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Es wird festgestellt, dass die Prüfungsanordnung vom 29.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.2.2018 rechtswidrig war, soweit darin die Teilnahme eines Gemeindebediensteten der Stadt B an der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 angeordnet wurde.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer durch den Beklagten angeordneten Außenprüfung.
3Unternehmensgegenstand der in B-Stadt ansässigen Klägerin laut Handelsregister ist der Handel mit Erzeugnissen und der Vertrieb von Waren ... sowie damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen… .
4Mit Verfügung vom 9.8.2017 ordnete der Beklagte eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2013 bis 2015 u.a. für Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer an. Nach einem entsprechenden Teilnahmeersuchen der Stadt B erging am 29.11.2017 eine geänderte Anordnung, in der es unter Bezug auf § 21 Abs. 3 des Finanzverwaltungsgesetzes –FVG– heißt: „In Ergänzung zur Prüfungsanordnung vom 9.8.2017 teile ich Ihnen mit, dass Herr A als Bediensteter der Stadt B für die Gewerbesteuer an der Prüfung teilnimmt.“
5Den dagegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 14.2.2018 als unbegründet zurück.
6Am 6.3.2018 hat die Klägerin Klage erhoben.
7Zur Begründung trägt sie vor, durch die Verfügung zur Teilnahme des Gemeindeprüfers an der Außenprüfung habe der Beklagte seinen Kompetenzbereich überschritten, indem er einen fremden Verwaltungsakt erlassen habe. § 21 FVG regele nur die Rechte und Pflichten zwischen den Behörden, ermächtige den Beklagten aber nicht dazu, die Klägerin zur Duldung der Teilnahme des Gemeindebediensteten zu verpflichten. Zudem bestehe die Besorgnis einer Verletzung des Steuergeheimnisses. Es liege nicht der Regelfall vor, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen der Stadt B und der Klägerin nur auf Rechtsbeziehungen zwischen Steuergläubiger und Steuerschuldner beschränke. Vielmehr erbringe die Klägerin gegenüber der Stadt B bzw. deren Tochtergesellschaften ... privatrechtlich vereinbarte Leistungen. Im Rahmen der Außenprüfung könnten auch Geschäfte der Klägerin mit diesen Gesellschaften oder der Stadt selbst überprüft werden. Bei einer Beteiligung des Gemeindebediensteten sei nicht auszuschließen, dass die Kalkulationsunterlagen der Klägerin zu diesen Geschäften offengelegt werden müssten und ggf. mit anderen Kalkulationsunterlagen verglichen werden könnten. Letztlich sei der Gemeindebedienstete dem Kämmerer und dem Bürgermeister der Stadt B gegenüber auskunftspflichtig; der Bürgermeister der Stadt B sei Mitglied im Beirat der genannten Gesellschaften, die die Klägerin beide beliefere. Alleine die Möglichkeit, dass der Bürgermeister der Stadt B über einzelne Verträge oder Kalkulationen informiert werden könnte, schließe aus, dass derartige Informationen an den Gemeindebediensteten weitergegeben werden dürften. Daher sei dessen Teilnahme an der Außenprüfung unzulässig.
8Nach Hinweis des Gerichts auf das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 23.1.2020 III R 9/18 (Bundessteuerblatt –BStBl- II 2020, 436) hat die Klägerin erklärt, die Klage im Hinblick auf die Besorgnis einer Verletzung des Steuergeheimnisses aufrechterhalten zu wollen (Schriftsatz vom 17.11.2020).
9Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Bescheid über die Teilnahme des Gemeindeprüfers an der Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2013 bis 2015 aufzuheben, hilfsweise für nichtig zu erklären. Nachdem die Außenprüfung während des Klageverfahrens ohne Teilnahme des Gemeindeprüfers beendet worden ist, begehrt die Klägerin nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage. Es liege eine konkrete Wiederholungsgefahr für Außenprüfungen ab 2016 vor, weil der Beklagte für die anstehende Folgeprüfung angekündigt habe, nicht auf die Teilnahme des Gemeindeprüfers zu verzichten. Da die Klägerin auch in den Jahren ab 2016 Leistungen gegenüber der Stadt B und deren Tochtergesellschaften erbracht habe, bestehe weiterhin die Besorgnis der Verletzung des Steuergeheimnisses. Die Gründe für eine Nichtteilnahme des Gemeindebediensteten beständen also unverändert fort.
10Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11festzustellen, dass die Anordnung der Teilnahme des Gemeindebediensteten der Stadt B vom 29.11.2017 an der steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 bei der Klägerin rechtswidrig war.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er trägt vor, § 21 Abs. 3 FVG i.V.m. §§ 196, 197 der Abgabenordnung –AO- berechtige den Beklagten, die Teilnahmeanordnung zu erlassen. Diese Anordnung begründe auch keine Annahme einer Verletzung des Steuergeheimnisses. Der Prüfer des Beklagten habe dafür Sorge zu tragen, dass dem Gemeindeprüfer ausschließlich Akten und Unterlagen, die gewerbesteuerliche Sachverhalte beträfen, zur Einsicht und Information zugänglich gemacht würden. Darüber hinausgehende Sachverhalte seien im Zweifelsfall zu schwärzen. Auch den Gemeindeprüfer sowie den Bürgermeister der Stadt B träfe die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses, dessen Verletzung strafbewehrt sei. Somit seien die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin sowohl gegenüber dem Gemeindebediensteten als auch innerhalb der Gemeindeverwaltung vor unbefugter Offenbarung und Verwertung geschützt. Eine Information des Bürgermeisters sei weder vorgesehen noch bislang erfolgt. Der Gemeindebedienstete sei dem Fachbereich „Steuern und Grundbesitzabgaben“ und darin der Abteilung „Gewerbe- und Aufwandsteuern“ zugeordnet; dieser sei vom Fachbereich „Beteiligungsmanagement und Kämmerei“ dergestalt getrennt, dass sie unterschiedlichen Abteilungs- und Fachbereichsleitern unterständen. Die Auswahl der Fälle, an denen der Gemeindeprüfer teilnehme, erfolge ausschließlich nach steuerlichen Gesichtspunkten. Es gebe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister Kenntnis über die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin erhalte oder gar im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied des Beirats bei den städtischen Tochtergesellschaften verwerte. Das abstrakte Abstellen auf eine rein hypothetische Annahme der Kenntnis der Verwaltungsspitze im Rahmen der Außenprüfung erlangten Informationen und deren theoretisch mögliche Verwendung zu anderen Zwecken könne das Teilnahmerecht der Gemeinde nicht ausschließen, da dieses ansonsten in allen Fällen, in denen der Steuerpflichtige privatrechtliche Vertragsbeziehungen zur Gemeinde unterhalte, hinfällig wäre. Zudem umfasse die Betriebsprüfung üblicherweise ältere Besteuerungszeiträume, was die Gefahr der Bekanntgabe aktueller, wettbewerbsrelevanter Informationen minimiere. Gegen die Fortsetzung des Verfahrens als Fortsetzungsfeststellungsklage bestünden keine Bedenken. Ein Feststellungsinteresse liege bei allen Beteiligten vor, da die Stadt B bereits am 2.3.2021 mitgeteilt habe, durch einen Bediensteten an der Folgeprüfung teilnehmen zu wollen.
15Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
16Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
19Die Klage ist zulässig und begründet.
20I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig.
21Hat sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).
