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Streitig ist, inwieweit ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG – bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2015 zu berücksichtigen ist.
2Der Kläger gründete 1990 … die A-GmbH (im Folgenden GmbH). Geschäftsführer der GmbH waren der Kläger und die Herren A und B. Von dem gesamten Stammkapital i.H.v. 402.000 DM übernahm der Kläger einen Betrag von 133.500 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 27.03.1990 Bezug genommen.
3Der Kläger und die GmbH wurden seit 1990 von dem Prozessbevollmächtigten, einem Steuerberater, steuerlich beraten. Ab 2005 wurde die steuerliche Beratung von der vom Prozessbevollmächtigten neu gegründeten Steuerberatungssozietät fortgeführt.
4Am 06.12.2004 stellten der Kläger und Herr A beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH (Az….). Das Insolvenzverfahren wurde am 11.01.2005 eröffnet.
5Der Prozessbevollmächtigte meldete offene Honorarforderungen i.H.v. 2.310 Euro zur Insolvenztabelle an, die vom Insolvenzverwalter anerkannt wurden.
6Jedenfalls ab dem Jahr 2008 zahlte Herr C monatliche Raten i.H.v. 100 Euro an den Insolvenzverwalter zur Rückzahlung eines Darlehens.
7Im Jahr 2008 verklagte der Insolvenzverwalter die drei Gesellschafter-Geschäftsführer auf gesamtschuldnerische Zahlung von 328.760,34 Euro nebst Zinsen (Landgericht , Az. …). Er war der Ansicht, dass Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Auszahlung von Gesellschafterguthaben bestünden. Mit seiner Entscheidung im Revisionsverfahren verwies der Bundesgerichtshof die Sache zurück an das Oberlandesgericht …, welches mit Urteil vom 26.07.2013 den Rechtsstreit endgültig entschied. Die Gesellschafter wurden verurteilt, jeweils 5.352,95 Euro nebst Zinsen an den Insolvenzverwalter zu zahlen; im Übrigen hatte die Klage des Insolvenzverwalters keinen Erfolg.
8Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war über den Verlauf dieses Klageverfahrens informiert; er war im Hintergrund an der Betreuung der Gesellschafter bei der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter beteiligt.
9Mit Schreiben vom 26.02.2014 zeigte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an. Die durch den Rechtsstreit vor dem Zivilgericht entstandenen Kosten würden die vorhandene Insolvenzmasse erheblich übersteigen. Hierüber wurden die Gesellschafter der GmbH schriftlich informiert.
10Der Insolvenzverwalter erstellte unter dem 29.04.2015 seinen Schlussbericht. Am 09.07.2015 fand der Termin für eine abschließende Gläubigerversammlung zur Anhörung zur Verfahrenseinstellung mangels Masse und zur Erörterung der Schlussrechnungslegung des Insolvenzverwalters statt. Die Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter und die Gesellschafter der GmbH wurden zu diesem Termin geladen.
11Mit Beschluss vom 27.08.2015 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt. Das Insolvenzgericht stellte den Gesellschaftern der GmbH ein Schreiben zu, dem eine Abschrift des Einstellungsbeschlusses beigefügt war.
12Am 28.10.2015 ordnete das Insolvenzgericht hinsichtlich des noch nicht vollständig zurückgezahlten Darlehens des Herrn C i.H.v. 2.600 Euro die Nachtragsverteilung an. Den Gesellschaftern der GmbH wurde jeweils eine Abschrift dieses Beschlusses übersandt.
13Am 18.12.2015 wurde die Löschung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Am selben Tag wurde die Handelsregistereintragung auf der öffentlich zugänglichen Internetseite www.handelsregisterbekanntmachungen.de bekannt gemacht.
14Mit Schreiben vom 21.12.2015 informierte das Amtsgericht Herrn B über die Eintragung der Löschung der GmbH in dem Handelsregister.
15Im April 2016 reichte der Kläger über Elster seine Einkommensteuererklärung 2015 beim Beklagten ein. Bei der Anfertigung der Steuererklärung hatte der Prozessbevollmächtigte mitgewirkt.
16Erklärt wurden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Unternehmensberater sowie Vermietungseinkünfte. Angaben zu einem Veräußerungs/Auflösungsverlust betreffend die GmbH enthielt die Steuererklärung nicht.
17Der Beklagte veranlagte den Kläger erklärungsgemäß einzeln zur Einkommensteuer und setzte im Bescheid vom 21.07.2016, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, Einkommensteuer i.H.v. 11.713 Euro fest.
18Am 30.12.2016 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid gemäß § 173 Ab. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO – dahingehend zu ändern, dass ein Verlust aus der Beteiligung an der GmbH gemäß § 17 EStG i.H.v. 134.000 DM = 68.513 Euro berücksichtigt wird.
