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Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers, sondern auch deren Zugang bei Arbeitnehmer zu verstehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.
Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger nur dann zu, wenn er zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er mit der elektronischen Übermittlung der Lohnabrechnung einverstanden ist.
Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.12.2020 – 3 Ca 1606/20 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Abrechnungen für erfolgte Lohnzahlungen zu erteilen.
3Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.12.2000, zuletzt als Mitarbeiter im Fuhrpark, zu einem Bruttogehalt von durchschnittlich etwa 2.900,00 EUR beschäftigt.
4Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 08.03.2019 darüber, dass die Verdienstabrechnungen künftig verschlüsselt in dem neuen Online-Portal „A“ bereit gestellt, und nicht wie bis dahin in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt werden würden. Um diese Umstellung zu gewährleisten, war eine erstmalige Anmeldung im Online-Portal durch die Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten erforderlich, um ein eigenes, personalisiertes Passwort zu setzen. Anschließend war der Abruf, der Ausdruck und das Abspeichern von Lohnabrechnungen von zu Hause aus oder an eigens auf dem Betriebsgelände bereitgestellten Terminals möglich. Der von der Beklagten eingeführten Form der Ausstellung der Lohnabrechnungen widersprach der Kläger jedenfalls ausdrücklich durch Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 28.10.2019.
5In der Folge wurden dem Kläger seit September 2019 die seinem Lohn entsprechenden Abrechnungen nicht mehr ausgedruckt zur Verfügung, sondern - wie angekündigt - in digitaler, elektronischer Form im Online-Portal der Beklagten bereit gestellt.
6Der Kläger druckte sich seine Lohnabrechnungen nicht selbst aus.
7Der Kläger hat die Meinung vertreten, dass ein Bereitstellen der Lohnabrechnung in elektronischer Form seiner Zustimmung bedürfe und es nicht ausreichend sei, die Lohnabrechnungen in digitaler bzw. elektronischer Form in einem Online-Portal hochzuladen. Vielmehr müsse eine Abrechnung in Textform erteilt werden. Der Textform genüge das Bereitstellen in einem Online-Portal gerade nicht. Die Möglichkeit des Abrufs der Lohnabrechnungen durch ihn selbst werde diesem Erfordernis nicht gerecht und erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
8Nach Klagerücknahme hat der Kläger zuletzt beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.09.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 1.908,95 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 28.10.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.063,04 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 27.11.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 3.509,80 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
4. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 23.12.2019 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.098,00 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
5. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.01.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.068,45 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
6. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.02.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.086,77 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
7. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 30.03.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 1.971,44 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
8. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.04.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.106,18 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
9. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 28.05.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.019,97 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
10. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 26.06.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.007,92 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
11. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 29.07.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.142,33 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
12. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 27.08.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.008,80 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
13. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 28.09.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 2.015,27 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
14. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über die am 28.10.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 1.795,14 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
15. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die am 27.11.2020 erbrachte Zahlung in Höhe von 3.381,56 EUR eine Abrechnung in Papierform zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Hochladen der Lohnabrechnung in das entsprechende Online-Portal den gesetzlichen Vorgaben genüge und das Textformerfordernis erfüllt sei. Eine PDF-Datei oder eine E-Mail erfüllten auch das Textformerfordernis. Daher seien die Möglichkeit eines Ausdrucks oder einer Speicherung dazu ausreichend und geeignet. Letztlich könne der Kläger nicht verlangen, dass ihm Lohnabrechnungen postalisch zugesendet würden. Dem persönlichen Aushändigen von ausgedruckten Abrechnungen stehe es gleich, dass das Online-Portal geschaffen worden sei, um die hochgeladenen Abrechnungen selbst auf den auf dem Firmengelände bereit gestellte Druckern auszudrucken. Es bestünde kein Zustimmungserfordernis des Klägers.
41Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.12.2020 stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung der streitgegenständlichen Abrechnungen verurteilt. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage allerdings insoweit, als der Kläger die Erteilung der Abrechnungen in Papierform beantragt hat.
42Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der streitgegenständlichen Lohnabrechnung gem. § 108 Abs. 1 Gewerbeordnung zustehe, da danach der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer bei der hier erfolgten Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Dieser Anspruch sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Das Hochladen und Bereitstellen der Lohnabrechnung in dem Online-Portal der Beklagten stelle keine dem § 108 Abs. 1 Satz 1 entsprechende Erfüllungshandlung dar.
