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Der Einfuhrabgabenbescheid vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 wird hinsichtlich der Positionen 1 sowie 36 bis 90 aufgehoben.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 24. August 2017 – AT/S/N02 – in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 wird hinsichtlich der Positionen 20, 28 und 35 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin 56 % und der Beklagte 44 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin führte aus Drittländern Verbundfolien aus Kunststoff ein, die sie unter der Unterposition 3921 19 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 als mikroporöse Polypropylenfolien mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Dabei nahm sie die seinerzeit für derartige Waren nach der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 (VO Nr. 1387/2013) des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1344/2011 (ABl. EU Nr. L 354/201) geltende Zollaussetzung in Anspruch. Das Hauptzollamt X. hatte der Klägerin drei verbindliche Zolltarifauskünfte jeweils vom 10. Juli 2013 erteilt, mit der die Verbundfolien in die Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 eingereiht worden waren.
3In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... wurde die Ware als transparente, bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm beschrieben.
4In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... wurde die Ware als einseitig bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 58 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 30 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 28 bis 30 µm beschrieben.
5In der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... wurde die Ware als einseitig bunt bedruckte sowie auf der Rückseite silberfarbige Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 15 µm, einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 25 µm sowie einer Metallisierung aus Polyester beschrieben.
6Mit Art. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2015/982 (VO 2015/982) des Rates vom 23. Juni 2015 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren (ABl. EU Nr. L 159/5) wurde Art. 1 VO Nr. 1387/2013 dergestalt geändert, dass ein zweiter Absatz mit folgender Regelung hinzugefügt wurde: „Absatz 1 gilt nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten“.
7Die Klägerin meldete in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 30. Dezember 2016 in 143 Fällen Verbundfolien aus Kunststoff unter der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 zur Überführung bzw. zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dabei nahm sie die Zollaussetzung nach der VO Nr. 1387/2013 in Anspruch. Bezüglich ihrer Zollanmeldungen vom 21. Januar, 21. März, 1. November und 5. Dezember 2016 fand eine Überprüfung der zu den Anmeldungen gehörenden Unterlagen durch die Zollstelle statt. Hinsichtlich ihrer Zollanmeldungen vom 3. Juli 2015 und 9. September 2016 fand jeweils eine Beschau der eingeführten Waren durch die Zollstellen statt. Die am 3. Juli 2015 angemeldeten Waren wurden vom Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) untersucht. Dieses wies die Waren in einem Gutachten vom 9. Oktober 2015 der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 zu. Das Hauptzollamt Z. erklärte nach Vorlage des Gutachtens des BWZ mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 die zunächst nicht abschließende Festsetzung des Zolls auf 0 € für abschließend und gab die von der Klägerin erhobene Sicherheit frei.
8Das Hauptzollamt X. teilte der Klägerin mit einem Schreiben vom 21. März 2016 mit, dass die ihr erteilten drei verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 10. Juli 2013 mit Ablauf des 30. Juni 2015 ungültig geworden seien. Zur Begründung verwies es auf Art. 1 Nr. 1 VO 2015/982. Die Klägerin wandte sich daraufhin mit einer elektronischen Nachricht vom 29. März 2016 an die Generalzolldirektion – Zentrale Auskunft – in Z.. Dabei verwies sie darauf, dass nach dem Elektronischen Zolltarif der Zollverwaltung (EZT) für Waren der Codenummer 3921 1900 91 0 eine autonome Zollaussetzung vorgesehen sei. Die Generalzolldirektion teilte der Klägerin mit einer elektronischen Nachricht vom 4. April 2016 mit, die Ungültigerklärung einer verbindlichen Zolltarifauskunft bedeute nicht automatisch, dass eine entsprechende „Zolltarifnummer“ nicht mehr anwendbar sei. Da sich der Wortlaut der „Tarifnummer“ in der Verordnung (EU) 2015/2449 (VO 2015/2449) des Rates vom 14. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren (ABl. EU Nr. L 345/11) nicht geändert habe, könne die Klägerin die Nummer weiter verwenden, auch ohne eine konkrete verbindliche Zolltarifauskunft dafür zu haben. Falls sich die Folie verändert haben sollte, werde die Beantragung einer neuen verbindlichen Zolltarifauskunft empfohlen. Soweit die Antwort fachliche Ausführungen enthalte, seien diese aus rechtlichen Gründen unverbindlich.
9Im Anschluss an eine Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 6. Juli 2017) gelangte das beklagte Hauptzollamt zu der Auffassung, dass die Klägerin für die Verbundfolien die Zollaussetzung nach der VO Nr. 1387/2013 nicht habe in Anspruch nehmen dürfen, weil es sich um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt habe. Es erhob deshalb mit zwei Bescheiden vom 24. August 2017 von der Klägerin für die von ihr in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 30. Dezember 2016 abgegebenen Zollanmeldungen insgesamt 331.115,31 € Zoll nach.
10Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor: Sie habe die Verbundfolien unter dem zutreffenden Taric-Code angemeldet. Bei den Verbundfolien habe es sich nicht um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt. Die Folien hätten keine unterschiedliche chemische Zusammensetzung aufgewiesen. Der Klebstoff sei kein Bestandteil der Waren gewesen, weil der Verpackungszweck auch ohne ihn erfüllt worden sei. Dem Klebstoff sei keine tragende Bedeutung zugekommen. Der Anteil des Klebstoffs an der Gesamtware habe weniger als 3 % betragen. Die Einfügung des Abs. 2 zu Art. 1 VO Nr. 1387/2013 durch die VO 2015/982 habe nur der Klarstellung gedient. Durch diese Neuregelung seien die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte daher nicht ungültig geworden. Das BWZ habe noch nach dem Inkrafttreten der VO 2015/982 im Oktober 2015 in einem Einreihungsgutachten die Tarifierung der Verbundfolien bestätigt. Anlass für die Überprüfung sei gerade die VO 2015/982 gewesen. Darüber hinaus habe ihr die Generalzolldirektion mitgeteilt, dass sie die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte weiterhin habe verwenden dürfen. Ihr sei erst Anfang des Jahres 2017 die angebliche Ungültigkeit der verbindlichen Zolltarifauskünfte mitgeteilt worden. Sie könne sich deshalb auf Vertrauensschutz berufen.
11Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 19. Februar 2018 zurück und führte aus: Die Klägerin habe für die Verbundfolien die Zollaussetzung nach der VO Nr. 1387/2013 nicht in Anspruch nehmen dürfen, weil es sich um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt habe. Die Lage mit Klebstoff aus Polyurethan habe schon wegen ihres Umfangs nicht vernachlässigt werden dürfen. Darüber hinaus habe eine der drei Folien noch eine Verbindung mit einer Polyesterlage und einer Metallisierung aufgewiesen. Mit der Einfügung des Abs. 2 zu Art. 1 VO Nr. 1387/2013 durch die VO 2015/982 sei die Rechtslage geändert worden, um sicherzustellen, dass zukünftig nur noch Waren in den Genuss der Zollaussetzung gekommen seien, für welche diese gedacht gewesen sei. Daher seien die der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte mit dem Inkrafttreten der VO 2015/982 ungültig geworden, ohne dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen könne. Im Hinblick auf die sechs Überprüfungen der Zollanmeldungen der Klägerin könne zwar ein Irrtum der Zollbehörden angenommen werden. Der Irrtum habe von der Klägerin jedoch erkannt werden können. Anhand einer Lektüre des Amtsblatts der Europäischen Union hätte sie leicht erkennen können, dass die Zollaussetzung nicht mehr für zusammengesetzte Waren gegolten habe. Aus diesem Grund komme es nicht mehr darauf an, dass sich mehrere Zollbeamte geirrt hätten. Die Abfertigungsbeamten hätten zudem nur die Übereinstimmung der angemeldeten Waren mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren überprüft. Die Klägerin sei seit vielen Jahren im Einfuhrgeschäft tätig gewesen und habe über längere Zeit gezielt die Zollaussetzungen in Anspruch genommen. Für sie sei eine Änderung der Zollaussetzungen vorhersehbar gewesen. Ihr hätte bekannt sein müssen, dass es regelmäßig zweimal jährlich zu Änderungen der Zollaussetzungen komme. In der von ihr bei der Generalzolldirektion eingeholten Auskunft sei nicht auf die Auswirkungen der VO 2015/982 eingegangen worden.
12Die Klägerin hat mit der von ihr erhobenen Klage im ersten Rechtsgang vorgetragen: Bei den Verbundfolien habe es sich nicht um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt. Für die Verpackungsfunktion sei allein das Polypropylen entscheidend gewesen. Der Klebstoff und die Farbe hätten zudem nur eine Dicke von etwa 5 µm gehabt. Sie könne sich jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen. Es habe sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt. Ihr seien mehrfach vermeintlich unzutreffende Auskünfte erteilt worden. Die ihr von der Generalzolldirektion erteilte Auskunft sei eindeutig gewesen. Das beklagte Hauptzollamt habe zudem im Einspruchsverfahren Aussetzung der Vollziehung gewährt und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtslage komplex gewesen sei.
13Das beklagte Hauptzollamt hat im ersten Rechtsgang vorgetragen: Für die Frage, ob es sich bei den Verbundfolien um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt habe, könne es nicht darauf ankommen, ob der Klebstoff aus Polyurethan von tragender Bedeutung und gleichwertig wie die Folien aus Polypropylen gewesen sei. Die Untersuchung einer vergleichbaren Verbundfolie habe eine Dicke der Polyurethanschicht von 3,82 µm ergeben, was 6,76 % der gesamten Dicke der Ware entsprochen habe.
14Der Senat hat die Klage mit Urteil vom 12. Juni 2019 abgewiesen. Auf die vom Senat zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil des Senats mit Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19 (BFH/NV 2022, 628) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt: Die der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 10. Juli 2013 seien nicht mit Ablauf des 30. Juni 2015 gemäß Art. 12 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex – ZK –) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften unwirksam geworden. Die VO 2015/982 habe nicht zu einer Rechtsänderung geführt, weil es sich bei der Regelung des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 um eine Klarstellung gehandelt habe. Das beklagte Hauptzollamt sei allerdings nur insoweit zur Nacherhebung des Zolls berechtigt, als sich die Klägerin unter der Geltung des Zollkodex in ihren Zollanmeldungen nicht auf eine der ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen habe oder diese nicht gemäß Art. 252 Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 (UZK-DelVO) der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. EU Nr. L 343/1) für beide Seiten verbindlich gewesen seien. Eine Bindung des beklagten Hauptzollamts an die verbindlichen Zolltarifauskünfte habe darüber hinaus auch dann nicht bestanden, wenn die eingeführten Waren nicht den begutachteten Waren entsprochen hätten. Soweit die verbindlichen Zolltarifauskünfte für die Einfuhren nicht bindend gewesen seien, sei der Zoll bei der Annahme der Zollanmeldungen zunächst in einer zu geringen Höhe festgesetzt worden, weil die Klägerin für die von ihr eingeführten Folien zu Unrecht die Zollaussetzung nach Art. 1 i.V.m. Anhang I der VO Nr. 1387/2013 für mikroporöse Polypropylenfolien mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm