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Die Feststellungsbescheide 2009/2010 vom … werden aufgehoben.
Die Feststellungsbescheide 2010/2011 vom … werden aufgehoben.
Die Feststellungsbescheide 2011/2012 vom … werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2[Wegen § 30 AO stark gekürzt]
3Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einkünfte einer in der Schweiz ansässigen Tochtergesellschaft der Klägerin in Deutschland der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG unterliegen.
4Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft und hält u.a. 100% der Anteile an der B, einer Gesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland.
5B betreibt zum einen das Großhandelsgeschäft der A-Gruppe als zentrale Einkäuferin und ist zum anderen Franchisegeberin des Franchisesystems. Sowohl die externen Franchisenehmer wie auch die eigenen Vertriebsgesellschaften beziehen ihre Produkte überwiegend von der B, aber auch direkt von externen Lieferanten. Die B wiederum erwirbt die Produkte von externen Lieferanten. Zudem schließt die B die Franchiseverträge mit den externen Franchisenehmern ab
6Die Klägerin ist weiterhin zu 100% an der Z beteiligt.
7Die Z wurde am … als Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, gegründet. Der Geschäftsbetrieb der Z befindet sich in gemieteten Büroräumen in D, Schweiz. Die Bürofläche betrug in den Streitjahren ca. x qm, zusätzlich wurden Archivräume im Keller sowie x Parkplätze angemietet.. Die monatliche Miete betrug x CHF. Der Mitarbeiterbestand der Z setzte sich in den Wirtschaftsjahren 2009 bis 2011 wie folgt zusammen: […]
8Die Personalkosten beliefen sich in den Streitjahren auf x CHF.
9Die Z verfügte in der Schweiz über folgende Infrastruktur:
10- Büro- und Geschäftsausstattung
11- Telefonanlage […],
12- EDV-Anlage
13-
14- Software
15[…]
16Gemäß den Statuten der Z leitet der Verwaltungsrat die Geschäfte der Gesellschaft. Dieser bestand aus x Mitgliedern. Der Verwaltungsrat entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht durch Gesetz oder Statuten der Generalversammlung oder der Revisionsstelle vorbehalten waren. Herr M wurde durch den Verwaltungsrat mit der Geschäftsführung der Z betraut. Er ist seit … hauptberuflich für die Z am Standort der Z in der Schweiz tätig. Er … verfügte über folgende Qualifikationen: […]
17Z obliegt innerhalb der A-Gruppe das zentrale Abrechnungs- und Delkrederegeschäft für den Wareneinkauf. Sie führt die Zahlungsregulierung für die A-Gruppe – insbesondere die B (=interne Abnehmerin und interne Lieferantin) und die Vertriebsgesellschaften (= interne Abnehmer) –, sowie für die Franchisenehmer (= externe Abnehmer) und die externen nationalen und internationalen Lieferanten (= externe Lieferanten) durch. Zudem trägt sie das Risiko des Zahlungsausfalls gegenüber externen Lieferanten. In den Streitjahren erzielte sie außerdem Zinseinkünfte, die sich im Wesentlichen zusammensetzten aus Verzugszinsen und aus Zinsen aus der kurzfristigen Anlage der vereinnahmten Gelder.
18In 2009 umfassten die Geschäftsbeziehungen der Z mit fremden Dritten insgesamt x externe Lieferanten (davon x in der Schweiz ansässig) und über x externe Franchisepartner. Mit in der Schweiz ansässigen Unternehmen tätigte die x folgende Umsätze: […]
19Die Z erbrachte ihre Zahlungsdienstleistungen stets auf Grundlage eines eigenständigen schriftlichen Vertrages mit dem jeweiligen Lieferanten und Abnehmer, der neben die Lieferverträge trat.
20Alle externen Unternehmen, die die A-Gruppe beliefern wollten (externe Lieferanten), sollten in den Streitjahren einen Vertrag mit der Z unterzeichnen. Nach Angaben der Klägerin haben jedoch nicht alle externen Lieferanten, insbesondere für die B bedeutende Lieferanten einen entsprechenden Vertrag mit der Z abgeschlossen. In diesen Fällen sei dann oftmals dennoch eine Abrechnung über die Z – ohne Vertrag – erfolgt.
21Der Vertragsschluss über die Lieferungen und die Lieferungen selbst erfolgten zwischen den jeweiligen Vertragspartnern; die Abrechnung jedoch über die Z. Die Z verpflichtete sich gegenüber dem externen Lieferanten, dessen Forderungen aus den Warenlieferungen zu begleichen (=Übernahme des Delkredere) unabhängig von der Zahlung des Abnehmers an die Z. Die Fälligkeit der Forderungen des Lieferanten aus den Warenlieferungen richtete sich nach den mit dem Abnehmer gesondert vereinbarten Zahlungsbedingungen. Für diese Leistungen der Z war eine Gegenleistung iHv x% der über das Abrechnungsverfahren mit der Z abgewickelten Umsätze vereinbart.
22Einen gleichlautenden Vertrag über die Bezahlung der Forderungen – ohne Übernahme des Delkredererisikos - schloss die Z ebenfalls mit der B als „Lieferant“ (= interner Lieferant) für deren Lieferungen an die Vertriebsgesellschaften … (= interne Abnehmer).
23In den in den Streitjahren geltenden Franchiseverträgen zwischen der B und den Franchisenehmern (=externe Abnehmer) war vereinbart, dass die Franchisenehmer zur Zahlungsabwicklung ihres Einkaufs einen Vertrag mit der Z abschließen mussten.
24Die Z zog die jeweiligen Rechnungsbeträge im Wege des Bank-Abbuchungsverfahrens vom Konto des Franchisenehmers ein. Die dem Forderungseinzug unterliegenden Beträge waren mit einer eigenen – von der zugrundeliegenden Rechnung unabhängigen – Fälligkeit versehen. Für ihre Leistungen erhielt die Z vom Franchisenehmern/externen Abnehmern eine Vergütung iHv x% des über das Abrechnungsverfahren abgewickelten Bruttoumsatzes.
25Eine gleichlautende Vereinbarung schloss die Z mit der B als Abnehmer von Lieferungen von externen Lieferanten sowie mit den Vertriebsgesellschaften (=interne Abnehmer) als Abnehmer von Lieferungen der B.
26Die Z erzielte in den Streitjahren folgende Umsätze/Einkünfte: […]
27In der Schweiz wurden auf die von der Z erzielten Einkünfte folgende Steuern gezahlt:
28[…]
29Am … erließ das […] für die Besteuerung nach § 18 AStG zuständige (FA) einen Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 18 Abs. 1-3 AStG für das Wirtschaftsjahr 2009/Feststellungsjahr 2010 betreffend. Mit Bescheiden vom … erließ das FA Feststellungsbescheide nach § 18 AStG für die Wj/Fj 2010/2011 und 2011/2012.
30Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Hinzurechnungsbesteuerung.
31Entscheidungsgründe
32Die Klage ist zulässig und begründet.
33[Ausführungen zur Zulässigkeit nicht veröffentlicht; Ausführungen zur Begründetheit wegen § 30 AO gekürzt]
34Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
35Die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung sind nicht erfüllt. Die Z erzielt in der Schweiz aktive Einkünfte (siehe unter A.)
36Zudem stellt die Hinzurechnungsbesteuerung ab dem Wirtschaftsjahr 2011/Feststellungsjahr 2012 einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar (siehe unter B.)
37A. Die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung sind nicht erfüllt.
38Die Z ist keine Zwischengesellschaft iSv § 8 Abs. 1 AStG.
39Sie erzielt aktive Einkünfte – und zwar sowohl in Form des Betriebs eines Kreditinstituts iSv § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG als auch in Form von Dienstleistungen iSv § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG.
40I. Nach § 18 Abs.1 Satz 1 AStG sind die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG gesondert festzustellen. Zu den Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 18 Abs.1 Satz 1 AStG gehören nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG abziehbaren Steuern und die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte. Nicht dazu gehören der Hinzurechnungsbetrag und der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag. Sie zählen nicht zu den Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG. Ihr Ansatz hat nur nachrichtlichen Charakter.
41Dies bedeutet, dass jede festzustellende Besteuerungsgrundlage für sich zu beurteilen ist. Für jede Besteuerungsgrundlage ist § 96 Abs.1 Satz 2 FGO zu beachten (BFH-Urteil vom 15.03.1995 I R 14/94, BStBl II 1995, 502).
42Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat, zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die die Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG). Eine ausländische Gesellschaft ist Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AStG bezeichneten Tätigkeiten stammen (§ 8 Abs. 1 AStG).
43Die Klägerin ist als unbeschränkt Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu 100% an der Z, mit Sitz in der Schweiz, beteiligt (§ 7 Abs. 1 AStG).
44Unstreitig ist hinsichtlich der Z, dass diese eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Drittland ist, und dort […] einer Ertragsteuerbelastung von weniger als 25% unterliegt. Die Voraussetzung einer Niedrigbesteuerung iSv § 8 Abs. 3 AStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung ist gegeben. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
45II. Die nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AStG zu prüfenden Tätigkeiten der Z sind bei funktionaler Betrachtungsweise einheitlich zu beurteilen.
461. Übt eine ausländische Gesellschaft unterschiedliche Tätigkeiten aus, erfordert eine einheitliche Subsumtion unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG, dass bei funktionaler Betrachtung von wirtschaftlich zusammengehörenden Tätigkeiten auszugehen ist.
47Dabei ist die Tätigkeit maßgebend, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt. Stehen die verschiedenen Tätigkeiten in keinem engeren wirtschaftlichen Zusammenhang, so sind die aus ihnen stammenden Einkünfte jeweils für sich und getrennt voneinander unter § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren. Das Vorliegen eines solchen engeren wirtschaftlichen Zusammenhangs und damit eine einheitlich zu beurteilende Tätigkeit liegt insbesondere vor, wenn die Tätigkeiten im Verhältnis von Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer Haupttätigkeit stehen. Aufgrund der § 8 Abs. 1 AStG zugrundeliegenden gesetzgeberischen Grundentscheidung zur segmentierenden Betrachtung, ist zudem zu berücksichtigen, dass Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht eigenständig unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren sind, auch wenn sie mit anderen Tätigkeiten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, ob die Einzeltätigkeit eine eigenständige Funktion hat und gleichwertig neben die Dienstleistungstätigkeit tritt (vgl. Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld Außensteuerrecht (F/W/B/S), § 8 AStG Rz. 31 ff und Rz. 37; BFH-Urteil vom 18.12.2019 I R 59/17 BStBl II 2021, 270; FG Münster, Urteil vom 6.02.2024 2 K 842/19, IStR 2024, 441).
482. Die Tätigkeiten der Z sind in drei Bereiche zu unterteilen:
49- Zahlungsabwicklung (sowohl auf Lieferanten- als auch auf Abnehmerseite)
50- Übernahme des Delkredere […]
51- Zinseinkünfte
52a) Die eigentliche Tätigkeit der Z ist die eines Zentralregulierers im Bereich des Wareneinkaufs, mithin die Zahlungsabwicklung. Da sie in den Einkauf von externen Lieferanten an die B oder an andere … Abnehmer oder von der B an die ausländischen externen wie internen Abnehmer und inländischen internen Abnehmer zwischengeschaltet ist, wird sie hinsichtlich desselben Zahlungsvorgangs auf beiden Seiten tätig und leitet das Geld zur Bezahlung der Lieferantenrechnungen 1:1 durch.
53Die Zahlungsabwicklung ist ungeachtet der Tatsache, dass die Verträge mit Lieferanten (=Überweisung der Forderung bei Skonto-Fälligkeit) und Abnehmern (=Einzug der Rechnungsbeträge nach gesondert vereinbarter Fälligkeit als Sammelabbuchung) der Art der Leistungen nach zwangsläufig unterschiedliche Handlungen beinhalten, eine zusammengehörende Tätigkeit.
54[…] ist ein Teil der Zahlungsabwicklung […]. Auch das […] ist nur eine unselbständige Nebenleistung, die sich mit Hilfe der eingesetzten Computerprogramme ohne großen Aufwand generieren lässt, […].
55b) Zivilrechtlich selbständig von der Zahlungsabwicklung und auch nur gegenüber externen Lieferanten übernimmt die Z das Risiko des Forderungsausfalls (Delkredere), […].
56Auch unter Berücksichtigung der im Gesetz angelegten segmentierenden Betrachtung handelt es sich bei der Übernahme des Delkredere […] im Rahmen der funktionalen Betrachtungsweise um eine wirtschaftlich eng mit der Zahlungsabwicklung zusammenhängende Tätigkeit, die lediglich eine Nebentätigkeit zur Zahlungsabwicklung darstellt.
57Das wirtschaftliche Schwergewicht liegt auf der Zahlungsabwicklung. Diese macht x% der Gesamtumsätze der Z aus.
58Die Zahlungsabwicklung ist die Haupttätigkeit der Z, und zwar nicht nur gemessen an den Umsätzen, sondern auch am Umfang der tatsächlich zur jeweiligen Leistungserbringung erforderlichen Tätigkeiten.
59Die Übernahme des Delkredere erfordert hingegen gar kein tatsächliches Tätigwerden der Z.
60[…]
61c) Auch die Zinseinkünfte der Z stehen in einem engen tatsächlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung. Dies gilt sowohl für die vereinnahmten Verzugszinsen bei nicht eingelösten Lastschriften als auch für die vereinnahmten Zinsen aufgrund kurzfristiger Kapitalanlagen.
62Bei der Zahlungsabwicklung handelt es sich – wie bereits dargelegt – um die Tätigkeit der Z, auf der das wirtschaftliche Schwergewicht liegt.
