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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks A in B. Dieses Grundstück hatte sie mit notariellem Kaufvertrag vom 18.4.2008 (mit Wirkung zum 1.9.2008) für einen Kaufpreis von 1.780.000 € angeschafft. Das Objekt verfügte über eine Grundfläche von ca. 512 m² und eine wohnwertabhängige Wohnfläche von ca. 458 m², die sich auf vier - allesamt vermietete - Wohnungen verteilte. Einschließlich der Nebenkosten beliefen sich die Gesamtanschaffungskosten für das Grundstück auf 1.855.707,70 €. In den Jahren 2008 und 2009 führten die Kläger Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an dem Gebäude durch. Die insoweit erklärten Aufwendungen beliefen sich auf 116.277 € (2008) und 138.589 € (2009).
3In Zusammenhang mit der Einkommensteuererklärung für 2008 errechneten die Kläger für das Grundstück A einen Anteil des Grund und Bodens an den Gesamtanschaffungskosten in Höhe von 18,9525% (= 351.703 €) und einen Gebäudeanteil von 81.0475% (= 1.504.005 €). Die für die Instandsetzung, Modernisierung und Erhaltung in 2008 und 2009 angefallenen Aufwendungen machten die Kläger in voller Höhe in den Einkommensteuererklärungen für 2008 und 2009 als Werbungskosten geltend. Das FA folgte diesen Erklärungen und veranlagte die Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung.
4In der Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte die Klägerin aus dem betreffenden Objekt einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 203.852 €. U.a. machte sie bei den Werbungskosten eine AfA in Höhe von 38.192 € geltend.
5Im Rahmen der Veranlagung für 2010 schaltete das FA den Bausachverständigen (künftig BSV) ein, um eine Berechnung der Aufteilung der Anschaffungskosten für das Grundstück vorzunehmen. Der BSV ermittelte einen Gebäudeanteil an den Gesamtanschaffungskosten von 58%. Ausgehend hiervon errechnete die Sachbearbeiterin im Veranlagungsbezirk eine Gebäude-AfA von 26.907 €. Im Einkommensteuererstbescheid für 2010 vom 1.6.2012 legte sie daher für das betreffende Objekt lediglich einen Werbungskostenüberschuss von 193.158 € zugrunde.
6Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass das vom FA angewendete Sachwertverfahren zu völlig unzutreffenden Ergebnissen führe. Die Aufteilung könne allein anhand der im Ertragswertverfahren ermittelten Verkehrswerte erfolgen.
7Am 31.8.2012 und am 1.3.2013 erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide in hier nicht relevanten Streitpunkten.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 10.4.2013 setzte das FA die Einkommensteuer auf 18.704 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zugleich hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Zur Begründung verwies das FA darauf, dass die Auffassung der Kläger, dass das Ertragswertverfahren anzuwenden sei, unzutreffend sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Mietwohngrundstücken im Privatvermögen sei grds. eine Kaufpreisaufteilung im Sachwertverfahren angebracht (Hinweis auf BFH-Urteil vom 29.5.2008 IX R 36/06). Im Übrigen hätten die Kläger auch nicht dargelegt, wie sie den von Ihnen angegebenen Gebäudewertanteil von 81,0475% der Gesamtanschaffungskosten ermittelt hätten. Der vorgelegten Berechnung lasse sich schon nicht entnehmen, dass sie überhaupt das Ertragswertverfahren angewendet hätten. Vielmehr lasse die Berechnung die Schlussfolgerung zu, dass die Kläger auf die - nach der BFH-Rechtsprechung unzulässige - Restwertmethode zurückgegriffen hätten. Die in 2008 und 2009 angefallenen Aufwendungen seien in diesen Veranlagungszeiträumen nicht als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen abziehbar, sondern stellten Herstellungskosten des Gebäudes dar. Es handele sich um anschaffungsnahe Herstellungskosten, da die 15%-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstab. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) überschritten sei. Dies ergebe sich aus folgender Berechnung:
9Gesamtanschaffungskosten A |
1.855.707,70 |
Gebäudeanteil |
1.076.310,40 |
Davon 15% |
161.446,56 |
Modernisierungsauf. 2008/2009 ohne USt |
206.515,94 |
Nicht einbezogen in die Ermittlung der 15%-Grenze habe das FA die in 2008 und 2009 angefallenen Reparaturkosten von 2.609 €. Hierbei handle es sich um jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstab. a EStG. Danach ermittle sich die AfA-Bemessungsgrundlage im Streitfall wie folgt:
11Gesamtanschaffungskosten A |
1.855.707,70 |
Gebäudeanteil |
1.076.310,40 |
Zzgl. nachträgliche AK/HK inkl. USt |
245.753,98 |
Gesamt AK/HK des Gebäudes |
1.322.064,30 |
Lineare AfA, Satz 2,5% |
33.051,61 |
Werbungskostenüberschuss (gerundet) |
198.712,00 |
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Kläger halten an ihrer Auffassung fest, dass eine Aufteilung der Gesamtanschaffungskosten nicht anhand des Sachwertverfahrens, sondern anhand des Ertragswertverfahrens durchzuführen sei. Dieses komme insbesondere bei bebauten Grundstücken in Betracht, bei denen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt im Vordergrund stehe, also bei typischen Renditeobjekten. Auch die Kläger hätten das Grundstück als reines Renditeobjekt erworben und dem Privatvermögen zugeordnet.
