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1. Die Tarifvertragsparteien dürfen mit der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie neben der Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise das weitere Ziel verfolgen, geleistete Arbeit in einem Bezugszeitraum zu vergüten. Die Verknüpfung mit einem weiteren Ziel steht der Steuerprivilegierung des § 3 Nr. 11c EStG nicht entgegen, wenn es dem Zweck der Abmilderung der erhöhten Verkaufspreise nicht zuwiderläuft. 2. Es liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, wenn die Tarifvertragsparteien den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. 3. Auch wenn die Tarifvertragsparteien zur Abmilderung besonderer Härten Ausnahmen für Beschäftigte vorsehen, die Krankengeld oder Kinderkrankengeld beziehen, dürfen sie Beschäftigte in Elternzeit von dem Bezug der Inflationsausgleichsprämie ausnehmen. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar. Die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.
I.Auf die Berufung der beklagten Stadt wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.04.2024 - 3 Ca 2231/23 - unter Zurückweisung der Berufung der beklagten Stadt im Übrigen und der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und in der Hauptsache zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1.Die beklagte Stadt wird verurteilt, an die Klägerin 220,00 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.
2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die Zahlung eines tariflichen Inflationsausgleichs während der Elternzeit und um eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG.
3Die Klägerin war seit dem 16.01.2019 bei der beklagten Stadt in Vollzeit im Technischen Dienst beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 12.10.2018 (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift vom 18.10.2023) bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem fänden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Die beklagte Stadt ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen, der wiederum Mitglied der VKA ist.
4Die VKA vereinbarte mit der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2024 keine prozentuale Entgelterhöhung. Erst zum 01.03.2024 setzten erhöhte Tabellenbeträge ein. Für den Zeitraum bis dahin trafen ua. die VKA und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft im Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise vom 22.04.2023 (TV Inflationsausgleich) auszugsweise folgende Regelungen:
5"§ 1
6Geltungsbereich
7Dieser Tarifvertrag gilt für Personen, die unter den Geltungsbereich eines der nachstehenden Tarifverträge fallen:
8a)Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD),
9§ 2
10Inflationsausgleich 2023
11(1)Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten eine einmalige Sonderzahlung mit dem Entgelt für den Monat Juni 2023 (Inflationsausgleich 2023), wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1. Mai 2023 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.
12(2)1Die Höhe des Inflationsausgleichs 2023 beträgt für Personen, die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, 1.240 Euro.
13§ 3
14Monatliche Sonderzahlungen
15(1)1Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 (Bezugsmonate) monatliche Sonderzahlungen. 2Die Auszahlung erfolgt mit dem Entgelt des jeweiligen Bezugsmonats. 3Der Anspruch auf den monatlichen Inflationsausgleich besteht jeweils nur, wenn in dem Bezugsmonat ein Arbeitsverhältnis besteht und an mindestens einem Tag im Bezugsmonat Anspruch auf Entgelt bestanden hat.
16(2)1Die Höhe der monatlichen Sonderzahlungen beträgt für Personen, die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, 220 Euro. 3§ 24 Absatz 2 TVöD gelten entsprechend. 4Maßgeblich sind die jeweiligen Verhältnisse am 1. Tag des jeweiligen Bezugsmonats.
17§ 4
18Gemeinsame Bestimmungen für die Sonderzahlungen nach §§ 2 und 3
19(1)1Der Inflationsausgleich 2023 nach § 2 sowie die monatlichen Sonderzahlungen nach § 3 werden jeweils zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Entgelt gewährt. 2Es handelt sich jeweils um einen Zuschuss des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise im Sinne des § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes.
20(2)1Anspruch auf Entgelt im Sinne des § 2 Absatz 1 bzw. § 3 Absatz 1 Satz 3 sind auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus Anlass der in § 21 Satz 1 TVöD genannten Ereignisse und der Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 22 Absatz 2 und 3 TVöD ), auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird. 3Einem Anspruch auf Entgelt gleichgestellt ist der Bezug von Krankengeld nach § 45 SGB V oder entsprechender gesetzlicher Leistungen, Leistungen nach § 56 IfSG, Kurzarbeitergeld und Leistungen nach §§ 18 bis 20 MuSchG."
21Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst idF vom 22.04.2023 (TVöD) erfolgt die Zahlung des Entgelts am letzten Tag des Monats für den laufenden Monat. Falle dieser Tag auf einen Samstag, einen Wochenfeiertag oder den 31. Dezember, gelte der vorhergehende Werktag als Zahltag. Falle er auf einen Sonntag, sei der zweite vorhergehende Werktag der Zahltag.
22Ausweislich § 24 Abs. 2 TVöD erhalten Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich alle Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD beträgt die regelmäßige Arbeitszeit für die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbands der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden in der Woche.
23§ 21 Satz 1 TVöD sieht vor, dass in den Fällen der Entgeltfortzahlung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD, § 22 Abs. 1 TVöD, § 26 TVöD, § 27 TVöD und § 29 TVöD das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt werden. § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD regelt die Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts am 24.12. und am 31.12. § 22 Abs. 1 TVöD sieht vor, dass für die ersten sechs Wochen einer schuldlosen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Entgelt fortgezahlt wird. § 26 TVöD regelt den Erholungs- und § 27 TVöD den Zusatzurlaub bei Wechselschichtarbeit oder Schichtarbeit. § 29 TVöD benennt Fälle der Arbeitsbefreiung, in denen das Entgelt fortgezahlt wird. Dazu gehören insbesondere die Niederkunft der Ehefrau, der Tod des Ehegatten, der Umzug aus betrieblichem Grund an einen anderen Ort, ein 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum, schwere Erkrankungen von Angehörigen oder die ärztliche Behandlung, wenn diese während der Arbeitszeit erfolgen muss. Gemäß § 22 Abs. 2 und 3 TVöD erhalten Arbeitnehmer einen Krankengeldzuschuss längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit.
24§ 37 Abs. 1 TVöD lautet:
25"1Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber in Textform geltend gemacht werden. 2Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus."
26Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b und e TVöD stehen bei dem Erreichen der Entgeltstufen Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 TVöD bis zu 39 Wochen sowie Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr einer ununterbrochenen Tätigkeit gleich.
27Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 18.06.2022 für den Zeitraum vom 14.06.2022 bis zum 13.04.2024 Elternzeit (vgl. Anlage B2 zum Schriftsatz der beklagten Stadt vom 15.07.2024). Die Parteien vereinbarten am 07.11.2023 eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag, nach der die wöchentliche Arbeitszeit für den Zeitraum vom 14.12.2023 bis zum 13.04.2024 auf 24 Stunden festgesetzt wurde (vgl. Anlage B3 zum Schriftsatz der beklagten Stadt vom 15.07.2024). Für die Monate Januar und Februar 2024 hat die Beklagte an die Klägerin als Inflationsausgleich jeweils 135,38 € gezahlt. Die Beschäftigten in Elternzeit sind überwiegend Frauen.
28Mit Schreiben vom 29.08.2023 forderte die Klägerin die beklagte Stadt auf, die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie an sie für die Monate Juni und Juli 2023 nachzuholen und den monatlichen Inflationsausgleich nunmehr zu zahlen. Die beklagte Stadt antwortete auf das Schreiben am 15.09.2023.
29Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der TV Inflationsausgleich gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoße und Arbeitnehmer wegen des Geschlechts diskriminiere, soweit er Beschäftigte in Elternzeit von dem Bezug des Inflationsausgleichs ausschließe. Der Ausschluss sei mittelbar diskriminierend, weil er überwiegend Mütter betreffe. Arbeitnehmer, die Elternzeit angemeldet hätten, würden entgegen § 612a BGB gemaßregelt. Die Ungleichbehandlung sei nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Ganz im Gegenteil seien Beschäftigte ohne Entgeltbezug in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen, so dass sie einer Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise besonders bedürften. Ein Rückgriff auf andere Zwecke zur Rechtfertigung des Ausschlusses sei unzulässig. Im Übrigen seien Arbeitnehmer in Elternzeit betriebstreu. Einen Vergütungszweck des Inflationsausgleichs hätten die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen, weil auch Arbeitnehmer im Kinderkrankengeldbezug nach § 4 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich anspruchsberechtigt seien. Die Inanspruchnahme von Elternzeit beruhe nicht auf einer freien Entscheidung, sondern sei in Ermangelung entsprechender Betreuungsangebote häufig alternativlos. Es liefe dem Verständnis des Art. 6 GG zuwider, würde die Beanspruchung von Elternzeit nicht als "schicksalhaft" betrachtet. Ein Vergütungszweck sei mit § 3 Nr. 11c EStG nicht vereinbar, wie sich aus der Antwort auf Frage 10 in den FAQ des Bundesfinanzministeriums zur Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz vom 24.05.2023 ergebe. Die im TV Inflationsausgleich vorgesehene Kürzung der Zahlungen bei einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit sei aus denselben Gründen unwirksam.
30Sie habe einen Anspruch auf eine Entschädigung iHv. mindestens zwei Bruttomonatsgehältern aus § 15 Abs. 2 AGG. Es handele sich im TV Inflationsausgleich um eine systematische Diskriminierung, so dass eine wirklich abschreckende Wirkung auf den Arbeitgeber erforderlich sei. § 15 Abs. 3 AGG sei unionsrechtswidrig, da er Entschädigungsansprüche abhängig vom Verschulden mache. Die beklagte Stadt habe darüber hinaus auch grob fahrlässig gehandelt, da die tarifvertragliche Regelung offensichtlich diskriminierend sei.
