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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.07.2011 – 5 Ca 315/11 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
2Die Parteien streiten im Rahmen eines Zahlungsantrages darum, ob dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsvorsitzenden die gleiche Jahresabschlussprämie zusteht wie dem als Vergleichsperson benannten Arbeitnehmer. Ferner begehrt der Kläger die Zahlung des geldwerten Vorteils aufgrund der Zurverfügungstellung einer D3-Netzkarte.
3Der am 05.03.1974 geborene Kläger ist seit dem 01.06.1999 im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Rechtsvorgänger der Beklagten ist die M1 S2- und S3 A1 – MITROPA –. Nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse der MITROPA auf die Beklagte wurde zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft NGG vereinbart, dass der MTV MITROPA auf alle Arbeitsverhältnisse zwischen der Beklagten und deren Beschäftigten Anwendung findet.
4Seit einigen Jahren ist der Kläger, der Betriebsratsvorsitzende der Niederlassung D1 sowie stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, von seiner Arbeitsleistung freigestellt.
5In der zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat am 15.11.2007 vereinbarten "Regelungsabrede über die Entlohnung von ArbeitnehmerinteressenvertreterInnen" vom 15.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) heißt es u.a.
6"§ 1 Geltungsbereich
7Diese Vereinbarung gilt für alle MitarbeiterInnen der D3 European Railservice GmbG (D3 E1), die Interessen der ArbeitnehmerInnen im Sinne des BetrVG vertreten.
8§ 2 Bemessung des Arbeitsentgeltes
91. Um dem § 37 IV BetrVG Rechnung zu tragen, werden für die unter § 1 genannten Personen die Arbeitsentgelte in folgender Form ermittelt:
10- Der Betriebsrat und die Niederlassungsleitung einigen sich für jedes Interessenvertretungsmitglied auf die Bestimmung von drei vergleichbaren MitarbeiterInnen der D3 E1 innerhalb der jeweiligen Niederlassung.
11- Sollten weniger als drei vergleichbare MitarbeiterInnen im Betrieb beschäftigt sein, erfolgt die Bestimmung anhand drei vergleichbarer MitarbeiterInnen im Unternehmen der D3 E1.
12- Aufgrund der besonderen tariflichen Strukturen und der hohen individuellen Lohnbestandteile bei der D3 E1 wird zur Herstellung einer gerechten Lohnermittlung das Prinzip von 3 Vergleichspersonen angewandt.
13(2) …..
14§ 3 Vergleichbarkeit
15Zur Bestimmung der Vergleichbarkeit werden die erworbenen Qualifikationen sowie die aufgrund persönlicher und fachlicher Eignung möglichen Qualifikationen im Unternehmen herangezogen.
16Kommt zwischen Niederlassungsleitung und Betriebsrat keine Einigung über die Vergleichbarkeit zustande, so entscheidet eine aus je zwei Mitgliedern des Gesamtbetriebsrates und der Geschäftsführung der D3 E1 paritätisch besetzte Kommission in einer innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntwerden der gescheiterten Verhandlungen auf Betriebsratsebene anzuberaumenden Sitzung über den Streitfall. Sollte weiterhin keine Einigung erzielt worden sein, so wird die o.g. Kommission durch Hinzuziehung eines Richters vom Arbeitsgericht erweitert.
17…."
18Im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Regelungsabrede vom 15.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) Bezug genommen.
19Da es hinsichtlich des Klägers nichts zu einer Einigung zwischen dem Betriebsrat und der Niederlassungsleitung über die Höhe der Vergütung des Klägers kam, erkannte die am 18.12.2007 zusammengetretene paritätische Kommission als einzige realistische Vergleichsperson den Niederlassungsleiter D2 W1 an. Den Mitgliedern der paritätischen Kommission war dabei bewusst, dass diese Vereinbarung dem § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede widersprach. Außer Herrn W1 existierte jedoch kein weiterer Mitarbeiter, der der Kommission als Vergleichsperson als angemessen erschien. Dem Kläger wurde daraufhin mit Schreiben vom 04.01.2008 (Bl. 13 d.A.) mitgeteilt, dass als Vergleichsperson Herr W1 mit einem Durchschnittsstundenlohn von 15,61 € benannt worden sei.