aus der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 in Anspruch genommen habe. Die Folien seien in die Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 99 einzureihen. Soweit die Einfuhrabgaben in zu geringer Höhe festgesetzt worden seien, sei dies auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden geschehen, weil die im Rahmen der Abfertigung beteiligten Zollstellen aktiv gehandelt hätten. Bezüglich der Zollanmeldungen vom 21. Januar, 21. März, 1. November und 5. Dezember 2016 habe eine Überprüfung der zu den Anmeldungen gehörenden Unterlagen stattgefunden. Zur Prüfung der Zollanmeldungen vom 3. Juli und 9. September 2016 sei eine Beschau durchgeführt worden. Die am 3. Juli 2015 angemeldeten Waren seien zudem durch das BWZ untersucht worden. In jedem Fall sei der Taric-Code 3921 19 00 91 0 für die eingeführten Waren bestätigt worden. Hinsichtlich der übrigen Zollanmeldungen liege ebenfalls ein aktiver Irrtum der Zollbehörden vor, weil diese in großer Zahl fehlerhafte Zollanmeldungen angenommen hätten, indem sie den zu Unrecht angegebenen Taric-Code 3921 19 00 91 0 akzeptiert hätten. Es könne nicht abschließend entschieden werden, ob sich die Klägerin auf Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK berufen könne, weil sie den Irrtum der Zollbehörden bei der Gewährung der Zollaussetzung für die von ihr eingeführten Verbundfolien vernünftigerweise nicht habe erkennen können. Im zweiten Rechtsgang werde das Finanzgericht daher zu prüfen haben, inwieweit die von der Klägerin vorgenommenen Einfuhren von der Bindungswirkung der verbindlichen Zolltarifauskünfte erfasst gewesen seien und ob die Klägerin den Irrtum der Zollbehörden vernünftigerweise hätte erkennen können, oder ob sie sich auf Vertrauensschutz berufen könne. Hinsichtlich einer etwaigen Bindungswirkung der verbindlichen Zolltarifauskünfte habe das Finanzgericht festzustellen, ob sich die Klägerin, soweit die Einfuhren noch unter der Geltung des ZK durchgeführt worden seien, in ihren Zollanmeldungen auf die jeweilige verbindliche Zolltarifauskunft berufen habe. Ferner habe das Finanzgericht zu klären, ob die eingeführten Waren mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beurteilten Waren übereingestimmt hätten. Soweit die Anwendung des Taric-Codes 3921 19 00 91 0 nicht durch die verbindlichen Zolltarifauskünfte vorgegeben sei, sei der Zoll zunächst in zu geringer Höhe festgesetzt worden. In diesem Fall habe das Finanzgericht zu prüfen, ob die Klägerin den Irrtum der Zollbehörden vernünftigerweise hätte erkennen können. Dabei werde es ernsthaft in Erwägung zu ziehen haben, dass im Rahmen der Abfertigung in mehreren Fällen die dazugehörigen Unterlagen geprüft worden seien oder eine Beschau durchgeführt worden sei. Zudem habe das BWZ die am 3. Juli 2015 angemeldeten Waren untersucht und der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 zugewiesen. Dies falle insofern besonders ins Gewicht, als es sich bei dem BWZ um eine spezialisierte Abteilung der Zollverwaltung handele und diese Untersuchung eine der ersten der hier zu beurteilenden Einfuhren betroffen habe. Das Finanzgericht werde auch zu bedenken haben, dass sogar mehreren Zollstellen ein Irrtum unterlaufen sei. Zwar sei durch die VO 2015/982, die am 25. Juni 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei, in Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 ausdrücklich klargestellt worden, dass die in Anhang I aufgeführten Zollaussetzungen nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthielten, gegolten hätten. Im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Einfuhren ab dem 3. Juli 2015 sei diese Klarstellung somit im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht gewesen und hätte beachtet werden müssen. Allerdings werde das Finanzgericht bei seiner erneuten Prüfung feststellen müssen, ob diese Veröffentlichung hinreichend klar und verständlich gewesen sei, zumal im Streitfall auch die an der Prüfung der Waren beteiligten Zollstellen den Ausschluss der Zollaussetzung nicht erkannt hätten.
15Die Klägerin trägt im zweiten Rechtsgang vor: In dem Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 30. April 2016 habe sie sich in 63 Zollanmeldungen auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 10. Juli 2013 berufen. In 27 Zollanmeldungen habe sie sich in ihren Zollanmeldungen in diesem Zeitraum nicht auf die verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 1. Juli 2022 übersandte Aufstellung (Bl. 194 ff. GA) Bezug genommen. Sie habe sich auch in sämtlichen in dem Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2016 abgegebenen Zollanmeldungen auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen. Die angemeldeten Waren hätten in allen betroffenen Fällen mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren übereingestimmt. Die Klägerin hat insoweit mit Schriftsätzen vom 9. September 2022 Handelsrechnungen, Gutschriften, Lastschriften und Order übersandt (Bl. 529 ff. GA).
16Die Klägerin beantragt,
17die beiden Einfuhrabgabenbescheide vom 24. August 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 aufzuheben.
18Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Das beklagte Hauptzollamt trägt im zweiten Rechtsgang vor: Der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 1. Juli 2022 übersandten Aufstellung der Zollanmeldungen, in denen sie sich auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen habe, könne im Wesentlichen gefolgt werden. In den Fällen der Positionen 11 und 33 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – habe die Klägerin sich jedoch gleichfalls auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ... und DE ... berufen. In den Fällen der Positionen 82, 84 bis 86 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – habe sich die Klägerin auf keine der ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen. Im Übrigen könne lediglich in sechs Fällen festgestellt werden, dass die von der Klägerin angemeldeten Waren der in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... beschriebenen Ware entsprochen hätten. Es handele sich hierbei um die Zollanmeldungen zu den Positionen 1, 64 und 79 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – sowie die Zollanmeldungen zu den Positionen 20, 28 und 35 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N02. In allen anderen Fällen habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von ihr angemeldeten Waren den in den verbindlichen Zolltarifauskünften vom 10. Juli 2013 beschriebenen Waren entsprochen hätten. In ihren Zollanmeldungen habe sie in keinem Fall die Dicke der jeweiligen Folie und die Dicke der einzelnen Schichten in Übereinstimmung mit den verbindlichen Zolltarifauskünften beschrieben. Die bloße Nennung der verbindlichen Zolltarifauskunft in den Zollanmeldungen habe eine genauere Warenbeschreibung nicht ersetzen können.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage ist teilweise begründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt Zoll hinsichtlich der Positionen 1 sowie 36 bis 90 nacherhoben hat. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 24. August 2017 – AT/S/N02 – in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt hinsichtlich der Positionen 20, 28 und 35 Zoll nacherhoben hat. Im Übrigen sind die Einfuhrabgabenbescheide vom 24. August 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2018 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
23Rechtsgrundlage für die Festsetzung und Mitteilung der nachträglich buchmäßig erfassten Zollschuldbeträge (Art. 105 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union – Unionszollkodex – UZK) sind die Art. 101 Abs. 1, 102 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um Verfahrensvorschriften, die deshalb zum Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Einfuhrabgabenbescheide auch in den Fällen anzuwenden waren, in denen die Zollschuld vor dem 1. Mai 2016 (Art. 288 Abs. 2 UZK) entstanden ist (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – EuGH –, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-201/04, Slg. 2006, I-2070 Randnr. 31, 36 – zu Art. 221 Abs. 1 ZK).
24Nach dem Urteil des BFH vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19 (BFH/NV 2022, 628) ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Zollaussetzung nach Art. 1 i.V.m. Anhang I der VO Nr. 1387/2013 für mikroporöse Polypropylenfolien mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm aus der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 nicht in Anspruch nehmen durfte (§ 126 Abs. 5 FGO). Die von der Klägerin angemeldeten Folien sind in die Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 99 einzureihen und unterlagen daher einem Zollsatz von 6,5 %.
25Gleichwohl hat das beklagte Hauptzollamt bezüglich der Positionen 1, 64, 71 und 79 des Einfuhrabgabenbescheids – AT/S/N01 –, d.h. hinsichtlich der Zollanmeldungen vom 3. Juli 2015 – AT/C/N04 –, vom 21. Januar 2016 – AT/C/N05 –, vom 15. Februar 2016 – AT/C/N06 – und vom 21. März 2016 – AT/C/N07 –, die Zollschuldbeträge zu Unrecht nachträglich festgesetzt und der Klägerin mitgeteilt. Insoweit war das beklagte Hauptzollamt an die der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte gebunden (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK), so dass der ursprünglich mitgeteilte Abgabenbetrag dem zu entrichtenden Einfuhrabgabenbetrag entsprach (Art. 101 Abs. 1 UZK).
26Der BFH hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19 (BFH/NV 2022, 628) die Auffassung vertreten, dass die verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 10. Juli 2013 nicht gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i ZK im Hinblick auf die ab dem 1. Juli 2015 geltende VO 2015/982 ungültig geworden seien. Es dürfte zweifelhaft sein, ob dies mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang steht. Hiernach sind Verordnungen für die Tarifierung von Waren auch bei einer etwaigen Klarstellung rechtsgestaltender Art und können deshalb keine Rückwirkung entfalten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2001 Rs. C-479/99, Slg. 2001, I-4391 Randnr. 31). Gleichwohl ist die rechtliche Beurteilung der Sache durch den BFH im Streitfall der Entscheidung des erkennenden Senats zugrunde zu legen. Die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO geht zwar nicht soweit, dass sie den erkennenden Senat daran hindern könnte, den EuGH nach Art. 267 Unterabs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (EuGH, Urteile vom 16. Januar 1974 Rs. 166/73, Slg. 1974, 33 Randnr. 4; vom 5. Oktober 2010 Rs. C-173/09, ECLI:EU:C:2010:581 Randnr. 32). Solange das Finanzgericht allerdings von einem solchen Vorabentscheidungsersuchen absieht, ist es gemäß § 126 Abs. 5 FGO an die rechtliche Beurteilung des BFH gebunden (vgl. BFH, Urteil vom 8. November 1983 VII R 141/82, BFHE 140,11).
27Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 1. Juli 2022 (Bl. 194 ff. GA) dargelegt, in welchen Fällen sie sich in ihren in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 26. April 2016 abgegebenen Zollanmeldungen auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen hat. Danach will sie sich in 27 Fällen (Positionen 3, 5, 9, 11, 13, 15, 17, 18, 24, 28, 29, 31, 33, 36, 41, 44, 48, 50, 54, 55, 59, 63, 65, 70, 72, 75 und 76 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01) nicht auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen haben.
28Das beklagte Hauptzollamt hat diesen Vortrag der Klägerin im Wesentlichen bestätigt (Bl. 491 GA). Abweichend von der Klägerin hat das beklagte Hauptzollamt vorgetragen, dass diese sich auch hinsichtlich der Zollanmeldung vom 6. August 2015 – AT/C/N08 (Position 11 des Einfuhrabgabenbescheids AT/S/N01) und hinsichtlich der Zollanmeldung vom 13. Oktober 2015 – AT/C/N09 (Position 33 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01) auf die verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ... und DE ... berufen habe. Das lässt sich auch teilweise den von der Klägerin übersandten Zollanmeldungen entnehmen (Bl. 252 und 310 GA). Andererseits hat das beklagte Hauptzollamt vorgetragen, dass die Klägerin sich hinsichtlich der Zollanmeldungen zu den Positionen 82 sowie 84 bis 86 des Einfuhrabgabenbescheids AT/S/N01 nicht auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen habe. Das ist unzutreffend. Aus den von der Klägerin übersandten Unterlagen ergibt sich vielmehr, dass sich die Klägerin hinsichtlich dieser Zollanmeldungen vom 6. April 2016 (AT/C/N10), vom 11. April 2016 (AT/C/N11 und AT/C/N12) und vom 12. April 2016 (AT/C/N13) auf die verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ... berufen hat (Bl. 399, 405, 408, 423 GA).