31Die Klägerin hat beantragt,
321.die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie 2.644,62 € zu zahlen nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.240,00 € seit dem 01.07.2023, aus jeweils 220,00 € seit dem 01.08.2023, 01.09.2023, 01.10.2023, 01.11.2023, 01.12.2023, 01.01.2024 sowie aus 84,62 € seit dem 01.02.2024;
332.die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie 84,62 € zu zahlen nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2023;
343.die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 8.000,00 € nicht unterschreiten sollte.
35Die beklagte Stadt hat beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Sie hat die Ansicht vertreten, die den Anspruch ausschließende Tarifregelung verstoße weder gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot noch gegen das Diskriminierungsverbot. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts liege nicht vor, weil der Ausschluss keinerlei Bezug zum Geschlecht habe. Die Grenzen der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie seien erst überschritten, wenn sich kein sachgerechter Grund für die Regelung finden ließe. Der Inflationsausgleich sei als Entgelt ausgestaltet. Die Tarifvertragsparteien hätten sich für eine Leistung nur an diejenigen Beschäftigten entschieden, an die arbeitgeberseitige Zahlungen erfolgten. Demgegenüber ruhe das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit. Der Arbeitgeber sei nicht für den Reallohnverlust während der Elternzeit verantwortlich. Auch der Erholungsurlaub könne gekürzt werden. Die Elternzeit beruhe auf einer planbaren und selbstbestimmten Entscheidung des Arbeitnehmers, während bei der Pflege eines erkrankten Kindes ein akuter Notfall vorliege. Es sei sachgerecht, dass die Tarifvertragsparteien den bloßen Anspruch auf den Krankengeldzuschuss für ausreichend erachtet hätten und Ausnahmefälle wie hohe Barleistungen der Sozialversicherungsträger genauso behandelt hätten. Damit hätten sie einen Gleichlauf zu den Stufenlaufzeiten in § 17 Abs. 3 TVöD hergestellt. Wenn Arbeitnehmer in Elternzeit in voller Höhe anspruchsberechtigt wären, würden Arbeitnehmer mit unbezahltem Sonderurlaub oder in Teilzeit zur Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kindern und Arbeitnehmer, die wegen einer Schwerbehinderung in Teilzeit arbeiten, benachteiligt. Sie, die beklagte Stadt, verstoße nicht gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie die Normen des TV Inflationsausgleich bloß vollziehe. Sie verletze nicht das Maßregelungsverbot, weil sie sich gemäß dem TV Inflationsausgleich verhalte. Für Dezember 2023 stehe der Klägerin kein Inflationsausgleich zu, weil gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich abweichend von § 24 Abs. 3 TVöD die Teilzeitquote am 1. Tag des Monats maßgeblich sei. Für Januar und Februar 2024 könne die Klägerin aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit nur den bereits ausgezahlten Inflationsausgleich in Höhe von jeweils 135,38 € beanspruchen.
38Das Arbeitsgericht hat die beklagte Stadt verurteilt, an die Klägerin 2.644,62 € nebst den eingeklagten Zinsen sowie 84,62 € nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2024 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Anträge zu 1. und 2. seien bis auf das zu korrigierende Zinsdatum im Antrag zu 2. begründet. Die beklagte Stadt sei gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 3 Abs. 1 und 2 TV Inflationsausgleich verpflichtet, der Klägerin den vollen Inflationsausgleich zu zahlen.
39Der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich verstoße gegen das Willkürverbot und damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, so dass die leistungsgewährenden Tarifvertragsbestimmungen auch auf die Klägerin zu erstrecken seien. Die Differenzierung zwischen dem Kreis der Anspruchsberechtigten und dem der Nichtberechtigten sei nicht sachlich nachvollziehbar. Die Leistungen nach dem TV Inflationsausgleich vergüteten nicht erbrachte Arbeitsleistung. Die Höhe der Zahlung hänge nicht von der Entgeltgruppe ab. Sie setze nicht die Erbringung von Arbeitsleistung im Bezugszeitraum, sondern nur den Anspruch auf Entgelt an mindestens einem Tag voraus. Als Entgelt zähle insbesondere der Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 und 3 TVöD, auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt werde, sowie das Krankengeld bei Erkrankung des Kindes nach § 45 SGB V. Damit hätten die Tarifvertragsparteien Krankengeldbezieher, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss vom Arbeitgeber erhalten, mit Beziehern eines Krankengeldzuschusses gleichstellen wollen sowie Kinderkrankengeldbezieher mit Arbeitnehmern, die wegen eigener Erkrankung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. Krankengeld mit Krankengeldzuschuss beziehen oder die bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 1 Buchst. e TVöD in Anspruch nehmen. In diesen Konstellationen sowie bei der Elternzeit bestehe das Arbeitsverhältnis fort, ohne das wechselseitige Leistungen ausgetauscht würden und der Arbeitgeber finanzielle Leistungen erbringe.
40Allein die Tatsache, dass bei Elternzeit ein ruhendes Arbeitsverhältnis vorliege, während es sich in den beiden einbezogenen Fällen um eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeitnehmers handele, sei kein Grund für eine Differenzierung. Alle drei Gruppen seien in gleicher Weise von gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen und seien betriebstreu. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Dauer des Urlaubsanspruchs und dem Zweck des Inflationsausgleichs, so dass auch aus der Kürzungsmöglichkeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kein Argument abzuleiten sei. Der einzige Unterschied der Elternzeit bestehe darin, dass ihre Inanspruchnahme vom Willen des Arbeitnehmers abhänge. Dieses Differenzierungskriterium sei nicht zulässig. Das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen, sei in Art. 6 Abs. 2 GG verankert. Bei der Erkrankung eines Kindes liege die Entscheidung, wer es pflege, ebenfalls beim Arbeitnehmer. Die Entscheidung bei der Elternzeit sei nicht frei, weil nicht ausreichend Plätze in Betreuungseinrichtungen vorhanden seien, um eine Vollzeitberufstätigkeit aller Eltern ab dem Ende des Mutterschutzes zu gewährleisten. Ein anderes Ergebnis folge nicht aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2023 - 10 AZR 288/22 -, weil nach dem TV Inflationsausgleich mit den beiden genannten Gruppen auch Arbeitnehmer einen Anspruch hätten, die keine Leistungen des Arbeitgebers erhielten. Der typischerweise längere Zeitraum der Elternzeit sei kein Grund für eine Unterscheidung. Nach dem TV Inflationsausgleich sei der Anspruch auf Kinderkrankengeld nur relevant, wenn im Bezugszeitraum sonst kein Entgeltanspruch bestehe, da ein Tag mit Entgeltbezug bereits ausreiche. Außerdem sei die maximale Bezugsdauer von Kinderkrankengeld mit 30 bzw. 60 Arbeitstagen im Jahr 2023 nicht kürzer als die Dauer einer einmonatigen Elternzeit. Es bedürfe daneben keiner Entscheidung, ob Arbeitnehmer mit unbezahltem Sonderurlaub ebenfalls unzulässig benachteiligt würden.
41Die beklagte Stadt sei wegen der Teilzeittätigkeit der Klägerin nicht nur zu einer bloß anteiligen Zahlung verpflichtet. Die Klägerin sei wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie eine Vollzeitkraft zu stellen. Eine Differenzierung gegenüber in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern im Krankengeldbezug, die wegen der Höhe der der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss bekommen, oder Arbeitnehmern, die Kinderkrankengeld erhalten, sei sachlich nicht zu begründen. Da die Tarifvertragsparteien den Entgeltanspruch im Referenzzeitraum nicht zur zwingenden Anspruchsvoraussetzung erhoben hätten, ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.03.2023 - 9 AZR 132/22 - kein anderes Ergebnis. Im Übrigen sei es nicht nachvollziehbar, wenn Arbeitnehmer mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag, die sich in Elternzeit ohne Teilzeitbeschäftigung befinden, einen Anspruch auf den vollen Inflationsausgleich hätten, Arbeitnehmer mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag, die während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten, hingegen nur einen Anspruch auf einen anteiligen Inflationsausgleich.
42Eine Entschädigungszahlung sei unabhängig von einem Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG gemäß § 15 Abs. 3 AGG ausgeschlossen. Diese Norm sei unionsrechtskonform. Die beklagte Stadt habe bei der Anwendung des TV Inflationsausgleich nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt, da sich der diskriminierende Charakter der Regelungen des TV Inflationsausgleich nicht aufgedrängt habe, sondern es sich insoweit um schwierige Rechtsfragen handele.