20Tatsächlich wurde der Kläger in der Folgezeit zunächst entsprechend dieser Vergütung des Herrn W1 bezahlt.
21In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Vergütung, nachdem dem Kläger keine Gehaltssteigerungen und Sonderzahlungen an die Vergleichsperson W1 mitgeteilt worden waren. Der Kläger machte daraufhin beim Arbeitsgericht Dortmund – 6 Ca 2216/09 – einen Auskunftsanspruch geltend. Nach Erlass eines entsprechenden Teilurteils vom 17.09.2009 und Abschluss eines Teilvergleichs vom 08.07.2010 ging der Kläger in diesem Verfahren zu Zahlungsanträgen über. Schließlich schlossen die Parteien im Rechtsstreit 6 Ca 2216/09 Arbeitsgericht Dortmund unter dem 28.10.2010 folgenden Vergleich:
22"Vergleich
231. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als weitere Vergütung auf die Klageforderung 42.000,00 brutto zu zahlen.
242. Die Parteien sind sich darüber einig, dass damit die Vergütungsansprüche des Klägers bis einschließlich 30.06.2010 vollständig erledigt sind.
253. Die Parteien sind sich darüber einig, dass von diesem Vergleich Ansprüche des Klägers ab dem 01.07.2010 unberührt bleiben.
264. Damit ist der Rechtsstreit 6 Ca 2216/09 erledigt."
27Im Rahmen des Rechtsstreits 6 Ca 2216/09 erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 18.08.2010 weitere Auskünfte über die Einkommensverhältnisse des Herrn W1 (Bl. 9 d.A.). Danach wurde Herrn W1 im Jahre 2010 eine Jahresabschlussprämie in Höhe von 3.895,65 € gezahlt. Dabei handelte es sich um eine Prämie für das gesamte Jahr 2010, die im April 2011 an Herrn W1 ausgezahlt worden ist.
28Mit der am 21.01.2011 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage macht der Kläger für die Zeit ab 01.07.2010 weitere Entgeltdifferenzen, u.a. die an den Mitarbeiter W1 gezahlte Jahresabschlussprämie in Höhe von 3.895,65 € geltend. Ferner verlangte er weitere Auskunftserteilung.
29Im Gütetermin vom 01.03.2011 erfuhr der Kläger davon, dass Herrn W1 im Jahre 2010 eine D3-Netzkarte für die erste Klasse zur Verfügung gestellt wurde, die dieser auch privat nutzen durfte. Die Zurverfügungstellung dieser Netzkarte für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 31.08.2010 wird auf der Gehaltsabrechnung des Herrn W1 im August 2010 (Bl. 82 d.A.) als Sachbezug in Höhe von 1.164,80 € ausgewiesen. Dem Kläger wurde in der Vergangenheit eine entsprechende Netzkarte nicht zur Verfügung gestellt.
30Der Kläger erweiterte daraufhin mit Schriftsatz vom 29.04.2011 die vorliegende Klage um die Hälfte des Sachbezugswertes der D3-Netzkarte.
31Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf die Jahressondervergütung, die an Herrn W1 gezahlt sei, in voller Höhe zu. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Jahressonderzahlung u.a. aufgrund der persönlichen Leistung eines Mitarbeiters gezahlt werde. Da Herr W1 als Vergleichsperson benannt worden sei, müsse der Kläger so gestellt werden, als hätte er anstelle der Vergleichsperson gearbeitet und die gleichen Leistungen erbracht. Hieraus ergebe sich, dass auch er Anspruch auf Zahlung der Sondervergütung, die unstreitig im April 2011 fällig gewesen sei, in gleicher Höhe habe wie der vergleichbare Mitarbeiter W1.
32Ebenso habe die Beklagte ihm anteilig für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 den geldwerten Vorteil zu vergüten, der sich aus der unterbliebenen Zurverfügungstellung der Netzkarte ergebe. Die Zurverfügungstellung der Netzkarte stelle eine ähnliche Leistung wie die Bereitstellung eines Dienstwagens dar. Da der Kläger aufgrund seiner Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratstätigkeit zu häufigen Reisen gezwungen sei, habe auch er einen Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Netzkarte.
