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§ 8 ÜTV ist dahingehend auszulegen, dass sich die Besitzstandszulage nur auf solche Ansprüche bezieht, die sich aus einer unmittelbaren vertraglichen Zusage des Arbeitgebers ergeben.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02. Juni 2016 – 8 Ca 7605/15 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über die Höhe einer Sonderzahlung.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 10. April 2006 als Sicherheitskraft am Flughafen angestellt. § 1 des Arbeitsvertrages sieht vor, dass „für das Arbeitsverhältnis die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung gelten“.
4Die Beklagte zahlte der Klägerin bis 2013 Sonderzahlungen nach Maßgabe des Entgeltrahmenabkommens für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 21. September 2005 (ERTV 2005). Der Tarifvertrag enthält in § 8 folgende Regelung:
5„§ 8 Jahressonderzahlung
61. Arbeitnehmer haben mit Beginn des zweiten Jahres der Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, wenn sie nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des Folgejahres aus diesem Arbeitsverhältnis ausscheiden.
72. Die Jahressonderzahlung wird mit der Abrechnung für den Monat November ausgezahlt. Sie beträgt 25 % des für den Monat November maßgeblichen Bruttomonatsentgelts.
83. Der nach Ziffer 2 ermittelte Betrag wird für jeden Fehltag um 3 % reduziert. Ein Sockelbetrag von 100 € brutto verbleibt.
94. Als Fehltage gelten Tage der Arbeitsverhinderung gemäß §§ 3, 9 EFZG und ungenehmigtes Fernbleiben von der Arbeit, nicht jedoch Arbeitsverhinderung auf Grund eines Arbeitsunfalls.
105. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten die Jahressonderzahlung im Verhältnis ihrer einzelvertraglich vereinbarten bzw. tatsächlich erbrachten Arbeitszeit zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 5 des Manteltarifvertrages.
116. Für die Ermittlung der Fehltage ist der Zeitraum vom 1. November des Vorjahres bis zum 30. Oktober des laufenden Kalenderjahres maßgeblich. Der 30. Oktober des laufenden Kalenderjahres ist zugleich der Stichtag für die Ermittlung der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit im Sinne der Ziffern 1 und 2.“
122013 erhielt die Klägerin wegen längerer Krankheitszeiten lediglich den Sockelbetrag iHv 100 EUR.
13Seit 2014 wendet die Beklagte den Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 4. September 2013 (MTV 2013) auf das Arbeitsverhältnis an. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmungen:
14„§ 2 ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
15(1) Die Regelungen des Manteltarifvertrages gelten gleichermaßen für Vollzeit- als auch für Teilzeitbeschäftigte, soweit in diesem Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
16(2) Bei der Einstellung eines/r Beschäftigten ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag entsprechend dem Gesetz für den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (NachwG) abzuschließen. Änderungen dieses Arbeitsvertrages bedürfen gleichfalls der Schriftform. Der/dem Beschäftigten ist eine Lausfertigung auszuhändigen.
17(3) Ein Arbeitsvertrag nach § 14 Absatz 2 TzBfG ist bei Einstellung in der Regel für zwölf Monate abzuschließen. Danach wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angestrebt.1
18(4) Dieser Manteltarifvertrag stellt eine abschließende Regelung für Tätigkeiten im Sinne des Geltungsbereiches dar. Dadurch ist die Anwendung anderer mantel- und entgelttariflicher Regelungen des Sicherheitsgewerbes (in Bundes-, Länder- und Haustarifverträge) ausgeschlossen, soweit im Folgenden in diesem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist. Davon nicht erfasst, sind die tariflichen Entgeltregelungen (in Länder- bzw. Haustarifverträgen) bis diese durch einen Bundesentgelttarifvertrag abgelöst worden sind.
19§ 15 ENTGELTZAHLUNG/MONATSENTGELT
20(1) Es wird ein monatliches Regelentgelt gezahlt. Das monatliche Regelentgelt einer/eines Vollzeitbeschäftigten errechnet sich aus der der jeweiligen Tätigkeit zugrunde liegenden entgelttariflichen Stundengrundvergütung multipliziert mit der monatlichen Arbeitszeit nach § 13 dieses Manteltarifvertrages. Teilzeitbeschäftigte erhalten ein monatliches Regelentgelt entsprechend der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
21Zum Regelentgelt werden zusätzlich die im Abrechnungszeitraum erarbeiteten Zeitzuschläge sowie sonstige Zulagen (Funktions-, Führungs- und Fachzulagen) zur Auszahlung gebracht.
