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Die von der Klägerin für die Monate Januar 2008 bis Juni 2010 abgegebenen Steueranmeldungen werden aufgehoben, soweit die Energiesteuer unter Anwendung eines höheren Steuersatzes als 25 € je 1.000 kg Toluol ermittelt worden ist.
Die Klägerin trägt ¼ und der Beklagte trägt ¾ der Kosten des ersten Rechtszugs in dem Verfahren 4 K 1695/10 VE. Im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin stellt unter Einsatz von Toluol im Chloridverfahren Titandioxidpulver her. Die Titandioxidpigmente werden in einem Synthesereaktor in drei Schritten hergestellt. Der erste Schritt ist die Reduktion von Titantetrachlorid (TiCl4) zu TiCl3 in einer Sauerstoffatmosphäre. Der Sauerstoff verbindet sich mit dem Titan, während das Chlor teilweise als Chlorgas und teilweise als Chlorwasserstoff entsteht. Die Einleitung der Titandioxidsynthese erfolgt bei sehr hohen Temperaturen. Titantetrachlorid und Sauerstoff werden vor ihrer Zusammenführung stark erhitzt. Da Sauerstoff mit einer Erdgasflamme nur bis ca. 950° C erhitzt werden kann, der Beginn der chemischen Reaktion jedoch eine Erhitzung des Sauerstoffs auf 1.650° C erfordert, wird das Toluol zur Schließung der „Energielücke" direkt in den 950° C heißen Sauerstoffstrom eingesprüht, wo es verdampft und anschließend verbrennt. In einem zweiten Schritt kondensieren die Titandioxideinzelmoleküle unter Hitzeeinwirkung zu Nanopartikeln, die in einem dritten Schritt durch Kollision miteinander und anschließender Versinterung zu Mikropartikeln heranwachsen. Das gewonnene Titandioxid weist eine instabile Struktur und eine nicht sehr hohe Beständigkeit auf. Deshalb verarbeitet die Klägerin das Titandioxid in einem Trockner und in einem Temperofen weiter. Dabei wird die Oberfläche der Titandioxidgrundkörper durch einen Überzug mit keramischen Mikropartikeln aus Aluminium, Zirkon oder Siliciumoxid oder Mischungen hiervon stabilisiert. Ferner werden Kristallgitterfehler beseitigt. Der Trockner und der Temperofen werden jeweils durch eine Erdgasflamme erhitzt.
3Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 19. Dezember 2006, ihr eine Erlaubnis zu erteilen, Toluol zur Herstellung von Titandioxid im Chloridverfahren steuerfrei verwenden zu dürfen. Das beklagte Hauptzollamt lehnte die Erteilung dieser Erlaubnis mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 ab, weil das Toluol in dem Verfahren verheizt werde. In ihrer Steueranmeldung für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2006 vom 21. Dezember 2007 legte die Klägerin ihrer Berechnung der Abgabenschuld den für gekennzeichnetes Gasöl vorgesehenen Steuersatz zu Grunde. Das beklagte Hauptzollamt setzte die Energiesteuer hiervon abweichend mit Bescheid vom 2. Januar 2008 unter Anwendung des in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) für schwefelarmes Benzin festgelegten Steuersatzes fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin ebenso Einspruch ein, wie gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2007 und ihre Steueranmeldungen für die Monate Januar 2008 bis Juni 2010, in denen sie die Steuer unter Anwendung des in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG vorgesehenen Steuersatzes berechnet hatte.
4Das beklagte Hauptzollamt wies die gegen die Bescheide vom 17. Dezember 2007 und 2. Januar 2008 gerichteten Einsprüche mit Entscheidungen vom 22. April 2010 als unbegründet zurück. Dabei vertrat es die Auffassung, das Toluol stehe nach seiner Dichte und seinem Siedeverhalten Leichtöl der Unterpos. 2710 11 der Kombinierten Nomenklatur (KN) am nächsten. Eine Versteuerung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG scheide aus, weil das von der Klägerin verwendete Toluol nicht gekennzeichnet gewesen sei. Mit Entscheidung vom 8. Juli 2010 wies das beklagte Hauptzollamt auch den gegen die Energiesteueranmeldung für das Kalenderjahr 2007 vom 12. Februar 2008 eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.
5Die Klägerin hat in dem Verfahren 4 K 1695/10 VE Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat das beklagte Hauptzollamt den Steuerbescheid vom 2. Januar 2008 aufgehoben. Die Klägerin hat ihren Klageantrag, das beklagte Hauptzollamt zu verpflichten, ihr eine Erlaubnis zu erteilen, Toluol zur Herstellung von Titandioxid im Chloridverfahren steuerfrei verwenden zu dürfen, nicht mehr aufrecht erhalten. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 15. Dezember 2010 die von der Klägerin für die Monate Januar 2008 bis Juni 2010 abgegebenen Steueranmeldungen aufgehoben, soweit die Energiesteuer unter Anwendung eines höheren Steuersatzes als 25 € je 1.000 kg gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG festgesetzt worden war.