29Insgesamt kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Zollanmeldungen zu den Positionen 1, 2, 4, 6 bis 8, 10 bis 12, 14, 16, 19 bis 23, 25 bis 27, 30, 32 bis 35, 37 bis 40, 42, 43, 45 bis 47, 49, 51 bis 53, 56 bis 58, 60 bis 62, 64, 66 bis 69, 71, 73, 74, 77 bis 90 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01 – auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen hat.
30Soweit sich die Klägerin auf die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte berufen hat, muss sie darüber hinaus nachweisen, dass die angemeldeten Waren den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren in jeder Hinsicht entsprochen haben (Art. 12 Abs. 3 Anstrich 1 ZK). Sie trifft insoweit die Nachweispflicht (vgl. Rinnert in Wolffgang/Jatzke, UZK, Art. 33 Randnr. 14; Schulte in Witte, UZK, 8. Auflage, Art. 33 Randnr. 33). Erforderlich ist hierfür nicht eine völlige Übereinstimmung. Eine verbindliche Zolltarifauskunft bindet die Zollbehörde vielmehr auch hinsichtlich solcher Einfuhrwaren, deren Beschaffenheit von derjenigen der in der Auskunft beschriebenen Ware abweicht, sofern es sich um erzeugnis- oder herstellungsbedingte Abweichungen bei Beschaffenheitsmerkmalen handelt, die für die Tarifierungsentscheidung der die Auskunft erteilenden Zollbehörde erkennbar ohne Bedeutung waren und keine Auswirkung auf das Einreihungsergebnis haben können (BFH, Urteil vom 26. Januar 2012 VII R 17/11, BFH/NV 2012, 1497).
31Im Streitfall kann ganz überwiegend nicht festgestellt werden, dass die in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 26. April 2016 von der Klägerin angemeldeten Waren den in den verbindlichen Zolltarifauskünften vom 10. Juli 2013 beschriebenen Waren in jeder Hinsicht entsprochen haben. Die Klägerin hat zunächst nur unsubstantiiert vorgetragen, die angemeldeten Waren hätten mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren übereingestimmt. Es ist danach nicht nachzuvollziehen, ob dies zumindest hinsichtlich der tarifierungserheblichen Beschaffenheitsmerkmale der Waren jeweils der Fall war. Nichts anderes ergibt sich aus den Warenbeschreibungen in den Zollanmeldungen der Klägerin (Art. 71 Abs. 2 ZK). Diese hat die Waren in ihren Zollanmeldungen überwiegend als „Verbundfolie aus Kunststoff, Folienaufbau nicht heißsiegelbarer Bereich – coextrudiert, biaxial gerecktes Polypropylen (20 µm, coronabehandelt), heißsiegelbarer Bereich-coextrudiert, Konterdruck im Tiefdruckverfahren“ beschrieben. Teilweise hat sie die Waren auch lediglich als „bedruckte Folie – mikroporös aus Polypropylen mit einer Dicke von 55 µm“ oder als „mikroporöse Polypropylenfolie, bedruckt, Stärke 55 Mikrometer, zur Verwendung als Verpackungsfolie“ beschrieben. Die Angaben in den Zollanmeldungen der Klägerin lassen keinen Rückschluss auf die Beschaffenheitsmerkmale zu, die in den ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünften beschrieben worden sind. Insbesondere kann nach den Warenbeschreibungen in den Zollanmeldungen nicht festgestellt werden, dass es sich bei den in dem Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis zum 26. April 2016 von der Klägerin angemeldeten Waren jeweils um solche handelte, die aus zwei Polypropylenfolien bestanden, zwischen denen sich ein Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan befand. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass eine weiß geschäumte Polypropylenfolie mit einer Metallisierung aus Polyester vorhanden war. All das sind indessen tarifierungserhebliche Eigenschaften, die schon unter Berücksichtigung des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 in der Fassung der VO 2015/892 Auswirkungen auf das Einreihungsergebnis haben können (vgl. BFH, Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19, BFH/NV 2022, 628). Zudem handelt es sich bei den im Vergleich zu den verbindlichen Zolltarifauskünften fehlenden Beschaffenheitsangaben in den Zollanmeldungen der Klägerin nicht um erzeugnis- oder herstellungsbedingte Abweichungen.
32Das beklagte Hauptzollamt hat jedoch eingeräumt, dass in den Fällen der Positionen 1, 64, und 79 des Einfuhrabgabenbescheids – AT/S/N01 –, d.h. hinsichtlich der Zollanmeldungen vom 3. Juli 2015 – AT/C/N04 –, vom 21. Januar 2016 – AT/C/N05 – und vom 21. März 2016 – AT/C/N07 –, Übereinstimmung mit der in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... beschriebenen Ware festgestellt worden sei. Das lässt sich anhand der Akten (Bl. 111, 144 und 158 der Einspruchsakte) nachvollziehen. Darüber hinaus hat die Vertreterin des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass hinsichtlich der Position 71 – Zollanmeldung vom 15. Februar 2016 – AT/C/N06 – Übereinstimmung mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren festgestellt worden sei. Zur Position 73 des Einfuhrabgabenbescheids – AT/S/N01 – konnte die Vertreterin des beklagten Hauptzollamts nur eine teilweise Übereinstimmung mit den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren feststellen. Bezüglich der von den Positionen 1, 64, 71 und 79 erfassten Zollanmeldungen hat das beklagte Hauptzollamt mithin den Zoll schon deshalb zu Unrecht nachträglich mitgeteilt, weil der ursprünglich mitgeteilte Einfuhrabgabenbetrag dem zu entrichtenden Abgabenbetrag entsprach (Art. 101 Abs. 1 UZK; Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK).
