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1. Bei der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB handelt es sich nicht um "Kosten" i.Sd. 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Sie ist daher bei Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 64 Abs. 2 Buchst. b) ArbGG zu berücksichtigen.
2. „Nachtzuschläge“, die für während der Nachtzeit i.S.d. § 2 Abs. 3 ArbZG geleistete Arbeit, die nicht Nachtarbeit i.S.d. § 2 Abs. 4 ArbZG ist, gezahlt werden, beruhen nicht auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung. Sie sind mindestlohn-wirksam und können den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 1 MiLoG erfüllen.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.04.2017 – 2 Ca 2299/16 – teilweise abgeändert.
2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen und die Zahlung einer Verzugspauschale.
3Die Klägerin war seit 1973 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und seit 01.01.2016 bei der Beklagten als Zeitungszustellerin bei einer täglichen Arbeitszeit von 1,156 Stunden (1 Stunde und 9 Minuten), die sie ausschließlich nachts in der Zeit vor 06:00 Uhr morgens erbrachte, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist mittlerweile beendet.
4Zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten war die Zahlung eines Stücklohns pro zugestelltem Produkt in Höhe von 1,54 € brutto zuzüglich einer Revierzulage in Höhe von 12,00 € brutto monatlich vereinbart. Darüber hinaus wurden aufgrund betrieblicher Übung 19,9 % Nachtzuschläge auf die sich aus Stücklohn und Revierzulage ergebende Vergütung unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 ArbZG gezahlt.
5Die Beklagte erteilte der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2016 bis Februar 2017 Abrechnungen, in denen im wesentlichen Stücklöhne, Beilagenstücklöhne, Stücklöhne für Fremdobjekte, die Revierzulage und ein „Ausgleich Mindestlohn Anw“ ausgewiesen sind. Daraus errechnete die Beklagte für Februar 2016 einen Bruttobetrag in Höhe von 212,85 €, für März 2016 einen Bruttobetrag in Höhe von 229,67 €, für April 2016 einen Betrag in Höhe von 221,73 € brutto, für Mai 2016 einen Betrag in Höhe von 220,33 € brutto, für Juni 2016 einen Betrag in Höhe von 218,09 € brutto, für Juli 2016 einen Betrag in Höhe von 216,17 € brutto, für August 2016 einen Betrag in Höhe von 234,61 € brutto, für September 2016 einen Betrag in Höhe von 204,23 € brutto, für Oktober 2016 einen Betrag in Höhe von 247,40 € brutto, für November 2016 einen Betrag in Höhe von 405,37 € brutto inkl. 185,00 € Weihnachtsgeld, für Dezember 2016 einen Betrag in Höhe von 224,50 € brutto, für Januar 2017 einen Betrag in Höhe von 257,70 € brutto und für Februar 2017 einen Betrag in Höhe von 232,21 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnungen wird auf Bl. 26 ff., 54 f., 85 ff. d.A. Bezug genommen. Die in den Abrechnungen ausgewiesenen Netto-Beträge hat die Beklagte an die Klägerin ausbezahlt.
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch die von der Beklagten abgerechneten und gezahlten Beträge sei ausschließlich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für Zeitungszusteller gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG erfüllt worden. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf Zahlung eines Nachtzuschlags in Höhe von 19,9 % des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns pro geleisteter Arbeitsstunde. Für Februar 2016 seien daher bei 25 Arbeitstagen 41,58 €, für März 2016 bei 27 Arbeitstagen 44,91 €, für April, Mai, Juni und Juli 2016 bei jeweils 26 Arbeitstagen jeweils 43,24 €, für August 2016 bei 27 Arbeitstagen 44,91 €, für September und Oktober bei 26 Arbeitstagen jeweils 43,24 €, für November und Dezember 2016 bei 25 Arbeitstagen jeweils 41,58 €, für Januar 2017 bei 26 Arbeitstagen 51,29 € und für Februar 2017 bei 24 Arbeitstagen 46,93 € von der Beklagten an die Klägerin zu zahlen.
7Diese Beträge habe die Beklagte weder abgerechnet noch bezahlt, in den Abrechnungen seien sie nicht ausgewiesen.