33Der Kläger hat beantragt,
341. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.895,64 € zu zahlen,
352. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 582,00 € brutto (geldwerter Vorteil für die Zurverfügungstellung der Netzkarte vom 01.07.2010 bis 31.12.2010) zu zahlen.
36Die Beklagte hat beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zustünden. Die Jahressondervergütung für 2010 sei erst im ersten Halbjahr 2011 erfolgt, so dass dem Kläger für 2010 keine weiteren Ansprüche zustünden. Im Übrigen werde sie aufgrund der Grundlage der persönlichen Leistung des Mitarbeiters W1 sowie der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ermittelt. Da es sich demnach um eine von der persönlichen Leistung des Mitarbeiters abhängige Zahlung handele, stehe dem Kläger eine entsprechende Zahlung nicht zu.
39Die Netzkarte erhielten im Unternehmen der Beklagten ausschließlich leitende Mitarbeiter, deren konkrete arbeitsvertragliche Funktion mit einer umfangreichen Reisetätigkeit verbunden sei. Dass die Netzkarte als vermögenswerter Vorteil in der Vergütungsmitteilung des Mitarbeiters W1 aufgeführt worden sei, resultiere allein daraus, dass bereits die Möglichkeit zur privaten Nutzung steuerrechtlich einen vermögenswerten Vorteil darstelle. Dies führe jedoch nicht dazu, dass es sich arbeitsrechtlich um einen Entgeltbestandteil handele, auf den auch der Kläger einen Anspruch habe.
40Durch Urteil vom 26.07.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 1.947,83 € zuzüglich 582,00 € stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Jahresabschlussprämie, die der Mitarbeiter W1 für 2010 erhalten habe, stehe dem Kläger nach Abschluss des Vergleiches vom 28.10.2010 nur noch zur Hälfte zu. Auch die Zahlung einer Jahresabschlussprämie gehöre grundsätzlich zu den nach § 37 Abs. 4 BetrVG vergleichbaren Leistungen. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Gewährung des geldwerten Vorteils für die dem Mitarbeiter W1 zur Verfügung gestellten Netzkarte. Auch die Möglichkeit der Privatnutzung sei ein Bestandteil des geschuldeten Arbeitsentgelts und zusätzliche Gegenleitung für die geschuldete Arbeitsleistung.
41Gegen das der Beklagten am 24.08.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 21.09.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.11.2011 mit dem am 24.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
42Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der Hälfte der dem Mitarbeiter W1 für das Jahr 2010 gewährten Jahresabschlussprämie. Diese Jahresabschlussprämie sei aufgrund des Geschäftsergebnisses für das Jahr 2010 und nur aufgrund der persönlichen Leistungen des Mitarbeiters W1 gezahlt worden, und zwar erst im April 2011. Für das Jahr 2010 habe der Kläger demnach keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Leistungen. Die Jahresabschlussprämie, die an den Mitarbeiter W1 erst im April 2011 gezahlt worden sei, sei bei dem Kläger höchstens für das Jahr 2011 zu berücksichtigen. Die im Jahre 2010 an Herrn W1 geleistete Jahresabschlussprämie sei bereits vom Vergleich vom 28.10.2010 erfasst.
43Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung der Hälfte des geldwerten Vorteils für die dem Mitarbeiter W1 zur Verfügung gestellte D3-Netzkarte. Bei der Überlassung dieser Netzkarte an Herrn W1 habe es sich nicht um die Haupt-leistungspflicht der Beklagten gehandelt. Die Überleisung der Netzkarte an Herrn W1 sei vielmehr aufgrund betrieblicher Interessen der Beklagten erfolgt. Hierdurch werde vermieden, dass durch die zahlreichen Reisen, zu denen der Niederlassungsleiter W1 verpflichtet sei, weitaus höhere Reisen entstünden als dies bei der Überlassung einer D3-Netzkarte der Fall sei. Da eine Beschränkung der Benutzung der D3-Netzkarte auf dienstliche Zwecke nicht möglich sei, habe die Beklagte entschieden, der Vergleichsperson W1 die Netzkarte auch zu privaten Zwecken zu überlassen. Soweit dies dazu führe, dass von der Vergleichsperson W1 der vermögenswerte Vorteil der Möglichkeit der privaten Nutzung zu versteuern sei, habe dies nicht zur Konsequenz, dass der Gegenwert der Netzkarte als Teil der Vergütung der Vergleichsperson W1 bei der Bemessung der Vergütungsansprüche des Klägers zu berücksichtigen wäre.