33Unbeschadet dessen hat das beklagte Hauptzollamt die Einfuhrabgabenbeträge nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK hinsichtlich der in dem Zeitraum vom 19. Oktober 2015 bis zum 26. April 2016 abgegebenen Zollanmeldungen (Positionen 36 bis 90 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01) der Klägerin zu Unrecht nachträglich mitgeteilt. Der BFH hat bereits festgestellt, dass die Einfuhrabgaben auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden in zu geringer Höhe festgesetzt worden sind, weil die im Rahmen der Abfertigungen beteiligten Zollstellen aktiv gehandelt haben (BFH, Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19, BFH/NV 2022, 628). Die Klägerin konnte diese Irrtümer der Zollbehörden jedenfalls ab dem 18. Oktober 2015, der Bekanntgabe des Bescheids des Hauptzollamts Z. vom 15. Oktober 2015 (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung), vernünftigerweise nicht mehr erkennen.
34Die Erkennbarkeit eines Irrtums der zuständigen Zollbehörden ist unter Berücksichtigung seiner Art, der Berufserfahrung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 26. März 2015 Rs. C-7/14 P, ECLI:EU:C:2015:205 Randnr. 56). Die Art des Irrtums ist anhand des Komplexitätsgrades der betreffenden Regelung sowie der Länge des Zeitraums, in dem die Behörden in ihrem Irrtum verharrten, zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 26. März 2015 Rs. C-7/14 P, ECLI:EU:C:2015:205 Randnr. 57). Ein Zollschuldner kann nicht einwenden, dass von ihm keine weiter gehenden Kenntnisse verlangt werden könnten, als von einem sich irrenden Zollbeamten. Denn andernfalls würde allein schon das Vorliegen eines Irrtums einer Zollbehörde einer Nacherhebung entgegenstehen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 1990 Rs. C-64/89, Slg 1990, I-2535 Randnr. 17). Gegen eine Erkennbarkeit eines Irrtums der zuständigen Behörde für den Zollschuldner kann es sprechen, wenn die Behörde wiederholt und über einen längeren Zeitraum unzutreffend gehandelt hat (EuGH, Urteile vom 26. Juni 1990 Rs. C-64/89, Slg. 1990, I-2535 Randnr. 20 sowie vom 14. Mai 1996 Rs. C-153/94 und C-204/94, Slg. 1996, I-2465 Randnr. 104). Von der Erkennbarkeit eines Irrtums ist allerdings bei einem gewerbsmäßigen Einführer auszugehen, wenn dieser sich durch eine Lektüre der einschlägigen Amtsblätter der Europäischen Union Gewissheit über das auf seine Geschäfte anwendbare Unionsrecht hätte verschaffen können (EuGH, Urteile vom 28. Juni 1990 Rs. C-80/89, Slg. 1990, I-2659 Randnr. 14 sowie vom 26. November 1998 Rs. C-370/96 Slg. 1998, I-7711 Randnr. 26). Anderes kann nur dann gelten, wenn der Irrtum der Zollbehörden auch bei einer Lektüre des Amtsblatts der Europäischen Union nicht hätte erkannt werden können, weil die veröffentlichten Rechtsvorschriften unklar sind und zu Zweifeln Anlass geben (BFH, Urteil vom 19. Juni 2013 VII R 31/12, BFH/NV 2013, 1651).
35Bei der Klägerin handelt es sich unzweifelhaft um eine gewerbsmäßige Einführerin, die jahrelang eine Zollaussetzung für Verbundfolien in Anspruch genommen hat. Es oblag ihr deshalb, sich durch eine Lektüre der einschlägigen Amtsblätter der Europäischen Union Gewissheit über das auf ihre Geschäfte anwendbare Unionsrecht zu verschaffen. Aus Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1387/2013 ergab sich, dass die Kommission die Zollaussetzungen jederzeit überprüfen konnte. Eine solche Überprüfung hatte nach Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 in dem in Anhang I festgelegten Jahr zu erfolgen. Die Klägerin musste mithin damit rechnen, dass die Vorschriften über die von ihr in Anspruch genommene Zollaussetzung für Verbundfolien sich jederzeit ändern konnten. Auf die Lektüre der Veröffentlichungen im EZT durfte sie sich dabei nicht beschränken, weil es sich bei dem EZT nur um eine unverbindliche Zusammenstellung der für die Berechnung der Einfuhrabgaben maßgeblichen Faktoren handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juni 1990 Rs. C-80/89, Slg. 1990, I-2659 Randnr. 13 f.).
36Gleichwohl hätte die Klägerin die Irrtümer der Zollbehörden auch bei einer Lektüre des Amtsblatts der Europäischen Union jedenfalls ab dem 18. Oktober 2015 nicht mehr erkennen können, weil die darin veröffentlichte Rechtsvorschrift des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013, die durch Art. 1 Nr. 1 VO 2015/982 eingefügt worden ist, für sie vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des Streitfalls ab dem 18. Oktober 2015 unklar geworden sein musste und daher zu Zweifeln Anlass gab.