43Die in § 108 Abs. 1 Satz 1 vorausgesetzte Textform des § 126 b BGB gewahrt, weil die Lohnabrechnungen auf einem ihm zugänglichen dauerhaften Datenträger vorhanden gewesen seien, sodass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, die an ihn gerichteten Erklärungen der Beklagten aufzubewahren, zu speichern oder auszudrucken. Die Tatsache, dass er die Abrechnungen tatsächlich nicht ausgedruckt habe, sei für die Bewertung des Texterfordernisses zunächst irrelevant.
44Die Textform setze allerdings nicht nur die bloße Zurverfügungstellung einer Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber, die ein aktives Tun des Arbeitnehmers als Erklärungsempfängers bedinge. Vielmehr sei auch ein Zugang der Lohnabrechnung nach Maßgabe des § 130 BGB an den Erklärungsempfänger erforderlich. Voraussetzung für einen Zugang der Lohnabrechnung sei damit, dass die Lohnabrechnung von dem Arbeitgeber so auf den Weg zum Arbeitnehmer gebracht werde, dass sie in seinen Machtbereich gelange und der Arbeitnehmer unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen könne. Ein Zugang in elektronischer Form sei allerdings nur dann zu bejahen, wenn dieser Art des Zugangs ausdrücklich oder konkludent vom Arbeitnehmer zugestimmt werde. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger der von der Beklagten gewählten Zugangsform weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt habe. Vielmehr habe er der elektronischen Zugangsform ausdrücklich durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2019 widersprochen.
45Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der streitgegenständlichen Lohnabrechnung in Papierform stehe dagegen dem Kläger nicht zu, sodass die Klage insoweit abzuweisen sei.
46Die Beklagte hat gegen das am 08.01.2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 08.02.2021 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.04.2021 am 25.03.2021 begründet.
47Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht der Klage auf Erteilung der Abrechnung in Textform stattgegeben habe. Denn das Arbeitsgericht habe insbesondere den Zugangsbegriff verkannt. Dem Arbeitsgericht sei dabei darin zuzustimmen, dass mit dem Hochladen und Bereitstellen der monatlichen Lohnabrechnung in dem von ihr zur Verfügung gestellten Online-Portal die in § 108 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung vorausgesetzte Textform gewahrt worden sei. Denn die als PDF-Datei hochgeladenen Lohnabrechnungen stellten einen dauerhaften Datenträger dar, der es dem Kläger ermöglicht habe, seine Lohninformationen jeder Zeit zugänglich und unverändert zu erhalten. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts seien dem Kläger die Lohnabrechnungen auch nach dem jeweiligen Hochladen im Sinne des § 130 BGB zugegangen. Das vom Arbeitsgericht angenommene Zustimmungserfordernis durch den Empfänger einer Wissenserklärung finde zum einen im Gesetz keine Stütze und sei auch in der Literatur nicht unumstritten. Das in der Literatur geforderte Einverständniserfordernis betreffe einen gänzlich anderen Fall. Da nach § 126a BGB die Schriftform die Regel sei, bedürfe deren Ersetzung durch die elektronische Form des ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses der Beteiligten, in der Regel durch Empfänger der Erklärung z. B. durch Bekanntgabe der E Mail-Adresse auf Geschäftsbriefen, Rechnungen und dergleichen. Dasselbe Einverständnis werde auch für den Zugang bei der elektronischen Übermittlung einer empfangsbedürftigen Willens- bzw. Wissenserklärung gefordert. Erkennbar sei damit aber gemeint, dass der Empfänger von einem für ihn überraschend atypischen Übersendungsvorgang bewahrt werden solle. Gegen das im Gesetz nicht vorgesehene Einverständniserfordernis werde zu Recht eingewendet, dass eine Erklärung bereits dann wirksam abgegeben sei, wenn sie in der für diese Erklärung vorgeschriebenen Form an den Adressaten gerichtet worden sei. Die Frage geeigneter technischer Vorrichtungen und Programme des Adressaten bei der Textform betreffe daher nur das Problem des formwirksamen Zugangs nicht jedoch der formwirksamen Abgabe der Erklärung. Das Erfordernis des von der Literatur geforderten Einverständnisses könne für den formwirksamen Zugang dann gelten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf verweisen würde, dass er Programme (Internetbrowser), Hardware (PC oder Notebook) und einen Internetzugang vorhalten müsse, um den Zugang sicherzustellen. Auch wenn heute diese technischen Hilfsmittel allgemeine Verbreitung gefunden hätten, so könne dies vom Arbeitgeber nicht allgemein als vorhanden vorausgesetzt werden. Vorliegend sei aufgrund des von ihr aufgestellten Terminals kein Einverständnis erforderlich. § 108 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung stelle nicht etwa ein Regel-Ausnahme-Verhältnis auf, wonach die Lohnabrechnung in Schriftform zu erteilen wäre und diese durch die Textform ersetzt werden könnte. Die Textform sei vielmehr die alleinige von § 108 Gewerbeordnung