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Die Beklagte wird verpflichtet unter Aufhebung des Bescheides vom 16.1.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 25.4.2018 Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2017 zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger bezog fortlaufend für seine Tochter A (geb. () 1993) Kindergeld. Nach dem Erwerb der Fachhochschulreife begann die Tochter eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten – Fachrichtung Kommunalverwaltung – die sie mit dem Bestehen der Abschlussprüfung am 1.7.2014 mit der Note „gut“ beendete. Sie bewarb sich anschließend für eine Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin beim B. Diese Ausbildung fand vom 24.10.2014 bis 12.7.2017 statt. Die Tochter bestand die Abschlussprüfung wiederum mit der Note „gut“. Seit Juli 2014 arbeitete sie mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden in der Stadtverwaltung (). Die Tochter beantragte selbst am 7.12.2017 Kindergeld und machte geltend, sie habe sich vor Beginn der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei Kommune beworben, in denen ihr Berufswunsch Verwaltungsfachwirtin in einem Studiengang hätte erfüllt werden können. Leider seien die Bewerbungen erfolglos geblieben. Sie habe sich daher für die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt () entschieden, wobei ihr bekannt war, dass sie im Anschluss an diese Ausbildung durch eine weitere Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin den gewünschten Abschluss erlangen könne. Es habe ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten bestanden. Die Wartezeit zwischen dem Abschluss der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und der zur Verwaltungsfachwirtin sei nicht von ihr verschuldet, da die Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin immer erst im Herbst beginne. Eine berufspraktische Erfahrung oder zwischenzeitliche Berufstätigkeit seien keine Voraussetzung. Sie gehe davon aus, dass sie nach Erreichen der Volljährigkeit selbst einen Kindergeldantrag stellen könne.
3Mit Bescheid vom 19.12.2017 lehnte die Familienkasse diesen Antrag ab und führte aus, ein Anspruch auf Kindergeld für das Kind selbst sei nach dem Einkommensteuergesetz nicht vorgesehen.
4Daraufhin beantragte der Kläger mit Antrag vom 30.12.2017 Kindergeld für seine Tochter A und wiederholte zur Begründung die Auffassung seiner Tochter.
5Diesen Antrag lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 16.1.2018 ab mit der Begründung, die Tochter des Klägers habe bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen, so dass keine anspruchsbegründende mehraktige Ausbildung vorläge. Die Tochter gehe einer Erwerbstätigkeit nach und könne daher nicht mehr berücksichtigt werden.
6Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 13.2.2018 Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 25.4.2018 wurde dieser Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Familienkasse führte aus, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung werde ein über 18 Jahre altes Kind in den Fällen des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner anspruchsschädlichen Erwerbstätigkeit nachgehe. Erst am 14.12.2017 sei eine Erklärung der Tochter eingegangen, wonach sie neben ihrer Erwerbstätigkeit ein berufsbegleitendes Studium absolviere. Die Absichtserklärung des Kindes müsse jedoch spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse eingegangen sein, da diese Erklärung erst ab diesem Zeitpunkt wirke. Die Weiterbildung zur Verwaltungsfachwirtin habe lediglich Fortbildungscharakter. Der Kläger führte in einem Schreiben vom 8.5.2018 aus, in der Einspruchsentscheidung sei eine Begründung seines Einspruchs, die er mit Schreiben vom 7.3.2018 abgegeben habe, nicht berücksichtigt. In diesem Schreiben wiederholt und vertiefte der Kläger seine bisherige Auffassung.