22Infolge der Beendigung der Außenprüfung während des Klageverfahrens ist eine Teilnahme des Gemeindebediensteten an der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 nicht mehr möglich und das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage der Klägerin aufgrund der Erledigung im Grundsatz entfallen. Die Klage ist gleichwohl zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Anordnung der Teilnahme des Gemeindebediensteten an der Außenprüfung rechtswidrig war. Denn für das nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erforderliche berechtigte Interesse genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Die Rechtsprechung erkennt ein berechtigtes Interessen dabei u.a. an, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Folgejahren ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen wird und anzunehmen ist, dass das Finanzamt dabei zu seiner ursprünglichen, dem Steuerpflichtigen ungünstigen Rechtsauffassung zurückkehren wird (Wiederholungsgefahr, vgl. etwa BFH, Urteil vom 26.9.2007 I R 43/06, BStBl II 2008, 134). Diese Voraussetzungen und damit eine konkrete Wiederholungsgefahr sind vorliegend gegeben, da die Klägerin geltend gemacht hat, für die anstehende Folgeprüfung ab dem Jahr 2016 sei durch den Beklagten erneut die Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten der Stadt B vorgesehen, wobei die Klägerin weiterhin Vertragsbeziehungen zur Stadt B und deren Tochtergesellschaften unterhalte. Dies hat der Beklagte ausdrücklich bestätigt und auch im Übrigen keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klage erhoben.
23II. Die Klage ist begründet.
24Die Prüfungsanordnung war rechtswidrig, soweit darin die Teilnahme des Gemeindebediensteten angeordnet wurde.
25Gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG sind die Gemeinden hinsichtlich der Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuern: § 3 Abs. 2 AO, Art. 106 Abs. 6 Satz 1 des Grundgesetzes –GG-), die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, berechtigt, durch Gemeindebedienstete an Außenprüfungen teilzunehmen, die durch die Landesfinanzbehörden durchgeführt werden.
261. Der Beklagte war für den Erlass eines Verwaltungsakts, der das Beteiligungsrecht der Gemeinde gegenüber dem Steuerpflichtigen (Klägerin) i.S. einer Duldungspflicht regelt, formell zuständig. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil des BFH vom 23.1.2020 III R 9/18 (BStBl II 2020, 436), dessen Ausführungen er sich anschließt. Auch die Klägerin hält an ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung – so versteht der Senat den Schriftsatz vom 17.11.2020 – nicht mehr fest.
272. Allerdings steht der Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) im vorliegenden Fall einer Teilnahmebefugnis der Gemeinde entgegen.
28Im Ausgangspunkt geht der Beklagte zwar zu Recht davon aus, dass die Einräumung des Beteiligungsrechts an der Außenprüfung Bestandteil des Verwaltungsverfahrens zur Festsetzung der Gewerbesteuer ist und die Offenbarung der zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Kenntnisse über Verhältnisse des Steuerpflichtigen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gegenüber der Gemeinde zulässig ist (so auch BFH, Urteil vom 23.1.2020 III R 9/18, BStBl II 2020, 436). Für den Regelfall, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Steuerpflichtigem nur auf Rechtsbeziehungen zwischen Steuergläubiger und Steuerschuldner beschränkt, ist das Steuergeheimnis durch die einschlägigen Normen, die die Beteiligungsrechte der Gemeinde regeln, und die darin vorgesehenen Schutzmechanismen ausreichend geschützt und es bedarf keiner Abwägung im Einzelfall (vgl. ausführlich BFH, Urteil vom 23.1.2020 III R 9/18, BStBl II 2020, 436).
29Anders hat dies der 4. Senat des BFH in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes aber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gesehen, wenn Gemeinde und Steuerpflichtiger sich eben nicht nur in einem Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern als Konkurrenten oder Vertragspartner gegenüberstehen (vgl. BFH, Beschluss vom 4.5.2017 IV B 10/17, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2017, 1009).