44Im Übrigen sei der Anspruch des Klägers nach § 16 Nr. 1 MTV MITROPA verfallen. Der Kläger habe den entsprechenden Anspruch nämlich nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Der Zahlungsanspruch hinsichtlich der D3-Netzkarte sei spätestens am 31.12.2010 entstanden und fällig gewesen. Erstmalig sei der Anspruch mit Schriftsatz vom 29.04.2011 geltend gemacht worden, obgleich bereits in der Güteverhandlung vom 01.03.2011 über die Frage der Zahlung eines Gegenwertes für die D3-Netzkarte der Vergleichsperson W1 gesprochen worden sei. Tarifliche Ausschlussfristen würden auch für Ansprüche von Betriebsräten auf Zahlung ihrer Vergütung gelten.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.07.2011 – 5 Ca 315/11 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
47Der Kläger beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe ihm zu Recht die anteilige Jahresabschlussprämie, die an Herrn W1 für das Jahr 2010 geleistet worden sei, zugesprochen. In jedem Fall sei ein derartiger Anspruch zu seinen Gunsten auch im April 2011 fällig gewesen.
50Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Zahlung der Hälfte des geldwerten Vorteils für die der Vergleichsperson W1 zur Verfügung gestellten D3-Netzkarte. Da der Mitarbeiter W1 die Netzkarte auch zu privaten Zwecken nutzen dürfe, handele es sich insoweit auch um eine Hauptleistungspflicht der Beklagten. Die Privatnutzung der Netzkarte sei ein Teil der Vergütung des Mitarbeiters W1. Dieser Teil stehe auch ihm, dem Kläger, zu.
51Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verfallen. Den Zahlungsanspruch wegen des geldwerten Vorteils der dem Mitarbeiter W1 zur Verfügung gestellten D3-Netzkarte habe er rechtzeitig geltend gemacht. Er habe nämlich erstmals in der Güteverhandlung vom 01.03.2011 davon erfahren, dass der Vergleichsperson W1 eine D3-Netzkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden sei. Zuvor habe der Kläger nicht gewusst und auch nicht wissen können, dass die Vergleichsperson W1 eine Netzkarte auch zur privaten Nutzung erhalten habe. Gerade aus diesem Grunde sei von ihm, dem Kläger, bereits am 21.01.2011 die vorliegende Auskunftsklage erhoben worden. Dementsprechend habe die Ausschlussfrist des §16 MTV MITROPA erst am 01.03.2011 zu laufen begonnen.
52Die Berufungskammer hat die Akten 6 Ca 2216/09 Arbeitsgericht Dortmund informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
53Entscheidungsgründe
54Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
55Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Hälfte der an den Mitarbeiter W1 gezahlten Jahresabschlussprämie für das Jahr 2010 und die Hälfte des geldwerten Vorteils für die dem Mitarbeiter W1 auch zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten D3-Netzkarte zugesprochen. Diese Ansprüche ergeben sich aus § 37 Abs. 2 und Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611 BGB.
56I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der anteiligen Jahressondervergütung für 2010 für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 in Höhe von 1.947,83 € brutto.
57Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers, § 37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG.
581. Vergleichbar sind insoweit Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (BAG 13.11.1987 – 7 AZR 550/86 – AP BetrVG § 37 Nr. 61; BAG 15.01.1992 – 7 AZR 194/91 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 84; BAG 14.07.2010 – 7 AZR 359/09 – EzA BetrVG 2001 § 78 Nr. 1, Rn. 30 m.w.N.).
59Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass als Vergleichsperson für den im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.07.2010 allein der Mitarbeiter W1 in Betracht kam. Da die paritätische Kommission nach den Bestimmungen der Regelungsabrede vom 15.11.2007 ausdrücklich den Niederlassungsleiter W1 als Vergleichsperson benannt hatte, kommt es für die Vergütung des Klägers auch nur auf die Leistungen dieser Person an. Aufgrund der Bestimmung des Herrn W1 zur Vergleichsperson ist davon auszugehen, dass der Kläger die gleiche berufliche Entwicklung genommen hätte und die gleichen Leistungen wie Herr W1 erbracht hätte.
60Dem Kläger steht danach für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 das gleiche Arbeitsentgelt wie Herrn W1 zu.
612. Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass auch die an Herrn W1 für das Jahr 2010 gezahlte Jahresabschlussprämie zu dem fortzuzahlenden Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG zählt. Als Zuwendungen i.S.d. § 37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG kommen u.a. auch Leistungszulagen, Leistungsprämien und umsatzabhängige Prämien in Betracht (BAG 21.04.1983 – 6 AZR 407/80 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 43; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl., § 37 Rn. 127; Weber/GK-BetrVG, 9. Aufl., § 37 Rn. 122; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 11. Aufl., § 37 Rn. 82; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rn. 41 m.w.N.). Allgemeine Zuwendungen i.S.d. § 37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG sind nicht nur Zuwendungen, die die gesamte Belegschaft erhält. Vielmehr reicht unter Umständen ein einzelner vergleichbarer Arbeitnehmer aus. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Anpassung des Arbeitsentgelts nur an das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer verlangt werden kann. Ist nur ein vergleichbarer Arbeitnehmer vorhanden, kommt eine Anpassung des Arbeitsentgelts nur an das dieser Vergleichsperson in Betracht (BAG 21.04.1983 – 6 AZR 407/80 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 43).
62Hiernach kann der Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 die Zahlung der anteiligen Jahresabschlussprämie, wie sie an Herrn W1 gezahlt worden ist, verlangen. Aufgrund der Bestimmung des Herrn W1 als Vergleichsperson ist davon auszugehen, dass der Kläger auch die Jahresabschlussprämie verdient hätte, wäre er nicht als Betriebsratsvorsitzender und als stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender von seiner Arbeitsleistung freigestellt gewesen.
633. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der hälftigen Jahresabschlussprämie für das Jahr 2010 ist auch nicht etwa deshalb unbegründet, weil die Jahresabschlussprämie zugunsten des Herrn W1 erst im April 2010 fällig geworden ist. Der Kläger hat die Jahresabschlussprämie erst nach Fälligkeit im April 2011 mit Schriftsatz vom 29.04.2011 eingeklagt. In jedem Fall war die Leistung bei Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 26.07.2011 auch zugunsten des Klägers fällig. Unstreitig handelt es sich nämlich um eine Leistung aus dem Jahre 2010.
64II. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung der Hälfte des geldwerten Vorteils für die der Vergleichsperson W1 auch zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten D3-Netzkarte. Auch dieser Anspruch ergibt sich aus den §§ 37 Abs. 2 und Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611 BGB.
651. Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass die Bereitstellung der Netzkarte, die von der Vergleichsperson W1 auch privat genutzt werden darf, zum Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 2 und 4 BetrVG gehört.
