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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand:
2Streitig ist, in welcher Höhe bei der Anwendung des § 32b EStG Einkünfte aus der belgischen gesetzlichen Rentenversicherung anzusetzen sind.
3Der 1947 geborene Kläger absolvierte in Deutschland eine Ausbildung zum Augenarzt. Im Jahr 1990 übernahm er den Lehrstuhl für Augenheilkunde an der Universität N., was zu seiner Verbeamtung in Belgien führte. Aus dieser Tätigkeit erhielt er vom belgischen Föderalen Pensionsdienst im Streitjahr 2018 eine Beamtenpension i.H.v. 4.953,61 €.
4Von 1990 bis 2005 war der Kläger zudem im Angestelltenverhältnis an der Universitätsklinik N. tätig und leistete in dieser Zeit nach eigenen Angaben Pflichtbeiträge zur belgischen gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 455.732 € (Summe der entrichteten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge). Seit dem Jahr 2012 erhält er von dem belgischen Föderalen Pensionsdienst Rentenleistungen ausgezahlt, die sich im Streitjahr 2018 auf 10.658,16 € beliefen.
5Im Jahr 2018 wohnte der Kläger mit seiner Ehefrau, mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, in Deutschland. Neben den vorgenannten Einkünften aus Belgien erzielte er weitere Einkünfte. In seiner Einkommensteuererklärung 2018 erklärte er dem Progressionsvorbehalt unterliegende Ersatzleistungen i.H.v. 5.884 €, und zwar Einkünfte aus der belgischen Beamtenpension i.H.v. 2.701 € und Einkünfte aus der belgischen Arbeitnehmerrente i.H.v. 3.183 €. Dabei teilte er mit, dass die Arbeitnehmerrente zu 65,95 % unter die Öffnungsklausel falle.
6Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 04.12.2019 erfasste der Beklagte die belgischen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts mit 6.903 €.
7Im nachfolgenden Einspruchsverfahren beantragte der Kläger den Ansatz eines negativen Progressionsvorbehalts. Zur Begründung wies er darauf hin, dass es im belgischen Rentensystem einen Rentenhöchstbetrag gebe, während die Höhe der Pflichteinzahlungen allein von der Höhe des Arbeitslohns abhänge und nicht gedeckelt sei. Dies habe in seinem Fall dazu geführt, dass einem wesentlichen Teil der Beitragszahlungen keine späteren Rentenauszahlungen gegenüberstehen würden. Wären die Beitragszahlungen von insgesamt 455.732 € in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung geleistet worden, so hätte er - der Kläger - einen gesetzlichen Rentenanspruch in Deutschland von jährlich 34.212 € gehabt. Vergleiche man diesen Betrag mit dem tatsächlichen Anspruch auf belgische Rente i.H.v. nur 10.658 €, zeige sich, dass er einen jährlichen Verlust von 23.554 € erleide. Dieser Verlust sei steuermindernd zu berücksichtigen, und zwar dergestalt, dass die eigentlich zu versteuernden Anteile der Renteneinkünfte/Beamtenpension um 23.554 € zu mindern seien.
8Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens trug der Kläger vor, dass sich der Teil der in Belgien geleisteten Beitragszahlungen, der die nach deutschem Recht zu leistenden Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreite, auf 300.555 € summiere. Bei Gesamtbeiträgen von 455.732 € entspreche dies einem Anteil von 65,95 %. In diesem Umfang würden die belgischen Renteneinkünfte der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegen. Im Ergebnis führe dies zu einem negativen Progressionsvorbehalt von -17.230 €. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Schreiben des Klägers vom 14.01.2021 Bezug genommen.