30Der BFH führt dazu aus: „Es erscheint aber zweifelhaft, ob auf dieser Grundlage unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls ein umfassendes Informations- und Akteneinsichtsrecht in Bezug auf alle Tatsachen besteht, die für die Verwirklichung des Gewerbesteueranspruchs der Gemeinde von Bedeutung sein können […]. Im Schrifttum werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten (für eine Einschränkung etwa Suck, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 402, 406; gegen eine Einschränkung etwa Drüen, Die öffentliche Verwaltung 2012, 493, 497). Dabei betreffen die diesbezüglich vertretenen Auffassungen soweit ersichtlich nur den Regelfall, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Steuerpflichtigem nur auf Rechtsbeziehungen zwischen Steuergläubiger und Steuerschuldner beschränkt. Zwischen der Gemeinde oder dieser nachgeordneten Organisationseinheiten (z.B. Beteiligungsgesellschaften) und dem Steuerpflichtigen können zugleich aber auch noch andere Rechtsbeziehungen bestehen, etwa wenn – wie im hiesigen Fall – der Steuerpflichtige der Gemeinde gegenüber privatrechtlich vereinbarte Leistungen erbringt. Gemeinde und Steuerpflichtiger können sich auch als Wettbewerber gegenüberstehen. Werden der Gemeinde aus der Beteiligung am Verwaltungsverfahren zur Ermittlung des Gewerbeertrags Kalkulationsgrundlagen des Steuerpflichtigen bekannt, besteht die Gefahr, dass die gewonnenen Erkenntnisse insoweit zum Vorteil der Gemeinde bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verwertet werden. Ob dieser Gefahr durch institutionelle Trennung der Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde wirksam begegnet werden kann, erscheint bereits zweifelhaft. Offensichtlich besteht die Gefahr jedenfalls, wenn es an einer institutionellen Trennung fehlt, wie die Antragstellerin für ihren Fall vorträgt. Das Recht zur Offenbarung der im Besteuerungsverfahren vom FA erlangten Kenntnisse gegenüber der Gemeinde darf nach Überzeugung des Senats nur dem Zweck dienen, der Gemeinde eine wirksame Durchsetzung ihres Steueranspruchs zu ermöglichen, nicht aber dazu, ihr einen Vorteil bei einer wirtschaftlichen Betätigung zu verschaffen. Bei summarischer Betrachtung spricht deshalb viel dafür, das Beteiligungsrecht der Gemeinden so einzugrenzen, dass keine Kenntnisse der Finanzverwaltung offenbart werden, die für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde von Bedeutung sein können“ (BFH, Beschluss vom 4.5.2017 IV B 10/17, BFH/NV 2017, 1009).
31Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat sich anschließt, überwiegt im vorliegenden Fall bei einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls auf Grundlage der angefochtenen Prüfungsanordnung der Schutz des Steuergeheimnisses der Klägerin das Interesse der Gemeinde an einer Teilnahme an der Außenprüfung.
32Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin befindet sich diese nicht lediglich in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber der Stadt B, sondern erbringt dieser bzw. deren Tochtergesellschaften gegenüber Leistungen aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen. Es ist also durchaus denkbar und möglich, dass der Prüfer des Beklagten und damit auch der Gemeindebedienstete Einblicke in Kalkulationsgrundlagen für die vertraglichen Beziehungen mit der Stadt und deren Tochtergesellschaften oder in Kalkulationsgrundlagen und Vertragsbeziehungen mit anderen Kunden der Klägerin erhalten. Preisgegebene oder erhaltene Erkenntnisse im Rahmen der Prüfung können daher für eine wirtschaftliche Tätigkeit oder für andere außersteuerliche Interessen der Gemeinde von Bedeutung sein. Diese Daten sind aus Sicht der Klägerin besonders sensibel und schützenswert und daher im Rahmen der Abwägung mit besonderem Gewicht ausgestattet. Denn auch anderen Vertragspartnern gegenüber würde die Klägerin ihre Kalkulationsgrundlagen und weiteren Vertragsbeziehungen nicht ohne weiteres offenlegen.
33Demgegenüber steht das durch § 21 Abs. 3 FVG gesetzlich geregelte Einsichts- und Teilnahmerecht der Gemeinde, das letztlich auch der Umsetzung der grundgesetzlich verankerten Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) dient. Die Norm kann als „Ausgleich“ dafür gesehen werden, dass die Gemeinde als Steuergläubiger insoweit fremdbestimmt ist, dass sie an die Messbetragsfestsetzungen der Landesfinanzbehörde gebunden ist. Gerade bei der Gewerbesteuer entscheidet die Finanzverwaltung abschließend darüber, ob und inwieweit ein gewerbesteuerlicher Tatbestand verwirklicht ist (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 21 FVG Rn. 2). Um diesen Ausgleich zu gewährleisten, erhält der Gemeindebedienstete in Konstellationen, in denen Gemeinde und Steuerpflichtiger sich als Steuergläubiger und Steuerschuldner gegenüber stehen, nur Einblick in diejenigen Unterlagen, die für die Festsetzung der Gewerbesteuer relevant sind. In alle weiteren Unterlagen kann und darf er auch in diesen Konstellationen keinen Einblick erhalten (so auch BFH, Urteil vom 23.1.2020 III R 9/18, BStBl II 2020, 436).
