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Regelt ein Tarifvertrag im Geltungsbereich von § 117 BetrVG die arbeitgeberseitige Kostentragung für die Schulung von Mitgliedern einer Personalvertretung inhaltsgleich zu § 37 Abs. 6 BetrVG, darf sich die Personalvertretung in Ausübung ihres Ermessens regelmäßig für die Teilnahme eines zu schulenden Mitglieds an einem auswärtigen Präsenzseminar und gegen die Teilnahme an einem Webinar gleicher Dauer und gleichen Schulungsstoffs entscheiden.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin wegen der entstandenen Schulungskosten für den Bereich Schulungsveranstaltung zu dem Thema „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ vom 24.08.2021 bis 27.08.2021 im Seminar A., B., F., von einem Betrag in Höhe von 1.528,00 € (764,00 € je Teilnehmer) zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 290,32 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.818,32 € und von den Übernachtungs-und Verpflegungskosten in Höhe von 1.108,62 € (554,31 € je Teilnehmer) zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 210,64 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.319,26 €, gegenüber dem Schulungsträger O., Y., U., freizustellen.
10 BV 126/21 |
Verkündet am 17.11.2021 V. Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Arbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Beschluss In dem Beschlussverfahren |
1. E.
3Antragstellerin und Beteiligte zu 1
4Verfahrensbevollmächtigte
5J.
62. N.
7Beteiligte zu 2
83. P.
9Beteiligter zu 3
104. Y.
11Beteiligter zu 4
12Verfahrensbevollmächtigte zu 3. und 4.
13J.
14hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf
15nach Anhörung der Beteiligten am 11.11.2021
16durch den Richter am Arbeitsgericht A. als Vorsitzenden
17und die ehrenamtlichen Richter T. und D.
18beschlossen:
19Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin wegen der entstandenen Schulungskosten für den Bereich Schulungsveranstaltung zu dem Thema „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ vom 24.08.2021 bis 27.08.2021 im Seminar A., B., F., von einem Betrag in Höhe von 1.528,00 € (764,00 € je Teilnehmer) zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 290,32 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.818,32 € und von den Übernachtungs-und Verpflegungskosten in Höhe von 1.108,62 € (554,31 € je Teilnehmer) zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 210,64 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.319,26 €, gegenüber dem Schulungsträger O., Y., U., freizustellen.
20G r ü n d e:
21I.
22Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Schulungskosten.
23Bei der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) handelt es sich um eine Luftverkehrsgesellschaft. Die Antragstellerin ist die im Betrieb der Arbeitgeberin auf der Grundlage des § 117Abs. 2 BetrVG i.V.m. dem Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Y. vom 20.08.2019 (im Folgenden: TV PV) gewählte Personalvertretung (im Folgenden: Personalvertretung). Die Beteiligten zu 3. und 4. sind mittlerweile ordentliche Mitglieder der Personalvertretung.
24§ 1 Abs. 3 TV PV bestimmt:
25„Sofern durch diesen Tarifvertrag nichts anderes bestimmt wird, findet für das Kabinenpersonal der P. und dessen Personalvertretung das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.“
26Nähere Regelungen zu Schulungsveranstaltungen der Personalvertretung sieht der TV PV nicht vor.
27Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst, die Beteiligten zu 3. und zu 4. zu dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ des Schulungsanbieters W.A.F., Institut für Betriebsrätefortbildung AG (im Folgenden: W.A.F) in der Zeit vom 24.08.2021 bis zum 27.08.2021 in Binz/Rügen zu entsenden. Die Arbeitgeberin teilte mit E-Mail vom 28.06.2021 mit, dass die Teilnahme grundsätzlich in Ordnung sei, aus Kostengründen aber ein Seminar in der Nähe – zB Velbert, Bad Honnef oder Köln – oder – sogar im gewählten Zeitraum – ein Webinar ausgesucht werden solle. Daraufhin teilte die Personalvertretung mit E-Mail vom 09.07.2021 mit, dass sie sich nunmehr für ein Seminar in Potsdam entschieden hätte. Hierbei schätzte sie eine Kostenersparnis im Vergleich zum Seminar in Binz von ca. 500,00 €.
28Die Beteiligten zu 3. und zu 4. nahmen an dem streitgegenständlichen Seminar in Potsdam teil. Mit Rechnung vom 08.09.2021 stellte die W.A.F der Personalvertretung die Seminargebühren i.H.v. 1.528,00 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung (Bl. 83 der Akte). Mit weiterer Rechnung vom 08.09.2021 (Bl. 84 der Akte) stellte sie der Personalvertretung die Übernachtungs- und Verpflegungskosten i.H.v. 1.108,62 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.