19Er führte aus, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Verlusts i.S.d. § 17 EStG vorlägen. Das Insolvenzverfahren der GmbH sei im Jahr 2015 abgeschlossen worden. Seine Stammeinlage sei als Veräußerungsverlust anzusetzen. Er habe von dem Insolvenzverwalter keine Zahlungen erhalten.
20Von der Beendigung des Insolvenzverfahrens habe er erst im Dezember 2016 erfahren. Anfang Dezember 2016 habe Herr B ihm von dem Schreiben des Amtsgerichts vom 21.12.2015 berichtet und ihn gefragt, ob der Kläger noch im Besitz der Gründungsurkunde der GmbH sei, weil er – Herr B – diese für die Geltendmachung seines Beteiligungsverlustes benötige.
21Seine fehlende Kenntnis von der Beendigung des Insolvenzverfahrens könne dem Kläger nicht vorgehalten werden. Anders als Herr B habe er kein entsprechendes Informationsschreiben des Amtsgerichts erhalten. Das Amtsgericht habe die Beendigung des Insolvenzverfahrens zwar elektronisch veröffentlicht; die Überprüfung der einschlägigen Veröffentlichungen sei einem Steuerpflichtigen aber nicht zumutbar.
22Mit Bescheid vom 04.01.2017 lehnte der Beklagte den Erlass eines Änderungsbescheides ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Verlust i.S.d. § 17 EStG wegen der Beendigung des Insolvenzverfahrenes am 18.12.2015 für den Veranlagungszeitraum 2015 hätte erklärt werden müssen. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Berichtigungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO lägen nicht vor. Die Eintragung der Löschung der GmbH sei aufgrund der Internetveröffentlichung durch das Amtsgericht keine neue Tatsache. Daher sei unbeachtlich, ob der Kläger ein Informationsschreiben des Amtsgerichts erhalten habe.
23Außerdem liege ein grobes Verschulden des Klägers vor. Jedenfalls bei der Erstellung der Steuererklärung sei eine Einsichtnahme in das Portal des Amtsgerichts zumutbar gewesen.
24Zur Begründung seines am 06.02.2017 eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, dass berücksichtigt werden müsse, dass sich das Insolvenzverfahren über zehn Jahre hingezogen habe und dass er in Insolvenzangelegenheiten unerfahren gewesen sei. Wegen der andauernden Ratenzahlungen des Herrn C sei er von einer Fortführung des Insolvenzverfahrens ausgegangen.
25Die unterlassene Einsichtnahme in das Internetportal des Amtsgerichts könne ihm nicht vorgeworfen werden. Er habe dieses Portal, welches erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens errichtet worden sei, nicht gekannt.
26Am 13.02.2017 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2015 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte die Einkommensteuer auf 12.564 Euro. Die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit wurden aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung bei einer GmbH um 2.117 Euro erhöht.
27Dagegen legte der Kläger am 10.03.2017 Einspruch ein. Zwar sei die Erhöhung seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu Recht erfolgt. Unabhängig vom laufenden Einspruchsverfahren wäre aber § 177 AO anzuwenden gewesen.
28Mit Einspruchsentscheidung vom 12.04.2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 11.713 Euro herab.
29Den Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 13.02.2017 verwarf er als unzulässig, weil der geänderte Einkommensteuerbescheid Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden sei, so dass es keines neuen Einspruchs bedurft hätte.
30Der Einspruch vom 06.02.2017 sei teilweise begründet. Der Kläger habe im Jahr 2015 Einkünfte i.S.d. § 17 EStG i.H.v. 68.513 Euro erzielt. Wegen der Geltung des Teileinkünfteverfahrens seien diese Einkünfte nur zu 60 % (= 41.107 Euro) steuerpflichtig.
31Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 173 AO Abs. 1 Nr. 2 AO komme nicht in Betracht. Der Kläger habe Kenntnis von dem laufenden Insolvenzverfahren gehabt. Deshalb hätte er sich jährlich über die Beendigung des Insolvenzverfahrens informieren müssen. Sein Vortrag betreffend Herrn C entlaste ihn nicht.
32Die Einkommensteuer sei auf 11.713 Euro herabzusetzen, weil in dem Änderungsbescheid vom 13.02.2017 die Regelung des § 177 AO hätte beachtet werden müssen.
33In der Anlage zur Einspruchsentscheidung berücksichtigte der Beklagte Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ./. 41.107 Euro und ermittelte eine Einkommensteuer i.H.v. 0 Euro. Wegen der „Anfechtungs-/Änderungsbeschränkung (§ 351 bzw. § 177 AO)“ wurde die Einkommensteuer auf 11.713 Euro festgesetzt.