43Die beklagte Stadt hat gegen das ihr am 24.04.2024 zugestellte Urteil am 14.05.2024 Berufung eingelegt und die Berufung mit ihrem am 12.06.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 18.06.2024 zugestellt worden. Die Anschlussberufung mit Begründung ist nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 29.07.2024 aufgrund des Antrags vom 28.06.2024 am 19.07.2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
44Die beklagte Stadt ist der Ansicht, dass die tarifvertragliche Differenzierung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Die Leistungen des TV Inflationsausgleich stünden in einem erkennbaren inneren Zusammenhang mit dem Anspruch auf Entgelt. Die Tarifvertragsparteien hätten mit dem Inflationsausgleich eine Erhöhung der Tabellenbeträge ersetzt. Sinn und Zweck der Konstruktion sei es gewesen, den Beschäftigungen die Leistungen ohne Abzüge zukommen zu lassen. Eine von der Entgelthöhe unabhängige Höhe der Zahlung stünde einem Zusammenhang nicht entgegen, da auch andere tarifvertragliche Zahlungen wie Schichtzulagen oder Jubiläumsgelder für alle Entgeltgruppen gleich hoch seien. Bei dem vorausgesetzten einen Tag mit Anspruch auf Entgelt handele es sich um eine Typisierung in der Zeit, die zulässig und sachgerecht sei.
45Die Differenzierung gegenüber den Arbeitnehmern mit Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss, der nicht ausgezahlt werde, oder mit einem Anspruch auf Kinderkrankengeld sei sachlich nachvollziehbar. Ein Unterschied bestehe darin, dass bei der Elternzeit das Enddatum anders als bei den vom Arbeitsgericht zum Vergleich herangezogenen Konstellationen feststehe. Nur während der Elternzeit ruhe das Arbeitsverhältnis. Deswegen werde der Urlaubsanspruch gekürzt. Außerdem habe das Ruhen ausweislich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2024 - 6 AZR 126/23 - Auswirkungen auf die tariflichen Stufenlaufzeiten. Diese Wertung entspräche der zulässigen typisierten Betrachtung bei den Stufenlaufzeiten nach dem TVöD. Der Zeitraum des Krankengeldzuschusses sei dagegen unabhängig von seiner Auszahlung auch für die Stufenlaufzeit maßgeblich, § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD. Kurzzeitige Arbeitsbefreiungen zur Pflege eines erkrankten Kindes wirkten sich auf die Stufenlaufzeiten ebenfalls nicht aus, § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. e TVöD. Weder Art. 6 Abs. 1 GG noch § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18.06.2009 schütze die Arbeitnehmer vor Nachteilen, die sich aus dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit ergeben. Bei einer Gewährung des Inflationsausgleichs an die Klägerin würden andere Personengruppen benachteiligt, insbesondere Arbeitnehmer, die unbezahlten Sonderurlaub oder Arbeitsbefreiung oder eine Teilzeitbeschäftigung zur Kinderbetreuung außerhalb der Elternzeit oder zur Pflege von Angehörigen in Anspruch nähmen, sowie schwerbehinderte Arbeitnehmer in Teilzeit.
46Ein Anspruch auf die Zahlung eines Inflationsausgleichs für Dezember 2022 bestehe nicht, weil die rechtliche Beschäftigungsquote der Klägerin am 01.12.2023 0 betragen habe. Es sei maßgeblich, dass die Verpflichtung zur Arbeitsleistung an diesem Tag aufgrund der Bestimmungen des BEEG geruht habe.
47Die Klägerin habe für die Monate Januar und Februar 2023 keinen Anspruch auf den vollen Inflationsausgleich. Die arbeitszeitanteilige Zahlung sei ein Kernelement der tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum TV Corona-Sonderzahlung 2020 sei auf den Inflationsausgleich zu übertragen. Da die Klägerin während der beschäftigungslosen Elternzeit keinen Anspruch auf einen Inflationsausgleich habe, sei daraus kein Argument abzuleiten.
48Ein Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG bestehe nicht. Es liege kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG vor. Jedenfalls habe sie, die beklagte Stadt, nicht grob fahrlässig iSv. § 15 Abs. 3 AGG gehandelt, weil sie die Informationen des Kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt habe. Sie habe keinen Anlass für einen Zweifel an der Wirksamkeit des Ausschlusses für Beschäftigte in Elternzeit gehabt, weil die Regelungen im TV Inflationsausgleich teilweise den Regelungen des Tarifvertrags über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 25.10.2020 sowie § 17 Abs. 3 und § 20 TVöD entsprächen.
49Die beklagte Stadt beantragt,
50das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.04.2024 - 3 Ca 2231/23 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
51Die Klägerin beantragt,
52die Berufung der beklagten Stadt zurückzuweisen und, im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.04.2024 - 3 Ca 2231/23 - teilweise abzuändern und die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 8.000,00 € nicht unterschreiten sollte.
53Die beklagte Stadt beantragt,
54die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
55Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Ausschluss von Beschäftigten in der Elternzeit gegen das Willkürverbot verstoße. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, Langzeiterkrankten und Beschäftigten in Kinderkrankengeldbezug den Ausgleich zu zahlen, nicht aber Beschäftigten in Elternzeit. Die Beschäftigten in Elternzeit seien in gleicher Weise von den gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen und wegen geringer finanzieller Spielräume in besonderer Weise auf die Ausgleichszahlung angewiesen. Sie seien betriebstreu. Es seien keine sachlichen Differenzierungskriterien, dass das Ende der Elternzeit anders als das Datum der Genesung feststehe, dass es sich bei der Inanspruchnahme von Elternzeit um ein Gestaltungsrecht handele und dass das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruhe und nicht bloß gestört sei. Der Inflationsausgleich verfolge in erster Linie einen Sozialzweck und nicht die Leistungsentlohnung der Arbeitnehmer. Jedenfalls sei materiell die Situation der in Elternzeit befindlichen Beschäftigten mit den anderen Gruppen vergleichbar. Das Gestaltungsrecht müssten sie in der Praxis häufig in Anspruch nehmen, weil es nicht ausreichend Plätze in Betreuungseinrichtungen gebe. Alleinerziehende oder der geringer verdienende Elternteil müssten die Betreuung übernehmen. Die Elternschaft bringe Benachteiligungen finanzieller, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Natur mit sich. Ein erheblicher Teil der Eltern befände sich ungewollt in dieser Rolle. Langzeiterkrankte hätten durch ihr Verhalten häufig selbst zu ihrer Arbeitsunfähigkeit beigetragen. Das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen sei in Art. 6 Abs. 2 GG verankert. Aus diesen Gründen sei auch Beschäftigten in Elternzeit der volle Inflationsausgleich zu zahlen. Außerdem sei die Herausnahme von Beschäftigten in der Elternzeit gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Frauen seien statistisch besonders betroffen. Die Ungleichbehandlung sei nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, weil es sich bei dem Inflationsausgleich nicht um eine Vergütung für erbrachte Leistungen, sondern um eine Unterstützungs- und Ausgleichszahlung. Hilfsweise stützt sie ihren Anspruch auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und äußerst hilfsweise auf Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
56Jedenfalls stehe ihr für den Monat Dezember 2023 der volle Inflationsausgleich zu. Am 01.12.2023 habe sie arbeitsvertraglich eine Vollzeitstelle gehabt.
57Die beklagte Stadt sei zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Dieser Anspruch sei nicht gemäß § 15 Abs. 3 AGG ausgeschlossen, weil die beklagte Stadt grob fahrlässig gehandelt habe, als sie den Ausschluss im TV Inflationsausgleich nicht rechtlich überprüft habe. Zudem sei § 15 Abs. 3 AGG mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren und dürfe nicht angewendet werden.
58Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.
59Entscheidungsgründe:
60Die Berufung der beklagten Stadt hat überwiegend Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
61A. Die zulässige Berufung der beklagten Stadt ist überwiegend begründet. Die auf Zahlung des Inflationsausgleichs gerichtete Klage ist zulässig und überwiegend unbegründet.
62I. Der Klageantrag ist dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin die geforderten Zahlungen als Bruttobeträge begehrt. Die Klägerin hat ihr Verlangen im Termin dahingehend klargestellt. Zudem ist aus Sicht der Klägerin die Beantragung von Bruttozahlungen sinnvoll. Der TV Inflationsausgleich sieht keine Nettozahlungen vor. Die Tarifvertragsparteien mögen davon ausgegangen sein, dass die vorgesehenen Zahlungen, die maximal 3.000,00 € betragen, gemäß § 3 Nr. 11c EStG steuerfrei und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV sozialversicherungsfrei sind. Eine Entscheidung über diese Frage treffen aber nicht sie, sondern die zuständigen Behörden und Sozialversicherungsträger. Außerdem gilt die Steuerfreiheit ausweislich § 3 Nr. 11c EStG und damit auch die Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen nur bei einer Gewährung bis zum 31.12.2024. Die Klägerin möchte die Zahlung unabhängig von der Beurteilung Dritter und vom Zeitpunkt der Auszahlung erhalten.
63II. Der Klageantrag ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
641. Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Deshalb muss eine Rangfolge gebildet werden (BAG 21.12.2022 - 7 AZR 489/21 - Rn. 53; 30.03.2022 - 10 AZR 419/19 - Rn. 23).
652. Dieser Anforderung genügt der Klageantrag. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass sie ihren Zahlungsanspruch vorrangig auf einen Anspruch aus § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Inflationsausgleich stützt, weil der Ausschluss Beschäftigte in der Elternzeit und die Beschränkung für Teilzeitbeschäftigte in der Elternzeit wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam sei. Hilfsweise beruft sie sich auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und äußerst hilfsweise auf einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
66III. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Zahlung von 220,00 € brutto für den Monat Dezember 2023 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Inflationsausgleich.
671. § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Inflationsausgleich gilt zwischen den Parteien aufgrund der Inbezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags vom 12.10.2018. Es handelt sich bei dem TV Inflationsausgleich um einen den TVöD ergänzenden Tarifvertrag, der hinsichtlich seines Geltungsbereichs in § 1 Buchst. a an den TVöD anknüpft.
682. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen zum Erhalt der Sonderzahlung im Dezember 2023. Im Dezember 2023 bestand ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Sie hat ab dem 14.12.2023 einen Anspruch auf Entgelt gehabt und damit an mindestens einem Tag im Bezugsmonat, § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich.
693. Die Höhe der Sonderzahlung beträgt 220,00 € brutto gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TV Inflationsausgleich. Entgegen der Ansicht der beklagten Stadt ist sie nicht gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 2 TVöD zu verringern, weil die Klägerin am 01.12.2023 während der Elternzeit nicht tätig war. Es kommt auf die am 01.12.2023 vereinbarte und nicht die zu leistende Arbeitszeit an.
70a) Die Bestimmung in § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 2 TVöD sieht vor, dass Teilzeitbeschäftigte die monatliche Sonderzahlung in dem Umfang erhalten, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Dabei sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 TV Inflationsausgleich die Verhältnisse am 1. Tag des jeweiligen Bezugsmonats maßgeblich.
71b) Diese Regelungen sind dahingehend auszulegen, dass es für die Höhe der Sonderzahlung darauf ankommt, welcher Arbeitszeitumfang zwischen den Arbeitsvertragsparteien am 1. des Bezugsmonats vereinbart ist.
72aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 05.03.2024 - 9 AZR 46/23 - Rn. 25; 15.11.2023 - 10 AZR 163/23 - Rn. 41).
73bb) Der Wortlaut des § 24 Abs. 2 TVöD spricht dafür, dass die beidseitig vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich ist. Nach der Bestimmung kommt es auf den Anteil der "individuell vereinbarten" durchschnittlichen Arbeitszeit an. Eine individuelle Vereinbarung setzt übereinstimmende Willenserklärungen beider Arbeitsvertragsparteien voraus. Es ist danach nicht maßgeblich, ob der Arbeitnehmer aus anderen Gründen nicht oder weniger gearbeitet hat.
74cc) Vor allem aus dem systematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich ergibt sich, dass es nicht auf die tatsächlich erfolgte oder rechtlich mögliche Arbeitstätigkeit am 1. des Bezugsmonats ankommt.
75(1) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich genügt ein Entgeltanspruch an mindestens einem Tag im Bezugsmonat, um den vollen Anspruch zu erhalten. Die Tarifvertragsparteien haben damit deutlich gemacht, dass es ihnen nicht auf einen Entgeltanspruch an einem bestimmten Stichtag ankommt, sondern nur darauf, dass Entgelt irgendwann im Bezugsmonat gezahlt wird. Auch der langzeiterkrankte Arbeitnehmer, der keinen Krankengeldzuschuss gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD mehr erhält, hat einen Anspruch auf die Sonderzahlung für den Bezugsmonat, wenn er am letzten des Monats arbeitsfähig ist und einen Anspruch auf Entgelt hat. Es ist unerheblich, ob er am 1. des Bezugsmonats gearbeitet hat.
76(2) Diesem erklärten Willen der Tarifvertragsparteien stünde es entgegen, wenn die Sonderzahlung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 und 4 TV Inflationsausgleich schon bei jeder Nichterbringung der Arbeitsleistung - ob aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen - am 1. des Bezugsmonats entfiele. Solange keine Teilzeit vereinbart ist, ist die Sonderzahlung in voller Höhe unabhängig davon zu zahlen, ob das Arbeitsverhältnis am 1. des Bezugsmonats geruht hat oder wegen einer Leistungsstörung kein Entgelt gezahlt worden ist.
77dd) Für dieses Auslegungsergebnis im Fall der Wiederaufnahme einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit spricht, dass die Tarifvertragsparteien damit die Wertungen des Gesetzgebers bei § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nachvollzogen haben. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG darf der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen, solange der Arbeitnehmer keine Teilzeitarbeit bei dem Arbeitgeber leistet. Nur für volle Monate des Ruhens der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ist der Jahresurlaub zu kürzen. Sobald die Arbeitsvertragsparteien in einem Kalendermonat auch nur für einen Tag eine Teilzeittätigkeit vereinbart haben, besteht keine Kürzungsmöglichkeit mehr.
78ee) Dieses Auslegungsergebnis ist auch vernünftig, sachgerecht, zweckorientiert und praktisch brauchbar. Für die Frage des Anspruchs auf die Sonderzahlung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Inflationsausgleich kommt es nur darauf an, dass an einem beliebigen Tag im Bezugsmonat ein Entgeltanspruch bestanden hat. Jeder beliebige Entgelt-anspruch wird um die Sonderzahlung aufgestockt. Die Frage, ob ein Entgeltanspruch im Bezugszeitraum bestanden hat, ist für die Arbeitsvertragsparteien durch die Einsichtnahme in die Abrechnung oder Vorlage des Krankengeldbescheids leicht überprüfbar. Lediglich für die Höhe der Sonderzahlung kommt es auf eine etwaige Teilzeitvereinbarung am 1. des Bezugsmonats an. Die Tarifvertragsparteien haben damit die anteilige Zahlung gemäß § 24 Abs. 2 TVöD auf die Sonderzahlung ausgedehnt und abweichend von § 24 Abs. 3 TVöD zur Vereinfachung einen Stichtag gewählt, der nicht für das Ob, sondern nur für die Höhe des Anspruchs maßgeblich ist. Die Arbeitsvertragsparteien können den Arbeitszeitumfang durch einen Blick in ihre Vereinbarungen feststellen und müssen für den gesamten Monat nur einmal einen anteiligen Anspruch berechnen. Im Interesse einer Vereinfachung haben es die Tarifvertragsparteien in Kauf genommen, dass diese Pauschalierung dazu führen kann, dass ein am 1. des Bezugsmonats in Vollzeit und ab dem 2. des Bezugsmonats in Teilzeit mit 10 Wochenstunden tätiger Arbeitnehmer für diesen Monat einen höheren Inflationsausgleich erhält als ein Arbeitnehmer, der den gesamten Monat über 30 Wochenstunden und damit erheblich mehr arbeitet.
79c) Danach hat die Klägerin den Anspruch in voller Höhe. Die Parteien hatten am 01.12.2023 keine Teilzeitbeschäftigung vereinbart iSv. § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 2 TVöD. Erst für den Zeitraum vom 14.12.2023 bis zum 13.04.2024 sollte die Klägerin in Teilzeit tätig werden. Bis dahin hatte die Klägerin lediglich einseitig durch ihr Elternzeitverlangen iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum bis zum 13.12.2023 zum Ruhen gebracht. Zu einer zweiseitigen Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung ist es dadurch nicht gekommen (vgl. BAG 24.09.2019 - 9 AZR 435/18 - Rn. 12; 26.09.2017 - 1 AZR 717/15 - Rn. 54). Vereinbart war am 01.12.2023 wie vor der Inanspruchnahme der Elternzeit eine Vollzeittätigkeit.
804. Der Anspruch ist nicht gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD verfallen. Die Klägerin hat den Inflationsausgleich für Dezember 2023 innerhalb der Sechsmonatsfrist mit ihrem Schriftsatz vom 16.02.2024 sogar gerichtlich ausdrücklich geltend gemacht.
815. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verzugszinsen ab dem 01.01.2024 aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 und 3 TVöD war die Zahlung am 29.12.2023 fällig, weil der eigentliche Zahltag, der 31.12.2023, ein Sonntag war. Zumindest ab dem 01.01.2024 befand sich die beklagte Stadt im Verzug.
82IV. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen aus § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Inflationsausgleich.
831. Nach den Bestimmungen des Tarifvertrags hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine weitere Zahlung.
84a) Für den Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 30.11.2023 hat sie keinen Anspruch, weil sie nicht an mindestens einem Tag zwischen dem 01.01.2023 und dem 31.05.2023, § 2 Abs. 1 Halbs. 2 TV Inflationsausgleich, und im Zeitraum vom 01.06.2023 bis zum 30.11.2023 nicht an mindestens einem Tag im jeweiligen Bezugsmonat, § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich, einen Anspruch auf Entgelt hatte. Im Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 30.11.2023 befand sich die Klägerin in Elternzeit und hat keine Bezüge von der beklagten Stadt erhalten. Die Tarifvertragsparteien haben die Elternzeit nicht einem Zeitraum mit Entgeltbezug gleichgestellt, vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 und 3 TV Inflationsausgleich.
85b) Für Januar und Februar 2024 hat die Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich bei einem Beschäftigungsumfang von 20 Wochenstunden einen Anspruch auf 24/39 von 220,00 €, also 135,38 €. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 TV Inflationsausgleich kommt es auf die vereinbarte Arbeitszeit am 01.01.2024 bzw. am 01.02.2024 an. Anders als der Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 29.11.2021, der ua. für den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder gilt, enthält der TV Inflationsausgleich keine Sonderregelung, nach der bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses die Verhältnisse am Tag vor dem Beginn des Ruhens maßgeblich sind. Schon deswegen ist die vom LAG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 13.07.2023 - 5 Sa 163/22 - vorgenommene Auslegung des Tarifvertrags über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 29.11.2021 nicht auf den TV Inflationsausgleich übertragbar. Einen Inflationsausgleich iHv. 135,38 € hat die beklagte Stadt der Klägerin für Januar und Februar 2024 bereits gewährt, § 362 Abs. 1 BGB.
