgesetzbuchs werden in der Praxis indes häufig als untauglich empfunden. Sie werden daher regelmäßig – soweit rechtlich zulässig – abbedungen und durch komplexe Vertragswerke ersetzt. Streitigkeiten aus Unternehmenskaufverträgen werden häufig in privaten Schiedsverfahren beigelegt und erreichen selten die staatlichen Gerichte.

Die Justizministerinnen und Justizminister gelangten vor diesem Hintergrund zu der Auffassung, dass eine Kodifikation von Regelungen zum Unternehmenskauf geeignet sein könnte, um Rechtssicherheit und -transparenz zu erhöhen, die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen zu verbessern und so die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu steigern. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen könnte die Unternehmensnachfolge erleichtert werden.

Mit Beschluss vom 10. November 2022 beauftragten die Justizministerinnen und Justizminister daher die Arbeitsgruppe, etwaigen Regelungsbedarf zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge zu identifizieren und Vorschläge für interessengerechte Normen zu erarbeiten.

Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 10. November 2022

 

Empfehlungen zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge

In Ausführung des erteilten Arbeitsauftrags hat die Arbeitsgruppe einen Bericht erarbeitet, der anhand von Rechtsprechung und Literatur eine Analyse möglicher regelungsbedürftiger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Unternehmens vornimmt und eine Einschätzung zu Notwendigkeit und Umsetzung einer entsprechenden Kodifizierung abgibt. Nach den Empfehlungen des Berichts soll das deutsche Recht für internationale Investitionen attraktiver und die Rechtslage insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen bei der Unternehmensnachfolge verbessert werden. Beispielsweise sollen Vertragsverhältnisse und öffentlich-rechtliche Genehmigungen leichter auf Erwerber übergehen und damit eine nahtlose Fortsetzung des Geschäftsbetriebs ermöglichen. Beurkundungserfordernisse sollen reduziert und Verjährungsfristen vereinheitlicht werden.  

Die Arbeitsgruppe hat in ihrer systematischen Analyse im Einzelnen zwölf Themengebiete identifiziert, auf die sich die rechtliche Diskussion im Unternehmenskaufrecht konzentrieren könnte. Sie werden im Bericht in Einzelkapiteln durch Auswertung von Rechtsprechung und Literatur untersucht und in ihrer rechtspolitischen Relevanz bewertet.

Zusammenfassend werden zu diesen Themenfeldern die folgenden zwölf Empfehlungen zur Änderung bzw. Ergänzung des geltenden Rechts formuliert:

1.  Zu Beginn eines Kapitels für den Unternehmenskauf sollte eine gesetzliche Definition des Vertragstyps einschließlich seiner anerkannten Unterfälle (Share und Asset Deal) stehen, die den Anwendungsbereich weiterer Vorschriften für diese besondere Art des Kaufs festlegt.

2. Der Unternehmenskauf sollte aus dem Anwendungsbereich des § 311b Abs.BGB durch eine klarstellende Regelung ausdrücklich ausgenommen werden und damit nicht einer Beurkundungspflicht unterliegen, soweit nicht weitere gesetzliche Vorschriften eine Beurkundung erfordern.

3. Soweit die Kaufpreisbestimmung von der Einholung eines Schiedsgutachtens abhängig ist, sollte eine gesetzliche Regelung in Betracht gezogen werden, nach der die Fälligkeit der Leistung im Regelfall erst mit verbindlicher Feststellung durch den Gutachter bzw. bei Übergang des Leistungsbestimmungsrechts auf das Gericht mit dessen rechtskräftiger Entscheidung eintritt. 

4. Im Stadium zwischen Vertragsschluss und Vollzug sollte die Aufnahme einer ausdrücklichen Pflicht des Verkäufers, das Unternehmen im Zweifel nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns fortzuführen, und eine Verpflichtung der Parteien zur Vornahme vereinbarter Mitwirkungshandlungen erwogen werden. Ggf. erscheint es zudem sachgerecht, ein außerordentliches Rücktrittsrecht bei wesentlicher Veränderung des Unternehmens aufzunehmen und dessen Voraussetzungen ausgewogen zu definieren.