34Stehen sich aber Gemeinde und Steuerpflichtiger – wie hier – auch als Vertragspartner gegenüber und besteht die Möglichkeit, dass Vertrags- oder Kalkulationsgrundlagen bei dem Steuerpflichtigen vorliegen, die auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer relevant sind (z.B. durch Auswirkung auf den Gewerbeertrag) und damit grundsätzlich vom Einsichtsrecht des Gemeindebediensteten umfasst sind, so ist nach Überzeugung des Senats in diesem Fall das Steuergeheimnis höher zu bewerten als das Einsichtsrecht der Gemeinde. Denn während der Gemeinde in diesem Fall nur der Einblick in einen vergleichsweise geringen Anteil der Unterlagen verwehrt wird – das Recht der Gemeinde also nur geringfügig eingeschränkt wird – wären für die Klägerin wesentliche Teile ihrer Geschäftsgrundlage – und damit letztlich auch Geschäftsgeheimnisse – einsehbar; die Gemeinde könnte sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Prüfung sich auf ältere Jahre bezieht, da auch aus den Kalkulationsgrundlagen dieser Jahre Rückschlüsse auf aktuelle Vertragsbeziehungen möglich wären.
35Es bedarf dabei – entgegen der Ansicht des Beklagten – keiner konkreten Hinweise auf eine Verletzung des Steuergeheimnisses. Nach den Ausführungen des BFH besteht bei Bekanntwerden von Kalkulationsgrundlagen die Gefahr, dass die gewonnenen Erkenntnisse insoweit zum Vorteil der Gemeinde bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verwertet werden (BFH, Beschluss vom 4.5.2017 IV B 10/17, BFH/NV 2017). Dies muss der Steuerpflichtige nicht dulden, wenn er – wie hier – substantiiert vorträgt, dass Vertragsbeziehungen zur Gemeinde bestehen und durch die Teilnahme des Gemeindebediensteten die Gefahr einer Kenntnisnahme von entsprechenden Unterlagen wie Kalkulationsgrundlagen besteht. Soweit zum Teil vertreten wird, dass als Anforderung an die bestehende Interessenkollision der Maßstab der Besorgnis, wie ihn die prozessualen Ablehnungsvorschriften (§ 42 der Zivilprozessordnung –ZPO- i.V.m. § 51 Abs. 3 FGO) vorsehen, herangezogen werden müssen (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 21 FVG Rn. 2a), braucht der Senat diese Frage im konkreten Fall nicht zu entscheiden. Denn entweder wäre ein Gemeindebediensteter aufgrund der ihm gegenüber bestehenden Weisungsbefugnis schon aus diesem Grund regelmäßig nach § 42 ZPO abzulehnen (vgl. dazu ausführlich Härtwig, Finanz-Rundschau –FR- 2018, 871), oder es liegt jedenfalls im konkreten Fall ein solcher Misstrauensgrund vor. Denn die Klägerin unterhält nicht nur in geringem Umfang Geschäftsbeziehungen zur Stadt B, sondern beliefert nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin nicht nur die Stadt selbst, sondern auch weitere Tochtergesellschaften. Vor diesem Hintergrund sowie der Tatsache, dass weder durch den Beklagten bzw. die Stadt B näher begründet wurde, warum der Gemeindebedienstete unbedingt an dieser Prüfung bzw. nach deren Abschluss nun an der Folgeprüfung teilnehmen möchte, bestehen nach Überzeugung des Senats bei objektiver Einschätzung Gründe, die geeignet sind, dem Informationsanliegen der Gemeinde zu misstrauen. Nicht ausschlaggebend ist dabei, dass auch der Gemeindebedienstete an das strafbewehrte Steuergeheimnis gebunden ist, da ansonsten die vom BFH gesehene Gefahr immer ausgeschlossen wäre (so auch Härtwig, FR 2018, 871).