6Auf die hiergegen vom beklagten Hauptzollamt eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) eingeholt. Der EuGH hat mit Urteil vom 3. April 2014 Rs. C-43/13 und C-44/13 entschieden, Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl EU Nr. L 283/51) sei dahin auszulegen, dass in einem ersten Schritt zu bestimmen ist, ob das fragliche Erzeugnis als Heiz- oder als Kraftstoff verwendet werde, bevor in einem zweiten Schritt festzustellen sei, an die Stelle welches der Kraft- oder der Heizstoffe, die in der entsprechenden Tabelle in Anhang I der Richtlinie jeweils aufgeführt seien, das fragliche Erzeugnis bei seiner Verwendung tatsächlich trete oder in Ermangelung eines solchen, welcher dieser Kraft- oder dieser Heizstoffe ihm nach seiner Beschaffenheit und seinem Verwendungszweck am nächsten stehe.
7Der BFH hat daraufhin mit Urteil vom 10. März 2015 (VII R 5/11, BFHE 249, 264) das Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
8Die Klägerin trägt im zweiten Rechtszug vor: Bei der Herstellung des Titandioxids im Chloridverfahren sei die Bildung von Salzsäure unerwünscht, weil diese aufwendig ausgeschleust und entsorgt werden müsse. Darüber hinaus werde dem Reaktionsprozess durch das Entstehen von Salzsäure das Chlor entzogen, das für das Herauslösen des Titan aus dem Erz benötigt werde. Es sei deshalb erforderlich, dass der eingesetzte Heizstoff so wenig Wasserstoff wie möglich enthalte, um die Bildung von Salzsäure so gering wie möglich zu halten. Toluol weise einen Wasserstoffgehalt von 8,80 % Gewichtseinheiten auf. Im Jahr 1990 habe sie geprüft, ob Toluol durch den Einsatz von Heizöl ersetzt werden könne. Die von ihr mit der Prüfung beauftragten Ingenieure seien zu dem Ergebnis gelangt, dass Heizöl zwar eine interessante Alternative zu Toluol sein könne. Ein entscheidendes Problem habe jedoch darin bestanden, dass mehr Salzsäure hergestellt werde und weniger reines Chlor für das Herauslösen aus dem Erz verbleibe. Gleichwohl könne das Toluol als zweitbeste Möglichkeit durch Heizöl ersetzt werden. Wenn man die Ansicht vertrete, dass Toluol wegen der erforderlichen Anpassungen des Produktionsprozesses nicht durch Heizöl ersetzt werden könne, stehe schweres Heizöl nach dem konkreten Verwendungszweck der Vermeidung des Anfallens von Salzsäure dem Toluol am nächsten. Schweres Heizöl habe ausweislich der von ihr übersandten Tabelle (Bl. 31 GA) im Vergleich zu den anderen in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Erzeugnissen den geringsten Wasserstoffgehalt.
9Die Klägerin beantragt,
10die von ihr für die Monate Januar 2008 bis Juni 2010 abgegebenen Steueranmeldungen aufzuheben, soweit mehr als 25 € Energiesteuer je 1.000 kg Toluol festgesetzt worden ist.
11Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt es vor: Die Klägerin habe im ersten Rechtszug nicht vorgetragen, durch welche andere Energieerzeugnis aus der Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL das Toluol habe ersetzt werden können. Temperaturen von 2.000 Grad Celsius könnten auch durch die Verbrennung von Flüssiggas erreicht werden. Es könnten auch Kerosin oder Heizöl in eine Brennerflamme eingespritzt werden, weil zumindest der Heizwert von Kerosin und Gasöl nicht wesentlich von dem Heizwert des Toluols abweiche. Da nach dem Vortrag der Klägerin im ersten Rechtszug andere Hersteller Heizöl statt Toluol einsetzten, zeige das, dass es nicht unbedingt auf den Reinheitsgrad des Erzeugnisses ankomme. Insgesamt gebe es verschiedene in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführte Energieerzeugnisse, die als Ersatzerzeugnisse für das von der Klägerin verwendete Toluol dienen könnten.
14Der Senat hat Beweis durch die Vernehmung des Zeugen Dr. A erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. März 2016 Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die Klage ist - in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang - begründet. Die von der Klägerin für die Monate Januar 2008 bis Juni 2010 abgegebenen Steueranmeldungen sind rechtswidrig und verletzen sie in ihren Rechten, soweit die Energiesteuer unter Anwendung eines höheren Steuersatzes als 25 € je 1.000 kg Toluol ermittelt worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Steuersatz für das von der Klägerin verwendete Toluol ist § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG zu entnehmen.