862. Der Ausschluss der Zahlung während der Elternzeit in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich ist wirksam.
87a) Er verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
88aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass Tarifvertragsparteien wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandeln.
89(1) Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie tarifliche Normen setzen. Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Vergütungen und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Mit der Normsetzung auf Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien daher keine delegierte Staatsgewalt aus. Sie nehmen vielmehr privatautonom ihre Grundrechte wahr, wobei ihre Normsetzung durch den in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen staatlichen Geltungsbefehl tariflicher Rechtsnormen getragen wird. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer "Tarifzensur" durch die Arbeitsgerichte (BAG 15.11.2023 - 10 AZR 473/21 - Rn. 17; 23.08.2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 17).
90(2) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet aber als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen. Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind ("Gesamtpaket"), und kann damit zur Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte der Tarifvertragsparteien führen (BAG 15.11.2023 - 10 AZR 473/21 - Rn. 18; 23.08.2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 18).
91(3) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte allerdings zu beachten, dass den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht.
92(a) Sie bestimmen in diesem Rahmen nicht nur den Zweck einer tariflichen Leistung. Ihnen kommt auch eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen die Tarifvertragsparteien über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG 15.11.2023 - 10 AZR 473/21 - Rn. 19; 23.08.2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 19).
93(b) Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte. Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Bei der Gruppenbildung dürfen sie generalisieren und typisieren. Allerdings müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Auf abstrakt denkbare Zwecke kommt es dabei nicht an, sondern auf solche, die den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen sind. Diese können sich insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen ergeben, die die Tarifvertragsparteien unter Beachtung ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Verbandstarifverträge, unternehmensbezogene Verbandstarifverträge oder Tarifverträge mit einzelnen Arbeitgebern handelt (BAG 15.11.2023 - 10 AZR 473/21 - Rn. 20; 23.08.2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 20).
94bb) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Regelungen in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Arbeitnehmer in Elternzeit, die in den maßgeblichen Zeiträumen kein Entgelt bezogen haben, werden von der Zahlung des Inflationsausgleichs ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung knüpft nicht an wesentlich gleiche Sachverhalte an, sondern entspricht dem Vergütungszweck des Inflationsausgleichs. Während der Inanspruchnahme Elternzeit sind die wechselseitigen Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien suspendiert (BAG 22.02.2024 - 6 AZR 126/23 - Rn. 39; 27.10.2020 - 9 AZR 630/19 - Rn. 16). Der Arbeitgeber schuldet keine Vergütung. Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Tarifvertragsparteien in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 sowie § 2 Abs. 2 Satz 3 und § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich angelegt, dass der Inflationsausgleich auch arbeitsleistungsbezogen ist. Auf die Übertragbarkeit der Argumente zur Differenzierung bei den Stufenlaufzeiten in § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b und e sowie Satz 2 TVöD (vgl. dazu BAG 27.01.2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 78 ff.) kommt es daneben nicht an.
95(1) Ausweislich der ausdrücklichen Bestimmung in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Inflationsausgleich ist die Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise ein Ziel des Inflationsausgleichs. Aus den weiteren Voraussetzungen für die Gewährung ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien auch die Arbeitsleistung vergüten wollten. Indem sie für die Zahlung in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich mindestens einen Tag mit Entgeltbezug verlangen und die Höhe der Zahlung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 und § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich abhängig vom Arbeitsumfang gemacht haben, haben sie deutlich gemacht, dass sie die geleistete Arbeit in den jeweiligen Bezugszeiträumen vergüten wollen. Für diesen weiteren Leistungszweck spricht auch das Zustandekommen des TV Inflationsausgleich. Die Tarifvertragsparteien haben während seiner Laufzeit keine Tariferhöhung vereinbart, sondern die anstehende Lohnsteigerung durch die Zahlung des steuerlich privilegierten Inflationsausgleichs ersetzt.
96(2) Es ist nicht erforderlich, dass die Tarifvertragsparteien dieses weitere Ziel ausdrücklich genannt haben. Maßgeblich ist, dass der Zweck der Leistung den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen ist (vgl. BAG 23.08.2023 - 10 AZR 108/21 - Rn. 24; 23.08.2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 20). Wie aufgezeigt ergibt sich aus den in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 sowie § 2 Abs. 2 Satz 3 und § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich geregelten Voraussetzungen und Ausnahmen, dass die Tarifvertragsparteien neben der Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise die Arbeitsleistung vergüten wollten.
97(3) Gegen die Leistungsbezogenheit spricht nicht, dass bereits bei einem Anspruch auf Entgelt an einem einzigen Tag die Sonderzahlung für den gesamten Bezugszeitraum gezahlt wird. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit aus Gründen der Praktikabilität eine Vereinfachung vorgenommen. Wäre die Sonderzahlung nur anteilig für die Tage mit Entgeltbezug im Bezugszeitraum zu zahlen, wäre bei jeder Leistungsstörung eine Berechnung durchzuführen. Aufwand und Ersparnis stünden bei einer monatlichen Leistung von umgerechnet 248,00 € gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 TV Inflationsausgleich bzw. 220,00 € gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 TV Inflationsausgleich außer Verhältnis. Für einen Tag ohne Entgeltbezug wären lediglich 8,27 € bzw. 7,33 € abzuziehen. Diesen Prozess haben die Tarifvertragsparteien wesentlich vereinfacht, indem es nur auf irgendeine Entgeltzahlung für den Bezugszeitraum ankommt. Sie stellen damit zur Vermeidung von aufwändigen Berechnungen die Arbeitnehmer besser, die nicht für den gesamten Bezugszeitraum einen Anspruch auf Entgelt haben, halten aber an der Leistungsbezogenheit fest.
98(4) Gegen die Leistungsbezogenheit spricht nicht, dass die Höhe der Zahlung unabhängig von der Entgeltgruppe ist. Die Tarifvertragsparteien sind frei darin, eine leistungsbezogen Einmalzahlung für alle Entgeltgruppen in derselben Höhe vorzusehen.
99(5) Der Leistungsbezogenheit des Inflationsausgleichs steht nicht entgegen, dass sie an Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld haben, auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird, sowie Arbeitnehmer, die Krankengeld wegen eines erkrankten Kindes beziehen, zu zahlen ist. Diese Rückausnahmen von § 2 Abs. 2 Satz 3 und § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich erfolgen aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten.
100(a) Die Tarifvertragsparteien dürfen Arbeitnehmer bis zum Ende der 39. Woche der Arbeitsunfähigkeit aus sozialen Gründen Arbeitnehmern gleichstellen, die ein Entgelt beziehen.
101(aa) Wenn sie in § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD vorsehen, dass Arbeitnehmer nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt erhalten, möchten sie ihre Beschäftigten auch über die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit hinaus sozial absichern (BeckOK TVöD/Guth Stand 01.10.2012 TVöD-AT § 22 Rn. 24; vgl. Jorkowski Stand 30.09.2016 TVöD (AT) § 22 Rn. 2). Während des Entgeltfortzahlungszeitraums ist der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG ohnehin zur Weitergewährung des Entgelts verpflichtet. Die Tarifvertragsparteien verlängern diese Absicherung durch § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD durch die Zahlung des Zuschusses. Mit dem Krankengeld und dem Zuschuss sollen die Arbeitnehmer genau über den Betrag verfügen dürfen, den sie erhalten hätten, wenn sie gearbeitet hätten.
102(bb) Diesem sozialen Zweck entspricht es, die Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sie einen Anspruch auf den Krankengeldzuschuss haben, auch hinsichtlich des Inflationsausgleichs den arbeitenden Arbeitnehmern gleichzustellen. Dieses Ziel erreichen die Tarifvertragsparteien durch die Auszahlung des Inflationsausgleichs an die durch § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD erfassten Arbeitnehmer. Erst durch die vollständige Auszahlung des Inflationsausgleichs werden sie den arbeitenden Arbeitnehmern gleichgestellt. Bei der Berechnung des Krankengelds wird der Inflationsausgleich nicht berücksichtigt, sondern bleibt als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV iVm. § 3 Nr. 11c EStG beitragsfreie Zahlung gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB V außer Betracht (vgl. BeckOK SozR/Tischler Stand 01.06.2024 SGB V § 47 Rn. 5; LPK-SGB V/Legde 6. Aufl. SGB V § 47 Rn. 3).
103(cc) Auch Arbeitnehmer, an die wegen der Barleistungen der Sozialleistungsträger kein Krankengeldzuschuss ausgezahlt wird, werden erst durch die Auszahlung des Inflationsausgleichs arbeitenden Arbeitnehmern gleichgestellt. Höhere Barleistungen gleichen die Zahlung eines Inflationsausgleichs nicht aus. Der Krankengeldzuschuss wird gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD in der Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt gezahlt. Als tatsächliche Barleistungen des Sozialleistungsträgers sind das festgesetzte Bruttokrankengeld bzw. entsprechende Leistungen vor Abzug der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu verstehen (BAG 19.10.2011 - 5 AZR 138/10 - Rn. 23; Burger/Clausen 4. Aufl. TVöD AT § 22 Rn. 69). Die Barleistungen des Sozialversicherungsträgers sind in der Regel geringer als das Nettoentgelt. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V darf das Krankengeld 90 % des Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Nur in Ausnahmekonstellationen sind die Barleistungen genauso hoch wie das Nettoentgelt. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Barleistungen auch der Inflationsausgleichausgeglichen wird, zumal sie bei der Berechnung des Krankengelds außer Betracht bleibt.