66Zwar sind Leistungen des Arbeitsgebers, die reinen Aufwendungscharakter tragen, an Betriebsratsmitglieder, die solche Aufwendungen infolge ihrer Arbeitsbefreiung nicht mehr haben, nicht fortzuzahlen (Fitting, aaO, § 37 Rn. 66; Weber/GK-BetrVG, § 37 Rn. 62; DKK/Wedde, aaO, § 37 Rn. 51). Dient danach die Überlassung der D3-Netzkarte – ebenso wie die Überlassung eines Dienstwagens – an Herrn W1 allein der funktionsgerechten Erledigung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, steht einem freigestellten Betriebsratsmitglied kein Anspruch auf Gewährung derartiger Leistungen zu (BAG 23.06.2004 – 7 AZR 514/03 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 139; BAG 25.02.2009 – 7 AZR 954/07 –; Fitting, aaO, § 37 Rn. 66; Weber/GK-BetrVG, aaO, § 37 Rn. 62). Erlaubt dagegen die Überlassung der Netzkarte auch deren private Nutzung, so ist sie Bestandteil des Arbeitsentgelts und damit auch im Fall der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds aufgrund des Verbots der Entgeltminderung nach § 37 Abs. 2 und 4 BetrVG fortzugewähren. Denn insoweit handelte es sich um eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung in Form eines Sachbezugs (BAG 23.06.2004 – 7 AZR 514/03 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 139; BAG 11.10.2000 – 5 AZR 240/99 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 13; Fitting, aaO, § 37 Rn. 66). Die Zurverfügungstellung der D3-Netzkarte an die Vergleichsperson W1 auch zur privaten Nutzung stellt danach einen Sachbezug dar, der Bestandteil des Arbeitsentgelts des Mitarbeiters W1 ist. Entsprechend hat die Beklagte diesen Sachbezug auch in der Gehaltsabrechnung des Mitarbeiters W1 für August 2010 ausgewiesen.
67Danach hat auch der Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 Anspruch auf eine entsprechende Leistung. Der geldwerte Vorteil, der dem Mitarbeiter W1 durch die Zurverfügungstellung der Netzkarte auch zur privaten Nutzung zugeflossen ist, steht auch dem Kläger anteilig zu. Aus welchen Gründen die Beschränkung der Netzkarte auf dienstliche Zwecke nicht möglich sein soll, wie von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgetragen worden ist, ist unerfindlich. Ebenso wie Dienstwagen ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden können, kann auch eine Netzkarte lediglich auf dienstliche Zwecke beschränkt werden. Aus welchen Gründen eine derartige Beschränkung unmöglich sein soll, hat die Beklagte auch im Termin vor der Berufungskammer vom 17.02.2012 nicht näher erläutern können.
682. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 582,00 € brutto ist auch nicht nach § 16 MTV MITROPA verfallen.
69Nach § 16 Ziff. 1 MTV sind Ansprüche aus den Tarifverträgen der MITROPA AG innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen. Diese Regelung gilt beiderseits.
70Bleibt die rechtzeitige Geltendmachung erfolglos oder wird die Erfüllung endgültig schriftlich abgelehnt, so ist der Anspruch nach § 16 Nr. 2 MTV innerhalb von drei Monaten nach der Geltendmachung oder nach der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Auch diese Regelung gilt beidseitig.
71a) Die Berufungskammer unterstellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen des MTV MITROPA Anwendung finden. Zugunsten der Beklagten wird auch davon ausgegangen, dass es sich bei dem Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 582,00 € um einen Anspruch aus dem Tarifvertrag der MITROPA AG i.S.d. § 16 Nr. 1 MTV handelt, weil in § 6 MTV die Entgeltzahlung der Arbeitnehmer und in § 6 Nr. 3 MTV insbesondere auch ein Sachbezugswert geregelt ist.
72b) Der Kläger hat die dreimonatige Ausschlussfrist des § 16 Nr. 1 MTV jedoch eingehalten.
73Zwar stellt auch § 16 Nr. 1 MTV hinsichtlich des Beginns der Ausschlussfrist auf die Fälligkeit des Anspruches ab. Insoweit kann unterstellt werden, dass auch der Anspruch des Klägers auf Gewährung des geldwerten Vorteils für die der Vergleichsperson W1 auch zur privaten Nutzung überlassenen D3-Netzkarte grundsätzlich spätestens mit dem 31.12.2010 fällig geworden ist. Ein Verfall von Arbeitsentgeltansprüchen tritt aber nicht ein, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch ohne Abrechnung nicht beziffern kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer Grund und Höhe seines Anspruches im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht kennt und nicht kennen kann. Für derartige Ansprüche beginnt die Frist zur schriftlichen Geltendmachung erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte den Anspruch rechtlich und tatsächlich geltend machen kann (BAG 16.03.1966 – 1 AZR 446/65 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 33; BAG 18.01.1969 – 3 AZR 451/67 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 41; BAG 16.05.1984 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85). Ausschlussfristen laufen so lange nicht, als der Arbeitgeber die erforderliche Abrechnung über die dem Arbeitnehmer zustehenden Ansprüche unterlässt (BAG 27.11.1984 – 3 AZR 596/82 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 89; BAG 27.02.2002 – 9 AZR 543/00 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 m.w.N.).