29Die Personalvertretung ist der Auffassung, dass sie sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse. Mitglieder der Personalvertretung Kabine hätten aufgrund der Corona-Pandemie seit März 2020 an mehreren Webinaren teilgenommen. Die Erfahrungen der Mitglieder der Personalvertretung zeigten, dass aufgrund der völlig anderen Schulungssituation die in den Webinaren vermittelten Inhalte nicht so intensiv behandelt werden könnten und letztlich der Lernerfolg nicht so gut sei, wie in Präsenzveranstaltungen. Überdies sei der Austausch zwischen den Teilnehmern und den Referenten bei Webinaren deutlich erschwert. Das Webinar finde zudem in einem zeitlich deutlich reduzierten Rahmen von nur 12 Stunden statt, während das Präsenzseminar für die Grundlagenschulung mindestens 18,5 Stunden in Ansatz bringe. Insoweit bestehe zwischen der Präsenzschulung und dem Webinar keine qualitative Gleichwertigkeit. Die vorgeschlagenen Alternativseminare in Präsenz hätten Zeiträume betroffen, an denen die Beteiligten zu 3. und zu 4. wegen Urlaub, Teilzeittagen etc. nicht hätten teilnehmen können. Im Übrigen seien bei der Teilnahme am Präsenzseminar in Potsdam keine Reisekosten entstanden, da die Beteiligten zu 3. und 4. kostenneutral auf der – sowieso schon geflogenen – Strecke nach Berlin auf von Kunden nicht gebuchten Plätzen hätten anreisen können.
30Nachdem die Beteiligten die ursprünglichen Anträge zu 1. und zu 2. übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt die Personalvertretung zuletzt,
31die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin wegen der entstandenen Schulungskosten für den Besuch der Schulungsveranstaltung zu dem Thema „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ vom 24.08.2021 – 27.08.2021 im Seminaris A., B., F., von einem Betrag in Höhe von 1.528,00 € (764,00 € je Teilnehmer) zzgl. Ust. iHv. 290,32 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.818,32 € und von den Übernachtungs- und Verpflegungskosten in Höhe von 1.108,62 € (554,31 € je Teilnehmer) zzgl. Ust. In Höhe von 210,64 €, mithin von einem Betrag in Höhe von 1.319,26 €, gegenüber dem Schulungsträger W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung AG, Y., G., freizustellen.
32Die Arbeitgeberin beantragt,
33den Antrag zurückzuweisen.
34Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die Beteiligten zu 3. und 4. aus Kostengründen an dem kostengünstigeren Webinar hätte teilnehmen können. Eine Rücksprache bei dem Schulungsanbieter habe ergeben, dass die Seminare beide stundenmäßig gleich aufgeteilt seien, während beim Präsenzseminar noch Kaffeepausen, längere Mittagspausen und eine längere Vorstellungsrunde hinzukämen. Die Schulungsinhalte seien identisch. Darüber hinaus hätten die Teilnehmer die Möglichkeit zum Networking und virtuellen Austausch über die hauseigene Plattform des Anbieters W.A.F. Jedenfalls hätten die Beteiligten zu 3. und zu 4. das Präsenzseminar an einem näher gelegenen Ort wahrnehmen können, sodass eine tägliche An- und Abfahrt mit einem Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich gewesen wäre. Im näheren Einzugsgebiet hätte es Seminare in Velbert, Bad Honnef oder Köln gegeben. Auch in Düsseldorf selbst sei das Seminar angeboten worden.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
36II.
37Der Antrag ist zulässig und begründet.
381. Der Antrag ist zulässig. Nachdem die Arbeitgeberin zunächst die ordnungsgemäße Beschlussfassung der Personalvertretung zur Einleitung des Verfahrens mit Nichtwissen bestritten hatte, hat die Personalvertretung vorsorglich in ihrer Sitzung vom 19.10.2021 unter dem Tagesordnungspunkt VI. um 12:38 Uhr nochmals einstimmig den Beschluss gefasst, das streitgegenständliche Verfahren einzuleiten. Dies ist im weiteren Verlauf des Verfahrens von der Arbeitgeberin auch nicht mehr bestritten worden.
