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Ziffer 6 ÜTV 2013 ist dahingehend auszulegen, dass der Besitzstand sich nur auf Urlaubsansprüche bezieht, die sich aus einer individual vorsorglichen Vereinbarung ergeben.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil desArbeitsgerichts Köln vom 21.06.2017– 7 Ca 1111/17 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt dieKlägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über den Umfang des der Klägerin zustehenden Urlaubs.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 10.04.2006 als Sicherungskraft am Flughafen beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied in der Tarifgemeinschaft Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (im Folgenden: BDSW).
4Gemäß § 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis „die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, soweit im Folgenden nichts anderes vereinbart ist.“ § 9 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass sich die Höhe des Urlaubsanspruchs „nach den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen“ richtet.
5Die Beklagte gewährte der Klägerin bis zum Jahr 2013 einschließlich Urlaub nach Maßgabe des vom BDSW abgeschlossenen „Entgeltrahmentarifvertrages für Sicherheit an Verkehrsflughäfen vom 01.09.2005“ (im Folgenden: ERTV 2005). Nach § 5 Abs. 3 ERTV steht Arbeitnehmern ab dem 5. Jahr der Betriebszugehörigkeit ein Urlaubsanspruch von 42 Arbeitstagen zu.
6Seit 2014 wendet die Beklagte den ebenfalls vom BDSW abgeschlossenen „Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 04.09.2013“ (im Folgenden: MTV Aviation) auf das Arbeitsverhältnis an. Der MTV Aviation enthält zum Urlaub nachfolgende Regelung:
7„§ 17 Urlaub
8(1) (…)
9(2) Der Erholungsurlaub des/der Beschäftigten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt je Kalenderjahr
10bei einer Betriebszugehörigkeit von 0 – 2 Jahren 26 Arbeitstage,
11mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit von 3 – 4 Jahren 28 Arbeitstage und
12mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit ab 5 Jahren 30 Arbeitstage.
13(…)“
14Die Tarifvertragsparteien haben darüber hinaus Übergangsbestimmungen zum MTV Aviation getroffen (im Folgenden ÜTV 2013). In Ziffer 6 ÜTV 2013 ist zum Urlaub geregelt
15„(6) Übergangsbestimmung Urlaub
16Für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Manteltarifvertrages einen höheren Urlaubsanspruch vereinbart haben, bleibt dieser als Besitzstand bestehen.“
17In den Jahren 2014 und 2015 gewährte die Beklagte der Klägerin 42 Urlaubstage; im Jahr 2016 31 Urlaubstage.
18Mit ihrer seit dem 15.02.2017 anhängigen Klage hat die Klägerin zunächst die Gewährung weiterer 11 Arbeitstage Urlaub für das Urlaubsjahr 2016 verlangt. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 17.03.2017 hat sie ihren Antrag in der Weise formuliert, dass ihr ab dem Urlaubsjahr 2016 42 bezahlte Tage Urlaub ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren seien.
19Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass § 17 Abs. 2 MTV 2013 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde. Dies folge aus Ziffer 6 ÜTV 2013, nach der ein vereinbarter höherer Urlaubsanspruch als Besitzstand bestehen bleibe. Eine solche Vereinbarung sei zwischen ihr und der Beklagten bei Abschluss des Arbeitsvertrages auf Grundlage des seinerzeit in § 5 Abs. 3 ERTV 2005 geregelten Urlaubsanspruchs von 42 Urlaubstagen getroffen worden.
20Unabhängig davon, so hat die Klägerin gemeint, folge der geltend gemachte Anspruch aus einer entsprechenden betrieblichen Übung, nachdem die Beklagte in den Jahren 2014 und 2015 weiterhin 42 Urlaubstage gewährt habe.
21Das Arbeitsgericht hat am 17.03.2017 ein Versäumnisurteil erlassen, durch das die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin ab dem Urlaubsjahr 2016 42 bezahlte Tage Urlaub ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren. Nachdem die Beklagte gegen das Versäumnisurteil rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, hat die Klägerin zuletzt beantragt,
22das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 17.03.2017 aufrecht zu erhalten.