22(2) Die Entgeltzahlung erfolgt bargeldlos. Der Entgeltabrechnungszeitraum umfasst einen Monat. Die Abrechnung ist grundsätzlich bis zum 15. des Folgemonats vorzunehmen. Günstigere betriebliche Regelungen bleiben hiervon unberührt. Die Zahlung muss unverzüglich, jedoch spätestens bis zum 15. des folgenden Monats auf dem Konto des/der Beschäftigten eingegangen sein.
23(3) Die Zusendung der Entgeltabrechnung hat an die letzte vom Beschäftigten angegebene Anschrift zu erfolgen.“
24§ 22 JAHRESSONDERZAHLUNG
25(1) Die Jahressonderzahlung beträgt 25 Prozent eines monatlichen Regelentgelts. Sie wird jeweils zur Hälfte mit der Mai- und der Novemberabrechnung ausbezahlt. Bei fristgerechter Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wird die Jahressonderzahlung anteilig sofort fällig.
26(2) Die Jahressonderzahlung ist nicht zu zahlen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem/der Beschäftigten aus einem wichtigen Grund kündigt, den er/sie zu vertreten hat (§ 626 BGB).
27(3) Die Zahlungen gemäß Abs. 1 gelten als Einmalzahlungen im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.“
28Die am 11. September 2013 vereinbarten Übergangsbestimmungen zum Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen (ÜTV 2013) sehen auszugsweise vor:
29„(5) Übergangsbestimmung Arbeitszeit
30Für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Manteltarifvertrages eine Arbeitszeit von 160 Stunden oder mehr Stunden monatliche vereinbart haben, bleiben diese als Besitzstand bestehen.
31(6) Übergangsbestimmung Urlaub
32Für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Manteltarifvertrages einen höheren Urlaubsanspruch vereinbart haben, bleibt dieser als Besitzstand bestehen.
33(7) Übergangsbestimmung zu §§ 18 und 22
34Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass bei der Berechnung der Jahressonderzahlung und des Urlaubsentgelts die durchschnittlich in den letzten 12 Monaten zur Auszahlung gebrachte Zulage für Personal- und Warenkontrolle gemäß EU-Verordnung 185/2010 oder einer dieser nachfolgenden EU-Verordnungen (PWK-Zulage) berücksichtigt wird.
35(8) Besitzstandsregelung Jahressonderzahlung/Prämie
36Für Beschäftigte, die bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit dieses Manteltarifvertrages Anspruch auf eine höhere Jahressonderzahlung / Prämienleistung erhalten haben, verbleibt es bei diesem Anspruch in Höhe des Betrages, der die Beträge aus diesem Manteltarifvertrag übersteigt.“
37Die Beklagte zahlte der Klägerin für 2014 eine Sonderzahlung (in zwei Teilbeträgen) iHv 528,81 EUR und für 2015 iHv 551,81 EUR. Die Klägerin verlangt zuletzt für 2014 eine Nachzahlung iHv 215,02 EUR und für 2015 iHv 249,35 EUR.
38Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dem Wortlaut des § 8 ÜTV sei eindeutig zu entnehmen, dass sich die Vorschrift nicht nur auf vertragliche, sondern auch auf tarifvertragliche Ansprüche beziehe. Daraus folge, dass ein Günstigkeitsvergleich zu erfolgen habe. Es komme jeweils die tarifliche Regelung zur Sonderzahlung zur Anwendung, die für sie einen höheren Anspruch begründe. Für den anzustellenden Vergleich sei nicht maßgeblich, in welcher Höhe 2013 eine Jahressonderzahlung nach dem ERTV 2005 angefallen sei. Vielmehr sei für das jeweilige Jahr zu ermitteln, welchen Anspruch sie nach dem ERTV 2005 gehabt hätte.
39Die Klägerin hat beantragt,
401. die Beklagte zu verurteilen, an sie
41a) 202,29 € brutto zu zahlen,
42b) 138,62 € brutto zu zahlen,
43c) 187,88 € brutto zu zahlen;
442. hilfsweise
45a) die Beklagte zu verurteilen, an sie 281,68 € brutto zu zahlen,
46b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Jahressonderzahlung in Höhe von 25 % des für den Monat November maßgeblichen Monatsbruttoentgelts mit der Abrechnung für den Monat November zu zahlen;
473. höchst hilfsweise
48festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Jahressonderzahlung in Höhe von 25 % des für den Monat November maßgeblichen Monatsbruttoentgelts in der Weise zu zahlen, dass die Hälfte des sich ergebenden Betrages mit der Abrechnung für den Monat November und eine weitere Hälfte des sich ergebenden Betrages mit der Abrechnung für den Monat Mai zu zahlen ist.