9Mit Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2018 vom 04.02.2021 reduzierte der Beklagte die Höhe der nach § 32b EStG zu erfassenden belgischen Einkünfte auf 6.099 €. Dabei schloss er sich den Angaben in der Steuererklärung an, dass für 65,95 % der Einkünfte aus der Arbeitnehmerrente die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG erfüllt seien. Im Einzelnen wurde der Betrag von 6.099 € wie folgt ermittelt (vereinfachte Darstellung):
10Arbeitnehmerrente |
10.658 € |
|
davon Anteil Öffnungsklausel (65,95%) |
7.029 € |
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versteuert mit Ertragsanteil 18 % |
1.265 € |
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nicht der Öffnungsklausel unterliegender Anteil |
3.629 € |
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abzgl. steuerfreier Teil |
-1.571 € |
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steuerpflichtiger Teil |
2.058 € |
2.058 € |
Summe des steuerpflichtigen Teils der Rente |
3.323 € |
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Pension |
4.953 € |
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Freibetrag § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG |
-2.075 € |
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Pauschbetrag für Versorgungsbezüge |
-102 € |
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verbleibt steuerpflichtiger Anteil |
2.776 € |
2.776 € |
zusammen |
6.099 € |
Einen Antrag des Klägers, die Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO abweichend festzusetzen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2021 ab. Der Kläger legte gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Nichtberücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts eine Missachtung des Doppelbesteuerungs- und Übermaßverbotes darstelle. Die Gesamtheit aller in Belgien und Deutschland erhobenen staatlichen Abgaben (u.a. Sozialversicherungsbeiträge, belgische Einkommensteuer, deutscher Progressionstarif) belaufe sich auf rd. 240 % der Rentenzahlungen, d.h. die Rente werde faktisch mit ihrem fünffachen Wert besteuert.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 27.07.2021 wies der Beklagte sowohl den Einspruch betreffend Einkommensteuer 2018 als auch den Einspruch betreffend die Ablehnung der abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen als unbegründet zurück.
13Der Kläger hat sodann Klage erhoben, die sich ausschließlich gegen die steuerliche Erfassung der belgischen Arbeitnehmerrente richtet. Dass die belgischen Versorgungsbezüge mit 2.776 € in den Progressionsvorbehalt einfließen, ist unstreitig.
14Der Kläger hält daran fest, dass bei der Berechnung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden belgischen Renteneinkünfte zu berücksichtigten sei, dass sich ein Teil der Rentenbeiträge nicht auf die Höhe der Arbeitnehmerrente ausgewirkt habe. Wie bereits dargestellt, seien die maximal erwerbbaren Rentenansprüche in Belgien auf einen Höchstbetrag begrenzt, während es für die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung keine Deckelung gebe. In seinem Fall seien die tatsächlich entrichteten Pflichtbeiträge deutlich höher gewesen als es zum Erwerb des Rentenhöchstanspruchs erforderlich gewesen wäre, d.h. den Mehrleistungen stünden keine entsprechenden Erträge gegenüber. Diesem Umstand sei unter Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG dergestalt Rechnung zu tragen, dass der Ertrag des Rentenrechts ausgehend von einer 13jährigen Lebenserwartung bei Renteneintritt wie folgt berechnet werde:
15tatsächlicher Auszahlungsbetrag |
10.658 € |
Abzüglich 1/3tel der Gesamtbeiträge (455.732 €) |
35.056 € |
Ertrag (Verlust) |
-24.398 € |
Alternativ lasse sich der anzusetzende Verlust auch wie folgt berechnen:
17Belgische Rente für 13 Jahre (statistische Lebenszeit) |
138.554 € |
Geleistete Beiträge |
455.732 € |
Nicht wieder zugeflossener Betrag somit |
317.178 € |
verteilt auf 13 Jahre: |
-24.398 € |
Soweit der Beklagte die Öffnungsklausel auf 65,95 % der Renteneinkünfte anwende, übersehe er, dass die belgische Rente nicht proportional zur Höhe der geleisteten Beiträge sei. Vielmehr entfalle auf die Beiträge, die über den Höchstsätzen zur gesetzlichen Rentenversicherung gelegen hätten, zumindest gedanklich gar kein Rentenanspruch. Denn der Rentenanspruch sei wegen der in Belgien stattfindenden Leistungsdeckelung bereits vollständig durch die unter den Höchstsätzen liegenden Beiträge erwirtschaftet worden. Berechne man den steuerpflichtigen Teil der Rente deshalb vollständig nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, würden sich Einkünfte i.H.v. (10.658 € - 4.412 € =) 6.246 € ergeben. Hiervon seien 23.119 € (1/13tel von 65,95 % von 455.732 €) abzuziehen, um dem Umstand, dass den über der deutschen Beitragshöchstgrenze liegenden Beiträgen kein Ertrag gegenüberstehe, hinreichend Rechnung zu tragen. Sofern ausschließlich § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG angewendet werde, seien die Einkünfte aus der Arbeitnehmerrente folglich mit -16.874 € im Rahmen des § 32b EStG zu erfassen. Zusammen mit den Einkünften aus der belgischen Beamtenpension ergebe dies-14.098 €.
19Hilfsweise sei dem Umstand, dass er - der Kläger - von den ausländischen Rentenbeitragszahlungen i.H.v. 455.732 € unter Berücksichtigung seiner statistischen Restlebenszeit in Form von Rentenleistungen allenfalls 138.554 € erhalten werde, durch eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO Rechnung zu tragen. Denn der systembedingte Verlust der übrigen Einzahlungen bedeute eine Schwächung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 05.10.2021 und 21.12.2021 Bezug genommen.