104(b) Auch die Besserstellung der Kinderkrankengeldbezieher erfolgt aus sozialen Gründen.
105(aa) Ist ein unter zwölfjähriges, betreuungsbedürftiges Kind erkrankt, ist der Arbeitnehmer gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e cc TVöD nur dann unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt, wenn er keinen Anspruch nach § 45 SGB V hat. Die Tarifvertragsparteien haben damit § 616 Satz 1 BGB für diese Konstellation weitgehend abbedungen. Im Regelfall hat der Arbeitnehmer gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Satz 1 SGB V unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sein Kind erkrankt oder in stationärer Behandlung ist. Ausweislich § 45 Abs. 2a Satz 1 SGB V aF bestand der Anspruch auf Krankengeld im Jahr 2023 für jedes Kind für bis zu 30 Arbeitstage und insgesamt für bis zu 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für jedes Kind für bis zu 60 Arbeitstage und insgesamt für bis zu 130 Arbeitstage. Gemäß § 45 Abs. 2a Satz 1 SGB V haben sich die Zeiträume für 2024 auf 15 bzw. 35 Arbeitstage und 30 bzw. 70 Arbeitstage für alleinerziehende Versicherte verringert.
106(bb) Anders als die selbst erkrankten Arbeitnehmer werden die Eltern eines erkrankten Kindes nicht 39 Wochen lang durch § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG bzw. durch § 22 Abs. 2 und 3 TVöD arbeitenden Arbeitnehmern finanziell gleichgestellt. Sie erleiden eine Einbuße, weil sie lediglich ein Krankengeld erhalten, das regelmäßig geringer als das Nettoarbeitsentgelt ohne Inflationsausgleich ist, vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB V. Diesen finanziellen Nachteil mindern die Tarifvertragsparteien zumindest teilweise, wenn die Arbeitnehmer mit einem erkrankten Kind neben dem Krankengeld den Inflationsausgleich erhalten.
107(c) Die Tarifvertragsparteien durften bei der Abmilderung besonderer sozialer Härten zwischen den Arbeitnehmern in Elternzeit auf der einen Seite und erkrankten Arbeitnehmern bis zur 39. Krankheitswoche sowie Eltern erkrankter Kinder auf der anderen Seite unterscheiden. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Inanspruchnahme einer Elternzeit im Regelfall planbar ist, die eigene oder die Erkrankung des Kindes dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auftritt.
108(aa) Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist nicht unvorhersehbar und folgt in den meisten Fällen aus dem Wunsch des Arbeitnehmers, sich um sein Kind zu kümmern (vgl. EuGH 04.10.2018 - C-12/17 - [Dicu] Rn. 32). Selbst wenn die Schwangerschaft überraschend sein sollte (vgl. EuGH 13.02.2014 - C-512/11 und C-513/11 - [Terveys- ja sosiaalialan neuvottelujärjestö TSN] Rn. 50; 20.09.2007 - C-116/06 - [Kiiski] Rn. 39), können sich die Eltern eines Kindes üblicherweise zumindest während der mehrmonatigen Schwangerschaft sowie des anschließenden Mutterschutzes darauf vorbereiten, wie sie die Betreuung ihres Kindes organisieren und damit ihr in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistetes Elternrecht in Anspruch nehmen. Sie können sich etwa für die Elternzeit des einen oder des anderen Elternteils, eine Betreuungseinrichtung, die Betreuung durch Verwandte, durch eine Kindertagespflegeperson oder durch ein Au-pair entscheiden. Die Vor- und Nachteile dieser Möglichkeiten - auch in finanzieller Hinsicht - können sie abwägen. Wenn danach keine Option attraktiv erscheint, können sie davon absehen, ein Kind zu bekommen oder es aufzuziehen.
109(bb) Die eigene Erkrankung ist dagegen nicht plan- und vorhersehbar. Selbst wenn sich Arbeitnehmer uU gesundheitsschädigend verhalten, indem sie Tabak oder Alkohol konsumieren oder gefährliche Sportarten betreiben, entscheiden sie sich nicht bewusst dafür, dass sie in einem bestimmten Zeitraum krankheitsbedingt ausfallen werden. Auch die Erkrankung oder der stationäre Aufenthalt des Kindes ist typischerweise weder Monate vorher planbar noch - so sich die Eltern denn für das Aufziehen ihres Kindes entschieden haben - vermeidbar. Die Eltern können regelmäßig keine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen, weil sie nicht auf die Schnelle zu organisieren ist. Könnte eine andere in ihrem Haushalt lebende Person, etwa ein Verwandter oder ein Au-pair, die Betreuung übernehmen, wäre der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB V von vornherein ausgeschlossen, weil er voraussetzt, dass keine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann. Den Eltern bleibt in diesem Fall regelmäßig nur die Option, dass entweder der eine oder der andere Elternteil das erkrankte Kind betreut.
110(cc) Hinzu kommt, dass die Betreuung eines gesunden Kindes in den ersten acht Lebensjahren bei typisierender Betrachtung mehr Freude bereitet als die eigene Arbeitsunfähigkeit oder die Pflege eines erkrankten Kindes (vgl. zur Arbeitsunfähigkeit EuGH 04.10.2018 - C-12/17 - [Dicu] Rn. 33). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Betreuung auch eines gesunden Kindes anstrengend sein mag. Üblicherweise beinhaltet sie aber auch Glücksmomente. Bei einer eigenen Erkrankung ist das physische oder psychische Wohlbefinden dagegen typischerweise beeinträchtigt. Ist das Kind erkrankt, leiden die Eltern regelmäßig mit. Bei einem stationären Aufenthalt müssen sie sich zudem mit im Krankenhaus befinden, damit ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 45 Abs. 1a Satz 1 SGB V besteht. Ihr Bewegungsradius ist erheblich eingeschränkt.
111(6) Den Zielen der Vergütung der Arbeitsleistung und dem Ausgleich besonderer sozialer Härten steht nicht entgegen, dass bei Verfolgung dieser Ziele kein Fall des § 3 Nr. 11c EStG vorliegt.
112(a) Aus der Systematik des Tarifvertrags ergibt sich, dass den Tarifvertragsparteien die Verfolgung der zusätzlichen Ziele wichtiger war als die Privilegierung des § 3 Nr. 11c EStG zu erhalten.
113(aa) Dabei ergibt sich aus der ausdrücklichen Nennung der gesetzlichen Norm in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Inflationsausgleich, dass die Tarifvertragsparteien von einer steuerlichen Privilegierung ausgegangen sind. Die maximale Höhe des Inflationsausgleichs, 3.000,00 €, und der Auszahlungszeitpunkt im Zeitraum von Juni 2023 bis Februar 2024 sind darauf ausgerichtet, die Befreiung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Anspruch zu nehmen.
114(bb) Die Tarifvertragsparteien haben die Ausnahmen für bestimmte Arbeitnehmergruppen aber nicht etwa unter den Vorbehalt gestellt, dass die Privilegierung erhalten bleibt. Eine derartige Regelung wäre möglich gewesen. Die Tarifvertragsparteien hätten die Zahlung unter die Bedingung stellen können, dass die Finanzverwaltung den so geregelte Inflationsausgleich als steuerprivilegiert anerkennt. Davon haben sie abgesehen.
115(b) Zudem ist nicht erkennbar, dass die zusätzlich vorgesehenen Ziele zu einem Verlust der Steuerprivilegierung führen (vgl. LAG Niedersachsen 17.05.2024 - 14 SLa 26/24 -; aA Reufels/Soltysiak ArbRB 2022, 371, 373 ohne weitere Begründung; aA Bissels/Block/Wernecke AuA 2022 Nr. 12, 14, 17 ohne weitere Begründung für den Fall, dass der Zweck die gesetzliche intendierte Zweckrichtung "überlagert").
116(aa) Aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 11c EStG ergibt sich nicht, dass mit der Zahlung keine weiteren Ziele verfolgt werden dürfen. Der Gesetzgeber verlangt lediglich, dass es sich um einen "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gewähren Zuschuss handelt. Ein Arbeitslohn ist nur dann "ohnehin geschuldet", wenn der Arbeitnehmer ohne die neu vorgesehene Regelung einen Anspruch auf ihn hat. Zusätzliche Ziele, die die Tarifvertragsparteien mit dem Inflationsausgleich verfolgen, führen nicht dazu, dass ein Anspruch auf die Leistung ohnehin bestanden hätte (LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu B III 2 c ee (2) (a) der Gründe).
117(bb) Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nicht, dass weitere Ziele ausgeschlossen sind. Ganz im Gegenteil dient der Inflationsausgleich nach der Vorstellung der Bundesregierung der Vergütung der Arbeit (vgl. LAG Hamm 11.06.2024 - 16 SLa 27/24 - zu B II 2 c cc (7) der Gründe; LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu B III 2 c ee (2) (b) der Gründe).
118(aaa) Indem er in der Gesetzesbegründung ausführt, dass an den Zusammenhang zwischen Leistung und Preissteigerung keine besonderen Anforderungen gestellt werden (vgl. BT-Drs. 20/3763 S. 6), fordert der Gesetzgeber, dass eine Verbindung besteht, schließt damit aber andere Zwecke nicht aus.