8Der Nachtzuschlag sei nicht auf die Zahlung des Mindestlohns anzurechnen. Der an die Klägerin gezahlte Nachtzuschlag erfülle den Zweck, die besonderen Erschwernisse der Nachtarbeit zu honorieren. Er verfolge damit den gleichen Zweck wie ein gesetzlich geschuldeter Nachtzuschlag iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG, so dass ihm eine gesetzliche Zweckbestimmung zugrunde liege, die eine Anrechnung auf den Mindestlohn ausschließe.
9Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB für jeden Monat, in dem die Beklagte die Vergütung nicht pünktlich gezahlt habe.
10Für Januar 2017 habe die Beklagte darüber hinaus nicht den geschuldeten gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € gezahlt, so dass ein weiterer Anspruch in Höhe von 12,00 € brutto bestünde. Im Februar habe die Beklagte keinen Nachtzuschlag für Zeiten, in denen Entgeltfortzahlung zu leisten gewesen sei, gezahlt, so dass der Klägerin ein weiterer Betrag in Höhe von 7,56 € brutto zustünde.
11Die Klägerin hat - nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich Verzugspauschalen in Höhe von 200,00 € - beantragt,
121. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 390,84 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2017 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 83,16 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.02.2017 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19,56 € brutto sowie 98,22 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2017 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Verzugspauschale für die Monate Juli 2016 bis Februar 2017 in Höhe von 320,00 € netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei mangels hinreichenden Vortrags zur Arbeitsleistung der Klägerin bereits unschlüssig. Zudem seien sämtliche der Klägerin zustehende Ansprüche durch Erfüllung erloschen. Die Klägerin habe sowohl den ihr nach dem Mindestlohngesetz zustehenden Mindestlohn also auch den Stücklohn nebst Nachtzuschlag erhalten.
20Der geschuldete Nachtzuschlag sei voll auf den Mindestlohn anzurechnen. Die Klägerin leiste keine Nachtarbeit iSd. § 2 ArbZG, da ihre Arbeitszeit zwei Stunden nicht überschreite. Daher stelle der gezahlte Nachtzuschlag Entgelt für normale Arbeitsleistung und keine Zulage nach gesetzlicher Zweckbestimmung dar. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Zuschlag in Abhängigkeit der geleisteten Arbeit gezahlt werde. Die Klägerin habe durch Zahlung des Mindestlohns in den einzelnen Monaten mehr erhalten als die Summe des Stücklohns zuzüglich des Nachtzuschlags. Hinsichtlich der Berechnung der Beklagten wird auf Bl. 60 ff. und 89 ff. d.A. verwiesen.
21Die Höhe des Nachtzuschlags beruhe auf einer informellen Absprache mit dem Finanzamt. In dieser Höhe könne der Zuschlag steuerfrei gezahlt werden, ohne dass zwingend sämtliche Arbeit während der Nachtzeit geleistet werden müsse.
22Eine Verzugspauschale könne die Klägerin mangels Verzugs nicht beanspruchen. § 288 Abs. 5 BGB sei bei Entgeltansprüchen aus Arbeitsverhältnissen aber auch ohnehin nicht anwendbar.
23Mit Urteil vom 06.04.2017 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von Nachtzuschlägen in Höhe von 381,92 € netto nebst Zinsen und zur Zahlung von Verzugspauschalen in Höhe von insgesamt 320,00 € netto verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen in Höhe von insgesamt 381,91 € netto für den Zeitraum Februar 2016 bis Februar 2017 aus betrieblicher Übung. Dieser Anspruch sei nicht durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen. Die Beklagte habe diesen Zuschlag weder in den Abrechnungen ausgewiesen noch in anderer Weise einen Netto-Zuschlag an die Klägerin gezahlt. Dies sei aber wegen der Steuerfreiheit des Zuschlags nach § 3b EStG erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte die arbeitsvertraglichen Ansprüche der Klägerin, nicht den Mindestlohn abrechnen müssen. Dem Anspruch der Klägerin stünde auch nicht § 242 BGB entgegen. Die Klägerin verlange nichts, was sie wieder an die Beklagte zurückgeben müsste. Sie habe der Höhe nach keinen Betrag erhalten, der ihre Ansprüche erfülle. Denn der geschuldete Nachtzuschlag sei nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Der vorliegende Nachtzuschlag erfülle die gesetzliche Zweckbestimmung des § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Vorschrift sei lediglich deswegen nicht einschlägig, weil die Klägerin insgesamt weniger als zwei Stunden pro Tag arbeite, die Zahlung diene aber demselben Zweck wie der gesetzlich vorgeschriebene Nachtzuschlag. Dementsprechend bestehe auch die Steuerprivilegierung in § 3b EStG. Der Nachtzuschlag sei allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin weiterhin aus einem Aufschlag von 19,9 % auf den vereinbarten Stücklohn inkl. Revierzulage zu zahlen und nur bezüglich der von der Beklagten in ihren „Schattenabrechnungen“ zugestandenen Arbeitszeit der Klägerin geschuldet.