49Die Beklagte hat beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Sie hat die Ansicht vertreten, aus dem für Tarifverträge geltenden Ablösungsgrundsatz, den die Tarifvertragsparteien in § 2 Abs. 4 MTV 2013 niedergelegt hätten, folge, dass nur noch die neue Tarifvorschrift zur Anwendung kommen solle. Nichts anderes regele § 8 ÜTV. Diese Vorschrift regele ebenso wie die anderen Übergangsbestimmungen, dass günstigere vertragliche Ansprüche bestehen bleiben sollten. Dies ergebe sich auch aus einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft vom 17. April 2015 (Bl. 37 f. d.A.), der auf Arbeitgeberseite den Tarifvertrag abgeschlossen habe.
52Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Mit ihrer Berufung macht die Klägerin noch Differenzansprüche für 2014 und 2015 geltend.
53Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, ihr stehe die jeweils höhere Sonderzahlung zu. Sie beruft sich ebenso wie die Beklagte auf die weiteren Vorschriften des ÜTV 2013. Diese seien anders formuliert als § 8 ÜTV. In §§ 5 und 6 seien die Worte „vereinbart haben“ aufgenommen worden, während § 8 die Worte „Anspruch...erhalten haben“ enthalte. Damit sei gemeint, welchen Anspruch die Arbeitnehmer erhalten „hätten“.
54Die Klägerin beantragt,
55das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 464,37 € brutto zu zahlen.
56Die Beklagte beantragt,
57die Berufung zurückzuweisen.
58Sie verweist auf den Wortlaut des § 8 ÜTV und den Sinn und Zweck der Vorschriften zur Sonderzahlung. Die Tarifvertragsparteien hätten das Ziel verfolgt, die Berechnung der Sonderzahlung für den Arbeitgeber zu vereinfachen. Träfe die Auslegung der Klägerin zu, ergäbe sich das Gegenteil. Zudem wäre § 22 MTV 2013 weitgehend überflüssig, weil er nur für neu eingestellte Arbeitnehmer gelten würde. Die Klägerin könne nicht erklären, woraus sich ergebe, dass der aus dem ERTV folgende Anspruch jedes Jahr neu zu berechnen sei. Wenn überhaupt, komme es auf die Höhe der Sonderzahlung an, die die Klägerin 2013 erhalten habe. Da die Sonderzahlung 2013 nur 100 EUR betragen habe, sei der neue Tarifvertrag in jedem Fall für sie günstiger.
59Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
60E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
61I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
62II. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage unbegründet ist. Der Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzahlung richtet sich ausschließlich nach § 611 Abs. 1 BGB iVm § 22 MTV 2013. Die sich für 2014 und 2015 ergebenden Ansprüche der Klägerin sind durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Weitergehende Ansprüche hat sie nicht, weil § 8 ERTV 2005 keine Anwendung findet. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 8 ÜTV 2013.
631. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 2. November 2016 – 10 AZR 615/15 – AP Nr. 36 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt).
642. Nach diesen Grundsätzen ist § 8 ÜTV 2013 dahingehend auszulegen, dass sich die Besitzstandsregelung nur auf solche Ansprüche bezieht, die sich aus einer unmittelbaren vertraglichen Zusage des Arbeitgebers ergeben.
65Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass der Wortlaut der Vorschrift eher für ihre Auffassung spricht. Denn die Tarifvertragsparteien haben das Wort „Anspruch“ ohne Einschränkung verwandt, so dass ein Verständnis der Regelung dahingehend, dass es auf den Grund des Anspruchs nicht ankommt, zunächst nahe zu liegen erscheint. Allerdings lässt der Wortlaut auch ein enges Verständnis zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung grammatikalisch fehlerhaft formuliert ist. Der Begriff „Anspruch“ kann nach seinem Wortlaut auch so verstanden werden, dass er eine einzelvertragliche Zusage bedeuten soll.
66Ist der Wortlaut danach für beide Auslegungen offen, sprechen die Systematik und der Sinn und Zweck der Vorschrift entscheidend für das von der Beklagten propagierte Verständnis.
67Wie die Beklagte zutreffend geltend gemacht hat, lässt § 22 MTV 2013 den Willen der Tarifvertragsparteien erkennen, eine leicht handhabbare Berechnung der Sonderzahlung zu regeln. Dies haben sie erreicht, indem nicht mehr das Bruttoentgelt für den November maßgeblich ist, sondern das monatliche Regelentgelt. Dies ist konstant und steht im Voraus fest.