vorgeschriebene Form, insofern finde das von der Literatur im Rahmen des § 126a BGB geforderte Einverständnis schon keine Stützen im Gesetz. Es komme im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des „Erteilens“ allein darauf an, dass die Abrechnung dem Arbeitnehmer so zugehe, dass er davon nach den gewöhnlichen Umständen Kenntnis nehmen könne. Durch die Zurverfügungstellung der beiden Terminals auf dem Werksgelände der Beklagten werde aber gerade kein elektronischer Übermittlungsvorgang von der Beklagten zum Kläger angestoßen. Der Übermittlungsvorgang vollziehe sich vielmehr ausschließlich vom Firmengelände der Beklagten auf den vom Dienstleister CSW betriebenen Datenbankserver und von dort wieder zurück in den lokalen Speicher des Druckers der Beklagten auf dem Firmengelände. Die Abrechnungen würden daher im Machtbereich des Klägers an seinem Arbeitsplatz so zur Verfügung gestellt werden, dass er nach gewöhnlichen Umständen davon Kenntnis erlangen könne, insofern sei der Vorgang identisch mit einem Postfach für den Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz für das ebenfalls ein Einverständnis des Arbeitnehmers nicht erforderlich sei. Die Klage sei jedenfalls nach den Grundsätzen der Zugangsvereitelung abzuweisen, weil der Kläger sich so behandeln lassen müsse, als ob ihm die Lohnabrechnungen zugestellt worden seien. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zum Ausdruck gebracht, dass er auf die Papierform bestehe, da er in einer papierenen Lohnabrechnung eine „Wertschätzung“ durch den Arbeitgeber sehe. Den weit überwiegenden Vorteil einer dauerhaften abgespeicherten elektronischen Lohnabrechnung (jederzeitige Verfügbarkeit, Sichtbarkeit auch über mobile Endgeräte, Reproduzierbarkeit usw.) verschließe sich der Kläger völlig, wofür kein vernünftiger Grund ersichtlich sei.
48Die Beklagte beantragt,
49das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund abzuändern und die Klage abzuweisen.
50Der Kläger beantragt,
51die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
52Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichts. Er akzeptiere zwar die Entscheidung insofern, als der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Lohnabrechnung in Papierform nicht bestehe. Zuzustimmen sei allerdings der Entscheidung des Arbeitsgerichts insofern, als für die Erfüllung der Lohnabrechnungen in der geschuldeten Textform nicht nur die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung durch die Beklagte ausreichend sei, die ein aktives Tun des Erklärungsempfängers bedinge. Vielmehr sei für die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung der Lohnabrechnung auch ein Zugang der Lohnabrechnung das nach Maßgabe des § 130 BGB erforderlich, wobei ein Zugang in elektronischer Form nur dann zu bejahen sei, wenn dieser Art des Zugangs ausdrücklich oder konkludent zugestimmt werde. Die Ausführungen der Beklagten zur Zugangsvereitelung gingen fehl, da es nicht darum gehe, ob er einen Zugang vereitelt habe, sondern darum, dass er dem Zugang in digitaler Form nicht zugestimmt habe.
53Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
54Entscheidungsgründe
55Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
56Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte zur Erteilung der streitgegenständlichen Lohnabrechnungen nach § 108 GewO verurteilt. Auch das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine abweichende Beurteilung der Rechtslage und gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen.
57Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte die der nach § 108 GewO erforderlichen Textform des § 126 b BGB entsprechenden Lohnabrechnungen des Klägers erstellt hat, weil sie eine insofern lesbare Erklärungen, in denen die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben hat Ihr Online-Portal ist dabei ein Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und es ist geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 66/08, juris, Rn. 18; Junker in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 126b BGB, Rn. 15 ff.; Eisele in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, Rn. 4 ff., , 6, 9 ). Die Tatsache, dass der Kläger auf die als PDF-Datei gespeicherten Lohnabrechnungen nur mit dem für ihn bestimmten Passwort zugreifen könnte, ändert nichts daran, dass die Beklagte für den Kläger bestimmte Lohnabrechnungen in Textform erstellt hat. Nach § 108 GewO hat jedoch der Arbeitgeber nicht nur die Verpflichtung eine Lohnabrechnung zu erstellen und dem Arbeitnehmer den Zugang zu der erstellten Abrechnung zu ermöglichen. Vielmehr ist er auch verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Lohnabrechnungen zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt dabei die Information über die erfolgte Zahlung (vgl. Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Aufl. 2021, § 71 Rn. 14), sodass die Erfüllung des Lohnanrechnungsanspruch nicht nur die Erstellung, sondern auch den Zugang entsprechend § 130 BGB voraussetzt.
