Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
1. Der Schadensersatzanspruch nach Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO setzt neben einem Rechtsverstoß auch einen kausalen Schaden voraus. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO reicht daher nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Dabei betont der EuGH zuletzt mehrfach, dass der Begriff „Schaden“ dabei keine Erheblichkeitsschwelle bzw. Bagatellgrenze kennt.2. Zwar kann auch ein bloßer Kontrollverlust aufgrund der nicht vorhandenen Erheblichkeitsschwelle einen Schaden i.S.v. Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO darstellen. Da es sich bei dem Schaden jedoch um ein echtes Tatbestandsmerkmal handelt, kann es für eine Anspruchsgrundlage nicht ausreichen, den Kontrollverlust lediglich pauschal zu behaupten. Ein Tatbestandsmerkmal, das Rechtsfolgen auslöst, zeichnet sich dadurch aus, dass es bestimmte Voraussetzungen hat, die einer rechtlichen Überprüfung zugänglich sind. Daher genügt es nicht, nur einen Kontrollverlust anzuzeigen, ohne auf die konkreten Umstände einzugehen, wann dieser wie eingetreten ist und sich in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt auswirkt.3. Das gilt auch für eine Verletzung des Auskunftsanspruchs nach Artikel 15 Abs. 1 und 3 DS–GVO. Zwar ist offensichtlich, dass bis zu einer entsprechenden Auskunftserteilung keine Kenntnis von der Verwendung und Verarbeitung der überlassenen personenbezogenen Daten besteht. Wenn es nicht gleichwohl der konkreten Darlegung eines Schadens und der Kausalität bedürfte, wäre der Verstoß gegen die Auskunftsverpflichtung aus Artikel 15 DS–GVO stärker sanktioniert als gegen jede andere schwerwiegendere Verletzung nach demselben Regelwerk wie zum Beispiel die vorsätzliche und rechtswidrige Weitergabe persönlicher Daten an Dritte.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
3. Der Streitwert beträgt 2.000,00 €.
T a t b e s t a n d:
2Bei der Beklagten handelt es sich um einen führenden Möbeleinzelhändler in Deutschland, der im Juli 2023 einen Sachbearbeiter für das Forderungsmanagement per Stellenanzeige suchte.
3Der Kläger bewarb sich am 29.07.2023 auf diese Stellenanzeige bei der Beklagten und erhielt am 08.08.2023 eine Absage ohne nähere Begründung. Noch am selben Tag wandte sich der Kläger wie folgt an die Beklagte:
4„Da mich natürlich interessiert, was die ausschlaggebenden Gründe für diese Absage waren, bitte ich Sie höflichst, mir die Ablehnungsgründe mitzuteilen und mir eine umfassende Auskunft sowie eine vollständige Datenkopie auf Grundlage von Artikel 15 DSGVO zu erteilen.
5Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Ihre unverzügliche Antwort bis zum 23.08.2023 zukommen lassen würden.“
6Die Beklagte antwortete dem Kläger am 15.08.2023 und übersandte ihm einen Ausdruck von gespeicherten Daten des Klägers aus ihren Systemen. Daneben wies sie darauf hin, dass seine Daten innerhalb der nächsten drei Monate gelöscht würden. Weitergehende Auskünfte erteilte die Beklagte dem Kläger zunächst nicht.
7Mit seiner am 26.09.2023 beim Arbeitsgericht in Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten am 30.09.2023 zugestellten Klage, verlangte der Kläger zunächst Auskunft über alle Empfänger, an die die Beklagte seine personenbezogenen Daten übermittelt hat (Antrag zu1), über den Grund der Absage (Antrag zu 2) und die Herausgabe einer Kopie sämtlicher personenbezogener Daten (Antrag zu3) sowie eine Geldentschädigung von mindestens 6.000,00 Euro (Antrag zu 4).
8Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.12.2023 (vgl. Bl. 68 ff. d.A.) die begehrte Auskunft im laufenden Verfahren erteilt hat und Kopien sämtlicher personenbezogenen Daten, die sie zur Person des Klägers verarbeitet hat, herausgegeben hat, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2024 die Klageanträge zu 1) bis 3) für erledigt erklärt und den Klageantrag zu 4) auf eine Mindestentschädigung von 2.000,00 EUR reduziert.
