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Kein Leitsatz
I. | Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.11.2018 - Az: 4 Ca 1733/18 - wird zurückgewiesen. |
II. | Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. |
III. | Die Revision wird nicht zugelassen. |
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer betrieblichen Witwenrente an die Klägerin.
3Die Beklagte betreibt den Handel mit Schuhen und verwandten Produkten. Der am 24.04.1954 geborene und am 23.02.2018 verstorbene Ehemann der am 30.06.1959 geborenen Klägerin war bei der Beklagten bis zum 30.04.2015 beschäftigt.
4Seit dem 01.05.2015 bezog er von der Beklagten eine Betriebsrente, die zuletzt 1.225,00 € betrug. Grundlage waren zwei Versorgungszusagen, datierend vom 12.12.1977 und vom 19.12.1979 (Anlagen B 1 und B 2), die im Hinblick auf eine Hinterbliebenenversorgung folgenden Wortlaut hatten:
5"
61.3Ihre Gattin, Frau N. geborene S. erhält im Falle Ihres Todes eine Witwenrente in Höhe von 60 % des Betrages, auf den Sie im Zeitpunkt Ihres Ablebens Anspruch oder Anwartschaft hatten. Die Witwenrente wird auf Lebenszeit, längstens jedoch bis zur Wiederverheiratung gezahlt. Die Anwartschaft auf Witwenrente entfällt bei Ehescheidung.
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2.1Alle Renten werden monatlich im Voraus gezahlt.
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2.5Alle Renten werden letztmalig für den Monat gezahlt, in welchem die Voraussetzungen zur Rentenleistung weggefallen sind.
11"
12Der verstorbene Ehemann der Klägerin war zunächst mit der in der Zusage genannten N. S., geb. S. verheiratet. Die Ehe wurde geschieden. Sodann war er seit dem 01.10.1999 verheiratet mit seiner zweiten Ehefrau E.. Diese Ehe wurde zum 30.09.2006 geschieden. Mit der Klägerin als dritter Ehefrau war er seit dem 09.11.2012 bis zu seinem Tod verheiratet.
13Das Arbeitsverhältnis des Ehemannes der Klägerin mit der Beklagten endete aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Eigenkündigung, die wiederum auf Grundlage einer nicht datierten, aber mit einem Eingangsstempel der Personalabteilung "24. Dez. 2012" versehenen Vereinbarung zwischen ihm und der Beklagten erfolgte. Diese enthielt - soweit hier von Interesse - folgende Regelung:
14"
153.Gemäß Vereinbarung vom 12.12.1977 erhält Herr S. eine Versorgungszusage. Die Grundlage für die Berechnung des Altersruhegeldes ergibt sich aus Ziffer 1.1 Abs. 2, wonach als Ausgangswert das durchschnittliche Gehalt der letzten fünf vollen Kalenderjahre zugrunde gelegt wird.
16Die Parteien sind sich darüber einig, dass ausschließlich als Berechnungsgrundlage die Kalenderjahre 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 zugrunde gelegt werden.
17Im übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen der Versorgungszusage vom 12.12.1977.
18"
19Seit dem 01.05.2015 bezog der Ehemann der Klägerin eine monatliche Betriebsrente in Höhe von zuletzt 1.225,00 €.
20Die Klägerin machte vorgerichtlich gegenüber der Beklagten ihre Ansprüche geltend; die Beklagte lehnte eine Zahlung ab und forderte die Klägerin stattdessen auf, die für März 2018 an den Ehemann gezahlte Firmenrente zurückzuzahlen.
21Mit dem Antrag zu 1. hat die Klägerin die Vollrente für April und Mai 2018 sowie die Witwenrente für Juni 2018 in Höhe von 60 % der zuletzt gezahlten Altersrente geltend gemacht. Hilfsweise hat sie den Antrag auch für April und Mai 2018 auf einen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente gestützt. Mit dem ersten Feststellungsantrag hat sie sich gegen die Rückzahlungsaufforderung der Beklagten gewehrt. Schließlich hat sie die Feststellung begehrt, dass ihr eine Witwenrente zusteht.