58Der nach § 130 BGB maßgebliche Zugang liegt dann vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann (vgl. BAG, Urt. v. 13.6.2019 – 6 AZR 459/18, juris, Rn. 34). Die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung der Lohnabrechnung in Textform setzt demnach voraus, dass die Lohnabrechnung den Machtbereich des Empfängers erreicht hat.
59Eine Übermittlung der Lohnabrechnungen an eine dienstliche E-Mailadresse des Klägers erfolgte auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht.
60Die Beklagte hat zwar dem Kläger ermöglicht, sich die Lohnabrechnungen auf ihrem Online-Portal unter Verwendung des für den Kläger erstellten Passwortes abzuholen. Dies reicht jedoch für die Erfüllung der Beklagten obliegenden Verpflichtung zur Erteilung der Lohnabrechnung nicht aus, will nicht die Bereitstellung zur Abholung durch den Arbeitnehmer, sondern die Erteilung durch den Arbeitgeber geschuldet wird, sodass es Arbeitgeber verpflichtet ist, die in elektronischer Form erstellte Lohnabrechnung in den Machtbereich des Arbeitnehmers zu verbringen.
61Besitzt der Arbeitnehmer keine einer dienstlichen E-Mailadresse, so kann ein Zugang einer elektronischen Erklärung, die dem Textformerfordernis genügt, nach nahezu einhelliger Ansicht im Schrifttum nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich mit dem Empfang elektronischer Erklärungen ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt hat (vgl. ArbG Oldenburg, Urt. v. 02.11.2016 – 3 Ca 223/16, juris; Kremer/Schmidt CR 228, 228 ff.; Noack/Kremer in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Aufl. 2021, § 126 b BGB Rn. 23; Mansel in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Aufl. 2021, § 1226 b BGB Rn. 3), was vorliegend nicht der Fall war.
62Die Berufung des Klägers auf den erforderlichen Zugang der in Textform zu erteilenden Lohnabrechnung ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich.
63Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass angesichts der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung Erklärungen in elektronischer Form üblich geworden sind und das Abrufen von Lohnabrechnungen unter Verwendung eines Passwortes auf dem Online-Portal der Beklagten dem Kläger zum einen ohne weiteres möglich gewesen wäre, zum anderen die Einführung der elektronischen Lohnabrechnungen der Vereinfachung der betrieblichen Abläufe und Vermeidung von Papier dient. Daraus kann jedoch weder eine Zugangsvereitelung noch ein sonstiges rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers abgeleitet werden.
64Der Kläger hat entgegen der Ansicht der Beklagten nicht den Zugang vereitelt, sondern lediglich die von der Beklagten gewünschte Mitwirkung bei der ihr obliegenden Verpflichtung der Erteilung der Lohnabrechnung unterlassen und die für ihn bereit gestellte Lohnabrechnung aus einer nicht von ihm gewählten „Empfangsvorrichtung“ nicht abgeholt. Durch das bloße Bereitstellen einer elektronischen Erklärung gelangt diese jedoch noch nicht in den Machtbereich des Empfängers. Vielmehr ist insofern noch eine aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers erforderlich, in dem er den Ort, an dem sich der Online-Zugang befindet aufsucht und die Lohnabrechnung unter Verwendung seines Passwortes dann abruft und ausdruckt. Nach der bestehenden Regelung des § 108 GewO besteht jedoch ein Anspruch auf die Erteilung der Lohnabrechnung, nicht lediglich auf deren Bereitstellung verbunden mit einer aktiven Tätigkeit des Arbeitnehmers, die Lohnabrechnung in einer vom Arbeitgeber bereitgestellten „Vorrichtung“ abzuholen, sodass die Berufung auf die Erfüllung eines Anspruchs in der nach der bisherigen Gesetzeslage bestehenden Form allein keinen Rechtsmissbrauch begründen kann. Aus alldem folgt, dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
65Die Kostentscheidung folgt aus § 46 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO
66Die Revision war nach Auffassung der Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 Nr. 12 ArbGG zuzulassen.
67RECHTSMITTELBELEHRUNG
68Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
69REVISION
70eingelegt werden.
71Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
72Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
73Bundesarbeitsgericht
74Hugo-Preuß-Platz 1
7599084 Erfurt
76Fax: 0361 2636-2000
77eingelegt werden.
78Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
79Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
801. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
85Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
86Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
87* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.