9Der Kläger ist der Auffassung, ein Anspruch auf eine Geldentschädigung folge aus Artikel 82 Absatz 1 DS-GVO. Zur Begründung eines materiellen oder immateriellen Schadenersatzanspruchs seien lediglich ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, ein materieller oder immaterieller Schaden und eine Kausalität zwischen dem Datenschutzverstoß und dem Schaden erforderlich. Es ist insbesondere nicht zulässig, den Zuspruch einer Geldentschädigung von einer Spürbarkeit bzw. einer Objektivität des Schadens oder aber dem Überschreiten einer Bagatell-respektive Erheblichkeitsschwelle abhängig zu machen.
10Zwar habe das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 28.11.2023 – 3 Sa 285/23 – die Ansicht vertreten, der „bloße Kontrollverlust“ sei als Schaden nicht ausreichend.
11Dieser Ansicht habe der Europäische Gerichtshof in seiner letzten Entscheidung vom 14.12.2023 – C-340/21 – jedoch eine klare Absage erteilt und vielmehr die gegenteilige Ansicht bestätigt, wonach schon die bloße Verletzung des Auskunftsrechts eine solche „Einschränkung“ der Rechte darstelle.
12Der Kläger behauptet, er habe einen immateriellen Schaden erlitten. Einerseits sei durch die unterbliebene bzw. verspätete Auskunft nach Artikel 15 DS-GVO ein Kontrollverlust hinsichtlich seiner Daten eingetreten. Andererseits nerve es ihn massiv, dass die beklagte Partei sein Recht auf Auskunft nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.
13Der beantragt zuletzt noch,
14die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 2.000,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2023 zu zahlen.
15Die Beklagte schließt sich der Teilerledigungserklärung an und beantragt im Übrigen,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte behauptet, dass die Bewerbung des Klägers abgelehnt wurde, da sie rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Der Kläger habe eine marktunübliche Gehaltsvorstellung von 96.000,00 € nur deshalb genannt, damit seine Bewerbung bereits aus diesem Grund nicht angenommen werde.
18Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, da sich der Kläger „gewerblich“ bei verschiedenen Arbeitgebern bewerbe, um im Nachgang Datenschutzverstöße und Schadensersatz geltend machen zu können. Ein Anspruch aus Artikel 82 DSGVO könne zudem nur bei einem geltend gemachten Nachteil gefordert werden und allein ein Verstoß gegen Datenschutzrecht sei nicht ausreichend. Der Kläger habe einen solchen Nachteil nicht dargelegt. Eine bloße Verzögerung oder anfängliche Unvollständigkeit der Auskunft reiche für eine Geldentschädigung nicht aus.
19Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21I.
22Die zulässige Zahlungsklage ist unbegründet.
23Ein Anspruch auf eine Geldentschädigung folgt nicht aus Artikel 82 Absatz 1 DS-GVO.
24Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder ein immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Der Kläger konnte jedoch weder einen immateriellen Schaden noch die Kausalität zwischen dem Verstoß gegen die DS-GVO und einem Schaden darlegen. Schließlich ist der Kläger beweisfällig geblieben.
25Auf die Frage, ob Artikel 82 Absatz 1 DS-GVO auf haftungsbegründender Ebene lediglich einen Verordnungsverstoß oder einen Verarbeitungsverstoß (so LAG Düsseldorf 28.11.2023 – 3 Sa 285/23 –) erfordert und ob die Berufung des Klägers auf einen Verordnungsverstoß rechtsmissbräuchlich ist, kommt es für den streitgegenständlichen Anspruch nicht an.
261. Der in Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO vorgesehene Schadensersatzanspruch soll (anders als verschiedene deutsche Gerichte bislang angenommen haben) keine abschreckende Wirkung haben oder gar Straffunktionen erfüllen, sondern als echter Schadensersatzanspruch lediglich eine Ausgleichsfunktion haben (so klarstellend EuGH 21.12.2023 - C-667/21, GRUR-RS 2023, 36822). Es geht daher bei Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO nicht um einen Strafschadensersatz für einen objektiven Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen.
27a) Der Schadensersatzanspruch nach Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO setzt, so bestätigte der EuGH zuletzt seine bisherige Rechtsprechung (EuGH 25.01.2024– C-687/21, GRUR-RS 2024, 530), daher neben einem Rechtsverstoß auch einen kausalen Schaden voraus. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO reicht daher nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH 4.5.2023 – C-300/21, ECLI:EU:C:2023:370 Rn. 42 = NZA 2023, 621; EuGH 25.01.2024 – C-687/21, GRUR-RS 2024, 530). Vielmehr muss es zusätzlich zu negativen Folgen für den Betroffenen gekommen sein, die einen Schaden darstellen. (EuGH 21.12.2023 - C-667/21, GRUR-RS 2023, 36822).