63Im Verhältnis zu den Zinseinkünften wird dies noch deutlicher als bei der Übernahme des Delkredere. Denn gemessen an den Gesamtumsätzen der Z entfallen lediglich x% auf die Zinseinkünfte. Auch inhaltlich stehen die Zinseinkünfte in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung. Der überwiegende Teil stellt Verzugszinsen dar, die dann anfallen, wenn die Konten der Abnehmer zum Einzugszeitpunkt nicht ausreichend gedeckt sind. Sie hängen damit unmittelbar mit der Zahlungsabwicklung zusammen als eine Art Vertragsstrafe wegen einer Pflichtverletzung der Abnehmer durch eine nicht ausreichende Kontodeckung. Die übrigen Zinsen (Tagesgeld etc) stehen inhaltlich ebenfalls im Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung. Dass die Z die bei ihr durchgeleiteten Gelder kurzfristig gewinnbringend anlegt, wenn es aufgrund der unterschiedlichen Fälligkeiten auf Abnehmer- und Lieferantenseite zu einem Guthaben bei der Z kommt, ist ebenfalls Ausfluss der vertraglichen Gestaltung der Zahlungsabwicklung und zur Gewinnoptimierung wirtschaftlich sinnvoll.
64[…].
65III. Die Z erzielt mit ihrer Tätigkeit aktive Einkünfte aus dem Betrieb eines Kreditinstituts iSv § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG.
661. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht stammen aus dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen, die für ihre Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten, es sei denn, die Geschäfte werden überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, oder solchen Stpfl. i. S. des § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Personen betrieben.
672. Die von der Z ausgeübten Tätigkeiten fallen unter den Betrieb eines Kreditinstituts. Dabei kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Zahlungsabwicklung einerseits und […] [die Übernahme des Delkredere] andererseits bei funktionaler Betrachtungsweise zu einer Tätigkeit zusammengefasst werden können bzw. müssen.
68a) Der Begriff des Kreditinstituts ist im AStG nicht definiert. Es liegt auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Einzelvorschrift vor.
69aa) Die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ist – bis auf einige Ergänzungen – bereits in der ersten Fassung des AStG enthalten. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich lediglich, dass der ursprünglich verwendete Begriff „Bankgeschäfte“ im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch den Begriff des Kreditinstituts ersetzt wurde. Ausführungen dazu, wie der Begriff „Bankgeschäft“ oder „Kreditinstitut“ zu verstehen sein soll oder aus welchen Erwägungen gerade dieser Wirtschaftszweig (zusammen mit den Versicherungsunternehmen) im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung privilegiert werden sollte, finden sich nicht (vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S § 8 AStG Gesetzesmaterialien; unter 1. Gesetzesleitsätze der Bundesregierung vom 17.12.1970, unter 2. Erster REfE v. 23.12.1970; und unter 3. KabE v. 30.06.1971).
70Durch das ATADUmsG (Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtline) vom 30.06.2021 wurde die Vorschrift u.a. dahingehend geändert, dass nunmehr der Betrieb von … „Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten, die einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Absatzes 2 nachgehen“, begünstigt ist. Gleiches gilt für Finanzunternehmen im Sinne des Kreditwesengesetzes, an denen Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent beteiligt sind.
71Zwar wird nun mit dem Begriff „Finanzdienstleistungsunternehmen“ ein weiterer Begriff des KWG übernommen. Ob hierdurch eine Änderung/Erweiterung oder lediglich eine Klarstellung des Anwendungsbereiches erfolgen sollte, ist aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28652 S. 55) nicht erkennbar.
72bb) Die h.L. und auch die Finanzverwaltung haben bereits vor der Neuregelung durch das ATADUmsG auf die Definition des „Kreditinstituts“ in § 1 Abs. 1 KWG zurückgegriffen (AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.1; Vogt in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 AStG Rz. 91; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 87; FG Baden-Württemberg Urteil vom 18.10.1995, 12 K 90/95, EFG 1996, 350), auch wenn die Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG nicht abschließend für die Auslegung von § 8 Abs. 1 Nr. 3 KWG ist. Denn die Definition in § 1 Abs. 1 KWG ist zu eng und für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung zu erweitern. Von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG erfasst werden alle Tätigkeiten, die eine Bank üblicherweise tätigt, auch wenn sie nicht unter § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG fallen. Dies deckt sich im Wesentlichen auch mit der Auffassung der Finanzverwaltung (AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.1: Kreditinstitute sind gewerbliche Unternehmen, die Geschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG und andere, nach der Verkehrsauffassung der Kreditwirtschaft zuzurechnende Geschäfte in kreditwirtschaftlicher Weise betreiben).
73Die Notwendigkeit einer erweiternden Anwendung folgt zum einen daraus, dass es sich bei dem „Kreditinstitut“ stets um eine ausländische Gesellschaft bzw. einen ausländischen Rechtsträger handelt, die an das KWG nicht gebunden ist. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob die zu beurteilende Gesellschaft dem Begriff des Kreditinstituts nach Maßgabe des jeweiligen ausländischen Unternehmenstypus entspricht (so Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S § 8 AStG Rz. 86.1). Entscheidend für eine (Hinzurechnungs-)Besteuerung in Deutschland ist die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers, welche Tätigkeiten privilegiert sein sollen. Hierfür kann nicht entscheidend sein, welche Geschäfte in dem Niedrigsteuerland, das möglicherweise keinen ausgeprägten Bankensektor hat, als Bankgeschäfte angesehen werden (Reiche in: Haase, AStG/DBA, § 8 AStG, Rz. 32; Geurts in: Fuhrmann, § 8 AStG Rz. 76).
74Zum anderen ist zu beachten, dass die Definition in § 1 KWG auf aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten beruht, da das KWG die Aufsichtspflicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) über Kreditinstitute und andere Unternehmen regelt.
75cc) Vor dem Hintergrund der Neufassung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG und um die Weiterfassung des Begriffs des Kreditinstituts zu konkretisieren, gehören neben den Kernbereichen aufsichtspflichtiger Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG jedenfalls auch die Tätigkeiten der Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG (und der Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG) zum Betrieb eines Kreditinstituts.
76Denn das KWG geht in § 1 von einem Stufenverhältnis aus, wonach Kreditinstitute iSv § 1 Abs. 1 KWG die am stärksten regulierten Unternehmen sind und als solche auch Geschäftstätigkeiten eines Finanzdienstleistungsinstituts iSv § 1 Abs. 1a KWG (und eines Finanzunternehmens iSv § 1 Abs. 3 KWG als am wenigsten reguliertes Unternehmen) wahrnehmen dürfen (ebenso: Geuts in: Fuhrmann, § 8 AStG Rz. 77; Ehlermann in: Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen (S/K/K), § 8 AStG, Rz. 59; Freis-Janik in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht (K/M/F/S) III. 2.114).
77dd) Zudem zählen auch die Zahlungsdienste nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG in der im Streitjahr geltenden Fassung zum Betrieb eines Kreditinstituts.
78Denn ein Teil der ursprünglich im KWG geregelten Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte wurde zum 1.11.2009 in das neu geschaffene Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz (ZAG) überführt. Dieses diente der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG) in nationales Recht.
79Zuvor konnten nur Kreditinstitute Girogeschäfte iSv § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG a.F. erbringen und Finanzdienstleister Finanztransfergeschäfte (§ 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG aF). Sie unterlagen somit vollständig der Aufsicht durch die BaFin. Ab dem 01.11.2009 hingegen sollte nach den Vorgaben der Zahlungsdiensterichtlinie zwischen Kreditinstituten, E-Geld-Instituten und Zahlungsinstituten freier Wettbewerb und aufsichtsrechtliche Gleichbehandlung für die Anbieter im Zahlungsverkehr gelten. Zahlungsinstitute durften nunmehr als neuer Konkurrent Zahlungsdienste im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf der Grundlage ihrer gemäß § 8 Abs. 1 ZAG erteilten Erlaubnis erbringen; einer Bankerlaubnis bedurften sie für das im Annex der Richtlinie umschriebene Kerngeschäft im Zahlungsverkehr mithin nicht. Einlagenkreditinstitute durften hingegen zukünftig allein aufgrund ihrer für Bankgeschäfte erteilten Erlaubnis weiterhin Zahlungsdienste erbringen (Gesetzesbegründung zum ZAG BT-Drs. 16/11613 S. 27).
80b) Danach erzielt die Z Einkünfte aus dem Betrieb eines Kreditinstituts.
81aa) Die Zahlungsabwicklung ist als Finanztransfergeschäft bis zum 31.10.2009 eine Finanzdienstleistung nach dem KWG und danach ein Zahlungsdienst nach dem ZAG.
82(1) Die Zahlungsabwicklung der Z stellt kein Bankgeschäft iSv § 1 Abs. 2 KWG dar.
83Sie fällt insbesondere nicht unter den Begriff des Girogeschäfts iSv § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG in der bis zum 31.10.2009 geltenden Fassung. Danach war die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft) ein Bankgeschäft.
84Girogeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG ist die Durchführung bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausschließlich durch die Erteilung von Gut- und Lastschriften auf Konten, die über zwischengeschaltete Konten Dritter (Clearing-Stellen) miteinander verknüpft sind (VG Frankfurt, Urteil vom 04.06.2009 1 K 4151/08.F, juris). Rechtliche Grundlage ist der Abschluss eines formularmäßigen Girovertrages, dessen Mindestinhalt § 676f BGB bestimmt.
85Insbesondere ist hierzu erforderlich, dass der Betreiber eines Girogeschäfts selbst der Auslösende des Zahlungsvorgangs sein muss (vgl. § 675f Abs. 4 BGB). Eine Unterstützung bei der Übermittlung des Zahlungsauftrages oder die Einreichung einer Lastschrift oder auch die Zwischenschaltung eines eigenen Bankkontos des weiteren Dienstleisters ohne dabei selbst ein multilaterales Verrechnungssystem zu betreiben reichen als solche nicht aus (vgl. BaFin Merkblatt– Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) vom 22.12.2011, geändert am 31.01.2024, S. 10 zur Definition Betreiber eines Zahlungsdienstes iSd § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZAG nF).
86Ein Zahlungskonto iSv § 1 Abs. 3 ZAG aF ist ein auf den Namen eines Zahlungsdienstleistungsnutzers lautendes und der Ausführung von Zahlungsvorgängen dienendes Konto, das die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister innerhalb der Geschäftsbeziehung buch- und rechnungsmäßig darstellt und für den Zahlungsdienstnutzer dessen jeweilige Forderung gegenüber dem Zahlungsdienstleister bestimmt.
87Dies hat die Z offenkundig nicht getan. Sie hat keine eigenen Giro- bzw. Zahlungskonten für ihre Kunden eingerichtet und unterhalten, sondern lediglich den Zahlungsverkehr über ein bzw. mehrere auf ihren Namen bei Banken unterhaltenen Girokonten abgewickelt.
88Die alleinige buchhalterische Erfassung der durchgeleiteten Zahlungen auf Debitoren- und Kreditorenkonten stellt keine Führung eines Zahlungskontos dar.
89(2) Die Zahlungsabwicklung ohne Unterhalten eines eigenen Zahlungskontos stellt ein Finanztransfergeschäft iSv § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG in der bis zum 31.10.2009 geltenden Fassung dar und wurde dementsprechend von Finanzdienstleistungsunternehmen iSv § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG erbracht.
90Mit Wirkung vom 01.11.2009 wurde § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG (und § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG) aufgehoben und in das Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz (ZAG) überführt. Finanztransfergeschäfte stellen seither einen Zahlungsdienst dar, der von einem Zahlungsdienstleister iSv § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ZAG in der im Streitjahr geltenden Fassung ausgeführt wird.
91Finanztransfergeschäfte sind nach § 1 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG die Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen des Zahlers oder des Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an einen Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird.
92Ursprünglich zur Unterstützung der Geldwäscheprävention als erlaubnispflichtige Dienstleistung in das KWG aufgenommen, wurde das Finanztransfergeschäft durch die Neuregelung und Überführung ins ZAG im Rahmen der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes allgemein für unbare Zahlungen einer weiteren Bedeutung zugeführt. Er soll als Auffangtatbestand für Dienstleistungen fungieren, die in der auftragsmäßigen Übermittlung von Geldern bestehen. Erfasst werden soll jeder Zahlungsvorgang, bei dem zwischen Zahlungsdienstleister und dem Zahlungsdienstnutzer keine kontenmäßige Beziehung begründet wird (vgl. BaFin Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) vom 22.12.2011, geändert am 31.01.2024, S. 17f. und BT-Drs. 16/1163, S. 35).
93Hierunter ist die Zahlungsabwicklung der Z zu subsumieren. Die Z tritt insoweit gegenüber ihren Vertragspartnern als Zahlungsdienstleister auf, indem sie Gelder übermittelt.
94Sie überweist die Kaufpreisforderungen auf die (Zahlungs-)Konten der internen und externen Lieferanten und zieht die entsprechenden Beträge von den Konten der internen und externen Abnehmer ein, ohne selbst Zahlungskonten zu unterhalten.
95Die Ausnahme in § 1 Abs. 10 Nr. 2 ZAG ist im Streitfall nicht einschlägig. Danach sind keine Zahlungsdienste Zahlungsvorgänge zwischen Zahler und Zahlungsempfänger über einen Zentralregulierer, der befugt ist, den Verkauf oder Kauf von Waren oder Dienstleistungen im Namen des Zahlers oder des Zahlungsempfängers auszuhandeln oder abzuschließen.
96Die Z war jedoch am zustande kommen der zugrundeliegenden Kaufverträge nicht beteiligt. Diese wurde ausschließlich zwischen Lieferant und Abnehmer ausgehandelt und abgeschlossen.
97bb) Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Übernahme des Delkredere […] auch bei einer eigenständigen, segmentierenden Betrachtung unter den Begriff des Kreditinstituts fallen würde.
98[…]
993. Die Klägerin unterhält für ihre Geschäfte auch einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb.
100a) Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. ist gegeben, wenn das Unternehmen so ausgestattet ist, dass es über eine personelle und sachliche Mindestausstattung für Bank- oder Versicherungsgeschäfte verfügt und für die Geschäfte eines Bank- oder Versicherungsunternehmens die nach dem jeweiligen ausländischen Recht erforderlichen Handelsbücher führt und Bilanzen aufstellt. Das Erfordernis des in kaufmännischer Weise eingerichteten Betriebs betrifft unmittelbar (nur) die Organisation des Betriebs, nicht aber das Erfordernis, selbst und ausschließlich eine entsprechende Tätigkeit "am Markt" auszuüben (vgl. Reiche in Haase, AStG/DBA, § 8 AStG Rz 34; Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz 101 f.; BFH-Urteil vom 13.10.2010 I R 61/09, BStBl II 2011, 249)
101Lt. AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.5 unterhalten Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen einen für ihre Geschäfte in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb, wenn die Unternehmen sachlich und personell so ausgestattet sind, dass sie mit Fremden Bank- oder Versicherungsgeschäfte in einem ein Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen begründenden Umfang abschließen und ausführen können.