22Die Klägerin hat behauptet, sie habe nach dem Tod ihres Ehemannes eine Sachbearbeiterin der Personalabteilung der Beklagten telefonisch kontaktiert, weil sie befürchtet habe, Leistungen weiter zu erhalten, die ihr gegebenenfalls nicht zustünden. Von dieser sei sie aufgefordert worden, einen Antrag auf Hinterbliebenenleistungen zu stellen. Ihr sei zudem mitgeteilt worden, sie müsse sich keine Sorgen machen, sie erhalte drei Monate nach dem Tod des Ehemannes die volle Rente weiter und hieran anschließend 60 % dieser Rente als Witwenrente. Auf Veranlassung der Beklagten habe sie ein Antragsformular für die Witwenrente erhalten und dieses ausgefüllt zurückgesandt.
23Die Klägerin ist der Ansicht, die telefonischen Aussagen ihrer Mitarbeiterin müsse die Beklagte sich zurechnen lassen. Die mündlichen Zusagen begründeten die hier geltend gemachten Ansprüche. Die Beschränkung der Hinterbliebenenleistungen auf die zum Zeitpunkt der Versorgungszusage aktuelle Ehefrau des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Allgemeine Geschäftsbedingung sei unwirksam, weil sie den verstorbenen Ehemann unangemessen benachteilige. Die Klausel sei dahin auszulegen, dass diejenige Ehefrau die Witwenrente erhalte, deren Ehe als letztes während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestanden habe.
24Die Klägerin hat vorgetragen, die Rente sei - unstreitig - jeweils am Ende eines Monats für den betreffenden Monat gezahlt worden.
25Die Klägerin hat beantragt,
261.die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat April 2018 1.225,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2018, für den Monat Mai 2018 1.225,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2018 und darüber hinausgehend für den Monat Juni 2018 735,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2018 zu zahlen;
272.festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, die für den Monat März 2018 Herrn S. gezahlte Rente in Höhe von 1.225,00 € zurückzuzahlen;
283.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Juli 2018 monatlich Witwenrente in Höhe von 735,00 € an sie zu zahlen.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Versorgungszusagen seien ihrem Wortlaut nach eindeutig, weil die erste Ehefrau namentlich benannt sei. Eine Auslegung dahin, die dritte Ehefrau solle begünstigt sein, scheide aus und sei zudem fernliegend. Die von der Klägerin zitierte BAG-Entscheidung betreffe einen anderen Sachverhalt. Jedes anders Ergebnis würde eine unzumutbare Härte für sie darstellen. Die erste Ehefrau habe ihrerseits keinen Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung, weil sie wieder geheiratet habe.
32Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Anspruchs auf Zahlung einer Witwenrente ab April 2018 stattgegeben; die weitergehende Klage wurde abgewiesen. Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 20.12.2018 zugestellt worden ist, hat sie am 27.12.2018 Berufung eingelegt und diese mit einem am 19.02.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
33Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung zu Unrecht auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2017 - 3 AZR 297/15 - gestützt, ohne den unterschiedlichen Wortlaut der Klauseln in den jeweils zu beurteilenden Versorgungszusagen ausreichend zu würdigen. Während in der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin erteilten Versorgungszusage der Name der bezugsberechtigten Ehefrau ausdrücklich genannt worden sei, sei die Versorgungszusage, die der BAG-Entscheidung zugrunde gelegen habe, auslegungsbedürftig gewesen, da dort ohne Namensnennung die "jetzige Ehefrau" als Bezugsberechtigte genannt worden sei. Das Arbeitsgericht habe die Unterschiede in den Sachverhalten schlicht übersehen.