24Ein Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung für Januar und Februar 2017 bestehe nicht. Es sei nicht ersichtlich, warum die Revierzulage den Mindestlohnanspruch der Klägerin nicht erfüllen sollte. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen während Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.
25Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40,00 € für jeden Monat seit Juli 2016, für den die Beklagte die geschuldete Vergütung nicht rechtzeitig vollständig gezahlt habe. § 288 Abs. 5 BGB sei auch im Arbeitsverhältnis anwendbar, eine Bereichsausnahme ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Die Beklagte habe die Nichtzahlung auch zu vertreten.
26Gegen das der Beklagten am 19.04.2017 zugestellte Urteil richtet sich deren am 17.05.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung. Die Klägerin hat keine Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung am 19.07.2017 innerhalb der bis zum 19.07.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
27Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Nachtzuschlags sei durch die geleisteten Zahlungen erloschen. Es sei nicht entscheidend, was in den Abrechnungen ausgewiesen sei, sondern, ob der Betrag faktisch geleistet worden sei. Dies sei der Fall. Der Nachtzuschlag sei auf den Mindestlohn anrechenbar. Zweck der Zahlung sei nicht der Ausgleich von besonderen Erschwernissen, sondern die Erhöhung des Nettolohns der Klägerin gewesen. Da die Klägerin täglich weniger als zwei Stunden arbeite, unterfalle der Nachtzuschlag nicht der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 6 Abs. 5 ArbZG.
28Die Beklagte beantragt,
29das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.04.2017 – 2 Ca 2299/16 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
30Die Klägerin beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus:
33Die Berufung der Beklagten sei bereits unzulässig. Der Beschwerdegegenstand übersteige nicht 600,00 €. Die Beklagte sei zur Zahlung von lediglich 381,91 € verurteilt worden. Bei dem darüber hinausgehenden Betrag in Höhe von 320,00 € handele es sich um die Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB. Diese sei als Nebenforderung bei der Ermittlung des Beschwerdewertes nicht zu berücksichtigen.
34Darüber hinaus sei mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die Zuschläge nicht mindestlohnwirksam seien. Nur zum Ausgleich der besonderen Erschwernisse der Nachtarbeit sei es möglich, Zuschläge steuerfrei zu zahlen. Einem netto gezahlten Zuschlag könne keine Erfüllungswirkung hinsichtlich des brutto geschuldeten Mindestlohns zukommen.
35Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe
37Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für die Monate Februar 2016 bis Februar 2017 ist vollständig durch Erfüllung erloschen.
38I.
39Die Berufung ist zulässig.
401.
41Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b) ArbGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt entgegen der Ansicht der Klägerin 600,00 €, die Beklagte ist zur Zahlung von insgesamt 701,91 € verurteilt worden. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugspauschalen in Höhe von insgesamt 320,00 € erhöht den Wert des Beschwerdegegenstandes.
42Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist nach §§ 3 – 9 ZPO zu berechnen, gemäß § 5 ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Nach § 4 Abs. 1 HS 2 ZPO bleiben Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Nicht in § 4 Abs. 1 HS 2 ZPO genannte Forderungen gehören zur Hauptsache (Musielak/Voit/Heinrich ZPO 14 Aufl. § 4 Rn. 10; Zöller/Herget 31. Aufl. § 4 Rn. 8).
43a)
44Bei der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB handelt es sich nicht um Zinsen iSd. § 4 ZPO, sondern um einen pauschalierten Schadenersatz. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. § 288 Abs. 5 BGB dient der Umsetzung des in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (im Folgenden: RiL 2011/7/EU) geregelten Anspruchs auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40,00 € bei Zahlungsverzug (vgl. BT-Drucks. 18/1309 S. 11). Bei dem Pauschalbetrag handelt es sich gemäß Art. 6 Abs. 2 RiL um eine Entschädigung für Beitreibungskosten des Gläubigers, mithin nicht um Zinsen.