13Im Rahmen des Klageverfahrens haben die Kläger mit Schriftsatz vom 20.2.2014 ein von … erstelltes Verkehrswertgutachten eingereicht und beantragt, den in diesem Gutachten ermittelten Gebäudewertanteil von 78,15% zugrunde zu legen oder alternativ den in der Steuererklärung ermittelten Gebäudewertanteil von ca. 81,05% beizubehalten. Der Gutachter ist unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu einem Verkehrswert des Grundstücks von 1.650.000 € gekommen.
14Der Senat hat am 10.3.2015 beschlossen, dass Beweis zu den Verkehrswerten des Gebäudes und des Grund und Bodens des fraglichen Objekts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben ist. Auf das von der beauftragten Gutachterin Dipl.-Ing. … erstellte Gutachten vom 28.10.2015 wird wegen seines Inhalts Bezug genommen.
15Zum dem vom Gericht eingeholten Gutachten haben die Kläger wie folgt Stellung genommen: Die Gutachterin habe auf Seite 36 ihres Gutachtens zweifelsfrei klargestellt, dass im Sachwertverfahren vorrangig solche Grundstücke zu bewerten seien, die üblicherweise nicht zur Erzielung von Renditen, sondern zur renditeunabhängigen Eigennutzung verwendet würden. Dies gelte für die hier zu bewertende Grundstücksart nicht, da es sich um kein typisches Sachwertobjekt handele. Auf Seite 37 des Gutachtens führe die Gutachterin zum Ertragswertverfahren aus, dass dieses dann, wenn die Rendite üblicherweise im Vordergrund stehe, als vorrangig anzuwendendes Verfahren angesehen werde. Dies treffe für das zu bewertende Grundstück zu, da es als Renditeobjekt angesehen werden könne. Somit sei auch nach dem Gutachten das Ertragswertverfahren das für den Streitfall anzuwendende Verfahren.
16Die Kläger beantragen,
17den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 1.3.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.4.2013 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine AfA von 38.192 € (davon Gebäude-AfA 37.601 €) berücksichtigt wird.
18Das FA beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20In der Sache sei aus Sicht des FA nicht erkennbar, warum die Anwendung des Sachwertverfahrens zu unzutreffenden Werten führen solle. Das Sachwertverfahren sei ein anerkanntes und auch vom BFH zugrunde gelegtes Verfahren für die Ermittlung der Verkehrswerte von Mietwohngrundstücken im Privatvermögen. Dies werde auch durch das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt. Die Gutachterin habe zudem klargestellt, dass der im Sachwertverfahren zur Anwendung kommende Anpassungsfaktor zu keinem unangemessenen Ergebnis führe. Nach dem Gutachten betrage der im Sachwertverfahren ermittelte Gebäudeanteil 53% und sei damit niedriger als der vom BSV ermittelte Anteil von 58%. Die Klage sei daher abzuweisen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die zulässige Klage ist unbegründet.
23Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 1.3.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.4.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Aufteilung der Gesamtanschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude ist anhand der im von der Gutachterin im Sachwertverfahren ermittelten (nicht marktangepassten) Verkehrswerte vorzunehmen. Im Ergebnis ist daher jedenfalls keine höhere AfA als vom FA angesetzt zu berücksichtigen.
24I. Ist - wie im Streitfall - für ein bebautes Grundstück ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. In einem ersten Schritt sind die Verkehrswerte für den Grund und Boden und das Gebäude gesondert zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sind sodann die Gesamtanschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Verkehrswerte aufzuteilen.
25Nach der Rechtsprechung des BFH kann dabei der Verkehrswert bei Mietwohngrundstücken grds. sowohl durch das Sachwert- wie auch das Ertragswertverfahren ermittelt werden (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 29.5.2008 IX R 36/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2008, 1668 m.w.N.). Bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen soll allerdings grundsätzlich eine Kaufpreisaufteilung anhand der im Sachwertverfahren festgestellten Verkehrswerte angebracht sein. Denn bei diesen Grundstücken sei regelmäßig davon auszugehen, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend sei (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23.6.2005 IX B 132/04, BFH/NV 2005, 1798; 29.5.2008 IX R 36/06, BFH/NV 2008, 1668 m.w.N.; BFH-Urteil vom 11.2.2003 IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769). Allerdings bleibe es dem Steuerpflichtigen auch bei einer Ermittlung der Verkehrswerte im Sachwertverfahren unbenommen, durch ein im Ertragswertverfahren erstelltes Gutachten darzulegen, dass die Kaufpreisaufteilung im Sachwertverfahren wesentlich von der im Ertragswertverfahren abweiche. In diesem Fall obliegt es dem Finanzgericht, die Angemessenheit der im Sachwertverfahren ermittelten Werte zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.5.2008 IX R 36/06, BFH/NV 2008, 1668 m.w.N.).