392. Der Antrag ist auch begründet. Die Personalvertretung hat nach § 40 Abs. 1 iVm. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG, die nach § 1 Abs. 3 TV PV vorliegend Anwendung finden, einen Anspruch auf Freistellung von Schulungskosten und den Übernachtungs- und Verpflegungskosten, die durch die Teilnahme der Beteiligten zu 3. und 4 an dem streitgegenständlichen Seminar entstanden sind. Die Personalvertretung durfte die Schulungsteilnahme und die hierdurch entstandenen Kosten im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums für erforderlich halten.
40a) Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist (vgl. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Rn. 9; BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12 – Rn. 14). Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds (BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Rn. 9; BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07 – Rn. 12). Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn – wie hier – Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. (st. Rspr., vgl. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Rn. 10; BAG 12.01.2011 – 7 ABR 94/09 – Rn. 19; BAG 18.01.2012 – 7 ABR 73/10 – Rn. 25).
41b) Die entstandenen Kosten waren erforderlich und verhältnismäßig.
42aa) Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Er hat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Dabei bleibt dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum offen. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann (vgl. BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12). Die arbeitsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Schulung unter den konkreten Umständen der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben diente und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts, sondern auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht berücksichtigt hat (vgl. BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00).
43bb) Hiernach brauchte sich die Personalvertretung zunächst nicht auf ein – insoweit ohne Übernachtungs- und Verpflegungskosten günstigeres – Webinar verweisen zu lassen.
44(1) Der Betriebsrat hat ein Recht zur Auswahl unter konkurrierenden Angeboten. Er ist nicht gehalten, jeweils die mit den geringsten Kosten verbundene Schulungsveranstaltung auszuwählen. Ihm steht im Rahmen eines Beurteilungsspielraums die Befugnis zu, die Teilnahme an einer seiner Ansicht nach qualitativ höherwertigen – wenn auch teureren – Schulungsmaßnahme zu beschließen (BAG 15.05.1986 – 6 ABR 74/83 – Rn. 21; LAG Rheinland-Pfalz 20.05.2000 – 7 TaBV 11/19 – Rn. 47). Er muss nicht anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auswählen (BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Rn. 13; BAG 19.09.2001 – 7 ABR 32/00 – Rn. 27, jeweils mwN.). Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen (BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Rn. 13 mwN.; Fitting BetrVG 30. Aufl. 2020, § 40 Rn. 74).
45(2) Die Kammer teilt die Auffassung der Personalvertretung, dass zwischen dem Webinar und der Präsenzschulung keine qualitative Gleichwertigkeit besteht.
46(a) Zunächst umfasst das Webinar in zeitlicher Hinsicht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LAG Rheinland-Pfalz 20.05.2020 – 7 TaBV 11/19 – Rn. 49) nur rund 65 % des Präsenzseminars (18,5 Stunden im Vergleich zu 12 Stunden). Die 18,5 Stunden ergeben sich aus den eigenen Angaben des Seminaranbieters auf seiner Homepage (vgl. Bl. 63 d.A.). Selbst wenn man hiervon noch die 90 Minuten für Begrüßung und Vorstellungsrunde abzieht, verbleiben 16 Stunden, so dass das Webinar zeitlich nur 75% des Präsenzseminars umfasste. Soweit die Arbeitgeberin behauptet, dass trotz der im Zeitplan schon ausdrücklich enthaltenen Pausen, weitere vier Stunden für Kaffeepausen und Mittagspausen abzuziehen sein sollen, ist sie für ihre Behauptungen beweisfällig geblieben. Die Vorlage eines Screenshots über einen Chatverlauf ersetzt kein Beweisangebot durch Zeugenbeweis. Soweit Zeugnis der P. (HR Business Partner der Arbeitgeberin) angeboten wird, ist dieses Beweisangebot ungeeignet. Denn die Arbeitgeberin behauptet nicht, dass Frau X. aus eigener Wahrnehmung Angaben zum Seminarablauf machen kann, was naturgemäß auch nur möglich wäre, wenn sie schon einmal bei dem streitgegenständlichen Seminar dabei gewesen wäre. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der vom Seminaranbieter auf seiner Homepage geschilderte zeitliche Ablauf – unabhängig vom Anbieter – den üblichen Ablauf einer Betriebsratsschulung darstellt, was insofern gerichtsbekannt ist und vom Vorsitzenden aus eigener Anschauung bestätigt werden kann.
