Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Der Bescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin stellt an ihrem Standort Kunststoffadditive und Plastisole her. Hierzu wird eine Dispersion aus Emulsionspolymerisaten hergestellt, die in einem Sprühturm getrocknet wird. Zur Vermeidung einer Explosion bei dem Trocknungsprozess stellt die Klägerin heißes Inertgas her. Hierzu verbrennt sie versteuertes Erdgas in einer Brennkammer. In der Brennkammer werden das Erdgas und Frischluft verbrannt. Dadurch wird der Sauerstoffanteil der Luft reduziert, so dass ein Inertgas mit einem Sauerstoffanteil entsteht. Das heiße Inertgas wird alsdann über einen Zentrifugalzerstäuber in den Sprühturm geleitet. Die Dispersion aus den Emulsionspolymerisaten wird gleichfalls in den Sprühturm geleitet. Durch den Einsatz des Inertgases findet in dem Sprühturm eine Dehydratisierung statt, bei der ein Teil des Wassers aus der Dispersion von dem Inertgas aufgenommen wird. Ferner trägt die Wärme des Inertgases zu der Trocknung der Dispersion bei. Das durch die Trocknung entstehende staubförmig anfallende Produkt wird am Boden des Sprühturms entnommen und in Silos verbracht.
3Die Klägerin beantragte beim beklagten Hauptzollamt, ihr für die Verwendung von Erdgas für die Trocknung der Dispersionen aus Emulsionspolymerisaten in dem Zeitraum vom bis eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) zu gewähren. Das beklagte Hauptzollamt entsprach der Anmeldung der Klägerin, indem es ihr eine Steuerentlastung auszahlte.
4Im Anschluss an eine Außenprüfung (Prüfungsbericht vom ) gelangte das beklagte Hauptzollamt zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerentlastung nicht vorgelegen hätten. Es forderte deshalb die Steuerentlastung mit Bescheid vom zurück.
5Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Bei der Herstellung des sauerstoffarmen Inertgases handele es sich um einen anderen Verwendungszweck im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG. Die Erzeugung der Wärme und die Erzeugung des Inertgases seien unverzichtbar für den Trocknungsprozess. Für die Herstellung des Inertgases sei es erforderlich, dass das Erdgas mit Sauerstoff reagiere und dadurch das erforderliche Kohlendioxid erzeugt werde. Der Kohlenstoff als Bestandteil des Erdgases gehe in das hergestellte Inertgas ein.
6Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom zurück und führte aus: Eine Steuerentlastung setze voraus, dass zumindest die Verbrennungsprodukte des Energieerzeugnisses stofflich in das Endprodukt eingingen, um dadurch die Eigenschaften des Endprodukts entscheidend zu prägen. Im Streitfall gehe das Inertgas keine stoffliche Verbindung mit der durch Wärmeeinwirkung zu trocknenden Dispersion ein. Mit dem Erdgas werde kein für die Produktion erforderlicher Stoff zur Verfügung gestellt. Es werde nicht gestaltverändernd auf das Endprodukt eingewirkt. Es liege auch kein einheitlicher industrieller Prozess vor, weil zunächst das Erdgas zur Erzeugung von Wärme verbrannt werde und erst im Anschluss hieran die heiße Abluft verwendet werde, um der Lösung im Sprühturm Wasser zu entziehen.
7Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Sie verwende das Erdgas im Produktionsprozess nicht nur als Heizstoff. Vielmehr sei das mit dem Erdgas erzeugte Inertgas für den Produktionsprozess unerlässlich. Ohne den Einsatz des Inertgases würde das Trocknungsverfahren auf Grund der dann bestehenden Explosionsgefahr automatisch abgebrochen, weil der Sauerstoffgehalt im Sprühturm zu hoch wäre. Daher verwende sie das Erdgas gleichzeitig zu anderen Zwecken als Heizstoff.
8Die Klägerin beantragt,
9den Bescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
10Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
111. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt es vor: Der Prozess des Verheizens sei mit dem Verbrennen des Erdgases abgeschlossen. Das Inertgas werde nur dazu verwendet, dem Produktionsprozess in geeigneter Weise die nötige Wärmeenergie zuzuführen. Die konkrete Verwendung des Erdgases erschöpfe sich damit in der Nutzung der erzeugten Wärme.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
17Rechtsgrundlage für die Änderung der Festsetzung der Steuerentlastung ist § 164 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Die Anmeldung der Klägerin vom stand nach der Auszahlung des Entlastungsbetrags einer Festsetzung der Steuerentlastung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 155 Abs. 4, 168 AO a.F.). Im Streitfall lagen jedoch nicht die Voraussetzungen für eine Änderung der Festsetzung der Steuerentlastung vor. Die Steuerentlastung ist der Klägerin zu Recht gewährt worden.
18Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich versteuert worden sind, und von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff verwendet worden sind. Bei der Klägerin handelte es sich unstreitig um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes. Das von ihr verwendete Erdgas war auch unstreitig nachweislich versteuert.
19Die Klägerin hat das versteuerte Erdgas nicht nur zu Heizzwecken, sondern auch zu anderen Zwecken im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG verwendet. Das setzt voraus, dass das Energieerzeugnis nicht ausschließlich zur Erzeugung thermischer Energie verheizt, sondern auch zu einem anderen Zweck als Heiz- oder Kraftstoff eingesetzt wird, wobei beide Verwendungszwecke nicht zeitgleich erreicht werden müssen (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 10. November 2015 VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410). Der Tatbestand des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG setzt nicht voraus, dass die Erzeugung thermischer Energie gegenüber dem mit der Verbrennung des Energieerzeugnisses verfolgten nichtenergetischen Zweck in den Hintergrund tritt. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob das Energieerzeugnis selbst oder dessen Verbrennungsprodukte für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sind (BFH, Urteil vom 10. November 2015 VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410). Dabei ist eine stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem hergestellten Endprodukt nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 10. November 2015 VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410). Daher kommt es in den Fällen, in denen es um die Nutzung der Verbrennungsgase für andere Zwecke als zum Heizen geht, nicht darauf an, ob der Einsatz des Energieerzeugnisses als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff zur Bearbeitung oder Herstellung eines anderen Produkts erforderlich ist (BFH, Urteil vom 13. Januar 2015 VII R 35/12, BFHE 248, 287).
20Hiervon ausgehend hat die Klägerin das Erdgas nicht nur zu Heizzwecken, sondern auch zu anderen Zwecken im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG, nämlich zur Herstellung des Inertgases verwendet. Das Inertgas als Verbrennungsprodukt war unstreitig für den Abschluss des Produktionsprozesses zur Vermeidung einer Explosion in dem Sprühturm erforderlich. Das durch das Verbrennen des Erdgases erzeugte Inertgas wurde auch für denselben Produktionsprozess der Trocknung der Dispersionen aus Emulsionspolymerisaten verwendet (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 2. Oktober 2014 Rs. C-426/12, ECLI:EU:C:2014:2247 Randnr. 28).
21Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, ist es für den Tatbestand des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d EnergieStG nicht erforderlich, dass die Verbrennungsprodukte des Energieerzeugnisses stofflich in das Endprodukt eingegangen sind, um dadurch die Eigenschaften des Endprodukts entscheidend zu prägen oder gestaltverändernd auf das Endprodukt einzuwirken. Eine stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem hergestellten Endprodukt ist gerade nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 10. November 2015 VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410). Es kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob der Einsatz des Energieerzeugnisses als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff zur Bearbeitung oder Herstellung eines anderen Produkts erforderlich ist (BFH, Urteil vom 13. Januar 2015 VII R 35/12, BFHE 248, 287).
22Entgegen der vom beklagten Hauptzollamt vertretenen Auffassung kann es nicht entscheidend sein, dass das Erdgas zunächst für die Erzeugung von Wärme verbrannt und die heiße Abluft erst im Anschluss hieran verwendet worden sein soll, um der Lösung im Sprühturm Wasser zu entziehen. Der einheitliche Produktionsprozess in der Anlage der Klägerin lässt sich nicht künstlich aufspalten, weil das durch das Verbrennen des Erdgases erzeugte Inertgas zur Vermeidung einer Explosion bei dem Trocknungsprozess in dem Sprühturm unerlässlich war. Die Verwendung des Erdgases erschöpfte sich daher nicht in der Nutzung der erzeugten Wärme. Zudem müssen die Verwendungszwecke als Heizstoff und zu einem anderen Zweck als Heiz- oder Kraftstoff nicht zeitgleich erreicht werden (BFH, Urteil vom 10. November 2015 VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410).
23Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFH geklärt.