28Dabei betont der EuGH zuletzt mehrfach, dass der Begriff „Schaden“ dabei keine Erheblichkeitsschwelle bzw. Bagatellgrenze kennt. Ein Schaden sei ein Schaden, „so geringfügig er auch sein mag“ (EuGH 21.12.2023 - C-667/21, GRUR-RS 2023, 36822; EuGH 25.01.2024– C-687/21, GRUR-RS 2024, 530). Auch „Angst“ bzw. „Befürchtungen“, dass es zu einem Missbrauch der betroffenen Daten kommen könnte, können potenziell Schäden i.S.v Artikel 82 Abs.1 DS-GVO sein (EuGH Urt. v. 25.1.2024 – C-687/21, GRUR-RS 2024, 530).
29Eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen gehabt hat, muss jedoch den Nachweis erbringen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden i.S.v Artikel 82 DS-GVO darstellen (vgl. idS EuGH 4.5.2023 – C-300/21, ECLI:EU:C:2023:370 Rn. 50 = NZA 2023, 621 (Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten), und 14.12.2023 – C-340/21, ECLI:EU:C:2023:986 Rn. 84 = BeckRS 2023, 35786). Denn „Befürchtungen“ sind nur dann ein Schaden i.S.v Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO, wenn sie „unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden“ können. Insbesondere muss das angerufene nationale Gericht, wenn sich eine Person, die auf dieser Grundlage Schadensersatz fordert, auf die Befürchtung beruft, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft auf Grund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (Assion: Die Entwicklung des Datenschutzrechts, NJW 2024, 632; EuGH 14.12.2023 – C-340/21, ECLI:EU:C:2023:986 Rn. 84 = BeckRS 2023, 35786).
30Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten führt nicht zu einer Entschädigung (EuGH Urt. v. 25.1.2024 – C-687/21, GRUR-RS 2024, 530 Rn. 68). Daher obliegt es demjenigen, der eine auf Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO gestützte Schadensersatzklage erhebt, das Vorliegen eines solchen Schadens nachzuweisen.
31Dasselbe gilt auch für die erforderliche Konkretisierung eines Kontrollverlusts. Nachdem dies in den Instanzgerichten bisher unterschiedlich entschieden wurde, stellt der EuGH nun klar, dass es sich um eine hinreichend begründete und nachzuweisende Befürchtung handeln muss (EuGH 25.01.2024– C-687/21, GRUR-RS 2024, 530; Bock: Kein Schadensersatz bei nur hypothetisch missbräuchlicher Verwendung von Daten, GRUR-Prax 2024, 108).
32b) Die letzten Entscheidungen des EuGH sind zwar umfangreich, lassen aber letztlich weiterhin die Frage offen, ab welchem Punkt ein negatives Gefühl in einen ersatzfähigen Schaden umschlägt. Der BGH hat diese Frage mit Beschluss vom 26.9.2023 zum EuGH vorgelegt und dabei darauf hingewiesen, dass „bloße negative Gefühle wie zum Beispiel Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind“ (BGH GRUR 2023, 1724 Rn. 30–33). Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-655/23 anhängig.
33Mehrere deutsche Instanzgerichte haben sich mit bereits mit der Frage befasst, welche Darlegungslast einen Kläger trifft, der einen nach einem Datenschutzverstoß entstandenen „Gefühlsschaden“ liquidieren will. Das OLG Hamm (OLG Hamm GRUR 2023, 1791 (1800) = NJW 2024, 92) entschied, dass ein Kläger hierfür „Umstände darlegen muss, in denen sich seine erlebten Empfindungen widerspiegeln“. Außerdem muss „nach der Lebenserfahrung der Datenschutzverstoß mit seinen Folgen Auswirkungen auf das subjektive Empfinden“ haben. Der Auffassung des OLG Hamm haben sich das OLG Dresden (OLG Dresden 5.12.2023 – 4 U 709/23, GRUR-RS 2023, 36707 Rn. 35–36), das OLG Köln (OLG Köln in mehreren Entscheidungen, etwa OLG Köln 7.12.2023 – 15 U 67/23, GRUR-RS 2023, 37347) und das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart 2.11.2023 – 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883 Rn. 136–147) angeschlossen.
34Jedenfalls ergibt sich aus der letzten Entscheidung des EuGH vom 25.01.2024 (GRUR-RS 2024, 530), dass es sich bei einem Schaden um eine hinreichend begründete und nachzuweisende Befürchtung handeln muss und die bloße Behauptung eines „Kontrollverlustes“ nicht ausreichend ist.
352. Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Kläger die danach erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadens und der Kausalität (zwischen Rechtsverstoß und Schaden) nicht hinreichend konkret dargelegt.
36a) Der Kläger beruft sich vornehmlich auf einen Kontrollverlust hinsichtlich seiner persönlichen Daten durch die nicht rechtzeitige Auskunftserteilung der Beklagten nach Artikel 15 DS–GVO. Zwar kann auch ein bloßer Kontrollverlust aufgrund der nicht vorhandenen Erheblichkeitsschwelle einen Schaden i.S.v. Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO darstellen. Da es sich bei dem Schaden jedoch um ein echtes Tatbestandsmerkmal handelt, kann es für eine Anspruchsgrundlage nicht ausreichen, den Kontrollverlust lediglich pauschal zu behaupten. Ein Tatbestandsmerkmal, das Rechtsfolgen auslöst, zeichnet sich dadurch aus, dass es bestimmte Voraussetzungen hat, die einer rechtlichen Überprüfung zugänglich sind. Daher genügt es nicht, nur einen Kontrollverlust anzuzeigen, ohne auf die konkreten Umstände einzugehen, wann dieser wie eingetreten ist und sich in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt (nachgeholte Auskunftserteilung?) auswirkt. Die Darlegung der Voraussetzungen eines echten Tatbestandsmerkmals, das eine Rechtsfolge auslöst, erfordert mehr als bestimmte von der Rechtsprechung angeführte Beispielsfälle einfach nur zu zitieren. Denn dann würde der Anspruch auf einen Schadensersatzanspruch nach Artikel 82 Abs. 1 DS–GVO allein davon abhängen, ob der jeweilige Kläger in der Lage ist, ein von der Rechtsprechung genanntes Regelbeispiel für einen Schaden als Schlagwort aus den Urteilsgründen herauszukopieren oder abzuschreiben.
37Entgegen der vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung stellt sich die Rechtslage auch bei Verletzung des Auskunftsanspruchs nach Artikel 15 Abs. 1 und 3 DS–GVO nicht anders da. Zwar ist offensichtlich, dass bis zu einer entsprechenden Auskunftserteilung die spätere Klagepartei keine Kenntnis von der Verwendung und Verarbeitung der überlassenen personenbezogenen Daten hat. Wenn es nicht gleichwohl der konkreten Darlegung eines Schadens und der Kausalität bedürfte, wäre der Verstoß gegen die Auskunftsverpflichtung aus Artikel 15 DS–GVO stärker sanktioniert als gegen jede andere schwerwiegendere Verletzung nach demselben Regelwerk wie zum Beispiel die illegale Weitergabe persönlicher Daten an Dritte oder der unkontrollierte Verlust personenbezogener Daten. Der EuGH differenziert allerdings nicht zwischen den verschiedenen Rechtsverstößen gegen Vorschriften der DS-GVO. Daher bedarf es auch bei einer Verletzung der Auskunftspflicht nach Artikel 15 DS-GVO der Darlegung aller Tatbestandsvoraussetzungen. Das Bedürfnis für eine Ausnahme ist nicht erkennbar.
38Im Ergebnis stellt ein bloßer, abstrakter Kontrollverlust des Klägers keinen konkreten immateriellen Schaden dar.
39b) Diese Ausführungen lassen sich auch übertragen auf die vom Kläger vorgenommene Hilfserwägung, „genervt zu sein“. Der Kläger hat bereits nicht konkret dargelegt, wann er in welchem Maße, aufgrund welchen Verhaltens der Beklagten konkret genervt war und wie sich dieses „genervt sein“ auf sein Wohlbefinden insgesamt ausgewirkt hat. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach unbestrittenem Vortrag den Beklagten eine Vielzahl von Entschädigungsprozessen nach Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO führt und dadurch eine hohe Prozesserfahrung erlangt hat. Diese Erfahrung im Umgang mit Verstößen gegen die DS-GVO und anschließenden Entschädigungsprozessen verlangt daher umso mehr nach einer Erläuterung, warum der Kläger gerade aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung der Beklagten in diesem Verfahren besonders genervt sein sollte, zumal auch diese verspätete Auskunftserteilung dem Kläger die Möglichkeit eröffnet hat, Geldansprüche gerichtlich geltend zu machen. Jedenfalls hätte es einer näheren Darlegung bedurfte, was gerade dieses Verfahren im Gesamtkontext mit der Vielzahl der vom Kläger betriebenen Verfahren mit dem Nervenkostüm des Klägers angestellt hat.