102b) Die Z verfügte an ihrem Sitz in D über angemietete Büroräume, die notwendige technische Ausstattung (insbesondere PC, Telefon, Internet, Server, Software) und über ausreichend in Anzahl und Qualifikation vorhandenes Personal, um die von ihr abrechneten Leistungen Zahlungsabwicklung, [Übernahme Delkredere] und Zinsen selbständig zu erbringen.
103Die Z ist eine nach dem Recht der Schweiz gegründete juristische Person und dort im Handelsregister (und bei den zuständigen Behörden) registriert worden. Sie ist in der Schweiz zur Führung einer doppelten Buchführung verpflichtet (Art. 957 Abs. 1 Obligationenrecht –OR-); insbesondere zur Buchführung (Art. 957a OR) und zur Rechnungslegung. Dies erfolgt durch Aufstellung einer Erfolgsrechnung, einer Bilanz und eines Anhangs (Art. 958 OR).
104Die Z verfügt über eine laufende doppelte Buchführung und stellt auf den 31.12. Bilanzen auf. Die laufende Buchführung erfolgt zwar in Euro, die Bilanzen werden jedoch in CHF aufgestellt. Da die Z nicht unter das Schweizerische Bankrecht fällt, sind insoweit keine besonderen Vorschriften zu beachten.
1054. Die Z betreibt ihre Geschäfte nicht überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an ihr beteiligt sind (= der Klägerin) oder mit der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Personen.
106Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 2. HS AStG liegt eine Zwischengesellschaft auch bei Einkünften aus dem Betrieb von Kreditinstituten vor, wenn die Geschäfte überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die an der Gesellschaft beteiligt sind, oder mit diesen nahestehenden Personen betrieben werden.
107a) § 8 Abs.1 Nr. 3 AStG enthält eine nach dem Alles-oder-Nichts Prinzip ausgestaltete Rückausnahme. Wenn die Geschäfte der ausländischen Gesellschaft – im Streitfall der Z – überwiegend mit einem bestimmten Personenkreis betrieben werden, gelten alle Einkünfte der Gesellschaft als passiv; auch diejenigen, die mit anderen Personen betrieben werden.
108aa) Das Tatbestandsmerkmal “überwiegend” bedeutet angesichts des eindeutigen Wortlautes mehr als die Hälfte (vgl. FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.07.1995 6 K 216/88, EFG 1996, 350).
109bb) „Geschäfte“ als die relevante Bezugsgröße sind in diesem Zusammenhang alle aufgrund vertraglicher Grundlage von der Klägerin gegenüber ihren Vertragspartnern erbrachten Leistungen.
110Der Streit, ob ausschließlich auf das Aktiv- oder Passivgeschäft oder auf beides abzustellen ist (vgl. insoweit hierzu FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.07.1995 6 K 216/88, EFG 1996, 350; AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.6), ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, weil die Z keine für ein Kreditinstitut übliche, in Aktiv- oder Passivgeschäft unterteilbare Tätigkeit ausübt. Unter Aktivgeschäft fällt bei einem Kreditinstitut die Ausgabe von Geldern (insbes. Kreditvergabe) und unter Passivgeschäft dessen Refinanzierung, d.h. die Annahme (und Anlage) von Geldern (insbes. das Einlagegeschäft).
111Die Z erbringt Leistungen im Bereich der Zahlungsabwicklung, wo sie zwar fremde Gelder vereinnahmt und weiterleitet. Hierbei handelt es sich jedoch um eine 1:1 Weiterleitung, d.h. jeder Weiterleitung steht eine Vereinnahmung in derselben Höhe gegenüber. Die Z gibt keine Gelder aus in Form von Darlehensvergaben und refinanziert ihre Tätigkeit nicht aus der Annahme von Einlagen. Sie erhebt für ihre Tätigkeiten Gebühren und finanziert sich daraus. […] Die Z bildet Rückstellungen und stellt entsprechende Mittel bereit aus nicht entnommenen Gewinnen, sie verfügt über das durch Kapitalschutzvorschriften geschützte Eigenkapital und […].
112cc) Zwar definiert das AStG nicht, was unter „Betreiben“ von Geschäften zu verstehen ist. Mit der herrschenden Meinung in der Literatur ist indes davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um eine besondere Mitwirkung handelt, sondern es vielmehr darauf ankommt, wer die (zivilrechtlichen) Vertragspartner der ausländischen Gesellschaft sind (Rödel in: Kraft AStG § 8 Rz. 202; Geurts in: Fuhrmann, § 8 Rz. 91; Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 106). Die Finanzverwaltung scheint dem grundsätzlich zu folgen, erkennt jedoch die rein formale Zwischenschaltung von fremden Dritten nicht an (AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.7). Eine rein formale Zwischenschaltung von fremden Dritten liegt im Streitfall erkennbar nicht vor.
113b) Maßstab für das Merkmal des „Überwiegens“ ist im Streitfall die Höhe der Umsätze unter Einbeziehung des Gewinns und der abgeschlossenen Verträge
114(1) Angesichts des ungenauen Gesetzeswortlautes kommen als Bezugsgröße grundsätzlich sowohl die Zahl der abgeschlossenen Geschäfte als auch der Gewinn und der Umsatz in Betracht, wobei sich aus dem Gesetz ebenfalls nicht ergibt, ob einer der genannten Bezugsgrößen stets der Vorzug zu geben ist, oder ob das Überwiegen anhand einer Mischformel zwischen Umsatz, Gewinn und Anzahl der […] Geschäfte zu ermitteln ist.
115Im Wege einer wertenden Betrachtungsweise sind daher die genannten Bezugsgrößen – soweit möglich – kumulativ nebeneinander zu stellen und ein Überwiegen zumindest für zwei Bezugsgrößen festzustellen (Geurts in: Fuhrmann, § 8 AStG Rz. 95). Zusätzlich ist eine Gewichtung der Bezugsgrößen vorzunehmen. So ist ein alleiniges Abstellen auf die Anzahl der Geschäfte jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn die einzelnen Geschäfte wirtschaftlich nicht gleichwertig sind (FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.07.1995 6 K 216/88, EFG 1996, 350; ebenso Vogt in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 AStG Rz. 99; grundsätzlich nicht sachgerecht: Rödel in: Kraft AStG § 8 Rz. 206). Auch nach der „Gewichtungsformel“ der Finanzverwaltung (in AEAStG 2004 Tz. 8.1.3.6) sind die Geschäfte nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gewichten, wobei auf die Bedeutung der mit ihnen zusammenhängenden Wirtschaftsgüter in der Bilanz zurückgegriffen werden kann.
116(2) Im Streitfall ist eine Aufteilung der Geschäfte anhand der Höhe der Umsätze/des Gewinns und auch der abgeschlossenen Verträge möglich.
117Da die Z über kein besonderes, nur zu bestimmten Leistungen (an nahestehende Personen) verwendetes Anlagevermögen verfügt und auch keine bestimmten Leistungen zuzuordnende Betriebsausgaben hat, führt eine Aufteilung anhand der Umsätze und des Gewinns zum gleichen Ergebnis. Die zugrunde zu legenden Umsätze ergeben sich aus der Tabelle x […].
118Die Klägerin hat mitgeteilt, dass die Z im Wj 2009 Verträge mit x externen Lieferanten und über x Franchisepartnern (externe Abnehmer) ausführte. Die Anzahl der […] Vertriebsgesellschaften […], mit denen ein Vertragsverhältnis bestehen kann, beläuft sich auf maximal x.
119Eine Aufteilung anhand der Anzahl der Geschäftsvorfälle bzw. eine entsprechende Gewichtung ist hingegen im Streitfall nicht möglich. Da die Umsätze sich prozentual an der Höhe der zugrundeliegenden Rechnungen orientieren, hat der Senat versucht, die einzelnen Rechnungen, d.h. die einzelnen Geschäftsvorfälle zu ermitteln. Die Klägerin hat mitgeteilt, dass ihr dies für die Streitjahre technisch nicht möglich sei. […]
120c) Sowohl die Umsätze, der Gewinn als auch die Vertragsverhältnisse der Z entfallen nicht zu mehr als der Hälfte auf die Klägerin oder auf eine dieser nahestehenden Person iSv § 1 Abs. 2 AStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung.
121aa) Mit der Klägerin selbst hat die Z weder einen Vertrag abgeschlossen noch erbringt sie dieser gegenüber Umsätze.
122bb) Die Z erbringt Umsätze bzw. hat Vertragsverhältnisse mit anderen Gesellschaften der A-Gruppe, insbesondere der B und den […] Vertriebsgesellschaften. Hierbei handelt es sich um nahestehende Personen.
123(1) Dem Steuerpflichtigen (der Klägerin) ist eine Person nach § 1 Abs. 2 AStG nahestehend, wenn
1241. die Person an dem Steuerpflichtigen (der Klägerin) mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt (wesentlich beteiligt) ist oder auf den Steuerpflichtigen (die Klägerin) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige (Klägerin) an der Person wesentlich beteiligt ist oder auf diese Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
1252. eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen (der Klägerin) wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
1263. die Person oder der Steuerpflichtige (die Klägerin) imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen (die Klägerin) oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.
127(2) Bei der B (= interne Lieferantin und Abnehmerin) und den anderen …Gesellschaften – insbesondere den … Vertriebsgesellschaften, … (= interne Abnehmer) – handelt es sich um der Klägerin nahestehende Personen iSv § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG, da die Klägerin an ihnen entweder unmittelbar (insbesondere die B) oder mittelbar […] wesentlich beteiligt ist bzw. einen beherrschenden Einfluss auf diese ausüben kann.
128Diese Gesellschaften werden von der Klägerin selbst als B oder „interne Lieferanten“ oder „interne Abnehmer Inland/Ausland“ bezeichnet.
129Die Einordnung ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
130cc) Bei den übrigen Kunden der Z – den externen Lieferanten und den externen Abnehmern/Franchisenehmern – handelt es sich nicht um nahestehende Personen.
131(1) Ein Näheverhältnis nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 AStG besteht nicht, da die Klägerin weder an den externen Lieferanten noch an den Franchisenehmern gesellschaftsrechtlich beteiligt ist, noch einen beherrschenden Einfluss auf diese ausüben kann oder es eine dies erfüllende dritte Person gibt.
132(2) Auch ein Näheverhältnis iSv § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG scheidet aus, weil die Klägerin nicht imstande ist, bei der Vereinbarung der Geschäftsbeziehung zwischen der Z und den externen Lieferanten und den externen Abnehmern/Franchisenehmern einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Zudem hat keiner von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen.
133§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG ist ein Auffangtatbestand, mit dem der Gesetzgeber außerhalb gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme- bzw. Beherrschungsmöglichkeiten bestehende Näheverhältnisse erfassen wollte, die aufgrund gleichgerichteter Interessen durch fremdunübliche Vereinbarungen eine einvernehmliche Einkünfteverlagerung ins niedrig besteuerte Ausland zu Lasten des Fiskus herbeiführen wollen (vgl. Wassermeyer/Tcherveniachki in W/F/B/S § 8 AStG Rz. 534; BFH-Urteil vom 19.01.1994 I R 93/93, BStBl II 1994, 725). In der Praxis hat die Vorschrift trotz ihres weiten Wortlautes bislang kaum einen Anwendungsfall gefunden (Ausnahme zu hier offensichtlich nicht bestehenden familiären Näheverhältnissen: BFH-Urteil vom 19.01.1994 I R 93/93, BStBl II 1994, 725; die Entscheidung des FG Hessen Urteil vom 23.03.2011 4 K 419/10, juris, ist – aus anderen Gründen – vom BFH im Revisionsverfahren (Urteil vom 10.04.2013 I R 45/11, BStBl II 2013, 771) nicht bestätigt worden).
134Nach AEAStG 2004 Tz 1.0.1 iVm BMF vom 23.02.1983, BStBl I 1983, 218 („Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze)“) Tz. 1.3.26. und 1.3.2.7 setzt eine Verflechtung durch besondere Einflussmöglichkeiten voraus, dass sich der Einfluss der Person oder des Steuerpflichtigen auf die in Frage stehende Geschäftsbeziehung selbst erstreckt. Die Verflechtung wird bereits durch die Möglichkeit begründet, einen solchen Einfluss auszuüben. Es genügt die Möglichkeit, über andere Einfluss zu nehmen, z. B. über nahestehende Gesellschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG). Die Verflechtung durch Interessenidentität ist z. B. gegeben, wenn sich das eigene geschäftliche oder persönliche Interesse der Person oder des Steuerpflichtigen auf die zur Berichtigung anstehenden Einkünfte selbst bezieht.
135Die Definition in § 1 Abs. 2 AStG geht grundsätzlich von dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG angelegten Zwei-Personenverhältnis aus: dem Steuerpflichtigen und der ihm nahestehenden Person, die durch eine „Geschäftsbeziehung zum Ausland“ miteinander verbunden sind. Der Steuerpflichtiger ist derjenige, auf dessen Ebene es ggf. zu einer Einkünfteminderung gem. § 1 Abs. 1 AStG kommt (Nientimp in Fuhrmann § 1 AStG Rz. 97; Parenko in: AStG - eKommentar, § 1 AStG, Rn. 62). Die „Person“ ist diejenige, die durch die vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichenden vereinbarten Bedingungen unmittelbar oder mittelbar begünstigt wird (vgl. Nientimp in Fuhrmann, § 1 AStG Rz. 97; Parenko in: AStG - eKommentar, § 1 AStG, Rn. 63).
136Bei nahestehenden Personen fehlt es am marktüblichen Interessengegensatz, der die Angemessenheit der vereinbarten Geschäftsbeziehungen zwischen Dritten indiziert (Nientimp in Fuhrmann, 3. Aufl. 2017, § 1 AStG Rz. 94; Parenko in: AStG - eKommentar, § 1 AStG, Rn. 58).