17Der BFH hat mit seinem Urteil vom 10. März 2015 (VII R 5/11, BFHE 249, 264) bereits entschieden, dass der Steuersatz im Streitfall gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG zu bestimmen ist. Danach steht ferner fest, dass das Toluol als Heizstoff zu versteuern ist.
18Nach dem BFH-Urteil in BFHE 249, 264 ist deshalb zunächst zu prüfen, ob das zur Herstellung des Titandioxidpulvers im Chloridverfahren eingesetzte Toluol durch ein anderes in der Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführtes Energieerzeugnis ersetzt werden kann. Nach dem EuGH-Urteil vom 3. April 2014 Rs. C-43/13 und C-44/13 (Randnr. 35) ist in diesem Zusammenhang darauf abzustellen, ob eines der in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Erzeugnisse als Ersatz hätte verwendet werden können, um zu dem im vorliegenden Fall angestrebten Ergebnis zu gelangen. Ähnlich führt der BFH in seinem Urteil in BFHE 249, 264 aus, dass eine Substitution beispielsweise auf Grund technischer Anforderungen an einen bestimmten Produktionsprozess nicht möglich sein könne.
19Hiervon ausgehend kann der Senat nicht feststellen, dass das von der Klägerin eingesetzte Toluol ohne weiteres durch ein anderes in der Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführtes Energieerzeugnis ersetzt werden kann. Die Klägerin hat vielmehr eingeräumt, dass es für einen Einsatz von Heizöl erforderlicher Änderungen des Produktionsprozesses bedürfe. Darüber hinaus hat die Klägerin vorgetragen, dass ein entscheidendes Problem bei der Verwendung von Heizöl anstatt Toluol darin bestehe, dass dann mehr Salzsäure hergestellt werde und weniger reines Chlor für das Herauslösen aus dem Erz verbleibe. Nichts anderes ergibt sich aus der Aussage des vom Senat vernommenen Zeugen Dr. A. Dieser hat ausgesagt, dass bei einer Verwendung von schwerem Heizöl als Energieerzeugnis noch Prozessumbauten im Betrieb der Klägerin erforderlich gewesen wären. Darüber hinaus hätte die Klägerin bei einer Verwendung von schwerem Heizöl als Energieerzeugnis zusätzliche Analysen durchführen müssen, weil der Wasserstoffgehalt dieses Erzeugnisses eine gewisse Spannbreite aufweise. Durch die Verwendung von Heizöl als Ersatzerzeugnis hätte die Klägerin daher nicht in gleichem Maße zu dem von ihr angestrebten Ergebnis gelangen können.
20Es ist mithin in einem nächsten Schritt zu prüfen, welcher der in der Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Heizstoffe dem Toluol nach seiner Beschaffenheit und seinem konkreten Verwendungszweck am nächsten steht (BFH-Urteil in BFHE 249, 264). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, wobei die Beschaffenheitsmerkmale des Aggregatzustands, des Siedebereichs, des Verhältnisses von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, des Reinheitsgrads, der Viskosität, des Flammpunkts und der Dichte der zu vergleichenden Erzeugnisse zu berücksichtigen und unter Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Verwendungszwecks zu gewichten sind (BFH-Urteil in BFHE 249, 264).
21Unter Zugrundelegung der von der Klägerin übersandten Tabelle (Bl. 31 GA) sind folgende Beschaffenheitsmerkmale von möglichen Ersatzerzeugnissen, die in der Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführt sind, festzustellen:
221. Aggregatzustand: Insoweit weisen Gasöl, schweres Heizöl, Kerosin und Flüssiggas denselben flüssigen Aggregatzustand auf. Allerdings ist schweres Heizöl bei Raumtemperatur „pastös“.
2. Der Siedepunkt von Toluol liegt bei 111° Celsius. Einen vergleichbaren Siedepunkt weisen die anderen in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Erzeugnisse nicht auf. Kerosin weist indes einen Siedebereich von 150° bis 300° Celsius auf.
3. Die Dichte von Toluol beträgt 0,867 kg je Liter. Eine vergleichbare Dichte weist Gasöl (0,82 bis 0,86 kg je Liter) auf.
4. Der Reinheitsgrad des Toluols entspricht dem von Flüssiggas und Erdgas.
5. Die Viskosität des Toluols betragt 0,6 mm^2/s. Eine vergleichbar geringe Viskosität hat nur Motorenbenzin (0,5 mm^2/s), das allerdings nicht in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführt ist. Die geringste Viskosität der in der vorgenannten Tabelle aufgeführten Erzeugnisse weist nur Gasöl (4,5mm^2/s) auf.
6. Der untere Heizwert des Toluols beträgt 40.940 kj/kg. Einen vergleichbaren unteren Heizwert von 40.200 kj/kg weist schweres Heizöl auf.