68Das Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine leicht zu handhabende Regelung zu schaffen, wäre bei Zugrundelegung des Verständnisses der Klägerin in sein Gegenteil verkehrt. Nur das hier angenommene Auslegungsergebnis führt zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Dies folgt aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Tarifverträge in Bezug auf die Sonderzahlungen. Der ERTV 2005 sieht eine einmalige Zahlung am Ende des Jahres vor, der MTV 2013 dagegen eine je hälftige Auszahlung im Mai und November. Das maßgebliche Entgelt bestimmt sich nach unterschiedlichen Kriterien. Eine Kürzung wegen Fehltagen regelt nur der ERTV 2005. Nach dem Verständnis der Klägerin müsste die Beklagte der Klägerin gleichwohl im Mai des laufenden Jahres die Hälfte der Sonderzahlung nach dem MTV 2013 auszahlen, obwohl sie noch gar nicht wüsste, ob sie am Ende des Jahres die Sonderzahlung nach dem ERTV 2005 schuldet.
69Systematisch ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwei andere Überleitungsvorschriften eindeutige Regelungen enthalten. §§ 5 und 6 ÜTV 2013 sehen ausdrücklich vor, dass es auf die Vereinbarungen der Beschäftigten ankommt. Mit den dort angesprochenen Vereinbarungen sind ersichtlich einzelvertragliche Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeint. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien für die Arbeitszeit und den Urlaub anderes Übergangsbestimmungen vereinbaren wollten als für die Jahressonderzahlung. Für eine derartige Differenzierung sind keine sachlichen Gründe erkennbar. Für sie finden sich in dem Tarifvertrag keine Hinweise. Dieser systematischen Auslegung steht der unterschiedliche Wortlaut der Vorschriften, der sich nicht nur aus dem jeweiligen Text (“vereinbart haben“ gegenüber „Anspruch ... erhalten haben“), sondern auch aus den Überschriften („Übergangsbestimmung“ gegenüber „Besitzstandsregelung“) ergibt, nicht entgegen. Hinzuweisen ist erneut auf die Wortlautauslegung. Danach ist eine Auslegung dahingehend möglich, dass mit Anspruch „Zusage“ gemeint ist. Die Tarifvertragsparteien haben sich offensichtlich von der Vorstellung leiten lassen, dass Arbeitsvertragsparteien Vereinbarungen zur Arbeitszeit und zum Urlaub treffen (können), während der Arbeitgeber Jahressonderzahlungen einseitig zusagt.
70Zusätzlich ist auf § 2 Abs. 4 MTV 2013 zu verweisen. In dieser Vorschrift haben die Tarifvertragsparteien ihren umfassenden Regelungswillen ausdrücklich hervorgehoben, indem sie sich auf die Formulierung verständigt haben, dass dieser Tarifvertrag eine abschließende Regelung darstellt. Dies haben sie im nächsten Satz nochmals bekräftigt, indem sie die Anwendung anderer Tarifverträge ausgeschlossen haben. Zwar haben sie diese Regelung mit einem Vorbehalt versehen („soweit im Folgenden in diesem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist“). Dieser Vorbehalt kommt jedoch nicht zum Tragen, weil in diesem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist. Die Übergangsbestimmung, auf die sich der Kläger beruft, ist Bestandteil eines anderen Tarifvertrages (des ÜTV 2013), der später abgeschlossen worden ist.
71Die Kammer hat schließlich berücksichtigt, dass der ÜTV 2013 keine Regelung zu der weiteren Streitfrage der Parteien enthält. Er lässt nicht erkennen, ob für die Durchführung des Vergleichs auf die Höhe der Sonderzahlung abzustellen ist, die die Klägerin 2013 nach den Bestimmungen des ERTV 2005 erhalten hat, oder ob es auf den Betrag ankommt, den die Klägerin im jeweiligen Jahr erhalten hätte. Der Umstand, dass der Tarifvertrag keine Regelung hierzu enthält, lässt darauf schließen, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, sie müssten keine Regelung treffen, weil sie die Anwendbarkeit des alten Tarifvertrages gänzlich ausgeschlossen haben.
723. Auf die Frage, ob ein Teil der Ansprüche, die die Klägerin geltend gemacht hat, kommt es nicht an.
73III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
74IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere war keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu klären (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Eine Rechtsfrage hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht allein deshalb grundsätzliche Bedeutung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil von ihr mehr als 20 Arbeitsverhältnisse bei einem Arbeitgeber betroffen sein können (vgl. BAG 10. Juli 2014 – 10 AZN 307/14 – BAGE 148, 337; 28. Juni 2011 – 3 AZN 146/11 – BAGE 138, 180). Erforderlich ist vielmehr, dass zu klärende Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl bereits anhängiger oder konkret zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ist (vgl. BAG 28. Juni 2011 – 3 AZN 146/11 – BAGE 138, 180). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.