20Am 25.01.2022 ist aus nicht streitigen Gründen ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2018 ergangen. Die dem Progressionsvorbehalt unterworfenen ausländischen Einkünfte wurden unverändert mit 6.099 € angesetzt.
21Der Kläger beantragt,
22den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 25.01.2022 dahingehend zu ändern, dass die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte mit -14.098 € angesetzt werden,
23hilfsweise,
24den Bescheid des Beklagten vom 28.01.2021, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO abgelehnt hat, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen zu treffen, die die Nachteile berücksichtigt, die dem Kläger daraus entstanden sind, dass den von ihm in Belgien geleisteten Beitragszahlungen keine entsprechende Rentenleistung im Gegenwert von 23.554,00 € gewährt worden ist.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage sowohl in Bezug auf den Hauptantrag als auch in Bezug auf den Hilfsantrag abzuweisen.
27Er stimmt dem Kläger dahingehend zu, dass das belgische Sozialversicherungssystem hinsichtlich der Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eine unbegrenzte Beitragspflicht vorsehe und dass die Rente im Streitfall unter Zugrundelegung von Lohnobergrenzen berechnet worden sei. Dies könne im Ergebnis dazu führen, dass sich ein Teil der Beiträge nicht auf den späteren Rentenanspruch auswirke. Ob tatsächlich Beiträge i.H.v. 455.732 € in die belgische Rentenversicherung eingezahlt worden seien, lasse sich anhand der vorliegenden Unterlagen nur eingeschränkt nachvollziehen. Die Richtigkeit des Betrags könne letztlich dahinstehen, da der steuerlichen Berücksichtigung der Rentenversicherungsbeiträge das Abflussprinzip des § 11 EStG entgegenstehe.
28Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Steuerakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Die Klage hat keinen Erfolg.
31I. Der Hauptantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
32Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 25.01.2022, der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei der Steuerfestsetzung sind - wie geschehen - (mindestens) dem Progressionsvorbehalt unterliegende ausländische Einkünfte i.H.v. 6.099 € zu berücksichtigen.
331) Dass das Besteuerungsrecht für die belgische Pension und die belgische Arbeitnehmerrente nach den Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien letzterem Vertragsstaat - d.h. Belgien - zusteht und diese Einkünfte bei der deutschen Einkommensteuerfestsetzung lediglich nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Von einer vertiefenden Darstellung wird daher abgesehen.
342) Vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden DBA-Regelung sind die nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG von der deutschen Besteuerung freigestellten ausländischen Einkünfte nach Art, Höhe sowie persönlicher und sachlicher Zurechnung nach deutschem Recht zu ermitteln (vgl. BFH, Urteil vom 14.07.2010 – X R 37/08, BStBl II 2011, 628). Da es sich bei der belgischen Arbeitnehmerrente um eine mit den Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Basisversorgung handelt, findet grundsätzlich § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG Anwendung. Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt, dass Leibrenten und andere Leistungen, die u.a. aus gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden, nach näherer Maßgabe der Sätze 2 bis 8 der Vorschrift grundsätzlich mit dem dort genannten Besteuerungsanteil zu erfassen sind. Hiervon abweichend kann der Steuerpflichtige gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Sätze 2 und 4 EStG die Besteuerung (lediglich) des Ertragsanteils beantragen, soweit die Rentenzahlungen auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden (sog. Öffnungsklausel). Der Nachweis, in welchem Umfang die Rentenzahlungen auf über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Beiträgen beruhen, obliegt dem insoweit feststellungsbelasteten Steuerpflichtigen.
353) Die vom Beklagten vorgenommene Aufteilung der Rentenzahlungen auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG sowie die Berechnung der steuerpflichtigen Rentenanteile sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
36a) Dass im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung der Öffnungsklausel grundsätzlich erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sein Klagevortrag nicht dahingehend zu verstehen sei, dass er ausschließlich § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG für anwendbar erachte. Vielmehr habe er lediglich im Wege einer Hilfsbetrachtung darstellen wollen, dass sich selbst bei alleiniger Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ein negativer Progressionsvorbehalt ergeben würde.