5.  Um die sachgerechte Anwendung des gesetzlichen Gewährleistungsrechts zu vereinfachen, sollte das von der Rechtsprechung entwickelte Verständnis des Beschaffenheitsbegriffs in seinen subjektiven und objektiven Elementen (§ 434 Abs. 2 und Abs. 3 BGB) für den Unternehmenskauf weiterentwickelt und präzisiert werden. Darüber hinaus sollte die von der herrschenden Meinung angewandte Formel zur Gesamterheblichkeit in den Mangelbegriff einbezogen werden.

6. Nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrags sollte die Ausübung des Rücktrittsrechts wegen Mängeln des Unternehmens (§ 437 Nr. 2 1. Alt. BGB) grundsätzlich ausgeschlossen werden, soweit nicht besondere Konstellationen vorliegen. Auch das Recht der Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) erscheint bezogen auf das Unternehmen als solches ausschlusswürdig.

7. Der Ausschluss der Mängelrechte bei Kenntnis des Käufers (§ 442 BGB) könnte präzisierend an eine angemessene Offenlegung von sachmangelrelevanten Informationen durch den Verkäufer anknüpfen.

8. Zur Bestimmung der Reichweite der Wissenszurechnung zu Lasten des Verkäufers (§§ 442, 444 BGB) könnten die in der Rechtsprechung des BGH erarbeiteten Grundsätze zur Wissensorganisation in Unternehmen herangezogen und diese gesetzlich präzisiert werden.

9. Im Recht der Verjährung bietet sich klarstellend die Festlegung einer einheitlichen Verjährungsfrist für Sachmängelansprüche aus einem Unternehmenskaufvertrag an, die an die bestehende gesetzliche Regelung des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB anknüpfen könnte. Außerdem sollte gesetzlich geregelt werden, dass der Anspruch auf Kaufpreisanpassung nach den allgemeinen Vorschriften verjährt.

10. Der Übergang der Rechtsverhältnisse beim Asset Deal sollte erleichtert und auch ohne Zustimmung des Vertragspartners (Dritter) ermöglicht werden. Die Voraussetzungen für den Rechtsübergang und die angemessene Kompensation eines Eingriffs in die Rechte des Dritten sollten gesetzlich festgelegt und zugleich die hoch umstrittenen Rechtsnormen der §§ 25, 26 HGB reformiert werden.

11. Ergänzend zu einem erleichterten Übergang privatrechtlicher Rechtspositionen sollten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts die Möglichkeiten zur Überleitung von personenbezogenen Berechtigungen erweitert und dadurch Hemmnisse für die Unternehmensnachfolge abgebaut werden.

12. Für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen empfiehlt sich im Anschluss an die Neuregelung in § 310 Abs. 1a BGB die Prüfung einer beschränkten Bereichsausnahme für große Unternehmen unter Beteiligung der Praxis.

Abschlussbericht vom 27. Februar 2024

 

Einsetzung einer Expertenkommission

Die 95. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat den Bericht am 6. Juni 2024 angenommen und den Bundesminister der Justiz gebeten, auf der Grundlage der Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe eine Expertenkommission einzusetzen. Diese soll das Ziel verfolgen, ausgehend von den Empfehlungen der Arbeitsgruppe den gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu konkretisieren und spezielle für den Unternehmenskauf geeignete gesetzliche Vorschriften zu entwerfen.

Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 5. Juni 2024

Minister der Justiz Dr. Benjamin Limbach: „Die Empfehlungen zeigen, wie mit wenig Aufwand große Wirkung erzielt werden kann. Wir müssen unser Recht entstauben und der Nachfolgerin oder dem Nachfolger einen Vertrauensvorschuss geben. Eine erfolgreiche Übergabe an die nächste Generation sichert nicht nur ein Lebenswerk, sondern vor allem Existenzen und Arbeitsplätze in unserem Land