23Die Beklagte hat beantragt,
24das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 17.03.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Versäumnisurteil vom 17.03.2017 bereits deshalb aufzuheben sei, weil der am 17.03.2017 gestellte Antrag eine Klageänderung dargestellt habe, zu der ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden sei.
26In der Sache hat die Beklage gemeint, dass sich der Urlaubsanspruch der Klägerin ausschließlich nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation bestimme, denn der MTV Aviation habe den ERTV 2005 wirksam abgelöst. Eine Vereinbarung mit der Klägerin über eine höhere Urlaubsdauer liege nicht vor. Denn eine Vereinbarung im Sinne der Ziffer 6 ÜTV 2013 könne nur eine individualvertragliche Vereinbarung einer festen Urlaubsdauer, nicht jedoch eine, die sich aufgrund der dynamischen Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des MTV Aviation ergebe.
27Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.06.2017 das Versäumnisurteil vom 17.03.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das Arbeitsgericht die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in seiner zu Ziffer 5 ÜTV 2013 ergangenen Entscheidung vom 28.01.2015 (12 Sa 871/14) zu Eigen gemacht. In der genannten Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nach Auslegung der in Ziffer 5 ÜTV 2013 geregelten Übergangsbestimmung zur Arbeitszeit festgestellt, dass der dort verwendete Begriff „vereinbart“ nur eine individualvertragliche Vereinbarung meine. Diese Auslegung hat das Arbeitsgericht die Formulierung der vorliegend streitigen Ziffer 6 ÜTV 2013, die ebenfalls den Begriff „vereinbart“ enthält, für übertragbar gehalten. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheitere – so das Arbeitsgericht am bestehenden tariflichen Schriftformerfordernis.
28Gegen das ihr am 07.08.2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 07.09.2017 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 09.10.2017 begründet.
29Die Klägerin meint, Ziffer 6 ÜTV 2013 sei einer Auslegung schon nicht zugänglich, weil der Wortlaut der Regelung eindeutig sei. Die nach dem Wortlaut lediglich erforderliche Vereinbarung eines höheren Urlaubsanspruches liege in ihrem Fall auch vor, da mit ihr zum Zeitpunkt des Abschlusses des MTV Aviation arbeitsvertraglich ein Urlaubsanspruch von 42 Tagen pro Jahr vereinbart gewesen sei. Hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in Ziffer 6 ÜTV 2013 tatsächlich nur die individualvertragliche Vereinbarung im Blick gehabt, so hätten sie dies auch zum Ausdruck gebracht und die Formulierung „individualvertraglich vereinbart“ gewählt, zumal der Vorrang weitergehender individualvertraglicher Regelungen bereits aus dem Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 TVG folge. Dass der MTV Aviation bei diesem Verständnis im Bereich der Urlaubsregelung faktisch nur für Neueinstellungen ab dem 01.01.2014 zur Geltung gelange, stehe dem nicht entgegen.
30Die Klägerin beantragt,
31das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln zum Aktenzeichen 7 Ca 1111/17 vom 17.03.2017 aufrechtzuerhalten.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
34Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie weist weiter darauf hin, dass es in Tarifverträgen üblich sei, deklaratorisch die geltende Rechtslage wiederzugeben.
35Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die zulässige Berufung ist unbegründet.
38A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 2, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 519 Abs. 1 und Abs. 3, 520 ZPO.
39B. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils zur Recht abgewiesen.
40I. Die Klage ist zulässig.
41Soweit die Klägerin ihren mit der Klageschrift angekündigten Antrag im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 17.03.2017 erweitert und damit gemäß § 263 ZPO geändert hat, ist dieser geänderte Antrag der Beklagten jedenfalls mit dem Versäumnisurteil vom 17.03.2017 zugestellt und rechtliches Gehör gewährt worden. Zu diesem Antrag hat die Beklagte im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 21.06.2017 sodann jedenfalls rügelos verhandelt, § 267 ZPO, sodass die erfolgte Klageänderung zulässig ist.