26II. Nach Maßgabe dieser Grundsätze teilt der Senat im vorliegenden Fall die Auffassung des FA, dass für die Ermittlung der Verkehrswerte das Sachwertverfahren anzuwenden ist. Wie der BFH in seinem Beschluss vom 29.5.2008 IX R 36/06 (BFH/NV 2008, 1668) zutreffend ausgeführt hat, ist das Sachwertverfahren, wenn es nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt, als vorrangiges Bewertungsverfahren anzusehen. Im Streitfall besteht aus Sicht des Senats kein Grund dafür, von diesem Vorrangverhältnis abzuweichen.
27Eine Abweichung von einer Ermittlung der Verkehrswerte im Sachwertverfahren ist aus Sicht des Senats nicht schon deshalb geboten, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag ihre Kaufentscheidung ausschließlich unter Renditegesichtspunkten getroffen und sich dabei auf Ertragswerte gestützt haben. Hierdurch wird das Argument des BFH, dass i.d.R. für den Erwerb eines Mietwohngrundstücks neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend ist, nicht widerlegt.
28Im Streitfall ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des Sachwertverfahrens zu einem unangemessenen Ergebnis führt. Zwar haben die Kläger mit Recht darauf hingewiesen, dass in ihrem Fall bei der Anwendung des Sachwertverfahrens ein außergewöhnlich hoher Marktanpassungsfaktor angewendet werden muss, um zum endgültigen Sachwert zu gelangen. Insoweit hat die Gutachterin in ihrem Anschreiben zum Gutachten aber ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass auch der Ansatz eines derart hohen Marktanpassungsfaktors zu keinem unangemessenen Ergebnis führt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Der Senat sieht diesen Umstand - in Übereinstimmung mit der Gutachterin … – als systemimmanent an. Wie die Gutachterin auf Seite 5 ihres Begleitschreibens zum Gutachten vom 28.10.2015 überzeugend dargelegt hat, wird im Ertragswertverfahren die Marktanpassung ausschließlich auf den Gebäudewertanteil verschoben. Im Sachwertverfahren wird dagegen sowohl beim Grund und Boden als auch beim Gebäude berücksichtigt, dass ein Marktteilnehmer bereit ist, für ein bebautes Grundstück in einer – wie im Streitfall – exponierten Lage deutlich höhere Kaufpreisanteile für den Grund und Boden und das Gebäude zu bezahlen. Der hohe Marktanpassungsfaktor wird deshalb erforderlich, weil in einem solchen Fall der Verkehrswert des Grundstücks über dem Substanzwert des Gebäudes, der Außenanlagen und des (fiktiv) unbebauten Grundstücks liegt.
29III. 1. Hinsichtlich der Höhe der Anteile von Grund und Boden und Gebäude an den Gesamtanschaffungskosten folgt der Senat der Auffassung der Gutachterin, dass das Verhältnis der Verkehrswerte anhand der nicht angepassten Sachwerte zu ermitteln ist. Auf die Berechnung auf Seite A 58 des Gutachtens wird Bezug genommen. Gebäudewertanteil und Bodenwertanteil stehen daher in einem Verhältnis von 53% zu 47%.
302. Dem Gebäudeanteil sind - wie vom FA vorgenommen - auch die in 2008 und 2009 entstandenen Modernisierungsaufwendungen zuzurechnen, denn es handelt sich um anschaffungsnahe Herstellungskosten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstab. a EStG. Der Senat nimmt insoweit auf die Berechnung des FA in der Einspruchsentscheidung Bezug.
313. Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgende Berechnung der für 2010 anzusetzenden AfA:
32Gesamt-Anschaffungskosten A |
1.855.707,70 |
Davon Gebäude, Anteil 53% (abger.) |
983.525,00 |
Zzgl. nachträgliche AK/HK inkl. USt |
245.753,98 |
Gesamt AK/HK des Gebäudes (abger.) |
1.229.279,00 |
Lineare AfA, Satz 2,5% |
30.732,00 |
Die vom Senat ermittelte Gebäude-AfA liegt unter dem Betrag von 33.051 €, den das FA ermittelt und im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2010 zugrunde gelegt hat und würde daher zu einem geringeren Werbungskostenüberschuss als vom FA angesetzt führen. Da eine Verböserung im Verfahren vor dem Finanzgericht ausgeschlossen ist, bleibt es daher bei dem vom FA ermittelten Werbungskostenüberschuss.
34IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.