34Weiter meint die Beklagte, der Ehemann der Klägerin hätte die Versorgungsberechtigung ändern können. Ein derartiger Wunsch sei aber - unstreitig - nicht an sie herangetragen worden. Stattdessen sei mit dem Aufhebungsvertrag die ursprüngliche Regelung noch einmal bestätigt worden.
35Die Beklagte vertritt die Auffassung, es gebe keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Arbeitnehmer ein Interesse habe, seine aktuelle Ehefrau mit einer Hinterbliebenenrente abzusichern. Es sei auch denkbar, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin seiner ersten Ehefrau die Witwenrente habe überlassen wollen und deshalb die Zusage nicht habe ändern lassen. Statistisch resultierten aus ersten Ehen mehr Kinder als aus nachfolgenden Eheschließungen, so dass es naheliegend sei, die ersten Ehefrauen als besonders schutzwürdig zu erachten.
36Zudem werde in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Interesse des Arbeitgebers, das Versorgungsrisiko zu begrenzen, grundsätzlich anerkannt. Ein solches Interesse liege hier vor. Es müsse auch bedacht werden, dass die Beklagte gegebenenfalls der Gefahr ausgesetzt würde, doppelt in Anspruch genommen zu werden, weil neben dem Kläger auch die erste Ehefrau, N. S. geb. S., Ansprüche anmelden und sich insoweit auf eine Unwirksamkeit der Scheidungsklausel berufen könnte.
37Schließlich beruft sich die Beklagte zur Stützung ihrer Auffassung auf Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf (Urteil vom 21.05.1974 - 11 Sa 1147/73 -) und Hamm (Urteile vom 16.12.1986 - 6 Sa 1095/86 - sowie vom 29.07.1997 - 6 Sa 167/97 -).
38Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
40A.
41Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
42I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung.
43Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
44II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.
451. Die Klage ist zulässig.
46Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Der Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass durch den Antrag der Streit der Parteien über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente dauerhaft geklärt werden kann. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (st. Rspr., vgl. nur BAG v. 19.02.2019 - 3 AZR 219/18 - Rn. 15; BAG v. 16.10.2018 - 3 AZR 319/17 - Rn. 14 mwN). Zudem umfasst der Antrag Forderungen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht fällig waren.
472. Die Klage ist - soweit sie in die zweite Instanz gelangt ist - begründet.
48a) Der Klägerin steht ab April 2018 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 735,00 € brutto zu. Dieser Anspruch folgt aus den Versorgungszusagen aus den Jahren 1977 und 1979 in Verbindung mit §§ 328, 331 Abs. 1 BGB (Vertrag zugunsten Dritter).
49aa) Das Arbeitsgericht hat hierzu Folgendes ausgeführt:
50Zwar ergebe sich aus dem Wortlaut der Versorgungszusagen kein Anspruch der Klägerin, da nicht sie, sondern die erste Ehefrau ihres verstorbenen Ehemannes, N. S., als Bezugsberechtigte benannt wird. Diese Regelung sei aber unwirksam, da sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteilige. Würden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, so seien Regelungen, die von den im Betriebsrentenrecht angelegten Formen der Risikoabwägung abwichen, uneingeschränkt kontrollfähig. Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG sei die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierten Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Es entspreche der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen abgesichert würden, die in einem bestimmten Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stünden. Schränke der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zu Lasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage weiter ein, unterliege diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine solche Einschränkung enthielten die von der Beklagten erteilten Versorgungszusagen. Der Arbeitnehmer habe ein rechtlich geschütztes Interesse, das sich aus dem Näheverhältnis zu der Ehefrau ergebe, mit der er bei seinem Ableben verheiratet sei. Hingegen gebe es kein begründetes und billigenswertes Interesse des Arbeitgebers, die Hinterbliebenenversorgung auf die mit dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratete Frau zu begrenzen. Zwar habe der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, sein mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen. Die in der Versorgungszusage enthaltene Einschränkung orientiere sich allerdings nicht an solchen Risikoerwägungen, sondern knüpfe an bloße Zufälligkeiten an. Die durch die Streichung der unwirksamen Regelung entstandene Lücke in den Versorgungszusagen sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Diese sei dahingehend vorzunehmen, dass eine Hinterbliebenenversorgung an die letzte Ehefrau gezahlt werden solle, sofern deren Ehe mit dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer schon während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Nur eine solche Regelung trage den typischerweise vorhandenen Interessen der Beteiligten Rechnung.