119(bbb) Wenn die Bundesregierung auf eine Anfrage ausführt, dass der Inflationsausgleich des § 3 Nr. 11c EStG einer Lohn-Preis-Spirale entgegenwirkt (vgl. BT-Drs. 20/6569 S. 7), billigt sie das Ziel, die Arbeit zu vergüten. Die Lohn-Preis-Spirale drückt die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen dem Anstieg der Löhne als Folge von Preiserhöhungen und der Preise als Folge von Lohnsteigerungen aus, besonders in dem Sinn, dass die Unternehmen gestiegene Löhne zur Rechtfertigung von Preiserhöhungen heranziehen, die Gewerkschaften wiederum ihre Lohnforderungen mit erhöhten Preisen begründen (vgl. Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag 6. Aufl. Stichwort "Lohn-Preis-Spirale"; Schmidt/Schneil in Weber Rechtswörterbuch 31. Aufl. Stichwort "Inflation"). Der Inflationsausgleich soll eine Lohn-Preis-Spirale verhindern, indem er eine Einmalzahlung gegenüber einer prozentualen Lohnsteigerung attraktiv macht. Wenn die Tarifvertragsparteien von einer dauerhaften Steigerung der Löhne Abstand nehmen, sind erhöhte Preise schwerer zu rechtfertigen und die Löhne als Reaktion darauf nicht weiter zu erhöhen (vgl. Brandis/Heuermann/Valta Stand November 2023 EStG § 3 Nr. 11c Rn. 3; BeckOK EStG/Levedag Stand 01.07.2024 EStG § 3 Nr. 11c Rn. 3). Die Bundesregierung betrachtet § 3 Nr. 11c EStG damit als Anreiz dafür, eine dauerhafte Lohnsteigerung, die wie der Arbeitslohn insgesamt der Vergütung der Arbeit dient, vgl. § 611a Abs. 2 BGB, durch eine Einmalzahlung zu ersetzen. Soweit die Einmalzahlung die dauerhafte Lohnsteigerung ersetzt, hat sie ebenfalls das Ziel, Arbeitsleistungen zu vergüten.
120(ccc) Diese Überlegung im Gesetzgebungsprozess unterscheidet den Inflationsausgleich von der in § 3 Nr. 11a EStG privilegierten Corona-Prämie. Bei § 3 Nr. 11a EStG ging es dem Gesetzgeber darum, nachträglich eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit der Corona-Sonderleistungen zu schaffen, die das Bundesministerium der Finanzen in einem Schreiben als Beihilfe iSv. § 3 Nr. 11 EStG anerkannt hatte (vgl. BT-Drs. 19/19601 S. 33). Da Beilhilfen nach § 3 Nr. 11 EStG uneigennützige Unterstützungsleistungen unabhängig von einem entgeltlichen Austauschgeschäft voraussetzen, liegt es bei den zunächst als Beihilfen betrachteten Corona-Prämien iSv. § 3 Nr. 11a EStG nahe, dass auch sie uneigennützig sein müssen (BAG 25.07.2023 - 9 AZR 332/22 - Rn. 20; 28.03.2023 - 9 AZR 106/22 - Rn. 17). Die Privilegierung für den Inflationsausgleich ist dagegen nicht aus § 3 Nr. 11 EStG abzuleiten, sondern konstitutiv (vgl. BeckOK EStG/Levedag Stand 01.07.2024 EStG § 3 Nr. 11c Rn. 2; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG Stand Mai 2024 EStG § 3 Nr. 11c Rn. 3).
121(cc) Maßgeblich für die Auslegung ist schließlich, dass der Arbeitgeber für den Inflationsausgleich die Mittel bereitstellt. Daraus folgt, dass ihm bzw. den Tarifvertragsparteien ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist, solange die konkrete Ausgestaltung dem in § 3 Nr. 11c EStG vorgesehenen Ziel nicht zuwiderläuft (vgl. LAG Hamm 11.06.2024 - 16 SLa 27/24 - zu B II 2 c cc (6) der Gründe; LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu B III 2 c ee (2) (c) der Gründe; Uffmann NZA 2023, 65, 72). Insbesondere darf die Arbeitsleistung und die zukünftige Betriebstreue honoriert werden (vgl. Uffmann NZA 2023, 65, 72; vgl. für Betriebstreue: Besgen B+P 2024, 313, 315; Fuhlrott/Hermann GWR 2024, 68; Bissels/Wolf jurisPR-ArbR 5/2024 Anm. 1; Coché/Striegler DB 2024, 253, 257).
122(dd) Diese Auffassung stimmt überein mit der Angabe des Bundesfinanzministeriums in den FAQ zur Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz vom 24.05.2023 (vgl. LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu B III 2 c ee (2) (d) der Gründe; ArbG Dortmund 02.02.2024 - 3 Ca 124/24 - zu I 2 b aa (2) (b) (aa) (ccc) (a) der Gründe). In Nr. 9 heißt es, dass die Inflationsausgleichsprämie ohne Auswirkungen auf die Steuerfreiheit an Bedingungen "wie zum Beispiel die Betriebszugehörigkeit , die bestandene Probezeit etc." geknüpft werden dürfe. Die Zulässigkeit der Bedingungen sei lediglich arbeitsrechtlich zu überprüfen. Dem widerspricht es nicht, wenn das Bundesfinanzministerium in Nr. 11 ausführt, dass eine Zahlung von Weihnachtsgeld als solche nicht den erforderlichen Inflationsbezug aufweise, so dass eine steuerfreie Auszahlung ausgeschlossen sei (so wohl Uffmann NZA 2023, 65, 71). Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass lediglich gemeint ist, dass eine Weihnachtsgeldzahlung ohne jeden Bezug zu § 3 Nr. 11c EStG nicht in eine Inflationsausgleichsprämie umgewidmet werden kann (vgl. dazu auch Nr. 14). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus Nr. 10 kein anderes Ergebnis. Darin heißt es, dass die Leistung zum Ausgleich der gestiegenen Verbraucherpreise gewährt werden muss. Diese Zwecksetzung schließt die Verfolgung weiterer Ziele nicht aus.
123(ee) Die Verfolgung der zusätzlichen Ziele der Vergütung der Arbeit und der Abmilderung besonderer sozialer Härten laufen bei dem Inflationsausgleich des TV Inflationsausgleich dem Ziel der Abmilderung der erhöhten Verkaufspreise nicht zuwider. Die Tarifvertragsparteien gleichen die Preissteigerungen durch den Inflationsausgleich nicht für alle, aber für einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer teilweise aus.
124b) Der Ausschluss der Zahlung während der Elternzeit in § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 AGG unwirksam.
125aa) Eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG kann vorliegen, wenn eine Regelung zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Inhaber der geschützten persönlichen Eigenschaft betrifft als vergleichbare Personen, die diese Eigenschaft nicht besitzen, es sei denn, mit der Regelung oder Maßnahme wird ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und das hierfür eingesetzte Mittel ist verhältnismäßig, dh. angemessen und erforderlich (BAG 28.03.2023 - 9 AZR 219/22 - Rn. 24; 29.09.2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 61).
126bb) § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich können Frauen in besonderer Weise benachteiligen, weil sie mit der Voraussetzung, dass im Bezugszeitraum an mindestens einem Tat Anspruch auf Entgelt bestanden hat, Personen in Elternzeit ausnehmen und der Anteil der Frauen unter den Arbeitnehmern in Elternzeit deutlich höher als in der gesamten Arbeitnehmerschaft ist. Da Mütter die Elternzeit überwiegend über einen längeren Zeitraum als Väter in Anspruch nehmen, ist ihr Anteil unter den Arbeitnehmern in Elternzeit höher. Eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG liegt aber nicht vor, weil § 2 Abs. 1 Halbs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleichs durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
127(1) Die Regelung dient einem rechtmäßigen Ziel.
128(a) Das mit einer neutralen Vorschrift verfolgte "rechtmäßige" Ziel iSd. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG muss ein objektives Ziel sein, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes nach § 1 AGG zu tun hat. Rechtmäßige Ziele in diesem Sinn können daher nur solche sein, die nicht ihrerseits diskriminierend und auch im Übrigen legal sind. Dabei muss das mit einer Regelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich benannt werden. Auch aus dem allgemeinen Kontext der Regelung können sich Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, den Zweck der Regelung festzustellen und dadurch zu überprüfen, ob die Bestimmung geeignet, erforderlich und angemessen ist (BAG 08.02.2022 - 1 AZR 252/21 - Rn. 16; 29.09.2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 63).
129(b) Die Tarifvertragsparteien verfolgen neben der Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise insbesondere das Ziel, die Arbeit während des Bezugszeitraums zu vergüten. Dieses Ziel ist rechtmäßig und durch die Besserstellung der Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf ein Entgelt haben, erreichbar. Sie haben ihre Arbeitsleistung im Anspruchszeitraum üblicherweise erbracht.
130(2) Eine mildere Maßnahme, etwa die Zahlung eines geringeren Betrags an die Arbeitnehmer in Elternzeit, würde das Ziel der Vergütung der Arbeit nicht genauso stark erreichen, weil der Unterschied zwischen der Gruppe der berücksichtigten und der Gruppe der nicht berücksichtigten Arbeitnehmer geringer wäre. Die geleistete Arbeit würde nicht in demselben Umfang vergütet (vgl. LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu C II 2 der Gründe).