34Mit seiner am 16.05.2017 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen trägt er vor, dass er nach der Gründung der GmbH von dem Gründungsgesellschafter D dessen Anteil i.H.v. 500 DM übernommen habe.
35Der Kläger beantragt,
361. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 04.01.2017 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 21.07.2016, geändert durch den Bescheid vom 13.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2017 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2015 ohne die Anfechtungsbeschränkung der §§ 351, 177 AO und damit in Höhe von 0 Euro festgesetzt wird,
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung.
42Auf der Internetseite www.handelsregisterbekanntmachungen.de veröffentlichen die Gerichte des Landes NRW seit dem 01.03.2004 ihre Registerdaten. Die Veröffentlichung im Internet ist für Bekanntmachungen, die keine Vereinsregisterbekanntmachungen sind, seit dem 01.01.2007 gesetzlich vorgeschrieben.
43Herr C leistete bis Juni 2017 Ratenzahlungen an den Insolvenzverwalter. Im Juli 2017 erfolgte die Verteilung des Massebestandes.
44Der Auflösungsverlust war in den Vorjahren niemals steuerlich geltend gemacht worden.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und den Inhalt der hinzugezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der beigezogenen Akte des AG …(Az…) Bezug genommen.
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des Erlasses eines geänderten Einkommensteuerbescheides vom 04.01.2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2015 zu.
47Der Einkommensteuerbescheid 2015 ist nicht nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) i.V.m. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
48Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Den Kläger trifft ein grobes Verschulden daran, dass die neue Tatsache (hier: alle Tatsachen, die zum Vorliegen eines Auflösungsverlustes führen) dem Beklagten nachträglich bekannt geworden ist.
49Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat. Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten – mechanischen – Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit – nicht stets, aber im Einzelfall – ausgeschlossen sein (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10.02.2015 IX R 18/14, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2017, 7).
50Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters, dessen er sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt (vgl. BFH, Urteile vom 03.12.2009 VI R 58/07, BStBl II 2010, 531; vom 09.11.2011 X R 53/09, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2012, 545; vom 09.05.2012 I R 73/10, BStBl II 2013 566; vom 10.02.2015 IX R 18/14, BStBl II 2017, 7; vom 26.10.2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257; BFH, Urteil vom 14.09.2017 IV R 28/14, BFH/NV 2018, 1).
51Der Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall steht nicht entgegen, dass der Kläger seine Einkommensteuererklärung 2015 über Elster an den Beklagten übermittelt hat. Denn der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen – abgesehen von streitgegenständlich unbeachtlichen Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung – in gleicher Weise auszulegen wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen (vgl. BFH, Urteil vom 10.02.2015 IX R 18/14, BStBl II 2017, 7).
52Es kann dahinstehen, ob der Kläger selbst grob schuldhaft gehandelt hat. Denn es lag ein grobes Verschulden seines Steuerberaters vor, welches der Kläger sich zurechnen lassen muss.
53Einen steuerlichen Berater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln, wenn er bei der Erstellung der Steuererklärung die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 25.11.1983 VI R 8/82, BStBl II 1984, 256).
54Wird ein steuerlicher Berater mit der Ausarbeitung der Steuererklärung beauftragt, muss er sich um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der Erklärungspflichten bemühen. Er hat seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten (BFH, Urteil vom 03.12.2009 VI R 58/07 , BStBl II 2010, 531). Im Rahmen dieser Verpflichtung hat er den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln. Hat der steuerliche Berater Kenntnis von der Entstehung eines Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG, ist er gehalten, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Status des Insolvenzverfahrens durch gezielte Nachfrage beim Mandanten zu ermitteln (FG Bremen, Urteil vom 10.12.2003, 2 K 148/03 (1), Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2004, 508).
55Die Verpflichtungen des steuerlichen Beraters erlöschen nicht dadurch, dass er Mitarbeiter zur Fertigung von Entwürfen der Steuererklärungen einsetzt. Sie konkretisierten sich in diesen Fällen in eigenen Sorgfaltspflichten des Beraters hinsichtlich der Auswahl seiner Mitarbeiter, der Organisation der Arbeiten in seinem Büro und der Kontrolle der Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter; diese Kontroll- und Überwachungspflicht beinhaltet – wenn es sich um einen bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter handelt – grundsätzlich keine Verpflichtung, dessen Arbeitsergebnisse in allen Einzelheiten zu überprüfen und nachzuvollziehen (BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, BStBl. II 1988, 109). Weiterhin muss ein Steuerberater, der einem Mitarbeiter Aufgaben überträgt, persönlich oder durch entsprechende Eintragungen in der Handakte über alle relevanten Grundlagen des Falls aufklären bzw. instruieren (vgl. FG Münster, Urteil vom 15.02.2018, 8 K 1923/15 F, EFG 2018, 801).