7Der Kläger hat am 25.5.2018 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt er vor, er habe mit Schreiben vom 7.3.2018 seinen Einspruch begründet und dieses Schreiben am 8.3.2018 zur Post gegeben. Seine Tochter hätte gerne direkt eine Ausbildung im gehobenen Dienst bei der Stadt () absolviert, dies sei jedoch dort nicht .angeboten worden, sodass sie zunächst die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten absolvieren musste, damit sie anschließend den zweiten Ausbildungsabschnitt Verwaltungslehrgang II abschließen konnte. Eine Berufstätigkeit stelle keine Voraussetzung für die Teilnahme am Lehrgang dar; dieser ist lediglich so ausgestaltet, dass den Teilnehmern eine parallele Berufstätigkeit ermöglicht wird. Ferner sei ein früherer Beginn mit dem Lehrgang II nicht möglich gewesen, da dieser jährlich im Oktober/November beginne; die Zeiträume der Ausbildungsabschnitte würden durch das B vorgeschrieben, weshalb hierauf kein Einfluss genommen werden könne. In gleichgelagerten Fällen sei Kindergeld gewährt worden.
8Der Kläger beantragt,
9unter Aufhebung des Bescheides vom 16.1.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 25.4.2018 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2017 zu gewähren.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen,
12hilfsweise:
13Revisionszulassung
14Sie nimmt zunächst Bezug auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt sie vor, nach der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG würden Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machten, erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung Wirkung entfalten. Die Erklärung, dass das angestrebte Berufsziel noch nicht erreicht sei, müsse daher spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse eingehen. Die sei hier nicht der Fall gewesen. Die Erklärung sei erst im Dezember 2017 erfolgt.
15Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Tochter als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Kindergeldakten.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist begründet. Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung war die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juli zu 2017 zu gewähren. Der Kläger hat einen entsprechenden Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter.
19Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
20Die Tochter des Klägers befand sich bis zum Abschluss des Verwaltungslehrgangs II – vormals Angestelltenlehrgang II - in einer Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor.
21Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH Urteile vom 3.7.2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152; vom 16.6.2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 3.9.2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Ferner ist erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil vom 4.2.2016 III R 14/15 BFHE 253,145, BStBl II 2016, 615). Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH Urteil vom 3.7. 2014 III R 52/13 a.a.O.). Ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. BFH Urteil vom 3.7.2014 III R 52/13,a.a.O.). Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH Urteil vom 3.7. 2014 III R 52/13, a.a.O.). Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein (BFH Urteil vom 3.7. 2014 III R 52/13, a.a.O.). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH Urteil vom 3.7. 2014 III R 52/13, a.a.O.).
22Vorliegend ergibt sich der erforderliche fachliche Zusammenhang daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich (Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung) beziehen und nach den Ausbildungsplänen aufeinander aufbauen. Für den zeitlichen Zusammenhang reicht es aus, dass die Ausbildungen zur Verwaltungsfachangestellten und zur Verwaltungsfachwirtin im direkten Anschluss erfolgt sind. Angestrebtes Berufsziel der Tochter des Klägers war eine Tätigkeit in der Kommunalverwaltung, für die die Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt erforderlich ist. Nach ihrer schlüssigen und glaubhaften Zeugenaussage hatte sie sich hierfür bereits nach der Beendigung der Schule bei verschiedenen Kommunen beworben, aber keine Zusage erhalten, so dass sie den Einstieg über die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten genommen hat, um unmittelbar danach den Verwaltungslehrgang/Angestelltenlehrgang II zu besuchen.
23Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht aus dem Umstand, dass die Tochter erst im Dezember 2017 eine Fortsetzung der Berufsausbildung mitgeteilt hatte. Entgegen der Verwaltungsauffassung in DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 S. 8, nach der Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse gelten, genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind, (vgl. FG Düsseldorf Urteil vom 11.01.2018 9 K 994/17 Kg, juris). Zwar kann der Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet worden ist, ein Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Danach steht es dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, dass er den Antrag auf Kindergeld erst wesentlich nach Beendigung der Ausbildung seiner Tochter zur Verwaltungsfachangestellten gestellt hat. Dies beruht offensichtlich auf einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage, ändert aber nichts daran, dass die Tochter, wie sie glaubhaft versichert hat, von vorne herein eine Tätigkeit im gehobenen Dienst angestrebt hat.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
25Die Revision war zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs.2 Nr.2 FGO zuzulassen.