45b)
46Obwohl es sich bei der Verzugspauschale um eine Entschädigung für Beitreibungskosten des Gläubigers handelt, ist diese auch nicht als „Kosten“ iSd. § 4 ZPO anzusehen.
47aa)
48Nach § 4 ZPO bleiben für die Wertberechnung Kosten unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. „Kosten“ iSd. § 4 ZPO sind nicht nur die durch Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten, sondern grundsätzlich auch diejenigen Kosten, di der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen. Sie sind bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (BGH 30.01.2007 – X ZB 7/06 – Rn. 6). Danach sind zB vorprozessuale Anwaltskosten als streitwerterhöhender Hauptanspruch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich auf einen Anspruch beziehen, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist. Wird ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines Anspruchs vorprozessual aufgewendeten Geschäftsgebühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Berechnung des Streitwerts wie auch für die Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer (BGH 17.01.2013 – I ZR 107/12 – Rn. 4 mwN).
49bb)
50Bei der Verzugspauschale handelt es sich nicht um „Kosten“ iSd. § 4 ZPO.
51Die Pauschale soll zwar ausweislich des Art. 6 Abs. 2 RiL 2011/7/EU als Entschädigung für Beitreibungskosten gezahlt werden. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass es sich notwendigerweise um Kosten der Rechtsverfolgung handelt. Dementsprechend erfolgt auch eine Anrechnung nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB lediglich, „soweit“ der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Die Verzugspauschale ist an den Gläubiger unabhängig davon zu zahlen, ob diesem tatsächlich ein Schaden – in Form der Kosten der Rechtsverfolgung oder aus anderem Anlass – entstanden ist. Sie wird daher zT als „Strafschadenersatz“ bezeichnet (vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 288 Rn. 29), der auch den Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit des Gläubigers kompensieren soll (Diller NZA 2015, 1095). Dementsprechend handelt es sich bei der Verzugspauschale um einen von Kosten der Rechtsverfolgung unabhängigen Schadensersatzanspruch, der nicht „Kosten“ iSd. § 4 ZPO betrifft.
52c)
53Handelt es sich danach bei der Verzugspauschale um keine der in § 4 ZPO genannten Forderungen, ist diese der Hauptforderung hinzuzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Nebenforderung wäre, dh. in ihrem Bestand von der darüber hinaus im Prozess geltend gemachten Forderung abhängig ist.
542.
55Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG verlängerten Frist ordnungsgemäß begründet worden.
56II.
57Die Berufung ist auch begründet.
581.
59Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen in Höhe von insgesamt 381,91 € netto für den Zeitraum von Februar 2016 bis Februar 2017. Der diesbezügliche Anspruch ist durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.
60a)
61Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB (nunmehr § 611a Abs. 2 BGB) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
62Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen hatte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung eines Stücklohns in Höhe von 1,54 € brutto, einer Revierzulage in Höhe von 12,00 € und aufgrund betrieblicher Übung auf Zahlung eines Nachtzuschlags in Höhe von 19,9 %.
63Hieraus ergab sich nach den durch die Beklagte erstellten Vergleichsberechnungen für Februar 2016 ein Anspruch in Höhe von 186,04 € (Nachtzuschlag 30,88 €), für März 2016 ein Anspruch in Höhe von 185,74 € (Nachtzuschlag 30,83 €), für April 2016 ein Anspruch in Höhe von 186,23 € (Nachtzuschlag 30,91 €), für Mai 2016 ein Anspruch in Höhe von 186,00 € (Nachtzuschlag 30,87 €), für Juni 2016 ein Anspruch in Höhe von 182,66 € (Nachtzuschlag 30,32 €), für Juli 2016 ein Anspruch in Höhe von 181,14 € (Nachtzuschlag 30,06 €), für August 2016 ein Anspruch in Höhe von 177,55 € (Nachtzuschlag 29,47 €), für September 2016 ein Anspruch in Höhe von 150,34 € (Nachtzuschlag 24,95 €), für Oktober 2016 ein Anspruch in Höhe von 182,50 € (Nachtzuschlag 30,29 €), für November 2016 inkl. Weihnachtsgeld ein Anspruch in Höhe von 362,68 € (Nachtzuschlag 29,49 €), für Dezember 2016 ein Anspruch in Höhe von 177,68 € (Nachtzuschlag 29,49 €), für Januar 2017 ein Anspruch in Höhe von 177,57 € (Nachtzuschlag 29,47 €) und für Februar 2017 ein Anspruch in Höhe von 149,90 € (Nachtzuschlag 24,88 €). Diese Berechnung hat die Klägerin, obwohl sie mit ihrer Klage zunächst teilweise eine andere Anzahl an Arbeitstagen geltend gemacht hat, nicht bestritten. Soweit sie einen höheren Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen geltend gemacht hat, ist die Klage darüber hinaus rechtskräftig abgewiesen, so dass lediglich von Ansprüchen in der von der Beklagten zugestandenen Höhe auszugehen ist.