137Im Unterschied dazu besteht im Streitfall im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ein Drei-Personen-Verhältnis: zwischen der (im Inland steuerpflichtigen) Klägerin, der im Ausland ansässigen Z, die die ausländischen Einkünfte erzielt (und unstreitig eine der Klägerin nahestehende Person iSv § 1 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. AStG ist) und den externen Lieferanten/Abnehmer als potentiell nahestehende Personen zur Klägerin.
138(3) Die Klägerin hat keine geschäftsfremde Einflussnahmemöglichkeit auf die externen Lieferanten oder die externen Abnehmer/Franchisenehmer, die sich auf das Vertragsverhältnis zwischen Z und den externen Lieferanten/Abnehmern auswirkt.
139(3.1) Die Reglung stellt ihrem Wortlaut nach nur auf die Einflussnahmemöglichkeiten zwischen dem Steuerpflichtigen und der potenziell nahestehenden Person ab. Einflussmöglichkeiten Dritter sind im Rahmen des Nr. 3 ohne Bedeutung. Allerdings ist eine mittelbare Einflussnahmemöglichkeit des Steuerpflichtigen (ggfs. durch andere nahestehende Personen) ausreichend (FG Hessen Urteil vom 23.03.2011 4 K 419/10, juris; Wassermeyer/Tcherveniachki in F/W/B/S § 1 AStG Rz. 532).
140Die Einflussnahmemöglichkeit muss außerhalb der konkreten Geschäftsbeziehung bestehen. Indes bedarf die fragliche Tatbestandsalternative einer eingrenzenden Auslegung in dem Sinne, dass nicht jede Art der Einflussnahmemöglichkeit ausreicht („von einigem Gewicht“, vgl. Hofacker in: Haase, AStG/DBA § 1 AStG Rz. 143; Wassermeyer/Tcherveniachki in: F/W/B/S § 1 AStG Rz. 532; Kaminski in: S/K/K § 1 AStG Rz. 656; FG Hessen Urteil vom 23.03.2011 4 K 419/10, juris). Eine beherrschende Einflussmöglichkeit ist jedoch nicht erforderlich.
141Ausreichend ist eine Einflussnahmemöglichkeit, wenn aufgrund des Einflusses kein ausreichender Interessengegensatz für eine fremdübliche Aushandlung der Transaktionsbedingungen gegeben ist (Parenko in: AStG - eKommentar, § 1 AStG, Rn. 69).
142Die h.M. geht zudem davon aus, dass die Möglichkeit der Einflussnahme nur außerhalb der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung liegen muss, nicht hingegen außerhalb jeglicher Geschäftsbeziehung (Wassermeyer/Tcherveniachki in: F/W/B/S § 1 AStG Rz. 532; Kraft in: Kraft § 1 AStG, Rz. 188; Nientimp in: Fuhrmann § 1 AStG Rz. 132; FG Hessen Urteil vom 23.03.2011 4 K 419/10, juris).
143Danach kann die Einflussnahmemöglichkeit auch durch eine andere Geschäftsbeziehung begründet sein (z.B. Marktbindungsvertrag, Konkurrenzausschlussabsprache, Vertriebsbindung). Die Einflussnahmemöglichkeit muss schon bei Abschluss der Geschäftsbeziehung bestanden haben, die der Grund für die Einkünfteminderung ist.
144Eine Einflussnahmemöglichkeit kann auch aufgrund einer Marktbeherrschung durch ein Monopol oder ein Oligopol bestehen. Z.T. wird jedoch vertreten, derartige Einflussnahmemöglichkeiten seien durch den Markt begründet und in diesem Sinne „betrieblicher Natur“, weshalb sie eine Gewinnkorrektur gerade nicht rechtfertigten (Wassermeyer/Tcherveniachki in: F/W/B/S, § 1 AStG, Rn. 532; Hofacker in: Haase, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 147; Kraft in: Kraft AStG § 1 Rz. 188).
145(3.2) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin keine Möglichkeit einen Einfluss auf die externen Lieferanten auszuüben, der zu einem Näheverhältnis führen würde. Einen unmittelbaren Einfluss hat die Klägerin nicht. Sie steht in keinerlei Kontakt zu den Lieferanten. Die Z hat lediglich den unbeachtlichen Einfluss auf die zu beurteilende Geschäftsbeziehung selbst.
146Ein Einfluss der Klägerin könnte, wenn überhaupt nur darin zu sehen sein, dass der Abschluss eines Liefervertrages mit der B oder den Vertriebsgesellschaften daran gekoppelt ist, dass die Abrechnung über die Z erfolgt.
147Dass diese Vorgabe jedoch tatsächlich nicht zu einem Einfluss auf die externen Lieferanten führt, zeigt sich bereits daran, dass insbesondere für die B wichtige Lieferanten den Vertrag mit der Z nicht unterzeichneten und es dennoch zum Abschluss der Lieferverträge kam.
148Soweit sich andere bzw. „kleinere“ Lieferanten der Vorgabe nicht wiedersetzt und die Abrechnung mit der Z gewählt haben, war dies insgesamt eine freie unternehmerische Entscheidung der Lieferanten. Sie hätten entweder auch versuchen können, nur den Vertragsschluss mit der Z zu vermeiden, was offenbar zumindest teilweise von der Klägerin bzw. der B akzeptiert wurde, oder insgesamt auf eine Vertragsbeziehung … verzichten können.
149Da die externen Lieferanten kein Interesse an einer Einkünftesteigerung der Z oder der Klägerin zu ihren Lasten (durch die Zahlung an die Z vermindert sich ihr Gewinn aus den Lieferungen) haben und auch kein Interesse daran, ob … die Klägerin, […] die B (als Vertragspartner der Lieferungen) oder die Z – … [ihre] Einkünfte im Inland oder im niedrig besteuerten Ausland versteuer[n], treffen sie ihre Entscheidung allein nach für sie günstigen Erwägungen. Sollte der Liefervertrag mit der Abrechnung über die Z für sie daher insgesamt nachteilig sein, steht es ihnen frei, diese Verpflichtung nicht einzugehen.
150Dies verdeutlicht auch, dass es zwischen den externen Lieferanten und der Klägerin bzw. der Z gerade nicht an dem bei nahestehenden Personen üblichen Interessengegensatz fehlt, sondern sich die geschäftlichen Interessen gerade in Bezug auf die Z vielmehr diametral entgegenstehen.
151Auch allgemein besteht der fremdübliche Interessengegensatz, dass die externen Lieferanten selbst einen möglichst hohen Preis für ihre Lieferungen erzielen wollen, die Klägerin bzw. die B oder andere interne Abnehmer hingegen möglichst günstig einkaufen wollen.
152Dass die Klägerin – mittelbar über die B – aufgrund ihrer Marktmarkt gegenüber kleineren Lieferanten eine bessere Verhandlungsposition hat, ist nicht ausreichend, um von einer schädlichen Einflussnahmemöglichkeit auszugehen. Es ist zwischen Vertragsparteien im B2B-Bereich nicht unüblich, dass eine Partei eine wirtschaftlich stärkere Position hat. Eine Notwendigkeit, die A-gruppe zu beliefern und damit auf den Vertragsabschluss angewiesen zu sein, ergibt sich hieraus nicht. Insofern ist auch zu beachten, dass ein Bejahen einer schädlichen Einflussmöglichkeit allein aufgrund einer überlegenen Verhandlungsposition zu einer nicht gerechtfertigten Ausuferung des Tatbestandes führen würde.
153Eine marktbeherrschende bzw. Monopolstellung im Bereich des Wareneinkaufs für … hatte die Klägerin in den Streitjahren nicht. […]. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob eine Überlegenheit, die aus dem Markt selbst und nicht aus konkreten Beziehungen zwischen den Beteiligten stammt, überhaupt zu einer schädlichen Einflussnahmemöglichkeit führt.
154(3.3) Auch auf die Franchisenehmer kann die Klägerin keinen ein Näheverhältnis begründenden Einfluss ausüben.
155Hier kommt als mittelbare Einflussnahmemöglichkeit der Klägerin der mit der B geschlossene Franchisevertrag in Betracht, in dem die Verpflichtung zum Abschluss des Vertrages mit der Z Vertragsbestandteil sind.
156Franchiseverträgen ist gemein, dass in diesen ein Bündel an Rechten und Pflichten der Franchisenehmer geregelt wird. […]
157Es ist auch üblich, dass der Franchisenehmer auf die Ausgestaltung des Franchisevertrages keine oder nur unwesentliche Einflussmöglichkeiten hat und es sich – mehr oder weniger – um einheitliche Musterverträge handelt, da gerade ein einheitliches Auftreten gewünscht ist.
158Fraglich ist bereits, ob der Franchisevertrag überhaupt eine Geschäftsbeziehung außerhalb der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung Franchisenehmer-Z darstellt, oder ob dieser Vertrag aufgrund der dargestellten engen Verzahnung nicht als ein Teil der Geschäftsbeziehung „Franchisevertrag“ anzusehen ist.
159Jedenfalls wird durch den Franchisevertrag keine schädliche Einflussnahme der Klägerin auf die Franchisenehmer begründet.
160Auch hier stehen sich die Franchisenehmer und die B bei Abschluss des Franchisevertrages als fremde Dritte mit dem üblicherweise bestehenden Interessengegensatz gegenüber. Den Franchisenehmern steht es frei, den Franchisevertrag einzugehen oder nicht. Sie werden den Vertrag nur unterschreiben, wenn sie diesen insgesamt für sich selbst als wirtschaftlich vorteilhaft ansehen – d.h. trotz der bestehenden Bindungen und der Zahlung der Franchisegebühr und zusätzlich der Gebühr an die Z. Die Klägerin bzw. die B ihrerseits versuchen durch den Franchisevertrag ein für sie möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen.
161Das wirtschaftliche Machtgefälle zwischen der Klägerin und dem Franchisenehmer führt im Übrigen auch nicht zu einer für die Klägerin günstigen Einkünfteverlagerung ins niedrig besteuerte Ausland. Denn durch den Abschluss des Vertrages mit der Z werden zwar die niedrig besteuerten Einkünfte der Z als Tochtergesellschaft der Klägerin erhöht – aber nicht zu Lasten ihrer inländischen Einkünfte, sondern zu Lasten der inländischen Einkünfte der Franchisenehmer, an denen die Klägerin nicht partizipiert.
162(4) Ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des jeweils anderen besteht ebenfalls nicht.
163(4.1) Zwar regelt § 1 AStG nicht ausdrücklich, welcher Art das genannte Interesse sein muss. Aus der Abgrenzung zwischen § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG und den Nrn. 1 und 2 folgt jedoch, dass innerhalb der Nr. 3 – neben wirtschaftlichen – schon ein persönliches Interesse genügt. Das Interesse muss sich auf die zur Berichtigung anstehenden Einkünfte selbst beziehen. Nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. AStG soll dieser dann Anwendung finden, wenn die Einkünfte eines Steuerausländers zu Lasten der im Inland vom Steuerpflichtigen erzielten Einnahmen künstlich erhöht werden und der Steuerpflichtige hieran ein persönliches oder wirtschaftliches Interesse hat (BFH-Urteil vom 19.01.1994 I R 93/93, BStBl II 1994, 725; BMF vom 23.02.1983, BStBl I 1983, 218, Rz. 1.3.2.7; Wassermeyer/Tcherveniachki in: F/W/B/S, § 1 AStG, Rn. 535; Nientimp in: Fuhrmann § 1 AStG Rz. 139; Kaminski in: S/K/K § 1 AStG Rz. 374; BT-Drs VI/3537, S.3).
164Ein persönliches Interesse kann bei familiären Beziehungen, sprich nahestehenden Personen iSv § 15 AO in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.1994 I R 93/93, BStBl II 1994, 725; Wassermeyer/Tcherveniachki in W/F/B/S § 8 AStG Rz. 534).
165Der Stpfl. muss ein außerhalb der Geschäftsbeziehung liegendes Eigeninteresse daran haben, dass die andere Person die ins Ausland verlagerten Einkünfte erzielt. Dieses ist regelmäßig gegeben, wenn der Stpfl. an der Person beteiligt ist, die im Ausland die verlagerten Einkünfte erzielt. Die Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Stpfl. mithilfe der Gewinnverlagerung ins Ausland eigene außerbetriebliche Verbindlichkeiten erfüllt. Schwer vorstellbar ist dagegen der umgekehrte Fall, dass die potenziell nahestehende Person ein Eigeninteresse an der Einkünfteerzielung durch den Stpfl. haben soll (Wassermeyer/Tcherveniachki in: F/W/B/S, § 1 AStG, Rn. 535).
166(4.2) Die externen Lieferanten sind von der Klägerin rechtlich unabhängige Unternehmen.
167Zur Klägerin haben die Lieferanten gar keine geschäftlichen Beziehungen und auch kein Interesse an ihren Einkünften.
168Sie haben auch kein eigenes Interesse an den Einkünften der Z. Denn bei den Einkünften der Z handelt es sich um die maßgeblichen zur Berichtigung anstehenden Einkünfte. Zwar werden die inländischen Einkünfte der externen Lieferanten zugunsten der im Ausland steuerpflichtigen Z gemindert, an dieser Einkünfteverlagerung haben die Lieferanten jedoch kein Interesse. Sie kommt ihnen weder zu Gute, noch ist ein anderes Interesse erkennbar. Für die Lieferanten ist es vielmehr unerheblich, ob sie die Gebühren an die Z ins Ausland oder an eine inländische Gesellschaft zahlen würden. Die Klägerin mag ein Interesse an dieser Einkünfteverlagerung haben; jedoch handelt es sich (mittelbar) um die eigenen Einkünfte der Klägerin; jedenfalls nicht um die der potentiell nahestehenden Person.
169Das gleiche gilt für die Franchisenehmer. Der Franchisevertrag führt nicht dazu, dass die Franchisenehmer ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass die Einkünfte der Z durch ihre Zahlungen zu Lasten ihres inländischen Gewinns erhöht werden. Auch für sie ist es völlig unerheblich, ob sie die Gebühren an die Z ins Ausland oder an eine inländische Gesellschaft zahlen würden oder wie hoch die Einkünfte und die Steuerlast der Z generell sind.
170Die Klägerin mag wiederrum ein Interesse an dieser Einkünfteverlagerung auf die Z haben, aber auch hier handelt es sich (mittelbar) um eigene Einkünfte der Klägerin.