51bb) Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts schließt sich die Kammer an. Sie macht sich daher die Begründung unter Ziffer 2. der Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen und stellt dies hiermit ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend wird - vor allem im Hinblick auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände - Folgendes ausgeführt:
52aaa) § 307 BGB findet Anwendung.
53Zwar sind die hier zu beurteilenden Versorgungszusagen vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform erteilt worden. Gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB ist aber dennoch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbar.
54Bei den Versorgungszusagen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie sind erkennbar für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Dies geht bereits aus dem Schriftbild hervor und lässt sich weiter daraus ersehen, dass unter Ziffer 1.3 bewusst eine Lücke zur Angabe des jeweiligen Vornamens und Geburtsnamens der Ehefrau gelassen wurde. Zahlreiche Bestimmungen in der Versorgungszusage sind in einer Weise formuliert, dass sie auf eine unbestimmte Zahl an Personen zutreffen, so z.B. die Regelungen unter Ziffer 5. Auch das Arbeitsgericht ist vom Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen ausgegangen, ohne dass dies von der Beklagten in Frage gestellt worden wäre. Darüber hinaus wäre § 307 BGB selbst dann anwendbar, wenn die Versorgungsbedingungen von der Beklagten lediglich für das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger formuliert worden wären, da dann jedenfalls die Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Ziff. 2 BGB vorlägen.
55bbb) Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf (Urteil vom 21.05.1974 - 11 Sa 1147/73 -) und Hamm (Urteile vom 16.12.1986 - 6 Sa 1095/86 - und vom 29.07.1997 - 6 Sa 167/97 -) sind nicht von Relevanz. Diese Entscheidungen stammen sämtlich aus der Zeit vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform und konnten sich daher nicht mit der Frage der Unwirksamkeit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung gemäß § 307 Abs. 1 BGB auseinandersetzen.
56ccc) Die Rüge der Beklagten, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Grund-sätze aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2017 - 3 AZR 297/15 - übernommen und dabei übersehen, dass sich der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unterscheide, ist unzutreffend.
57Richtig ist, dass sich die streitgegenständliche Versorgungszusage von derjenigen, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde lag, insoweit unterscheidet, als vorliegend ausdrücklich der Name der damaligen Ehefrau des Arbeitnehmers aufgeführt wird, während in dem BAG-Fall die Hinterbliebenenversorgung der "jetzigen Ehefrau" erteilt wurde. Für die Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, ist dieser Unterschied aber gänzlich irrelevant. Wäre vorliegend eine der BAG-Entscheidung entsprechende Formulierung in die Versorgungszusage aufgenommen worden, so würde man im Wege der Auslegung dazu kommen, dass N. S., geb. S. gemeint war. Wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, wäre diese Klausel gemäß § 307 BGB unwirksam, weil eine Beschränkung auf diejenige Ehefrau, mit der ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratet ist, ihn unangemessen benachteiligt. Warum es sich dann nicht um eine unangemessene Benachteiligung handeln sollte, wenn die damalige Ehefrau namentlich genannt wird, erschließt sich nicht.