47(b) Ungeachtet des unterschiedlichen zeitlichen Umfangs liegt aber auch die Einschätzung der Personalvertretung, dass der „Lerneffekt“ im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist, als bei einem Webinar, innerhalb ihres Beurteilungsspielraums. Die Einschätzung wird in der Sache von der Kammer sogar ausdrücklich geteilt und kann vom Vorsitzenden aus Referentensicht aus eigener Anschauung bestätigt werden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich sind, als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit stellt sich das Webinar eher als „Frontalunterricht“ dar, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher ist, als bei einem Präsenzseminar, bei dem die Teilnehmer auch durch direkte Ansprache des Referenten „aus der Reserve gelockt“ werden können. Schließlich scheuen sich viele Teilnehmer im Rahmen eines Webinars Nachfragen zu stellen, die im Rahmen eines Präsenzseminars dem Referenten auch in der Kaffeepause unter vier Augen gestellt werden können. Hinzu kommt, dass die im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes erfolgte Inaugenscheinnahme der Homepage des Seminaranbieters ergeben hat, dass bei den dortigen Webinaren überhaupt keine Möglichkeit besteht, sinnvoll in eine Diskussion einzusteigen, da die Seminarteilnehmer nicht wie bei Zoom oder Teams zugeschaltet sind, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, schriftlich Fragen über eine Chatfunktion zu stellen oder live beim Referenten anzurufen.
48cc) Darüber hinaus durfte die Personalvertretung auch die angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten für erforderlich halten und musste sich insoweit nicht auf ein vergleichbares Seminar in örtlicher Nähe zum Betrieb mit täglicher An- und Abreisemöglichkeit verweisen lassen.
49(1) Hiervon ist im Streitfall jedenfalls aufgrund der Besonderheit auszugehen, dass die Möglichkeit bestand, mit einem Flug der Arbeitgeberin ohne zusätzliche Kosten anzureisen und der Arbeitgeberin insoweit keinerlei Reisekosten entstanden sind. Demgegenüber wären der Arbeitgeberin bei einer täglichen Anreise in ein näher gelegenes Tagungshotel mit dem PKW (eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätten die Beteiligten zu 3. und 4. aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie als nicht zumutbar ablehnen können) tägliche Fahrtkosten entstanden, die selbst bei einer Entfernung von nur 30 km 72,00 € (8 Fahrten x 30 km x 0,30 €) ausgemacht hätten. Hinzu kommt, dass in den auf der Homepage der W.A.F benannten Tagungshotels Parkgebühren zwischen 10,00 und 15,00 € pro Tag anfallen (8 x 12,50 = 100,00 €). Entscheidend kommt hinzu, dass selbst bei einer täglichen An- und Abreise die Arbeitgeberin die Verpflegungspauschale für Tagesgäste hätte zahlen müssen, die laut Angaben der Homepage der W.A.F idR. zwischen 70,00 und 75,00 € liegt (72,50 x 8 = 580,00 €). Betrachtet man die auch bei einer täglichen An- und Abreise in ein näher gelegenes Tagungshotel entstehenden Kosten von ca. 752,00 € zzgl. Umsatzsteuer ( = 894,88 €), ergibt sich, dass die Gesamtkosten für die Arbeitgeberin in diesem Fall statt 3.137,58 € ca. 2.713,20 € betragen hätten. Nach Auffassung der Kammer konnte die Personalvertretung diese Mehrkosten aufgrund ihres Beurteilungsspielraums unter Abwägung mit den Vorteilen, die mit einer Übernachtung im Tagungshotel verbunden sind (abendlicher Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern nach Abschluss des eigentlichen Seminarprogramms – vgl. hierzu BAG 27.05.2015 – 7 ABR 26/13 – Rn. 24 – sowie der deutlich geringere Stress ohne die tägliche An- und Abreise) für erforderlich halten.
50(2) Hinzu kommt schließlich, dass nach dem unbestrittenen Vortrag der Personalvertretung die Beteiligten zu 3. und 4. zu den Zeiträumen, in denen das Seminar Betriebsverfassungsrecht Teil 1 in Velbert, Köln, Düsseldorf oder Bad Honnef angeboten wurde, wegen Urlaub, Teilzeittagen etc. verhindert waren.
51c) Nachdem die W.A.F der Personalvertretung die entsprechenden Kosten in Rechnung gestellt hatte, ist der Freistellungsanspruch der Personalvertretung entstanden und fällig geworden (vgl. BAG 04.06.2003 – 7 ABR 42/02 – Rn. 12; LAG Hessen 24.04.2017 – 16 TAaBV 238/16).
52A.