171Soweit die Klägerin ein eigenes wirtschaftliches Interesse an den Einkünften der Franchisenehmer haben sollte, da sich die Franchisegebühr an der Höhe der Umsätze der Franchisenehmer berechnet, handelt es sich hierbei jedoch nicht um die maßgeblichen ins niedrig besteuerte Ausland verlagerten Einkünfte, sondern um die Einkünfte der Franchisenehmer die entweder im Inland oder in anderen EU-Staaten besteuert werden (je nach Ansässigkeit der Franchisenehmer) und die hier nicht streitig sind.
172Letztlich geht auch die Gesetzesbegründung zum ATADUmsG, mit dem auch Änderungen an § 1 Abs. 2 AStG vorgenommen wurden, davon aus, dass von einem eigenen Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen zwar auch bei Beteiligten an Netzwerken und deren Organisationseinheiten auszugehen sein kann. Mithin können auch rechtlich selbständige Unternehmen in einem globalen Netzwerk, die sich insbesondere durch eine enge strategische und fachliche Vernetzung dieses Netzwerks ausweisen, als nahestehende Personen gelten. Jedoch sollen fremde voneinander unabhängige Franchiseunternehmen hierunter nicht erfasst werden (BT-Drs. 19/28652, S. 46).
173dd) Sowohl die Umsätze und der Gewinn als auch die Vertragsverhältnisse entfallen nicht überwiegend auf nahestehende Personen.
174Die Verträge mit nahestehenden Personen belaufen sich damit auf maximal x (alle Vertriebsgesellschaften …) zzgl. des Vertrages mit der B. Dem gegenüber stehen x externe Lieferanten und x Franchisenehmer.
175Die Umsätze mit […] internen Abnehmern und Lieferanten betragen x% der Gesamtumsätze.
176[…]
177IV. Darüber hinaus erzielt die Z aktive Einkünfte i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG.
1781. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht stammen aus Dienstleistungen, soweit nicht
179a) die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung sich eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 nahestehenden Person bedient, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes steuerpflichtig ist,
180oder
181b) die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung einem solchen Steuerpflichtigen oder einer solchen nahestehenden Person erbringt,
182es sei denn
183der Steuerpflichtige weist nach, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält
184und
185die zu der Dienstleistung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung eines solchen Steuerpflichtigen oder einer solchen nahestehenden Person ausübt.
1862. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG ist neben § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG anwendbar.
187Die einzelnen Aktivitätstatbestände des § 8 AStG überschneiden sich, d.h. es kann passieren, dass eine zu beurteilende Tätigkeit mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 1 AStG erfüllt. Das Gesetz enthält keine Aussage zur Abgrenzung oder zu einem Rangverhältnis, insbesondere zu einer Subsidiarität.
188Nach h.M. stehen sie zueinander in Idealkonkurrenz. Ein tatbestandsmäßiger Ausschluss erfolgt nur, soweit sich dies aus den Tatbestandsmerkmalen selbst ergibt (Vogt in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 AStG Rz. 72). Eine bestimmte Tätigkeit ist demnach als aktiv einzuordnen, wenn sie nach einem dieser Tatbestände als aktiv gilt; dass sie nach einem anderen, ebenfalls anwendbaren Tatbestand nicht als aktiv anerkannt werden könnte, steht dem nicht entgegen (Vogt in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht § 8 AStG Rz. 72; Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 18; Geurts in: Fuhrmann, § 8 Abs. 1 AStG Rz. 32; Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 22).
189Nach Auffassung der Finanzverwaltung hingegen führen Finanzdienstleistungen innerhalb eines Konzerns stets zu passivem Erwerb, es sei denn sie fallen unter § 8 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 7 AStG (AEAStG 2004 Tz. 8.1.5.1.1). Was alles unter den Begriff „Finanzdienstleistungen“ zu subsumieren sein soll, ergibt sich aus dem AEAStG nicht.
190In der Literatur wird diese Einschränkung im Hinblick auf die fehlende gesetzliche Grundlage abgelehnt (Geurts in: Fuhrmann, § 8 Abs. 1 AStG Rz. 136; Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 178; Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 293).
191Der Senat schließt sich der h.M. an.
192Der Positivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG enthält keinerlei Rangverhältnis zwischen den einzelnen Tatbeständen. Der Katalog lässt auch keinen klaren „roten Faden“ erkennen (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 21). Z.T. sind einzelne Wirtschaftszweige begünstigt (Nr. 1-3), z.T. wird auf einen Funktionsnachweis abgestellt (Nr. 4-6), zum Teil auf den Bereich Finanzen/Holding (Nr. 7-9) oder Umwandlungen (Nr. 10). Die jeweiligen Rückausnahmen, sowie Rückrückausnahmen sind ebenfalls unterschiedlich ausgestaltet. Die Abgrenzung der einzelnen Tatbestände erfolgt daher alleine anhand der Subsumption unter die Tatbestandsmerkmale der Norm.
1933. Die Tätigkeiten der Z stellen umfänglich Dienstleistungen iSv § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG dar.
194a) Auch der Begriff der Dienstleistung ist weder im AStG noch sonst im deutschen Steuerrecht näher definiert. Nach allgemeinem Verständnis liegt eine Dienstleistung dann vor, wenn die ausländische Gesellschaft persönliche Leistungen gegen Entgelt an Dritte erbringt.
195b) Zunächst ist das Vorliegen einer eigenständigen Leistung erforderlich. Erfolgt die Dienstleistung im Rahmen vorbereitender Tätigkeiten, wird sie durch andere Tätigkeiten verursacht, denen sie wirtschaftlich untergeordnet ist, oder hat sie ihren Ursprung in einer anderen eigentlichen Haupttätigkeit, so ist die Dienstleistung entsprechend der funktionalen Betrachtungsweise dieser anderen Tätigkeit zuzuordnen und zusammen mit dieser zu beurteilen (Rödel in: Kraft, § 8 AStG Rz. 282).
196c) Entscheidend für das Vorliegen einer Dienstleistung iSv § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG ist eine negative Abgrenzung zu den Bereichen Handel iSv § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG und der Verwaltung eigenen Vermögens.
197Die Abgrenzung zum „Handel“ bzw. einer Lieferung kann unter Rückgriff auf das Zivilrecht gelöst werden. So ist das Schulden einer bestimmten Tätigkeit iSv § 611 BGB ein deutliches Zeichen für das Vorliegen einer Dienstleistung; wohingegen das Schulden eines Erfolges (§ 630 BGB) oder sogar eines Werkes (§ 651 BGB) gegen das Vorliegen einer Dienstleistung spricht (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 172.1; Geurts in: Fuhrmann, § 8 Abs. 1 AStG Rz. 132).
198Die Verwaltung eigenen Vermögens hingegen beinhaltet keine Dienstleistung gegenüber einem anderen Dienstleistungsempfänger, sondern gegenüber sich selbst (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 172.1; Geurts in: Fuhrmann, § 8 Abs. 1 AStG Rz. 133). Insbesondere Einkünfte aus dem Ankauf und der Einziehung von Forderungen (echtes Factoring) erfüllen nicht den Tatbestand einer Dienstleistung, denn der Einzug von gekauften Forderungen stelle die bloße Verwaltung eigenen Vermögens dar (AEAStG 2004 Tz. 8.1.5.1.1).
199Nach der Rechtsprechung des BFH können zudem die in § 8 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AStG genannten Einkünfte aus Handel und Dienstleistung nur solche sein, die unter die Gewinneinkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG fallen (BFH-Urteil vom 5.12.1990 I R 94/88, BStBl II 1991, 287).
200d) Danach erbringt die Z Dienstleistungen gegenüber internen und externen Lieferanten und Abnehmern im Form der Zahlungsabwicklung (siehe unter aa).
201Da […] [die Übernahme des Delkredere] aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise keine eigenständig zu beurteilenden Tätigkeiten darstellen, sondern in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung steht, die die Haupttätigkeit der Z bildet (siehe hierzu oben unter III.2), fallen auch diese unter den Dienstleistungsbegriff. Gleiches gilt für die Zinseinkünfte.
202aa) Im Bereich der Zahlungsabwicklung erbringt die Z eine Finanzdienstleistung. Eine Abgrenzungsfrage zum Handel stellt sich hier nicht.
203Sie begleicht die Forderungen der Lieferanten bzw. zieht die Rechnungsbeträge von den Konten der Abnehmer ein. Die damit ausgeführten Nebentätigkeiten wie […] gehören hierzu und stellen ebenfalls Dienstleistungen dar. [Die Übernahme des Delkredere], für die keine tatsächliche Tätigkeit erforderlich ist, folgt dieser Beurteilung.
204bb) […Ausführungen zur Übernahme des Delkredere]
2054. Die Z bedient sich für die Dienstleistung auch nicht der Klägerin oder einer der Klägerin nahestehenden Person, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes steuerpflichtig ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 2. Hs Buchst. a AStG).
206a) Bedienen setzt voraus, dass die ausländische Gesellschaft die zu erbringende Leistung dem Leistungsempfänger gegenüber schuldet und sich bewusst der schädlichen Person zur Erbringung ihrer eigenen Leistung bedient. Dies kann durch Beauftragung der nahestehenden Person mittels Anstellungs- oder Subunternehmervertrages erfolgen. Die Mitwirkung kann in der Zurverfügungstellung von Personal oder Einrichtungen liegen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Dienstleistung im Namen der ausländischen Gesellschaft an den Dienstleistungsempfänger erbracht wird, letztendlich aber die nahestehende Person der eigentliche Leistungserbringer ist. Die eingeschaltete Person muss also im Innenverhältnis Funktionen übernehmen, die die ausländische Gesellschaft im Außenverhältnis gegenüber dem Dienstleistungsempfänger schuldet (Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 309; Geurts in: Fuhrmann § 8 Abs. 1 AStG Rz. 140; Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 181).
207b) Aus dem Abstellen des Gesetzeswortlautes auf die Einkünfte der nahestehenden Person kann geschlossen werden, dass es sich bei der Leistungsbeziehung zwischen der ausländischen Gesellschaft und der nahestehenden Person um eine entgeltliche handeln muss (Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 307; Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 181; wohl auch Vogt in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 AStG Tz. 172), oder dass zumindest der mit der Leistung im Zusammenhang stehende Aufwand von der nahestehenden Person im Inland geltend gemacht wird (Geurts in: Fuhrmann § 8 Abs. 1 AStG, Rz. 140; a.A. wohl Ehlermann in: S/K/Z, § 8 AStG, Rn. 110).
208c) Hinsichtlich des Begriffs nahestehende Person wird auf die Ausführungen zu § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG verwiesen (siehe unter III.4.c.). Zu beachten ist allerdings, dass hier nur im Inland unbeschränkt steuerpflichtige nahestehende Personen schädliche Dienstleistungsempfänger sind.
209d) Vorliegend erbringt die Z ihre Leistung gegenüber den internen und externen Lieferanten und internen und externen Abnehmern mit eigenem Personal und eigenen Sachmitteln.
210Als nahestehende Personen kommen nur die B und andere inländische […]Gesellschaften, insbesondere die inländischen Vertriebsgesellschaften, in Betracht.
211Jedoch sind weder die Klägerin selbst noch die B oder eine andere […]Gesellschaft in die Leistungserbringung aufgrund eines entgeltlichen Vertrages involviert.
212Dass der Z ihre Kunden durch die B oder anderen Gesellschaften „zugeführt“ werden, führt nicht dazu, dass ein „Bedienen“ im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG vorliegt. Zum einen wird hierfür weder ein Entgelt gezahlt, noch entsteht […] hierdurch ein Aufwand. Zum anderen handelt es sich dabei nicht um ein Tätigwerden innerhalb der von der Z geschuldeten Leistung.
2135. Soweit die Z ihre Dienstleistungen der Klägerin oder einer ihr nahestehenden Person erbringt, hat die Klägerin nachgewiesen, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und die zu der Dienstleistung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung der Klägerin oder einer ihr nahestehenden Person ausübt (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 2. Hs. Buchst. b AStG).
214a) Dienstleistungen werden gleichfalls als passive Tätigkeit qualifiziert, wenn sie gegenüber bestimmten nahestehenden Personen erbracht werden (Dienstleistungsimport). Allerdings hat der Stpfl. hier die Möglichkeit des Entlastungsbeweises in Form des Funktionsnachweises. Wem gegenüber eine Dienstleistung erbracht wird, richtet sich nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen. Dienstleistungsempfänger ist danach derjenige, auf dessen Rechnung bzw. in dessen Interesse die Leistung erbracht wird. In der Regel ist dies die Person, die nach den vertraglichen Vereinbarungen den Auftrag erteilt hat (formeller Auftraggeber) (Ehlermann in: S/K/K § 8 AStG, Rn. 110).
215Aus dem Gesetz nicht eindeutig erkennbar ist, ob aus der Formulierung „einem solchen Steuerpflichtigen oder einer solchen nahestehenden Person“ folgt, dass es sich um im Inland steuerpflichtige Personen handeln muss. Die h.L. bejaht dies vor dem Hintergrund, dass der Gesetzeszweck primär darin liegt, Einkünfte aus Tätigkeiten zu erfassen, die nur formal ins Ausland verlagert, tatsächlich aber im Wesentlichen vom Inland aus erbracht werden (vgl. Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rz. 192; Ehlermann in: S/K/K § 8 AStG, Rn. 43; Geurts in: Fuhrmann § 8 AStG, Rz. 143; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 316). Die Finanzverwaltung spricht allgemein nur von „nahestehenden Personen (Tz. 8.1.4.1.1 Satz 2 Nr. 2 AEAStG 2004).
216Als passive Einkünfte in Betracht kommen damit nur die Leistungen gegenüber den internen Lieferanten (insbesondere B) und den internen Abnehmern […] .
217b) Die Z unterhält einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
218aa) Das Erfordernis eines für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetriebs unterscheidet sich materiell nicht von dem an anderen Stellen des Gesetzes genannten „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ (Ehlermann in: S/K/K § 8 AStG, Rn. 115; Vogt in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht,§ 8 AStG Rz. 175 mit Verweis auf Rz. 126; vgl. auch AEAStG 2004, Tz. 8.1.5.1.2, der vollumfänglich auf Tz. 8.1.4.2 verweist).