131(3) Das Mittel ist zur Erreichung des Ziels der Vergütung angemessen.
132(a) Bei der Prüfung der Angemessenheit ist die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie resultierende Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu beachten. Das Erfordernis einer Rechtfertigung entfällt dadurch zwar nicht. Jedoch ist aufgrund der weitreichenden Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und deren Einschätzungsprärogative bzgl. der sachlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Rechtsfolgen deren Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung zu berücksichtigen (BAG 29.09.2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 61; 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 - Rn. 31; vgl. auch BAG 28.03.2023 - 9 AZR 219/22 - Rn. 24).
133(b) Die Tarifvertragsparteien haben die Arbeitnehmer in Elternzeit lediglich von Einmalzahlungen ausgeschlossen, wenn sie im jeweiligen Bezugszeitraum nicht zumindest einen Tag einen Anspruch auf Entgelt hatten. Die in der Elternzeit ohnehin erfolgte Suspendierung der Hauptleistungspflichten haben sie auf den Inflationsausgleich lediglich ausgedehnt. Weil bereits ein entgeltpflichtiger Tag im Bezugszeitraum genügt, reicht der Ausschluss jedenfalls nicht weiter als die Suspendierung. Der Ausschluss von den Einmalzahlungen wiegt nicht besonders schwer. Mit einem Gesamtbetrag iHv. 3.000,00 € liegt sie im Fall der Klägerin, die gemäß § 4 des Arbeitsvertrags vom 12.10.2018 ein Gehalt der Entgeltgruppe 11 bezieht, deutlich unterhalb eines Vollzeitgehalts (vgl. LAG Düsseldorf 05.03.2024 - 14 Sa 1148/23 - zu C II 3 b der Gründe).
1343. Die Beschränkung der Zahlung für Teilzeitbeschäftigte während der Elternzeit in § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 2 TVöD ist wirksam.
135a) Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
136aa) Die Tarifvertragsparteien möchten mit der Sonderzahlung wie aufgezeigt insbesondere die Arbeitsleistung vergüten. Diesem Zweck entspricht es, dass bei einer nur anteiligen Arbeitsleistung auch die Sonderzahlung nur anteilig gezahlt wird.
137bb) Die Teilzeitbeschäftigten sind nicht den Vollzeitbeschäftigten gleich zu stellen, weil bei einer vereinbarten Vollzeitbeschäftigung bereits der Entgeltbezug an einem einzigen Tag im Bezugszeitraum genügt, § 3 Abs. 1 Satz 3 TV Inflationsausgleich. Insoweit handelt es sich wie beschrieben lediglich um eine Typisierung, um komplizierte Berechnungen zu vermeiden. Für Teilzeitbeschäftigte haben die Tarifvertragsparteien mit § 3 Abs. 2 Satz 4 TV Inflationsausgleich einen anderen Mechanismus zur Vereinfachung vorgesehen. Demnach sind abweichend von § 24 Abs. 3 TVöD die Verhältnisse an einem bestimmten Tag maßgeblich.
138b) Die im Tarifvertrag vorgesehene Berechnung steht im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG.
139aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
140(1) Die Norm des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich des Entgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung. § 4 Abs. 1 TzBfG verbietet eine Abweichung vom Pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil Teilzeitbeschäftigter, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Eine Gleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter bei der Vergütung entsprechend dem Pro-rata-temporis-Grundsatz des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG schließt jedoch eine sonstige Benachteiligung nicht aus. Insbesondere bei Leistungen, bei denen der Vergütungscharakter nicht im Vordergrund steht, können - abhängig vom Leistungszweck - Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte Ansprüche in gleicher Höhe haben. Eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten ist aber sachlich gerechtfertigt, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich an dem mit der Leistung verfolgten Zweck zu orientieren (BAG 25.07.2023 - 9 AZR 332/22 - Rn. 26; 28.03.2023 - 9 AZR 132/22 - Rn. 23).
141(2) Als selbständige Grundrechtsträger können die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung den Leistungszweck einer tariflichen Leistung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie bestimmen. Neben einer Einschätzungsprärogative über die tatsächlichen Gegebenheiten, betroffenen Interessen und Regelungsfolgen verfügen sie dazu über einen weiten inhaltlichen Gestaltungsspielraum, der sie nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Da die in § 4 Abs. 1 TzBfG geregelten Diskriminierungsverbote nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehen, darf der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht dazu führen, das Verbot der Diskriminierung in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer auszuhöhlen (BAG 25.07.2023 - 9 AZR 332/22 - Rn. 27; 28.03.2023 - 9 AZR 132/22 - Rn. 24).
142bb) Danach verstößt die der Arbeitszeit entsprechende Berechnung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Inflationsausgleich iVm. § 24 Abs. 2 TVöD nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Sie entspricht dem Prinzip des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten die Sonderzahlung im Umfang des Anteils ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter. Die tarifvertragliche Regelung steht auch im Einklang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Für die der Arbeitszeit entsprechende Berechnung besteht ein sachlich vertretbarer Grund. Der tarifvertragliche Zweck, mit der einmaligen Sonderzahlung allen Beschäftigten unter der Voraussetzung eines Entgeltanspruchs im Referenzzeitraum einen anlassbezogenen, an das individuelle Arbeitsentgelt angepassten Zuschuss zum individuellen Arbeitsentgelt zu gewähren, steht einer quantitativen Differenzierung nicht entgegen. Es ist nicht sachfremd, dass die Tarifvertragsparteien den Umfang einer leistungsbezogenen Sonderzahlung an die individuell vereinbarte zu leistende Arbeitszeit anpassen (vgl. zu einer Corona-Sonderzahlung: BAG 25.07.2023 - 9 AZR 332/22 - Rn. 28; 28.03.2023 - 9 AZR 132/22 - Rn. 25).
143c) Aus den genannten Gründen ist die anteilige Zahlung an Teilzeitbeschäftigte während der Elternzeit auch mit § 7 Abs. 1 AGG zu vereinbaren. Eine mittelbare Benachteiligung von Frauen, die den überwiegenden Teil der einer Teilzeittätigkeit nachgehenden Arbeitnehmer stellen, ist durch die Anknüpfung an die Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt.
144V. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
1451. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG 24.01.2024 - 4 AZR 362/22 - Rn. 27; 26.04.2023 - 10 AZR 137/22 - Rn. 22). Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (BAG 28.03.2023 - 9 AZR 219/22 - Rn. 34; 25.01.2023 - 10 AZR 29/22 - Rn. 45). Innerhalb des Anwendungsbereichs kollektiv-rechtlich geschaffener Normen ist eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag mangels Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers nicht unmittelbar und zwingend, sondern lediglich aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme Anwendung findet (BAG 18.10.2018 - 6 AZR 300/17 - Rn. 21; 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 44).
1462. Die beklagte Stadt hat die durch Inbezugnahme geltenden Vorschriften des TV Inflationsausgleich bloß vollzogen, als sie den Inflationsausgleich an die Klägerin bis November 2023 nicht und nur gekürzt für die Monate Januar und Februar 2024 ausgezahlt hat.
147VI. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
1481. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Eine Benachteiligung ist nicht nur anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber Arbeitnehmern gewährt, wenn sie Rechte nicht ausüben (BAG 16.05.2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 53; 16.05.2012 - 10 AZR 174/11 - Rn. 18). Die Tatbestandsvoraussetzung "Benachteiligung" ist jedoch nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber zwischen verschiedenen Maßnahmen wählen konnte. Hat er sein Verhalten an der Rechtsordnung orientiert, handelt es sich um keine Benachteiligung des Arbeitnehmers. Knüpft eine Regelung an das (erlaubte) Verhalten des Arbeitnehmers eine ihm nachteilige Rechtsfolge, ist der Arbeitgeber nicht zum Ausgleich der Nachteile verpflichtet, die dem Arbeitnehmer entstehen. Dementsprechend ist der (vermeintliche) Vollzug einer kollektivrechtlichen Regelung oder einer vertraglichen Vereinbarung keine Benachteiligung iSv. § 612a BGB (BAG 16.05.2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 53; 14.12.2011 - 5 AZR 675/10 - Rn. 23).
1492. Die beklagte Stadt hat die Regelungen des TV Inflationsausgleichs lediglich umgesetzt. Sie hat sich nicht eigenständig dazu entschieden, an die Klägerin den Inflationsausgleich bis November 2023 nicht und für Januar und Februar 2024 nur reduziert auszuzahlen.
150B. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Die zulässige Klage auf Zahlung einer Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, weil die beklagte Stadt wie aufgezeigt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat.
151C. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens trägt sie gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der erfolglose Abweisungsantrag der beklagten Stadt hinsichtlich des Inflationsausgleichs für Dezember 2023 war geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt sie hinsichtlich ihrer Anschlussberufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO und im Übrigen gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
152D. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
153RECHTSMITTELBELEHRUNG
154Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
155REVISION
156eingelegt werden.
157Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
158Bundesarbeitsgericht
159Hugo-Preuß-Platz 1
16099084 Erfurt
161Fax: 0361 2636-2000
162eingelegt werden.
163Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
164Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
165Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1661.Rechtsanwälte,
1672.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1683.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
169In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
170Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
171Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
172* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
173Dr. Burg | Langner-Thiele | vom Bruch |