56Diesen Anforderungen ist der steuerliche Berater des Klägers nicht gerecht geworden. Er hat nicht mit der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt an der Erstellung der Steuererklärung mitgewirkt. Er hat bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Status des Insolvenzverfahrens nicht überprüft und in nicht entschuldbarerweise versäumt, den Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG für das Jahr 2015 steuerlich geltend zu machen.
57Dem Steuerberater waren bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2015 alle Tatsachen, die zur Entstehung eines Auflösungsverlusts führen, bekannt. Er wusste von der GmbH-Beteiligung des Klägers und dem im Jahr 2005 eröffneten Insolvenzverfahren. Diese Kenntnis hatte er aufgrund der jahrelangen steuerlichen Betreuung des Klägers und der GmbH. Er hatte auch Kenntnis von der Höhe der Stammeinlage des Klägers und der damit einhergehenden bedeutenden Höhe seines Auflösungsverlusts.
58Unklar war bei Beginn des Insolvenzverfahrens im Jahr 2005 lediglich, in welchem Jahr der Verlust steuerlich zu berücksichtigen ist. Ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG ist in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 2 EStG zu ermitteln (BFH-Urteil vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428). Die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinnes oder Verlustes vorzunehmen (z.B. Urteil vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428). Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre (BFH-Urteil vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428). Maßgebender Zeitpunkt der Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Verlust realisiert wäre (BFH-Urteil vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428). Ein Auflösungsgewinn ist erst in dem Jahr zu erfassen, in dem das auf die wesentliche Beteiligung entfallende Vermögen der Gesellschaft verteilt wurde. Ein Auflösungsverlust kann bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2014 IX R 47/13, BStBl II 2014, 786, m.w.N.).
59Nach diesen Grundsätzen schied eine Berücksichtigung des Auflösungsverlusts im Jahr 2005 offensichtlich aus. Der Steuerberater hätte aber bei Beachtung seiner Sorgfaltspflichten von nun an jährlich überprüfen müssen, ob der Verlust nunmehr realisiert ist. Er hätte sich jedes Jahr beim Kläger nach dem Stand des Insolvenzverfahrens erkundigen müssen, soweit er nicht als Insolvenzgläubiger der GmbH ohnehin eigene sichere Kenntnis von dem Stand des Verfahrens hatte. Soweit er einen seiner Mitarbeiter mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung beauftragt hat, hätte er diesen mit einer entsprechenden Sachverhaltsermittlung und Prüfung beauftragen müssen.
60Eine entsprechende Überprüfung ist weder vom Steuerberater selbst noch von einem seiner Mitarbeiter vorgenommen worden. Der Steuerberater hat seinen Mitarbeiter auch nicht über die entsprechenden Umstände, die Anlass zu einer solchen Prüfung gegeben hätten, informiert.
61Die Klägerseite kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine entsprechende Prüfung wegen der langen zeitlichen Dauer des Insolvenzverfahrens und den Belastungen durch das zivilrechtliche Klageverfahren, das den Kläger in seiner Existenz bedroht habe, in Vergessenheit geraten sei und dem Steuerberater daher allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.
62Diese Umstände können das Versäumnis des Steuerberaters nicht hinreichend entschuldigen. Zwar ist es für den Senat nachvollziehbar, dass die Geltendmachung des Auflösungsverlusts aufgrund der dargestellten Umstände in Vergessenheit geraten ist. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Fehler oder eine Nachlässigkeit, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer wieder gerechnet werden muss. Es handelt sich um keinen unbewussten Fehler, der auch bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden ist.
63Der Fehler des Steuerberaters wäre vermeidbar gewesen. Spätestens bei der Beendigung des Zivilrechtsstreits im Jahr 2013 hätte sich der Steuerberater wieder an den Auflösungsverlust des Klägers erinnern müssen. Der Ausgang des Klageverfahrens war dem Steuerberater nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung bekannt. Die Beendigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung gab ihm Anlass zur Prüfung, ob der Verlust bereits im Veranlagungszeitraum 2013 entstanden ist, weil aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Auflösungsverlusts nicht mehr zu rechnen ist. Wenn der Berater dies verneint hätte, so hätte er eine jährliche Überprüfung der Verlustrealisierung in den Folgejahren sicherstellen müssen. Dies hätte beispielsweise durch einen entsprechenden Vermerk in der Akte des Klägers erfolgen können (vgl. zur Pflicht zur Anfertigung von Vermerken FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 03.03.2010, 5 K 1460/06 B, EFG 2010, 1568). Einen solchen Vermerk hat der Berater indes nicht gefertigt.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.