219Wie bereits oben zu § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ausgeführt, verfügt die Z über einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb.
220bb) Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG entspricht dem entsprechenden Begriffsmerkmal des Gewerbebetriebes i.S. des § 15 Abs. 2 EStG. Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr muss von dem Geschäftsbetrieb der ausländischen Gesellschaft ausgehen (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rn. 139; Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 322, 245; Geurts in: Fuhrmann § 8 AStG Rz. 124).
221Die erforderliche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt jedenfalls vor, wenn die Dienstleistungen nicht nur gegenüber Konzerngesellschaften erbracht, sondern auch am Markt angeboten werden. Wird die Dienstleistungsgesellschaft dagegen nur für Konzerngesellschaften tätig und beruht dies auf der inneren Konzernstruktur (reine Konzerndienstleistungsgesellschaften), wird teilweise davon ausgegangen, dass eine Marktteilnahme nicht vorliegt (BFH-Urteil vom 29.08.1984 I R 68/81, BStBl II 1985, 120; Rödel in: Kraft § 8 AStG Rz. 322, 245).
222Da die Z in erheblichem Umfang auch gegenüber externen Lieferanten und damit fremden Dritten tätig wird, liegt eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor.
223c) Die Z übt die zu der Dienstleistung gehörenden Tätigkeiten gegenüber den internen Lieferanten (insbesondere B) und den internen Abnehmern ohne Mitwirkung der Klägerin oder einer dieser nahestehenden Person aus.
224aa) Ob überhaupt und ggf. wie zwischen dem sich einer nahestehenden Person „bedienen“ iSv § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG und der Mitwirkung einer solchen Person zu unterscheiden ist, ist ungeklärt.
225Der andere Gesetzeswortlaut zwingt jedoch zur Beachtung der bestehenden Unterschiede. Der Begriff „sich bedienen“ ist teilweise enger und teilweise weiter als der der Mitwirkung. „Bedienen“ setzt voraus, dass es ein Über-Unterordnungsverhältnis gibt, bei dem die Leistung der nahestehenden Person in die im Außenverhältnis geschuldete Leistung der ausländischen Gesellschaft eingebunden ist. Das „sich bedienen“ setzt die Übertragung von Funktionen auf eine nahestehende Person voraus, welche im Außenverhältnis zum Dienstleistungsempfänger von der ausländischen Gesellschaft geschuldet werden. Eine Mitwirkung kann demgegenüber auch nur im Innenverhältnis erfolgen.
226Aus dem in Buchst. b fehlenden Zusatz, „mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung“ folgt zudem, dass die Leistung der nahestehenden Person nicht im Rahmen eines entgeltlichen Vertragsverhältnisses erfolgen muss. D.h. die Mitwirkung muss weder gegen Entgelt erfolgen, noch muss sie in die Leistungserbringung der ausländischen Gesellschaft integriert sein (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S § 8 AStG Rn. 181).
227Der für einzelne Tätigkeiten im Aktivitätskatalog enthaltene Mitwirkungstatbestand besteht praktisch unverändert seit Inkrafttreten des AStG. Dahinter steht die Wertung des Gesetzgebers, eine Tätigkeit dann nicht als aktiv anzuerkennen, wenn sie im Wesentlichen aus dem Inland heraus erbracht wird. Eine Mitwirkung in diesem Sinne liegt vor, wenn Inlandsbeteiligte bzw. Nahestehende Tätigkeiten übernehmen, die Teil der ausländischen Gesellschaft zufallenden Verteiler- oder Dienstleistungsfunktion sind, also nach der funktionalen Betrachtungsweise grundsätzlich zum Tätigkeitsbereich der ausländischen Gesellschaft gehören. Unschädlich sind rein verwaltungsbezogene Unterstützungsleistungen (z.B. im Bereich EDV, Rechnungswesen) und Einflussnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, z.B. Ausübung von Kontrollrechten (Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 147; Ehlermann in: S/K/K § 8 AStG, Rn. 41)
228Im Vergleich zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG, der einen entsprechenden Aktivitätsvorbehalt für den Handel enthält, fällt auf, dass dort der Gesetzgeber die Mitwirkung spezifiziert hat bei den zur „Vorbereitung, dem Abschluss und der Ausführung der Geschäfte gehörenden Tätigkeiten“ und damit einen weiten Anwendungsbereich einer schädlichen Mitwirkung geschaffen hat. Eine derartige Formulierung findet sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG nicht.
229Die FinVerw. geht davon aus, dass es bestimmte Tätigkeiten gibt, die objektiv das Wesen einer Handels- oder Dienstleistungstätigkeit ausmachen und daher von der ausländischen Gesellschaft eigenständig erbracht werden müssen (typisierende Betrachtungsweise). „Branchenübliche“ Kooperationsformen seien dagegen unschädlich. Eine Mitwirkung liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung vor, wenn eine Person Tätigkeiten ausübt, die nach ihrer Funktion zum Bewirken dieser Leistung gehören, insbesondere indem sie sich durch das Zurverfügungstellen von Personal oder Einrichtungen an der Leistung beteiligt oder indem sie die Planung der Leistung ganz oder zu einem nicht nur unwesentlichen Teil übernimmt (AEAStG 2004 Tz. 8.1.4.3.1, 8.1.5.3.2).
230bb) Es kann dahingestellt bleiben, welche Anforderungen im Einzelnen an eine schädliche Mitwirkung zu stellen sind. Denn eine solche liegt nach keiner der oben dargestellten Auffassungen vor.
231Vorliegend kommt überhaupt nur eine Mitwirkung im Vorfeld der eigentlichen Leistungserbringung in Betracht. Denn wie bereits im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG festgestellt, erbringt die Z ihre Leistungen im Bereich Zahlungsabwicklung und [… ] vollständig mit eigenem Personal und eigenen sachlichen Mitteln.
232Auch nach Ansicht des FA wird die Klägerin bzw. die B nur im Vorfeld dadurch für die Z tätig, indem sie ihr aufgrund des Kontrahierungszwangs die Kunden „zuführt“ und die Z insoweit keine eigene werbende Tätigkeit entfalten muss und auch nicht entscheiden könne, wie die Verträge ausgestaltet werden.
233Selbst wenn man der weiten Auslegung folgen würde, wonach im Rückgriff auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG eine Mitwirkung bei der Vorbereitung oder beim Abschluss der Geschäfte ausreichen würde, liegt eine solche nicht vor.
234Als mögliche passive Dienstleistungen kommen nur die Geschäfte der Z mit der B und anderen Vertriebsgesellschaften in Betracht.
235Dass die B selbst jeweils an den mit ihr geschlossenen Verträgen im Vorfeld mitwirkt, kann per se keine schädliche Mitwirkung sein, sondern liegt in der Natur der Sache.
236Dass die B im Vorfeld des Vertragsschlusses zwischen der Z und den anderen Vertriebsgesellschaften mitwirkt, ist nicht ersichtlich und wird auch vom FA nicht behauptet.
237Auch eine unmittelbare oder mittelbare Mitwirkung der Klägerin liegt nicht vor.
238Zwar schließen sowohl die B als auch die Vertriebsgesellschaften die Verträge mit der Z aufgrund der Grundentscheidung, dass die A-Gruppe ihren Zahlungsverkehr im Bereich des Wareneinkaufs über eine [eigene] Gesellschaft abwickeln wollte. Die soweit mutmaßlich über die Klägerin […] ergangene Weisung stellt jedoch lediglich eine unschädliche Einflussnahme auf gesellschaftsrechtlicher Ebene dar. Sie dient dazu, […]
239Hinzu kommt, dass diese Einflussnahme nur bei Vertragsschluss stattgefunden hat, was für die Vertriebsgesellschaften außerhalb der Streitjahre erfolgt ist, da diese von Beginn an ihre Zahlungen über die Z abgewickelt haben.
240Eine weitere Einflussnahme, die eine Mitwirkung begründen könnte, in der laufenden Geschäftsbeziehung – und damit in den Streitjahren – hat unstreitig nicht stattgefunden.
241B. Im Wirtschaftsjahr/Feststellungsjahr 2011/2012 führt die Hinzurechnungsbesteuerung zudem zu einem nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
242Selbst wenn die Z in den Streitjahren als Zwischengesellschaft anzusehen wäre, würde der Hinzurechnungsbesteuerung für das Wj/Fj 2011/2012 die Kapitalverkehrsfreiheit entgegenstehen.
243Die Hinzurechnungsbesteuerung stellt einen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit dar (siehe hierzu unter I.).
244Dieser Eingriff ist jedoch für die Streitjahre 2009/2010 und 2010/2011 aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, insbesondere der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung grundsätzlich gerechtfertigt (siehe unter II.)
245Für das Streitjahr 2011/2012 ist die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit hingegen nicht gerechtfertigt, da keine künstliche Gestaltung im Sinne der EuGH- und BFH-Rechtsprechung vorliegt (siehe hierzu unter III.).
246I. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, führt die Hinzurechnungsbesteuerung in Drittstaatenkonstellationen zu einem Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit.
2471. Die Vereinbarkeit der Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 18 AStG und nicht im Rahmen der nachfolgenden Steuerfestsetzung zu prüfen (BFH-Urteil vom 18.12.2019 I R 59/17, BStBl II 2021, 270).
2482. Die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften führt nach der Rechtsprechung des BFH und des EuGH zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs mit einem Drittstaat i.S. von Art. 63 Abs. 1 AEUV (vgl. BFH, Urteile vom 18.12.2019 I R 59/17, BStBl II 2021, 270; vom 22.05.2019 I R 11/19, BStBl II 2021, 265; EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136). Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat an dieser Stelle von weiteren Ausführungen ab.
2493. Die in Art. 64 Abs. 1 AEUV enthaltene Standstill-Klausel, die zu einer Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit führen würde, ist für die Streitjahre nicht anwendbar, weil die maßgeblichen Vorschriften des Außensteuergesetzes, insbesondere §§ 7, 8, 10 AStG, zwar bereits am 31.12.1993 bestanden haben, sie aber durch das am 01.01.2001 in Kraft getretene Steuersenkungsgesetz in wesentlichen Punkten geändert wurden (BFH-Urteile vom 18.12.2019 I R 59/17, BStBl II 2021, 270; vom 22.05.2019 I R 11/19, BStBl II 2021, 265).
2504. In Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Cadbury-Schweppes (EuGH-Urteil vom 12.09.2006 C-196/04, EU:C:2006:544), wonach die Hinzurechnungsbesteuerung allein aufgrund einer niedrigeren Besteuerung der Niederlassungsfreiheit zuwiderläuft, hat der Gesetzgeber den Entlastungsbeweis in § 8 Abs. 2 AStG eingeführt. § 8 Abs. 2 AStG ist gemäß § 21 Abs. 17 Satz 1 Nr. 1 AStG erstmals für den Veranlagungszeitraum, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem 31.12.2007 beginnt, anzuwenden.
251a) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG ist ungeachtet des § 8 Abs. 1 AStG eine Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte, für die unbeschränkt Steuerpflichtige, die i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind, wie im Streitfall die Klägerin, nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht. Der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft sind nur Einkünfte der Gesellschaft zuzuordnen, die durch diese Tätigkeit erzielt werden und dies nur insoweit, als der Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 AStG) beachtet worden ist (§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG).
252Weitere Voraussetzung ist, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und diesem Staat auf Grund der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer (ABl. EG Nr. L 336 S. 15), in der jeweils geltenden Fassung, oder einer vergleichbaren zwei- oder mehrseitigen Vereinbarung, Auskünfte erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 AStG).
253b) Aufgrund des Wortlautes gilt der Entlastungsbeweis nicht im Verhältnis zu einer Gesellschaft, die – wie die Z – in einem Drittstaat ansässig ist.
254Das BMF hat zwar – in Reaktion auf die Entscheidungen des BFH vom 18.12.2019 (I R 59/17, BStBl II 2021, 270) und vom 22.05.2019 (I R 11/19, BStBl II 2021, 265) per BMF-Schreiben vom 17.03.2021 erklärt, dass bei Beteiligungen an Gesellschaften, die in Drittstaaten ansässig sind, § 8 Abs. 2 AStG – bei Vorliegen der entsprechenden Amtshilfe-Abkommen – sinngemäß anzuwenden ist. Dieses BMF-Schreiben bindet den Senat jedoch nicht.
255Es kann daher dahingestellt bleiben, ob – wie das FG Münster in seiner Entscheidung vom 06.02.2024 (2 K 842/19 F, IStR 2024, 441) ausführt – es nach der Einführung von § 8 Abs. 2 AStG nicht mehr auf die von BFH oder EuGH aufgestellten Kriterien ankomme, weil § 8 Abs. 2 AStG dem vorgehe, oder ob vielmehr auch weiterhin im Zuge einer unionsrechtskonformen Auslegung die Rechtsprechung von BFH und EuGH zu berücksichtigen ist (so Quilitzsch/Rötting, ISR 2024, 216; Leidel, IStR 2024, 441).
256II. Für die Streitjahre 2009/2010 und 2010/2011 ist der Eingriff aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, insbesondere der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung, gerechtfertigt.
2571. Der EuGH hält eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit in Form der Hinzurechnungsbesteuerung für gerechtfertigt, wenn die Angaben und Nachweise des Steuerpflichtigen zu etwaigen wirtschaftlichen Gründen für seine Beteiligung an einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft aufgrund fehlender Verwaltungs- und Regulierungsmaßnahmen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden können. Eine solche Überprüfungsmöglichkeit ist gegeben, wenn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft in den Streitjahren vertragliche Verpflichtungen bestanden, die einen rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit und Mechanismen zum Austausch von Informationen zwischen den betreffenden nationalen Behörden begründeten und die es den deutschen Steuerbehörden tatsächlich ermöglichen, gegebenenfalls die Richtigkeit der Informationen in Bezug auf die in der Schweiz ansässige Gesellschaft zu überprüfen, die zum Nachweis dafür vorgelegt werden, dass die Beteiligung des Steuerpflichtigen an ihr nicht auf einer künstlichen Gestaltung beruht. Sofern ein solcher rechtlicher, insbesondere vertraglicher, Rahmen fehlt, ist davon auszugehen, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV nicht daran hindert, die Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden (BFH-Urteil vom 22.05.2019 I R 11/19, BStBl II 2021, 265; EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136).