37Bezüglich der Zollanmeldung vom 3. Juli 2015 fand eine Beschau der eingeführten Waren durch die Zollstelle statt. Die am 3. Juli 2015 angemeldeten Waren wurden vom BWZ untersucht. Dieses hat die Waren in seinem Gutachten vom 9. Oktober 2015 der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 zugewiesen. Die Begutachtung der Folien durch das BWZ hat besonderes Gewicht, weil es sich hierbei um eine spezialisierte Abteilung der Zollverwaltung handelt und die von dieser durchgeführte Untersuchung eine der ersten der hier zu beurteilenden Einfuhren betraf (vgl. BFH, Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19, BFH/NV 2022, 628). Es kann zwar nicht mehr festgestellt werden, wann die Klägerin Kenntnis von dem Gutachten des BWZ vom 9. Oktober 2015 erlangt hat. Die Vertreterin des beklagten Hauptzollamts hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass derartige Gutachten nicht dem Anmelder, sondern ausschließlich der Zollstelle übersandt würden. Das Hauptzollamt Z. hat jedoch nach der Vorlage des Gutachtens des BWZ vom 9. Oktober 2015 mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 die zunächst nicht abschließende Festsetzung des Zolls auf 0 € für abschließend erklärt und die von der Klägerin erhobene Sicherheit freigegeben (Bl. 122 der Einspruchsakte). Nach der Bekanntgabe des Bescheids vom 15. Oktober 2015 am 18. Oktober 2015 war für die Klägerin mithin auch vor dem Hintergrund der am 25. Juni 2015 veröffentlichten Rechtsvorschrift des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 nicht mehr erkennbar, dass die Zollstellen die von ihr abgegebenen Zollanmeldungen, in denen sie den Taric-Zusatzcode 91 0 angegeben hatte, zu Unrecht angenommen haben. Die Zollstelle hatte überdies bis zum 18. Oktober 2015 eine erhebliche Anzahl von 35 unzutreffenden Zollanmeldungen der Klägerin ohne Beanstandungen angenommen.
38Es mag zwar viel dafür sprechen, dass das BWZ bei der Begutachtung der Probe vom 3. Juli 2015 die Regelung des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013, die durch Art. 1 Nr. 1 VO 2015/982 eingefügt worden war, übersehen hat. Das war für die Klägerin bei dem Erhalt des Bescheids des Hauptzollamts Z. vom 15. Oktober 2015 allerdings nicht erkennbar. Für die Klägerin stellte sich die Sachlage vielmehr so dar, dass mehrere Zollstellen ihre Zollanmeldungen, mit denen sie die Verbundfolien unter der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 angemeldet hatte, trotz der Regelung des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 weiterhin in Übereinstimmung mit den ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünften nach einer Überprüfung der Zollanmeldung vom 3. Juli 2015 akzeptiert hatten. Die Klägerin hat bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen, dass die Überprüfung der am 3. Juli 2015 entnommenen Warenprobe durch das BWZ im Oktober 2015 und Bestätigung des von ihr angemeldeten Taric-Zusatzcodes 91 0 besondere Bedeutung für sie gehabt habe. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalls war für die Klägerin daher nach dem 18. Oktober 2015 insbesondere nicht mehr zu erkennen, dass der Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan dazu führte, dass die Verbundfolien als aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 angesehen werden konnten.
39Die Klägerin konnte die Irrtümer der Zollbehörden auch nicht erkennen, nachdem das Hauptzollamt X. ihr mit dem Schreiben vom 21. März 2016 mitgeteilt hatte, dass die ihr erteilten drei verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 10. Juli 2013 mit Ablauf des 30. Juni 2015 ungültig geworden seien. Das Hauptzollamt X. hat zur Begründung seiner Auffassung lediglich auf Art. 1 Nr. 1 VO 2015/982 verwiesen. Unter Berücksichtigung der Begutachtung der Probe vom 3. Juli 2015 durch das BWZ im Oktober 2015 war diese Regelung für die Klägerin indes unklar und gab zu Zweifeln Anlass. Die Auskunft der Generalzolldirektion vom 4. April 2016 brachte für die Klägerin auch keine Klarheit, weil die Generalzolldirektion ihr mitgeteilt hat, dass die Ungültigerklärung einer verbindlichen Zolltarifauskunft nicht automatisch bedeute, dass eine entsprechende „Zolltarifnummer“ nicht mehr anwendbar sei. Die Generalzolldirektion hat der Klägerin überdies mitgeteilt, dass sich der Wortlaut der „Tarifnummer“ in der VO 2015/2449 nicht geändert habe und sie die „Tarifnummer“ weiter verwenden könne, auch ohne eine konkrete verbindliche Zolltarifauskunft dafür zu haben. Das stand allerdings im Einklang mit dem Ergebnis der Begutachtung der Probe vom 3. Juli 2015 durch das BWZ in seinem Gutachten vom 9. Oktober 2015.
40Anders als die Vertreterin des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, hat die Kläger auch gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten (Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK). Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, seinerzeit davon ausgegangen zu sein, dass die Klägerin die Zollaussetzung habe in Anspruch nehmen dürfen. Dies hat zunächst offensichtlich auch die Zollverwaltung so gesehen. Von daher hat der Senat keine Zweifel an der Gutgläubigkeit der Klägerin.
41Die Klägerin hat auch alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten. Insoweit muss der Anmelder grundsätzlich sämtliche Angaben machen, die nach den Gemeinschaftsvorschriften oder den nationalen Regelungen, die diese Vorschriften gegebenenfalls ergänzen oder umsetzen, für die beantragte Zollbehandlung der fraglichen Ware erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 Rs. C-173/06, Slg. 2007, I-8783 Randnr. 33). Diese Verpflichtung kann jedoch nicht über die Angabe der Daten hinausgehen, die der Anmelder vernünftigerweise kennen und sich beschaffen konnte, so dass es genügt, wenn die Angaben, auch wenn sie unrichtig sind, in gutem Glauben gemacht wurden (EuGH, Urteil vom 14. Mai 1996 Rs. C-153/94 und C-204/94, Slg. 1996, I-2465 Randnr. 109). Die Klägerin konnte jedenfalls ab dem 18. Oktober 2015 auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen davon ausgehen, dass sie die Zollaussetzung in Anspruch nehmen durfte. Sie durfte daher in gutem Glauben die Waren unter der Unterposition 3921 19 00 KN mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 anmelden.