36Um für einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu sorgen, ist es aus Sicht des Senats aber nicht geboten, eine Teilnahme des Gemeindebediensteten in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich und in jedem Fall zu untersagen. Das die Prüfung anordnende Finanzamt – hier also der Beklagte – muss aber – ggf. in Kooperation mit der Gemeinde – durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die erwähnten Unterlagen vom Einsichtsnahmerecht des Gemeindebediensteten ausgenommen sind, um zu gewährleisten, dass diesem keine Kenntnisse offenbart werden, die für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde von Bedeutung sein können.
37Diesen Anforderungen genügt die Prüfungsanordnung des Beklagten nicht. Zwar trägt er vor, dass die Abteilung des Gemeindebediensteten vom Fachbereich „Beteiligungsmanagement und Kämmerei“ durch unterschiedliche Fachbereichs- und Abteilungsleiter getrennt sei. Ob eine institutionelle Trennung überhaupt für einen Schutz des Steuergeheimnisses geeignet ist, bezweifelt der BFH (BFH, Beschluss vom 4.5.2017 IV B 10/17, BFH/NV 2017). Diese Zweifel teilt der Senat, zumal fraglich ist, wie ein Gericht dies überprüfen soll (so auch Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 21 FVG Rn. 2a; anders Härtwig, FR 2018, 871 und Habighorst, FR 2019, 839, die eine institutionelle Trennung als Lösungsmöglichkeit bevorzugen). Im vorliegenden Fall fehlt jedenfalls eine konkrete Darlegung, wieso die Trennung der beiden genannten Fachbereiche bzw. Abteilungen überhaupt gewährleisten könnte, dass nicht dennoch andere Fachbereichsleiter oder der Bürgermeister Kenntnisse zu Kalkulationsgrundlagen aus der Prüfung erhalten. Konkrete Maßnahmen auf Ebene der Gemeinde (z.B. eine sog. „Chinese Wall“ bzw. ein Ausschluss der Akten des Gemeindeprüfers vom Zugriff der restlichen Kommunalverwaltung, vgl. etwa Habighorst, FR 2019, 839) sind nicht benannt.
38Welche konkreten Maßnahmen im Falle der Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten zur Wahrung des Steuergeheimnisses erforderlich sind, wird unterschiedlich beurteilt. So wird neben der erwähnten institutionellen Trennung z.T. vertreten, die Prüfung nur in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen unter ständiger Anwesenheit eines Mitarbeiters des Steuerpflichtigen erfolgen zu lassen (so Pietske-Kotny, Kommunale Steuerzeitschrift 2018, 147; ablehnend Härtwig, FR 2018, 871). Andere Stimmen verlangen, dass durch organisatorische Maßnahmen ein Informationsfluss ausgeschlossen wird, der zu einer Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen führen würde (so Schmieszek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 21 FVG Rn. 17a). In Betracht komme auch eine inhaltliche Eingrenzung der bei der Teilnahme rezipierten Informationen auf solche, die keine wirtschaftliche Relevanz haben können, indem z.B. der Gemeindebedienstete an unproblematischen Teilen der Prüfung teilhaben könne, ihm aber die Teilnahme bei der Durchsicht einzelner Dokumente oder der Erörterung einzelner Umstände versagt werde (vgl. Habighorst, FR 2019, 839). Der Senat muss nicht entscheiden, ob diese Maßnahmen geeignet wären, das Interesse der Klägerin an der Wahrung des Steuergeheimnisses ausreichend zu schützen, weil die streitgegenständliche Prüfungsanordnung entsprechende Sicherungsmaßnahmen nicht enthält.
39III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
40IV. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
41V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
42VI. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, weil bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, welche Anforderungen an die Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten zu stellen sind, wenn die Gemeinde und der Steuerpflichtige in einem Vertrags,- Konkurrenz- oder Wettbewerbsverhältnis stehen.