2582. In den Streitjahren 2009/2010 und 2010/2011 bestand keine vertragliche Verpflichtung der Schweiz gegenüber den deutschen Steuerbehörden, die es ermöglichen würde, die Richtigkeit der Angaben der Klägerin in Bezug auf die Verhältnisse der Z zu überprüfen. Diese ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht bereits für das Streitjahr 2010/2011, sondern erst für das Streitjahr 2011/2012 gegeben.
259a) Die sog. „kleine“ Auskunftsklausel nach Art. 27 DBA-Schweiz 1971 i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 (BGBl II 2003, 68, BStBl I 2003, 166 (DBA-Schweiz) entspricht nicht den vom EuGH geforderten Informationsmöglichkeiten.
260Gleiches gilt für das von OECD und Europarat ausgearbeitete und am 25.01.1988 unterzeichnete Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (www.coe.int/de/ web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/127). Zur Begründung wird insoweit auf die Ausführungen des BFH im Urteil vom 22.05.2019 I R 11/19 (BStBl II 2021, 265) verwiesen, denen sich der Senat anschließt.
261b) Vielmehr wurde eine solche Informationsmöglichkeit erst durch das Protokoll vom 27.10.2010 zur Änderung des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl II 2011, 1092 - Änderungsprotokoll) in Art. 27 DBA-Schweiz mit der sog. „großen Auskunftsklausel“ eingeführt, mit der die gegenseitige behördliche Unterstützung in Steuersachen und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch auf Ersuchen im Einzelfall möglich wurde (BR-Drs 11/257, S. 12).
262Nach Art. 27 Abs. 1 DBA-Schweiz tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Länder, Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden oder Gemeindeverbände erhoben werden voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht (ebenso eine ausreichende Informationsmöglichkeit bejahend: Hessisches FG Urteil vom 13.07.2022 8 K 1419/19, EFG 2023, 608; Rev. anh unter IX R 31/22; BMF vom 17.03.2021, BStBl I 2021, 342; unter III: „Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen, welche Art. 26 Abs. 1 OECD-MA 2017 …entsprechen (sog. großer bzw. umfassender Informationsaustausch)“).
263Hierdurch besteht die unmittelbare Verpflichtung der Schweizer (Finanz)Behörden, den deutschen Finanzbehörden etwaige Informationen betreffend die Beteiligung der Klägerin an der Z oder betreffend die Z selbst zu erteilen.
264c) Diese Bestimmung gilt gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. d des Änderungsprotokolls vom 27. Oktober 2010 erst für Informationen nach Art. 27 Abs. 5 DBA-Schweiz, die sich auf einen Zeitraum beziehen, der am 1. Januar des auf die Unterzeichnung des Protokolls folgenden Jahres beginnt (Doppelbuchst. aa), und in allen anderen Fällen hinsichtlich Informationen, die sich auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume beziehen, die am oder nach dem 1. Januar des auf die Unterzeichnung des Protokolls folgenden Jahres beginnen (Doppelbuchst. bb).
265Da die Unterzeichnung am 27.10.2010 erfolgt ist (vgl. Art. 1 des Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. Oktober 2010 zur Änderung des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen den Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl I 2011, 1090), ist die Regelung erstmals anzuwenden auf Informationen nach Art. 27 Abs. 5 DBA-Schweiz, die sich auf einen Zeitraum ab dem 01.01.2011 beziehen, und in allen anderen Fällen auf Informationen, die sich auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume beziehen, die am oder nach dem 01.01.2011 beginnen (vgl. BR-Drs 11/257 S. 16).
266aa) Auskünfte im Sinne des Art. 27 Abs. 5 DBA-Schweiz sind Informationen, die sich bei einer Bank, einem sonstigen Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treuhänder befinden oder sich auf das Eigentum an einer Person beziehen. Diese sind erst zu erteilen für Zeiträume ab dem 01.01.2011. Dies ist im Streitfall nicht einschlägig.
267bb) Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb des Änderungsprotokolls sind alle anderen Informationen – mithin auch die von Steuerbehörden – erstmals zu erteilen, wenn sie sich auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume beziehen, die am oder nach dem 01.01.2011 beginnen.
268Der Senat legt diese Formulierung dahingehend aus, dass hiermit das Auskünfte gemeint sind, die den Feststellungsbescheid 2011/2012, mithin das Wirtschaftsjahr 2011, betreffen.
269(1) Der Klägerin ist zuzugeben, dass der Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Buchst. d) Doppelbuchst. bb) insoweit nicht eindeutig ist
270Im Feststellungsverfahren nach § 18 AStG gibt es weder ein „Steuerjahr“ noch einen „Veranlagungszeitraum“. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG werden die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AStG sind die Vorschriften der AO über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen entsprechend anzuwenden. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens entspricht der Begriff des Feststellungszeitraumes daher dem des Veranlagungszeitraumes (Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO § 180 AO Rz. 65). Es handelt sich insoweit lediglich um eine begriffliche Anpassung. Veranlagungszeitraum ist im deutschen Steuerrecht der Zeitraum, der der Besteuerung zugrunde gelegt wird – in der Einkommen- und Körperschaftsteuer das Kalenderjahr (§ 25 EStG und § 7 Abs. 3, 31 Abs. 1 KStG). Der am oder nach dem 1. Januar 2011 beginnende Feststellungzeitraum wäre demnach das Feststellungsjahr 2011.
271(2) Vom Begriff des Veranlagungszeitraumes abzugrenzen ist jedoch der Begriff des „Wirtschaftsjahres“, das vom Kalenderjahr abweichen kann. Falls sich Wirtschaftsjahr und Kalenderjahr decken, gelten für den Feststellungszeitraum keine Besonderheiten. Dieser entspricht dann grundsätzlich dem Wirtschaftsjahr bzw. Kalenderjahr. Im Rahmen der Feststellung nach § 18 AStG ordnet § 10 Abs. 2 Satz AStG für die Streitjahre an, dass der Hinzurechnungsbetrag nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen gilt, was bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht – wie im Streitfall – zu einem Auseinanderfallen von Feststellungszeitraum (2011) und Wirtschaftsjahr/Geschäftsjahr (2010) führt. Es ist nicht erkennbar, ob der Gesetzgeber in diesem Fall auch auf den Feststellungszeitraum abstellen wollte.
272(3) Der weiter verwendete Begriff des „Steuerjahres“ ist kein spezifischer Begriff des deutschen Steuerrechts.
273Auch in den Schweizerischen Ertragsteuergesetzen findet er sich nicht. Nach Schweizerischen Ertragsteuerrecht (für juristische Personen: Gewinn- und Kapitalsteuer) wird unterschieden zwischen der Steuerperiode und der Bemessungsperiode. Die Steuerperiode umfasst und begrenzt den Zeitraum, für welchen die Steuer geschuldet ist. Bei natürlichen Personen stimmt die Steuerperiode in der Regel mit dem Kalenderjahr überein (Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer –DBG- und Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden –StHG-). Für juristische Personen – wie der Z – gilt demgegenüber – unabhängig vom Kalenderjahr – das Geschäftsjahr als Steuerperiode (Art. 79 Abs. 2 DBG und Art. 31 Abs. 2 StHG).
274Die Bemessungsperiode hingegen ist der Zeitraum, in dem das der Steuerberechnung zugrunde gelegte Einkommen erzielt wird. Der steuerbare Reingewinn juristischer Personen bemisst sich nach dem Ergebnis der Steuerperiode, welche bei juristischen Personen mit deren Geschäftsjahr identisch ist (Art. 80 Abs. 1 DBG und Art. 31 Abs. 3 StHG; https://www.estv.admin.ch/dam/estv/de/dokumente/estv/steuersystem/dossier-steuerinformationen/e/e-zeitliche-bemessung-steuern.pdf.download.pdf/e-zeitliche-bemessung-steuern.pdf). Dementsprechend findet sich auf den Steuerbescheiden der Z auch lediglich die Angabe der jeweiligen Bemessungsperiode, d.h ihres Geschäftsjahres (im Fall der Z: 01.01.-31.12. des jeweiligen Jahres). Nach schweizerischem Verständnis kommt man damit zu dem Ergebnis, dass im Fall von juristischen Personen immer das Geschäftsjahr maßgeblich ist.
275cc) Eine systematische Zusammenschau mit den übrigen Anwendungsvorschriften in Art. 6 des Änderungsprotokolls ergibt, dass die geänderten DBA-Vorschriften nicht rückwirkend, sondern erst für die Zukunft anwendbar sein sollten.
276Ebenfalls in Bezug auf Auskunftsersuchen nennt Buchst. d Doppelbuchstabe aa Informationen, die sich auf einen Zeitraum ab dem 1. Januar des folgenden Jahres (=2011) beziehen; Buchst. a stellt ebenfalls auf den 1. Januar des folgenden Jahres (=2011) ab; (Buchst, b verwendet die identische Formulierung „Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume“, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres beginnen).
277dd) Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Unterscheidung zwischen den Doppelbuchstaben aa und bb lediglich „regelungstechnischer Natur“ (BR-Drs 11/257, S. 16). Offenbar sollte trotz unterschiedlicher Anknüpfungspunkte ein einheitlicher Anwendungszeitpunkt erreicht werden. Wenn jedoch in Buchst. a und Doppelbuchstabe aa eindeutig erst Informationen für Zeiträume ab dem 01. Januar 2011 erteilt werden dürfen, ist es konsequent, auch auf das am oder nach dem 1. Januar 2011 beginnende Schweizerische Steuerjahr der Z abzustellen.
278ee) Auch der BFH legt – ohne dass es dort entscheidungserheblich gewesen wäre – in seiner Entscheidung vom 22.05.2019 (I R 11/19, BStBl II, 2021, 265) bei der Prüfung der Anwendbarkeit der großen Auskunftsklausel die Wirtschaftsjahre (dort: 2005 und 2006) zugrunde und nicht die Feststellungsjahre. Gleiches gilt für die Entscheidung vom 18.02.2019 (I R 59/17, BStBl II 2021, 270).
279ff) Zu berücksichtigen ist im Streitfall zudem die Auslegung der Anwendungsvorschrift aus Sicht der Schweiz, da diese die erforderlichen Auskünfte über die Z erteilen müsste.
280Vorliegend würden die deutschen Finanzbehörden für das Feststellungsjahr 2011 bei den Schweizer Finanzbehörden um Auskünfte hinsichtlich der Steuerperiode/Bemessungsperiode 01.01.-31.12.2010 der Z bitten. Es scheint ausgeschlossen, dass die Schweizerischen Finanzbehörden im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb des Änderungsprotokolls diese Auskünfte erteilen würden, da sie die Steuerperiode/Bemessungsperiode 2010 der Z betreffen, welche nicht am 01.01.2011 begonnen hat.
281Hieran ändert auch nichts, dass das deutsche System der Hinzurechnungsbesteuerung, das im Regelfall zu einem Auseinanderfallen von Wirtschaftsjahr und Feststellungsjahr führt, bereits seit Jahrzehnten besteht und den Schweizerischen Behörden ggfs. bekannt war.
282III. Für das Streitjahr 2011/2012 verstößt die Hinzurechnungsbesteuerung und damit der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
2831. Ab diesem Wirtschaftsjahr/Feststellungsjahr ist die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht mehr aufgrund fehlender Informationsmöglichkeiten gerechtfertigt. Denn aufgrund der dann anwendbaren Auskunftsklausel in Art. 27 Abs. 1 DBA-Schweiz besteht die Möglichkeit, die Angaben der Steuerpflichtigen zum Entlastungsbeweis durch Auskünfte bei den Schweizerischen Finanzbehörden zu überprüfen.
2842. Die Klägerin hat dargelegt und nachgewiesen, dass die Z keine rein künstliche Gestaltung ist, die zu dem Zweck errichtet worden ist, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für die durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erzielten Gewinne geschuldet wird.
285Die Z geht vielmehr in der Schweiz einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach.
286a) Eine nationale Maßnahme, die den freien Kapitalverkehr beschränkt, kann durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein kann, der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vorzubeugen, wenn sie sich spezifisch gegen rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen richtet, die zu dem Zweck errichtet werden, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für die durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erzielten Gewinne geschuldet wird.
287Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann hingegen der bloße Umstand, dass eine gebietsansässige Gesellschaft eine Beteiligung an einer anderen, in einem Drittland ansässigen Gesellschaft hält, als solcher keine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung begründen und damit eine steuerliche Maßnahme rechtfertigen, die den freien Kapitalverkehr beeinträchtigt (EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136).
288b) Der Steuerpflichtige muss die Gelegenheit haben, die in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommende Missbrauchsvermutung zu widerlegen. Dieser Gegenbeweis erfordert bei einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zum einen den Nachweis, dass das Hauptziel oder eines der Hauptziele der gewählten Gestaltung nicht in einer Steuerminderung bestand, die Gestaltung also nicht überwiegend steuerlich motiviert war (subjektives Element). Zum anderen muss anhand von objektiven Anhaltspunkten feststellbar sein (objektives Element), dass die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt, wobei die Gründung der Gesellschaft mit einer tatsächlichen Ansiedelung zusammenhängen muss, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen (BFH-Urteil vom 13.06.2018 I R 94/15, BStBl II 2020, 755; EuGH Urteil Cadbury Schweppes vom 12.09.2006 C-196/04, EU:C:2006:544 zur Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Hinzurechnungsbesteuerung).
289Zu den objektiven Anhaltspunkten für eine tatsächliche Ansiedelung gehören eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaates, die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung und das Vorhandensein von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen. Führt die Prüfung solcher Anhaltspunkte zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entfaltet, ist ihre Gründung als rein künstliche Gestaltung anzusehen (BFH-Urteil vom 13.06.2018 I R 94/15, BStBl II 2020, 755; EuGH-Urteil Cadbury Schweppes vom 12.09.2006 C-196/04, EU:C:2006:544 zur Niederlassungsfreiheit; EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136).
290c) Diese Kriterien sind nach der Rechtsprechung des EuGH zwar nicht ohne weiteres auf einen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit übertragbar.