64Daneben bestand ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für Zeitungszusteller in Höhe von 7,23 € brutto (Februar 2016 bis Dezember 2016) bzw. 8,50 € brutto (Januar und Februar 2017) gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG iVm. § 1 MiLoG.
65b)
66Die Klägerin hat unstreitig den ihr nach § 24 Abs. 2 MiLoG iVm. § 1 MiLoG zustehenden gesetzlichen Mindestlohn im streitgegenständlichen Zeitraum erhalten. Soweit die Beklagte in ihrer eigenen Vergleichsberechnung in einigen Monaten (April, Juni, Juli und November 2016) zu dem Ergebnis kommt, einige Cent zu wenig gezahlt zu haben, wendet sich die Klägerin hiergegen nicht. Streitgegenständlich ist nicht die Zahlung des Mindestlohns, sondern, ob durch die Zahlung zugleich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Nachtzuschläge erfüllt worden ist.
67c)
68Durch die von der Beklagten geleisteten Zahlungen ist zugleich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Nachtzuschläge gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden. Die Tilgungsbestimmung der Beklagten war nicht auf Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns beschränkt, sondern erfasste sämtliche Vergütungsansprüche der Klägerin. Die Nachtzuschläge waren auch nicht neben dem Mindestlohn zu zahlen.
69aa)
70Die Beklagte hat mit der Zahlung eine Tilgungsbestimmung iSd. § 366 Abs. 1 BGB getroffen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung der Nachtzuschläge geführt hat.
71(1)
72Eine Tilgungsbestimmung braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden, sondern kann sich auch konkludent aus den Umständen des Einzelfalls, insbesondere aus der Interessenlage ergeben. Sie ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Soweit keine entgegenstehenden Erklärungen bei der Zahlung abgegeben werden, ist davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber mit einer Zahlung den gesamten Entgeltanspruch des Arbeitnehmers erfüllen will (BAG 10.07.2013 – 10 AZR 777/12 – Rn. 22 f.).
73(2)
74Danach hat die Beklagte vorliegend nicht lediglich den Mindestlohnanspruch, sondern auch den vertraglichen Anspruch der Klägerin durch die monatlichen Zahlungen erfüllt. Dabei ist unschädlich, dass die Beklagte die Zahlungen nicht ausdrücklich zT als „Nachtzuschlag“, sondern als „Ausgleich Mindestlohn“ bezeichnet hat. Der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns ist ein gesetzlicher Anspruch, der neben den vertraglichen Anspruch tritt (BAG 24.05.2017 – 5 AZR 431/16 – Rn. 14). Der Arbeitgeber erfüllt in der Regel durch ein und dieselbe Zahlung sowohl diesen gesetzlichen als auch den arbeitsvertraglichen Anspruch (vgl. BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 26 ff.). Soweit die Ansprüche sich der Höhe nach überschneiden, ist es daher unschädlich, die Zahlung entweder als Mindestlohn oder entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen zu bezeichnen. Beide Ansprüche werden durch die Zahlung erfüllt.
75Daran ändert nichts, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung des Nachtzuschlags als Netto-Zahlung verfolgt, der „Ausgleich Mindestlohn“ durch die Beklagte aber als Brutto-Zahlung abgerechnet worden ist. Jedenfalls die Zahlung des Nettobetrags hat den Anspruch der Klägerin erfüllt. Darüber hinaus hat die Klägerin unabhängig davon, ob die Berechtigung von Abzügen für Steuern oder Sozialversicherungsabgaben überhaupt durch die Kammer überprüft werden könnte (vgl. hierzu BAG 21.12.2016 – 5 AZR 266/16 – Rn. 17, 20; 09.08.2016 – 9 AZR 417/15 – Rn. 14 f.), jedenfalls nicht dargelegt, insgesamt in den einzelnen Monaten lediglich einen Netto-Betrag erhalten zu haben, der unterhalb des Betrags liegt, den sie bei korrekter Berechnung erhalten hätte.