42II. Die Klage ist unbegründet.
43Der Urlaubsanspruch der Klägerin richtet sich gemäß Ziffer 9 des Arbeitsvertrages nach den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen. Diese sind im Jahr 2016 die Regelungen des MTV Aviation, der den ERTV 2005 abgelöst hat. Der gemäß § 17 Abs. 2 MTV Aviation bestehende Urlaubsanspruch für das Jahr 2016 ist durch die Gewährung von 31 Urlaubstagen – dies ist zwischen den Parteien nicht streitig geworden – vollständig erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.
44Weitergehende Ansprüche für das Jahr 2016 und die nachfolgenden Jahre stehen der Klägerin weder aus Ziffer 6 ÜTV 2013 noch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung zu.
451. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von 42 Urlaubstagen pro Jahr aus Ziffer 6 ÜTV 2013. Dies folgt aus der Auslegung der genannten Vorschrift.
46a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die normativen Regelungen eines Tarifvertrages wie Gesetze auszulegen. Es ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihren systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil diese Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung einer Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Darüber hinaus ist auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen und im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 615/15 –, Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 11.11.2015 – 10 AZR 719/14 –, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 28.08.2013 – 10 AZR 701^/12 –, Rn. 13, juris).
47b. In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich im vorliegenden Fall, dass „vereinbart“ im Sinne von Ziffer 6 ÜTV 2013 nur eine individualvertragliche Vereinbarung meint und nicht eine Urlaubsregelung, die sich aufgrund der dynamischen Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen des MTV aus der Zeit vor seinem Inkrafttreten, also aus dem ERTV 2005 ergibt.
48Anders als die Klägerin meint, ist der Wortlauft von Ziffer 6 ÜTV 2013 nicht eindeutig. Denn der Begriff „vereinbart“ kann sowohl eine konkrete individualvertragliche Vereinbarung meinen, als auch die Möglichkeit, das der Inhalt der Vereinbarung sich aus einer dynamischen Bezugnahmeklausel ergibt.
49Bei offenem Wortlaut ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck von Ziffer 6 ÜTV 2013 als Übergangsregelung, dass nur eine individualvertragliche Vereinbarung gemeint ist (so auch LAG Köln, Urteil vom 20.12.2017 – 5 Sa 214/17 –, Rn. 67, juris).
50Übergangsregelungen sollen das Inkrafttreten eines neuen Tarifvertrages flankieren. Dies erfolgt in aller Regel in der Weise, dass der neue Tarifvertrag zur Geltung gebracht wird und nur für Ausnahmefälle ein Besitzstand in Form der Regelungen des alten Tarifvertrages erhalten bleibt.
51In diesem Sinne wollten auch die Tarifvertragsparteien des MTV Aviation eine abschließende Neuregelung der manteltariflichen Fragen treffen und damit auch den ERTV 2005 ablösen. Dies ergibt sich zunächst aus § 2 Abs. 4 MTV Aviation. Dort haben die Tarifvertragsparteien ihren umfassenden Regelungswillen hervorgehoben, dass sie durch den MTV Aviation die bisherigen tariflichen Regelungen auf Bundes- und Länderebene und in Haustarifverträgen ablösen wollen. Darüber hinaus legt Ziffer 1 ÜTV 2013 einen Übergangszeitraum fest, nach dessen Ablauf am 30.04.2014 der neue MTV Aviation auch zwingend anzuwenden ist.