291Welche Anforderungen die Beteiligung eines inländischen Steuerpflichtigen an einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit erfüllen muss, um nicht als „rein künstlich“ angesehen zu werden, ist unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, dass der freie Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern nicht darauf abzielt, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen sich die Gesellschaften im Binnenmarkt niederlassen können, sondern darauf, die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs zu verwirklichen. Somit deckt sich der Begriff „rein künstliche Gestaltung“ im Kontext des freien Kapitalverkehrs nicht unbedingt mit den im Urteil vom 12.09.2006, Cadbury Schweppes C-196/04, EU:C:2006:544, genannten Anhaltspunkten für die fehlende wirtschaftliche Realität der Niederlassung einer Gesellschaft. Die künstliche Schaffung der Voraussetzungen, um unberechtigt der Besteuerung in einem Mitgliedstaat zu entgehen oder dort unberechtigt einen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen kann, bei grenzüberschreitendem Kapitalverkehr in verschiedenen Formen erfolgen. Zwar können die genannten Anhaltspunkte auch im Rahmen der Anwendung der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr als Indizien für das Vorliegen einer rein künstlichen Gestaltung dienen, insbesondere wenn es sich als notwendig erweist, den wirtschaftlichen Grund für eine Beteiligung an einer Gesellschaft, die keine eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet, zu bewerten. Der genannte Begriff kann jedoch im Kontext des freien Kapitalverkehrs auch jede Vorkehrung umfassen, bei der das Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Gewinne künstlich in Drittländer mit niedrigem Besteuerungsniveau zu transferieren (EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136)
292Der BFH hat in einem Verfahren, in dem sowohl Niederlassungs- als auch Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig waren, entschieden, dass die Maßgaben der EuGH-Rechtsprechung zum sog. Gegenbeweis unter dem Gesichtspunkt der sog. Konvergenz der Grundfreiheiten (z.B. Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz 7.35) auch den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit konkretisieren. Demgemäß kann dann auch dahinstehen, ob -- wie in der Literatur geltend gemacht wird (Linn/Pignot, IWB 2016, 466, 470; Köhler, ISR 2016, 119, 124) -- im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit andere (z.B. nicht "ortsgebundene") Nachweisanforderungen gelten (BFH-Urteil vom 13.06.2018 I R 94/15, BStBl II 2020, 755, mwN aus der Literatur).
293d) Das BMF konkretisiert in seinem Anwendungsschreiben zur entsprechenden Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG auf Drittstaatenfälle die Anforderungen zum Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit wie folgt:
294- eine gezielte Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat, z.B. gut ausgebildetes Personal oder günstige Produktionsbedingungen im Rahmen der Beschaffungsmarktaktivität oder z.B. besondere Kundennähe im Rahmen der Absatzmarktaktivität. Die Ausübung der Geschäftstätigkeit im Aufnahmestaat muss hierbei einen relevanten Umfang erfordern und erreichen. Nicht ausreichend ist beispielsweise die Anmietung von Büroräumlichkeiten bzw. eine nur geringfügige Wahrnehmung von Funktionen, insbesondere wenn die Wahrnehmung dieser Funktionen nicht ortsgebunden ist;
295- nicht nur personelle, sondern auch sachlich angemessen Ausstattung der Zwischengesellschaft, so dass sie in der Lage ist, die angestrebten wirtschaftlichen Kernfunktionen selbständig auszuüben;
296- Treffen der wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen durch die ausländische Gesellschaft selbst. Die Gesellschaft muss ihre wirtschaftliche Kernfunktion selbst ausüben.
297Des Weiteren hat der Steuerpflichtige nach Auffassung des BMF nachzuweisen, dass die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft keine rein künstliche Gestaltung darstellt. Eine solche rein künstliche Gestaltung liegt allgemein in jeder Vorkehrung, deren Hauptziel oder eines derer Hauptziele darin besteht, durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Gewinne künstlich in Drittstaaten oder Gebiete mit niedrigem Besteuerungsniveau zu transferieren. Folglich sind über die vorgenannten Substanzerfordernisse hinaus triftige wirtschaftliche, d.h. außersteuerliche, Gründe für die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft darzulegen und nachzuweisen. Dazu gehört der Nachweis, dass keiner der Hauptzwecke der Beteiligung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (BMF vom 17.03.2021, BStBl I 2021, 342).
298e) Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist für den Fall der Drittstaatenkonstellation zwar nur die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig. Gleichwohl sind die vom EuGH zur Niederlassungsfreiheit aufgestellten Anforderungen für die im Drittland ansässige Gesellschaft wegen der Konvergenz der Grundfreiheiten und der vergleichbaren Interessenlage anwendbar. Auch der EuGH sieht letztlich in Fällen, in denen der wirtschaftliche Grund für eine Beteiligung an einer Gesellschaft zu bewerten ist, die Kriterien zur Beurteilung einer künstlichen Gestaltung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit als geeignete Indizien an (EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C:2019:136).
299f) Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine künstliche Gestaltung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung vor. Die Z ist tatsächlich in der Schweiz angesiedelt und übt dort eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit aus.
300aa) Die Z ist in der Schweiz angesiedelt.
301Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, handelt es sich bei der Z nicht um eine „Briefkastenfirma“ oder „Strohfirma“.
302Die Z verfügt in der Schweiz über eine feste Einrichtung mit ausreichend Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen.
303Sie hatte hierfür in den Streitjahren Büroräume inkl. Parkplätzen in D angemietet, die der Tätigkeit der Z entsprechend mit Büromöbeln und insbesondere der notwendigen IT-Infrastruktur ausgestattet waren. […] Auch die erforderliche Software war vorhanden. Hierfür hatte die Z einen Vertrag mit einem in der Schweiz ansässigen Dienstleister abgeschlossen. Sie ist bereits seit der Gründung […] dort ansässig und übt ihre Tätigkeit […] im Wesentlichen unverändert aus.
304bb) Die Z übt auch in der Schweiz eine wirkliche tatsächliche Tätigkeit aus.
305Die Z verfügte im Streitjahr 2011/2012 neben dem Geschäftsführer über x Angestellte, die die Arbeiten der Z – insbesondere die Abwicklung des Zahlungsverkehrs – in der Schweiz übernehmen und ausführen. Hierbei handelt es sich um […]. Die Lohnaufwendungen betrugen in 2011 x CHF.
306Weder wird Personal von einer (inländischen) …Gesellschaft zur Verfügung gestellt, noch übernimmt eine andere …Gesellschaft bei der Leistungserbringung Tätigkeiten, die im Außenverhältnis von der Z zu erbringen wären.
307Die Z war damit sachlich als auch personell in der Lage, ihre Aufgaben selbst zu erfüllen, und hat dies auch getan. Die wesentliche Tätigkeit der Z besteht in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Auf der einen Seite überweist sie die Rechnungsbeträge gebündelt bei Fälligkeit an die Lieferanten, und auf der anderen Seite zieht sie die Rechnungsbeträge gebündelt bei Fälligkeit von den Konten der Abnehmer ein. Hierfür benötigt sie lediglich ein Büro mit der entsprechenden technischen Ausstattung und entsprechend ausgebildete Mitarbeiter. Auch die übrigen geschuldeten Tätigkeiten, wie […] wurde von der Z selbständig mit eigenem Personal durchgeführt. Gleiches gilt für die erzielten Zinseinkünfte, die aus verspäteten Zahlungen resultieren oder aus einer kurzfristigen Anlage der vereinnahmten durchgeleiteten Gelder. Auch hier hat die Z die erforderlichen Tätigkeiten selbst ausgeführt[…].
308Die Z erbringt ihre Tätigkeiten sowohl gegenüber […] internen Unternehmen als auch […] gegenüber fremden Unternehmen (externe Lieferfanten). Dies ist für eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausreichend.
309Der Senat hält es für unschädlich, dass die Z nicht vorrangig auf dem Schweizer Absatzmarkt tätig ist. Erstens ist festzustellen, dass sich die Tätigkeit der Z zumindest auch auf den Schweizerischen Markt erstreckt, da sowohl einige Lieferanten als auch Abnehmer, die aus der Schweiz stammen, Verträge mit der Z abschließen. Zweitens ist die Tätigkeit der Z dadurch gekennzeichnet, dass sie international tätig ist […] Hinzu kommt, dass die Tätigkeit der Z in der Erbringung einer ortsungebundenen Dienstleistung besteht. […]. Es besteht keine Notwendigkeit, die Z persönlich aufzusuchen.
310In einem solchen Fall ist es nicht missbräuchlich, den Sitz der Gesellschaft in einen Staat mit einer niedrigeren Besteuerung zu verlegen. Es kann von der Klägerin nicht verlangt werden, ihre Gesellschaft in Deutschland zu gründen.
311Die Z ist zudem auf dem Schweizer Beschaffungsmarkt tätig, was der Senat für sich genommen schon für ausreichend hält (ebenso: FG Münster Urteil vom 06.02.2024 2 K 842/19 F, IStR 2024, 441). Dass sich dies sachlich in der Anmietung der Geschäftsräume und der Beschaffung der erforderlichen Büroausstattung sowie der IT-Verträge erschöpft, ist im Streitfall ausreichend, weil die Tätigkeit keine weiteren sachlichen Mittel benötigt. Als reines Dienstleistungsunternehmen benötigt die Z keine weiteren „Anschaffungen“. Hinzu kommt, dass sie auch das Personal vom „Beschaffungsmarkt“ der Schweiz rekrutiert hat. Damit hat sie sowohl ihre sachlichen als auch ihre personellen Ressourcen vollumfänglich vom Schweizer Beschaffungsmarkt bezogen. Dass dies grundsätzlich auf Beschaffungsmärkten anderer Länder ebenfalls möglich wäre, ist ebenfalls unschädlich.
312cc) Der Umstand, dass die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft ebenso gut im Ansässigkeitsstaat des beherrschenden Gesellschafters hätten ausgeführt werden können, lässt nicht den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung zu. Wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht, ist dies ausreichend.
313Die Niederlassung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat stellt sich nur dann als eine „rein künstliche Gestaltung“ dar, wenn festgestellt wird, dass diese Gesellschaft eine fiktive Ansiedlung ist, die keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entfaltet. Derartige fiktive Niederlassungen, insbesondere solche, die die Merkmale einer als „Briefkastenfirma“ oder „Strohfirma“ fungierenden Tochtergesellschaft aufweisen, können einer besonderen Steuerregelung (in Form der Hinzurechnungsbesteuerung) unterworfen werden, um der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung vorzubeugen (BFH-Urteil vom 13.06.2018 I R 94/15, BStBl II 2020, 755; EuGH Urteil Cadbury Schweppes vom 12.09.2006 C-196/04, EU:C:2006:544 zur Niederlassungsfreiheit; EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 C-135/17, EU:C: 2019:136).
314dd) Soweit die Finanzverwaltung – in Übereinstimmung mit dem BMF-Schreiben – fordert, dass die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen durch die Z selbst getroffen werden müssen, sieht der Senat dies als erfüllt an.
315Die Z übt ihre wirtschaftliche Kernfunktion selbst aus und lässt ihre Tätigkeit nicht durch Dritte besorgen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter bb) verwiesen.
316Darüber hinaus verfügt die Z über einen in der Schweiz wohnhaften und vor Ort tätigen, vom Verwaltungsrat beauftragten Geschäftsführer […], der entsprechend qualifiziert ist. […] Es ist nicht erkennbar, dass er – über die üblichen gesellschaftsrechtlich bedingten Einschränkungen hinaus – in seiner Führungs- und Entscheidungskompetenz eingeschränkt ist, oder dass die Klägerin hierauf Einfluss nimmt.
317Der Verwaltungsrat bestand aus x Mitgliedern, […]. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die geschäftlichen Entscheidungen der Z nicht vom Geschäftsführer oder soweit erforderlich vom Verwaltungsrat getroffen worden sind. Dass das Tätigkeitsfeld und die vertraglichen Beziehungen dem Grunde nach von der Klägerin … vorgegeben wurden, hält der Senat für unschädlich. Hierbei handelt es sich um eine notwendige Folge der […] Entscheidung, die Zahlungsregulierung durch eine […] eigene Gesellschaft durchführen zu lassen. Dies geht nicht über die mit der Alleingesellschafterstellung der Klägerin verbundenen, […] üblichen gesellschaftsrechtlich einhergehenden Entscheidungsbefugnisse hinaus. [ …]
318g) Ein weiterer „Motivtest“ wie ihn die Finanzverwaltung fordert, ist nach Auffassung des Senats nicht erforderlich.
319Zum einen ist der Senat weder an das BMF-Schreiben gebunden noch ist in § 8 Abs. 2 AStG eine solche Anforderung enthalten.
320Zum anderen ergibt sich diese zusätzliche Nachweispflicht eines außersteuerlichen Motives auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH. Das Vorliegen einer rein künstlichen Gestaltung wird bereits durch den Nachweis der Substanzerfordernisse widerlegt. Der EuGH betont vielmehr, dass es nicht missbräuchlich ist, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat gegründet wird mit dem Ziel, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen (EuGH-Urteil Cadbury-Schweppes vom 12.09.2006 C-194/04, EU:C:2006:544 Rz. 37; Quilitzsch/Rötting ISR 2024, 216).
321Der EuGH geht – im Gegensatz zum BMF – davon aus, dass für das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung neben dem subjektiven Element, welches im Streben nach einem Steuervorteil liegt, zusätzlich erforderlich ist, dass aus objektiven Anhaltspunkten hervorgeht, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit im anderen Staat entfaltet wird. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Umkehrschluss, dass beide Voraussetzungen nicht erfüllt sein müssen, um keine missbräuchliche Gestaltung anzunehmen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn nur eine der beiden Voraussetzungen (im Streitfall die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit im anderen Staat) erfüllt ist, um einen Missbrauch zu verneinen und damit den Entlastungsbeweis zu führen.
322Hinzu kommt, dass der Senat die im Vergleich zu Deutschland niedrigere Besteuerung zwar für eines der Hauptmotive der Standortwahl hält. Dass die Z in Deutschland jedenfalls als Zahlungsdienstleister unter der Aufsicht der BaFin stehen würde, was einen größeren Verwaltungsaufwand zur Folge hätte, und eine vergleichbare Aufsicht in der Schweiz nicht besteht, ist daneben jedoch ein beachtlicher außersteuerlicher Grund für eine Standortwahl.
323[…]