42Hinsichtlich der in dem Zeitraum vom 2. Mai bis zum 30. Dezember 2016 von der Klägerin abgegebenen Zollanmeldungen (Positionen 91 bis 99 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N01 sowie Positionen 1 bis 44 des Einfuhrabgabenbescheids vom 24. August 2017 – AT/S/N02) ist die Klage im Wesentlichen unbegründet.
43Die Klägerin muss gemäß Art. 33 Abs. 4 Buchst. a UZK i.V.m. Art. 252 Satz 1 UZK-DelVO nachweisen, dass die angemeldeten Waren den in den verbindlichen Zolltarifauskünften vom 10. Juli 2013 beschriebenen Waren in jeder Hinsicht entsprochen haben. Das ist ihr überwiegend nicht gelungen.
44Die Klägerin hat insoweit zunächst lediglich unsubstantiiert vorgetragen, es habe Nämlichkeit zwischen den angemeldeten Waren und den in den verbindlichen Zolltarifauskünften beschriebenen Waren bestanden. Aus den Warenbeschreibungen in den Zollanmeldungen der Klägerin (Art. 191 Abs. 2 UZK) ergibt sich dies nicht. Diese hat die Waren in ihren Zollanmeldungen überwiegend als „Verbundfolie aus Kunststoff, Folienaufbau nicht heißsiegelbarer Bereich – coextrudiert, biaxial gerecktes Polypropylen (20 µm, coronabehandelt), heißsiegelbarer Bereich-coextrudiert, Konterdruck im Tiefdruckverfahren“ beschrieben. Teilweise hat sie die Waren auch lediglich als „bedruckte Folie – mikroporös aus Polypropylen mit einer Dicke von 55 µm“ oder als „mikroporöse Polypropylenfolie, bedruckt, Stärke 55 Mikrometer, zur Verwendung als Verpackungsfolie“ beschrieben. Die Angaben in den Zollanmeldungen der Klägerin lassen mithin keinen Rückschluss auf die Beschaffenheitsmerkmale zu, die in den ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünften beschrieben worden sind. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei den in dem Zeitraum vom 2. Mai bis zum 30. Dezember 2016 von der Klägerin angemeldeten Waren jeweils um solche handelte, die aus zwei Polypropylenfolien bestanden, zwischen denen sich ein Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan befand. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass eine weiß geschäumte Polypropylenfolie mit einer Metallisierung aus Polyester angemeldet worden ist. All das sind indessen tarifierungserhebliche Eigenschaften, die Auswirkungen auf das Einreihungsergebnis haben (vgl. BFH, Urteil vom 19. Oktober 2021 VII R 27/19, BFH/NV 2022, 628).
45Aus den von der Klägerin mit Schriftsätzen vom 9. September 2022 übersandten Handelsrechnungen, Gutschriften, Lastschriften und Ordern (Bl. 529 ff. GA) ergibt sich nichts Anderes. Die Warenbezeichnungen in diesen Unterlagen lassen keinen konkreten Bezug zu den in den verbindlichen Zolltarifauskünften vom 10. Juli 2013 beschriebenen Waren zu. Soweit in den Aufträgen der Klägerin (Bl. 566 ff. GA) Materialbeschreibungen enthalten sind – wie z.B. „Material: 30 µ OPP (TSS) / 30 µ OPP white (ESS)“ –, entsprechen auch diese Angaben nicht den Warenbezeichnungen der in den verbindlichen Zolltarifauskünften vom 10. Juli 2013 beschriebenen Waren. Insbesondere ist aus den Materialbeschreibungen in den Aufträgen der Klägerin nicht ersichtlich, dass die betreffenden Waren aus zwei Polypropylenfolien bestanden, zwischen denen sich jeweils ein Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan befand.
46Abweichendes gilt lediglich in den Fällen der Positionen 20, 28, und 35 des Einfuhrabgabenbescheids – AT/S/N02 –, d.h. hinsichtlich der Zollanmeldungen vom 9. September 2016 – AT/C/N14 –, vom 2. November 2016 – AT/C/N15 – und vom 6. Dezember 2016 – AT/C/N16. Insoweit hat das beklagte Hauptzollamt vorgetragen, dass Übereinstimmung mit der in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ... beschriebenen Ware festgestellt worden sei (Bl. 491 GA). Dass lässt sich anhand der vorliegenden Akten (Bl. 167, 176 und 185 der Einspruchsakte) nachvollziehen. Bezüglich dieser Zollanmeldungen hat das beklagte Hauptzollamt den Zoll deshalb zu Unrecht mitgeteilt, weil der ursprünglich mitgeteilte Einfuhrabgabenbetrag dem zum entrichtenden Betrag entsprach (Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, 101 Abs. 1 UZK).
47Im Übrigen kann sich die Klägerin hinsichtlich der Zollschuldbeträge, die gemäß Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 UZK in dem Zeitraum vom 2. Mai bis zum 30. Dezember 2016 entstanden sind, nicht mit Erfolg auf Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b Unterabs. 1 ZK berufen. Da es sich bei Art. 220 Abs. 2 Buchstabe a Unterabs. 1 ZK um eine materiell-rechtliche Vorschrift handelt, ist hinsichtlich der ab dem 1. Mai 2016 entstandenen Zollschuldbeträge Art. 119 Abs. 1 UZK anzuwenden (BFH, Beschluss vom 24. Juli 2017 VII B 165/16, BFH/NV 2017, 1637). Ein Anspruch auf eine Erstattung oder den Erlass der Einfuhrabgabenbeträge kann die Rechtmäßigkeit der Abgabenbescheide vom 24. August 2017 nicht in Frage stellen, weil ein solcher Anspruch mit einer Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) zu verfolgen ist.
48Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 2 FGZ. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht mehr vorliegen.