403. Die Klage ist auch unbegründet, da der Kläger – was das Urteil als Begründung selbstständig trägt – keinen Beweis antritt. Der Kläger ist hinsichtlich der beiden Tatbestandsmerkmale, Schaden und Kausalität (zwischen Rechtsverstoß und Schaden) beweisfällig geblieben. Nachdem der EuGH (EuGH 21.12.2023 - C-667/21, GRUR-RS 2023, 36822; EuGH 25.01.2024– C-687/21, GRUR-RS 2024, 530) ausdrücklich klargestellt hat, dass es sich bei dem Schaden und der Kausalität um zwei konkrete Tatbestandsmerkmal handelt, müssen diese auch im Fall des Bestreitens durch die Beklagtenseite bewiesen werden, sonst kann die begehrte Rechtsfolge (Entschädigung) nicht eintreten.
41Ohne entsprechenden Beweisantritt ist der nicht nur darlegungs- sondern auch beweisbelastete Kläger vorliegend beweisfällig geblieben.
42II.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92, 91 a ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen.
441. Hinsichtlich der wechselseitig für erledigt erklärten ursprünglichen Klageanträge 1) bis 3) ist die Beklagte an den Kosten zu beteiligen, da sie die Verpflichtung zur Auskunft und zur Herausgabe der Kopien (einheitlich zu erfüllender Anspruch mit einem Gegenstandswert von 500 EUR) nach § 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO erst nach Rechtshängigkeit erfüllt hat und beide Parteien den Rechtsstreit insofern wechselseitig für erledigt erklärt haben.
45a) Für den Auskunftsanspruch nach Artikel 15 DS-GVO genügt, dass personenbezogene Daten der betroffenen Person verarbeitet wurden und die betroffene Person einen Antrag auf Auskunft stellt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nicht. Dies entspricht dem in Artikel 12 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO niedergelegten Grundgedanken der DS-GVO, der betroffenen Person die Ausübung des Auskunftsanspruchs so leicht wie möglich zu machen (Rudkowski: Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Arbeitsrecht, NZA 2024, 1). Der EuGH sieht den Auskunftsanspruch der Sache nach als umfassenden Informationszugangsanspruch an, dessen Inhalt im Grundsatz von dem Zweck bestimmt wird, die von der Datenverarbeitung betroffene Person in die Lage zu versetzen, ihre Ansprüche nach der DS-GVO auszuüben (EuGH 4.5.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253. Dabei ist das Recht der betroffenen Person auf Überlassung von Kopien gem. Artikel15 Abs. 3 DS-GVO im Verhältnis zu Artikel 15 Abs. 1 DS-GVO kein eigenständiger Anspruch, sondern regelt mit der Auskunft durch Vorlage von Kopien lediglich eine Modalität der Anspruchsausübung (EuGH 4.5.2023 – C-487/21, EuZW 2023, 575 = NJW 2023, 2253).
46b) Diesen umfassenden Anspruch des Klägers hat die Beklagte erst nach Rechtshängigkeit durch Schriftsatz vom 5.12.2023 erfüllt, insbesondere hinsichtlich der Empfänger, an die sie die personenbezogenen Daten des Klägers weitergegeben hat (Artikel 15 Absatz 1 lit. c DS-GVO) und hinsichtlich der Datenkopie (Artikel15 Absatz 3 DS-GVO). Ob im Rahmen dieses einheitlichen Auskunftsanspruchs auch noch ein Anspruch auf Auskunft über den Grund der Absage bestand, kann für die Kostenentscheidung dahinstehen.
47Daher war die Beklagte im Hinblick auf den einheitlichen Auskunftsanspruch an den Kosten zu beteiligen, §§ 91 a Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
482. Hinsichtlich des auf Zahlung gerichteten Entschädigungsantrags ist der Kläger an den Kosten zu beteiligen, da er den Antrag teilweise zurückgenommen hat (i.H.v. 4.000 EUR) und der Antrag im Übrigen abgewiesen wurde.
49Daher war der Kläger im Hinblick auf den gesamten (ursprünglichen) Zahlungsantrag an den Kosten zu beteiligen, §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
50III.
51Der Streitwert war als Rechtsmittelstreitwert nach § 61 ArbGG im Urteil festzusetzen und entspricht der Höhe nach der zuletzt noch begehrten Mindestentschädigung (zur Entscheidung gestellter Antrag). Der Streitwert weicht vom Gebührenstreitwert ab, der gesondert festgesetzt wird.
52(E.)