7. Die Luftzahl des Toluols beträgt 10,4 Nm3/kg. Auch hier steht schweres Heizöl mit einer Luftzahl von 10,6 Nm3/kg dem Toluol am nächsten.
8. Hinsichtlich des Verhältnisses von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen enthält Toluol 8,80 % Gewichtseinheiten Wasserstoff. Einen vergleichbar geringen Wasserstoffgehaltgehalt enthält keines der in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Erzeugnisse. Am günstigsten ist insoweit allerdings schweres Heizöl mit einem Wasserstoffgehalt von 11,00 % Gewichtseinheiten.
Aus den Feststellungen zu 1. bis 7. kann zwar der Schluss gezogen werden, dass Kerosin, Gasöl, Flüssiggas, Erdgas und schweres Heizöl in Teilbereichen gleichwertig sein könnten. Danach kann jedoch nicht festgestellt werden, dass ein bestimmtes Erzeugnis dem Toluol am nächsten steht. Anders sieht es allerdings aus, wenn man das Beschaffenheitsmerkmal des Verhältnisses von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen (zu 8.) berücksichtigt. Hier steht schweres Heizöl dem Toluol am nächsten, weil es im Vergleich zu den anderen in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Energieerzeugnisse immer noch den geringsten Wasserstoffgehalt aufweist. Nach dem konkreten von der Klägerin verfolgten Verwendungszweck (dem konkreten Produktionsprozess; vgl. BFH-Urteil in BFHE 249, 264) ist das jedoch maßgebend.
32Der erkennende Senat hat nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme keine Zweifel daran, dass ein möglichst geringer Wasserstoffgehalt des eingesetzten Energieerzeugnisses für den von der Klägerin verfolgten Verwendungszweck - den konkreten Produktionsprozess der Herstellung von Titandioxidpulver im Chloridverfahren - erforderlich ist. Der Zeuge Dr. A hat den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass der eingesetzte Heizstoff so wenig Wasserstoff wie möglich enthalten müsse, damit in dem Produktionsprozess möglichst wenig Salzsäure entstehe. So hat der Zeuge Dr. A ausgesagt, für die Herstellung des Titandioxids im Chloridverfahren sei Wasserstoff Gift, Wasserstoff sei der effektivste Chlorvernichter. Ferner entstehe bei der Verwendung eines Energieerzeugnisses mit hohem Wasserstoffgehalt zu viel Salzsäure, die aufwendig gereinigt werden müsse, um sie weiterverwenden zu können. Der Zeuge hat zudem bekundet, dass bei der Klägerin bereits in den 70er Jahren Überlegungen stattgefunden hätten, Toluol durch ein anderes Energieerzeugnis zu ersetzen. So sei die Verwendung von Heizöl anstelle von Toluol als möglich angesehen worden. Schweres Heizöl weise einen Wasserstoffgehalt von 11 % Gewichtsanteilen auf. Bei Toluol sei das Verhältnis zwar wesentlich günstiger gewesen, nämlich nur 8,8 % Gewichtseinheiten. Gleichwohl hätte Toluol für den konkreten Produktionsprozess der Klägerin durchaus durch schweres Heizöl ersetzt werden können. Es wäre durchaus möglich gewesen, schweres Heizöl mit einem Wasserstoffgehalt von maximal 11 % zu bestellen. Demgegenüber sei Kerosin für sie als Energieerzeugnis nicht ernsthaft in Betracht gekommen, weil der Anteil von Wasserstoff in Kerosin 12 bis 15 %, im Mittelwert 13,85 % betrage.
33Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen Dr. A, zumal die Vertreter des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, dass die Angaben des Zeugen zu dem Wasserstoffgehalt der in Betracht kommenden Energieerzeugnisse zutreffend seien. Überdies stehen die Angaben des Zeugen in Einklang mit der von der Klägerin übersandten Tabelle über die Zusammensetzung und die Heizwerte flüssiger Brennstoffe (Bl. 47 GA) sowie dem Bericht „Aviation and Global Atmosphere - Databases in Fuel Properties“ (Bl. 49 GA). Nach Überzeugung des Senats kann es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere dem Ergebnis der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zudem keinem Zweifel unterliegen, dass ein möglichst geringer Wasserstoffgehalt des eingesetzten Energieerzeugnisses für den konkreten Verwendungszweck der Klägerin von entscheidender Bedeutung ist. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen weist von den in Tabelle C des Anhangs I zur EnergieStRL aufgeführten Energieerzeugnissen nur schweres Heizöl einen so geringen Wasserstoffgehalt auf, dass es dem vom der Klägerin verwendeten Toluol am nächsten steht. Daher ist im Streitfall der Steuersatz des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG anzuwenden.
34Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 2, 138 Abs. 2 Satz 1, 139 Abs. 3 Satz 3, 143 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.