76bb)
77Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Nachtzuschläge zusätzlich zum Mindestlohn zu gewähren. Diese sind mindestlohnwirksam.
78(1)
79Der Mindestlohn ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG „je Zeitstunde“ festgesetzt. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Mindestlohnwirksam sind daher alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (BAG 06.09.2017 – 5 AZR 317/16 – Rn. 11; 24.05.2017 – 5 AZR 431/16 – Rn. 16).
80(2)
81Der Nachtzuschlag wird von der Beklagten in Abhängigkeit zum Stücklohn und damit als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt. Er unterliegt keiner gesetzlichen Zweckbestimmung.
82(a)
83Bei den durch die Beklagte gezahlten Nachtzuschlägen handelt es sich nicht um die für Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu zahlenden Zuschläge. Die Klägerin ist keine Nachtarbeitnehmerin iSd. § 2 Abs. 5 ArbZG. Sie arbeitet zwar ausschließlich in der Nachtzeit zwischen 23 und 6 Uhr (§ 2 Abs. 3 ArbZG), leistet aber keine Nachtarbeit iSd. § 2 Abs. 4 ArbZG. Ihre tägliche Arbeitszeit ist geringer als zwei Stunden (vgl. hierzu BAG 11.12.2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 10).
84(b)
85Die durch die Beklagte gezahlten Nachtzuschläge unterliegen auch nicht deshalb der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 6 Abs. 5 ArbZG, weil die Klägerin ihre gesamte Arbeitszeit zur Nachtzeit erbringt und damit den gleichen Erschwernissen ausgesetzt wäre wie ein Nachtarbeitnehmer iSd. Vorschrift. Zweck der Regelungen im Arbeitszeitgesetz ist die zeitliche Begrenzung der Nachtarbeit sowie deren arbeitsmedizinische und sozialpolitische Flankierung (BT-Drucks. 12/5888 S. 19). Dabei soll allerdings nicht jede auch nur geringfügige Ableistung von Nachtarbeit die in § 6 ArbZG geregelten Rechte und Pflichten auslösen (BT-Drucks. 12/5888 S. 24). Denn bei weniger als zwei Stunden Nachtarbeit sind idR für den Arbeitnehmer noch hinreichende Ruhe- und Schlafzeiten gegeben, so dass ein besonderer Schutz nicht erforderlich ist (Baeck/Deutsch/Kramer ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 105; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 2 Rn. 25). Danach ist Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6 Abs. 5 ArbZG gerade, für die aufgrund ihrer Dauer besonders beschwerliche Nachtarbeit einen Ausgleich durch bezahlte freie Tage oder einen angemessenen Zuschlag zu gewähren. Diese besondere Beschwerlichkeit ist bei der Klägerin aufgrund ihrer lediglich kurzen täglichen Arbeitszeit nicht gegeben.
86(c)
87Eine besondere gesetzliche Zweckbestimmung ergibt sich nicht daraus, dass Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit – auch unabhängig davon, ob sie die Dauer von zwei Stunden übersteigt – gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 1 EStG, soweit sie 25 % des Grundlohns nicht übersteigen, steuerfrei sind. Die Steuerbegünstigung stellt keine gesetzliche Zweckbestimmung dar. Denn sie begründet keine besondere Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers, sondern betrifft lediglich die Abrechnungsmodalitäten für den Fall, dass der Arbeitgeber freiwillig oder aufgrund einer anderweitigen, zB gesetzlichen oder tarifvertraglichen Verpflichtung Nachtzuschläge zahlt. Dementsprechend sind auch die ebenfalls in § 3b EStG genannten Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen mindestlohnwirksam (vgl. BAG 24.05.2017 – 5 AZR 431/16 – Rn. 17).
882.
89Da die Beklagte sämtliche Zahlungsansprüche der Klägerin zum Fälligkeitstermin erfüllt hat, befand sie sich nicht im Zahlungsverzug, so dass ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen sowie einer Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB ausscheidet.
90III.
91Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 ZPO.
92Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Rechtsfrage der Erhöhung des Werts des Beschwerdegegenstands durch Verurteilung zur Zahlung der Verzugspauschlage nach § 288 Abs. 5 BGB ist ebenso wie die Rechtsfrage der Anrechnung von nicht gesetzlich geschuldeten Nachtzuschlägen auf den Mindestlohn von grundsätzlicher Bedeutung.