58ddd) Die Ausführungen der Beklagten, es könne nicht per se angenommen werden, dass ein Arbeitnehmer ein Interesse daran habe, diejenige Ehefrau abzusichern, mit der er bei seinem Ableben verheiratet gewesen sei, gehen an der Lebenswirklichkeit vorbei. Davon abgesehen sind sie deshalb irrelevant, weil die Versorgungszusage in Ziffer 1.3 Satz 3 die Regelung enthält, dass sämtliche Ansprüche auf eine Hinterbliebenenversorgung bei Ehescheidung entfallen. Dementsprechend steht die Beklagte auch nicht auf dem Standpunkt, sie schulde N. S., geb. S., eine Hinterbliebenenrente, sondern es bestünde überhaupt kein Anspruch auf eine solche. Ein derartiges Ergebnis widerspricht ganz sicher dem mutmaßlichen Interesse des Arbeitnehmers.
59Soweit die Beklagte wiederum meint, sie könne zusätzlich Ansprüchen der N. S. ausgesetzt sein, vermag die Kammer nicht zu erkennen, worauf diese gründen sollten. Auch ohne einer ausdrücklichen Regelung entspricht es dem allgemeinen Verständnis, dass versorgungsberechtigte Witwe nur die Ehefrau - nicht die ehemalige Ehefrau - ist (allgemeine Meinung; so schon BAG v. 21.10.1966 - 3 AZR 119/66 - und LAG Hamm v. 17.02.1981 - 6 Sa 1360/80 -; ebenso Borchard in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt [Stand: 31. Lieferung 04/2019] Teil 9b Rn. 59; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, Anh. § 1 Rn. 199). Jedenfalls liegt es auf der Hand, dass die Beklagte nicht zu doppelten Zahlungen an zwei Personen verpflichtet ist. Etwaigen Bedenken diesbezüglich hätte sie prozessual mit einer Streitverkündung Rechnung tragen können.
60eee) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klausel nicht aufgrund eines berechtigten Interesses wirksam.
61Dass für eine Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf die zum Zeitpunkt der Versorgungszusage mit dem Arbeitnehmer verheiratete Ehefrau kein schutzwürdiges Interesse besteht, haben das Bundesarbeitsgericht und ihm folgend das Arbeitsgericht ausführlich dargelegt. Die Begrenzung des Versorgungsrisikos lässt sich anderweitig bewirken. Zum einen lässt sich diesem Interesse Rechnung tragen, indem vorausgesetzt wird, dass die Ehe vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers geschlossen worden sein muss (vgl. BAG v. 21.02.2017 - 3 AZR 297/15 - Rn. 48 ff.). Zum anderen wäre eine Altersabstandsklausel zum Zwecke der Begrenzung von Versorgungsrisiken zulässig gewesen (vgl. BAG v. 16.10.2018 - 3 AZR 520/17 -).
62fff) Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich nicht aus Ziffer 3. der undatierten Abwicklungsvereinbarung mit dem Eingangsstempel "24. Dez. 2012".
63Soweit dort die Regelung getroffen wurde, es verbleibe "im übrigen" "bei den Bestimmungen der Versorgungszusage vom 12.12.1977", führt dies nicht dazu, dass die ehemalige Ehefrau N. S., geb. S., als Bezugsberechtigte einer Witwenpension eingesetzt wird. Die Arbeitsvertragsparteien wollten keine neue Regelung treffen, sondern lediglich das bestätigen, was ohnehin schon galt. Bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Abwicklungsvereinbarung galt aber, dass die entsprechende Regelung in Ziffer 1.3 der Versorgungszusage wegen des Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam und im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu ersetzen war, dass die Ehefrau, mit der Herr S. zum Zeitpunkt seines Ausscheidens verheiratet war, einen Anspruch auf Witwenrente beziehen sollte. Dieses im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefundene Ergebnis war Bestandteil der Versorgungszusage und damit auch Gegenstand der Bestätigung derselben in der Abwicklungsvereinbarung.
64b) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
65B.
66I. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
67II. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.
68RECHTSMITTELBELEHRUNG
69Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
70Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
71BarthJacobInden