52Dieses Ziel der umfassenden Neuregelung würde jedoch nicht erreicht, wenn für alle bereits Beschäftigten der bislang durch Bezugnahme auf den ERTV 2005 geregelte Urlaubsanspruch über Ziffer 6 der ÜTV 2013 festgeschrieben würde. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zutreffend für die – im Wortlaut entsprechend gestaltete – Regelung über die Arbeitszeit in Ziffer 5 ÜTV 2013 festgehalten (LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2015 – 12 Sa 71/14 –, Rn. 91, juris), indem es darauf hingewiesen hat, dass der MTV Aviation faktisch dann nur für Neueinstellungen gelten würde. Dieser Aspekt ist, anders als die Klägerin meint, nicht bedeutungslos, sondern widerspricht dem Sinn und Zweck von Übergangsregelungen.
53Hätten die Tarifvertragsparteien tatsächlich eine umfassende Neuregelung nur für Neueinstellungen gewollt, so hätten sie nicht das Instrument der Übergangsregelungen des ÜTV 2013 gewählt. Denn dies hätte dem Bestreben von Tarifvertragsparteien, eine leicht zu handhabende Regelung zu schaffen, deutlich widersprochen. Sollen tarifvertragliche Neuregelungen nur für Neueinstellungen ab einem bestimmten Zeitpunkt gelten, so kann dies durch Festsetzung eines Stichtags an zentraler Stelle praktikabel geregelt werden und muss nicht in Einzelregelungen „versteckt“ werden.
54Dass ein individualvertraglich vereinbarter höherer Urlaubsanspruch als günstigere Regelung gemäß § 4 Abs. 3 TVG der tariflichen Regelung ohnehin vorgeht, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist durchaus typisch, dass Tarifverträge deklaratorische Regelungen enthalten, um den Gesamtzusammenhang eines Verhandlungsergebnisses für beide Seiten zu verdeutlichen.
55Die von der Klägerin gewünschte Auslegung würde im Übrigen auch gar nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis führen. Denn wenn das Wort „vereinbart“ tatsächlich die dynamische Bezugnahmeklausel meinte, so würde dadurch nur immer nur auf den jeweils geltenden Tarifvertrag verwiesen. Denn nach der dynamischen Bezugnahmeklausel gilt für das Arbeitsverhältnis der einschlägige Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. Die dynamische Bezugnahme würde at absurdum geführt, wenn über eine Besitzstandsklausel im Tarifvertrag die inhaltlichen Regelungen früheren und durch die Neuregelung abgelösten Tarifvertrages in statischer Weise eingefroren würden.
562. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 611 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der betrieblichen Übung.
57Grundsätzlich können Ansprüche gegen Arbeitgeber auch durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers begründet werden, wenn die Arbeitnehmer aus diesen Verhaltensweisen schließen können, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (betriebliche Übung). Dabei kann eine betriebliche Übung auch hinsichtlich einer übertariflichen Leistung entstehen. Es muss dann dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Arbeitnehmers der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Hierzu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass des Verhalten des Arbeitgebers aus seiner Sicht ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Leistungen erbringen ohne hierzu bereits aus anderen Gründen – etwa aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung – verpflichtet zu sein (BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 –, Rn. 82, juris; BAG, Urteil vom 23.08.2011 – 3 AZR 650/09 -, Rn. 58, juris; BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 –, Rn. 20, juris). Es ist dann Sache des Arbeitgebers, einem solchen Vortrag entgegen zu treten.
58An entsprechenden Darlegungen der Klägerin fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, in den Jahren 2014 und 2015 jeweils 42 Urlaubstage erhalten zu haben. Der Hinweis auf die erlangte Leistung allein ist indes nicht ausreichend. Denn die Leistungsgewährung ist für sich genommen neutral. Die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sie davon ausgehen musste, dass die Beklagte ihr bei der Urlaubsgewährung in den Jahren von 2014 und 2015 übertarifliche Leistungen zuwenden wollte, ohne hierzu aus anderen Gründen – sei es aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung – verpflichtet zu sein.
59C. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO waren der Klägerin die Kosten für das erfolglose Rechtsmittel aufzuerlegen.
60D. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere war keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, die über den Einzelfall hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl anhängiger oder konkret zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ist. Hierzu war im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
61R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
62Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
63Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.