74So liegt der vorliegende Fall. Dass der Vergleichsperson W1 im Jahre 2010 eine D3-Netzkarte auch zur Verfügung gestellt worden ist, wobei die Benutzung einen Sachbezugswert in Höhe von insgesamt 1.164,80 € gehabt hat, ist dem Kläger unstreitig erst im Gütetermin beim Arbeitsgericht am 01.03.2011 bekannt gegeben worden. Zuvor hatte er bereits eine entsprechende Auskunftsklage gegen die Beklagte erhoben. Hiernach begann die dreimonatige Ausschlussfrist frühestens am 01.03.2011. Diese Frist hat der Kläger aber durch Erweiterung der Klage mit Schriftsatz vom 29.04.2011, der Beklagten zugestellt am 06.05.2011 (Bl. 66 d.A.), eingehalten.
75c) Selbst wenn davon ausgegangen würde, die Gewährung des geldwerten Vorteils der der Vergleichsperson W1 auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten D3-Netzkarte an den Kläger sei bereits am 31.12.2010 fällig gewesen, müsste die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist des § 16 MTV als treuwidrig angesehen werden.
76Grundsätzlich kann ein Gläubiger dem Ablauf einer tariflichen Verfallfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB begegnen. Der Arglisteinwand oder der der unzulässigen Rechtsausübung kommt dann in Betracht, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruches abgehalten hat. Sichert etwa der Schuldner zu, dass er den Anspruch auch ohne fristgerechte Geltendmachung erfüllen wird, kann er sich auf die Versäumung einer tariflichen Ausschlussfrist nicht berufen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann auch dann durchgreifen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. – an objektiven Maßstäben gemessen – den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist werde (BAG 30.03.1962 – 2 AZR 101/61 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 28; BAG 22.12.1971 – 1 AZR 180/71 – AP LohnFG § 6 Nr. 2; BAG 18.12.1984 – 3 AZR 383/82 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 87; BAG 22.01.1997 – 10 AZR 459/96 – AP BAT § 70 Nr. 27; BAG 10.10.2002 – 8 AZR 8/02 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169; BAG 18.11.2004 – 6 AZR 651/03 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeilhilfe Nr. 36; BAG 15.07.2009 – 5 AZR 867/08 – AP ArbZG § 6 Nr. 10 m.w.N.).
77Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist des § 16 MTV als treuwidrig angesehen werden. Die Beklagte war verpflichtet, den Kläger über sämtliche Arbeitsentgeltansprüche des Mitarbeiters W1, der als Vergleichsperson benannt worden war, zu unterrichten. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen. Bereits im Mai 2009 hat der Kläger entsprechende Auskunftsansprüche gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht – 6 Ca 2216/09 Arbeitsgericht Dortmund. Auch in diesem Rechtsstreit hat die Beklagte dem Kläger keine Auskunft darüber erteilt, dass der Vergleichsperson W1 eine D3-Netzkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden ist. Dies ist dem Kläger erst unstreitig erst anlässlich des vorliegenden Rechtsstreits im Gütetermin vom 01.03.2011 bekannt geworden. Da die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung nicht umfassend und vollständig nachgekommen ist, kann sie sich jedenfalls hinsichtlich der Verfügungstellung der D3-Netzkarte an die Vergleichsperson W1 auch zur privaten Nutzung nicht auf die Ausschlussfrist des § 16 MTV berufen.
78Die dreimonatige Ausschlussfrist des § 16 Nr. 1 MTV hat der Kläger mit der Klageerweiterung vom 29.04.2011 eingehalten. Ebenso ist die Frist von drei Monaten zur Klageerhebung gemäß § 16 Nr. 2 MTV gewahrt.
79III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
80Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und war gemäß § 63 GKG neu festzusetzen. Für das Berufungsverfahren beträgt er 2.529,83 €.
81Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, § 72 Abs. 2 ArbGG.