37b) Der Beklagte ist im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 04.02.2021 und in der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2021 den Angaben in der Einkommensteuererklärung gefolgt, in der erklärt wurde, dass 65,95 % der Renteneinnahmen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst bb EStG nur mit einem Steuersatz von 18 % (Ertragsanteil für Renten, die ab Vollendung des 65. Lebensjahrs gezahlt werden) zu besteuern seien. Für die übrigen 34,05 % der Arbeitnehmerrente (3.629 €) hat der Beklagte den zu versteuernden Anteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG berechnet, wonach für Renten, die ab dem Jahr 2012 gezahlt werden, ein Besteuerungsanteil von 64 % anzusetzen ist. Ausgehend von der Prämisse, dass die Rentenzahlungen tatsächlich im Verhältnis von 65,95 % zu 34,05 % aufzuteilen sind, ist die Berechnung des Beklagten, die zu einem steuerpflichtigen Gesamtanteil der Rente i.H.v. 3.323 € führt, zutreffend.
38Ob der Anspruch auf Zahlung der belgischen Arbeiternehmerrente i.H.v. 10.658 € tatsächlich zu 65,95 % auf Beiträgen unterhalb der Höchstbeträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beruht, vermag der Senat anhand der vorliegenden Unterlagen nicht zu beurteilen. Einer weiteren Aufklärung bedarf diese Frage nicht, da sie letztlich nicht entscheidungserheblich ist. Denn da die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit einem Ertragsanteil von nur 18 % für den Kläger deutlich günstiger ist als die einen Besteuerungsanteil von 64 % vorsehende Regelbesteuerung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, führt jegliche Reduzierung des der Öffnungsklausel unterliegenden Rentenanteils dazu, dass sich der dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfende steuerpflichtige Teil der Rente erhöht. Aufgrund des im gerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots ist es dem Senat verwehrt, den Einkommensteuerbescheid 2018 zum Nachteil des Klägers zu ändern. Eine Änderung zu Gunsten des Klägers ist zwar theoretisch möglich, würde aber voraussetzen, dass die Arbeitnehmerrente zu (noch) mehr als 65,95 % auf oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträgen beruht. Dies hat der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt behauptet und hierfür ist nach Aktenlage auch nichts ersichtlich. Im Ergebnis bleibt es daher bei der vom Beklagten vorgenommenen Aufteilung.
39c) Der Umstand, dass der Kläger mehr Rentenbeiträge geleistet hat als er bei voraussichtlicher Lebenserwartung an Rentenzahlungen erhalten wird, wirkt sich steuerlich nicht aus.
40Bei den Regelungen in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und Doppelbuchst. bb EStG handelt es sich um abschließende Regelungen. In welcher Höhe die der Öffnungsklausel unterliegenden Renteneinnahmen steuerpflichtig sind, hat der Gesetzgeber sachgerecht typisierend in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG geregelt und zwar dergestalt, dass der Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil) „aus der nachstehenden Tabelle“ zu entnehmen ist, d.h. bei Beginn der Rentenzahlung mit vollendetem 65. Lebensjahr 18 % beträgt. Die nicht der Öffnungsklausel unterliegenden Rentenanteile sind nach Maßgabe des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG mit dem in Satz 3 der Vorschrift genannten und vom Jahr des Beginns der Rentenzahlung abhängigen Besteuerungsanteil zu erfassen. Hiervon abweichende Berechnungen des Ertragsanteils / Besteuerungsanteils oder deren individuelle Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalls sehen die Vorschriften nicht vor.
41Soweit der Kläger die Zulässigkeit der Erfassung von „Korrekturposten“ aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG ableiten will, verkennt er den Inhalt dieser Vorschrift, die folgenden Wortlaut hat: „Als Ertrag des Rentenrechts gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt; dabei ist der Kapitalwert nach dieser Laufzeit zu berechnen.“ Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der vorgenannten Vorschrift nicht um eine Anleitung zur Berechnung der Einkünfte im konkreten Einzelfall, sondern lediglich um die gesetzliche Definition des Begriffs „Ertrag des Rentenrechts“. Die vorgenannte Formulierung, die sich vor der Neuausrichtung der Besteuerung der Alterseinkünfte durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 05.07.2004 (BGBl I 2004, 1427) wortgleich in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG a.F. befand und auf der Neuregelung der Besteuerung der Leibrenten durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16.12.1954 (BGBl I 1954, 373) beruhte, bringt zum Ausdruck, dass die unter die Vorschrift fallenden Leibrenten nicht - wie vor 1955 üblich - als wiederkehrende Leistungen in voller Höhe steuerpflichtig sind, sondern nur insoweit, als in den von der Vorschrift erfassten Rentenzahlungen Erträge des Rentenrechts enthalten sind (vgl. zur Rechtsgeschichte BFH, Urteil vom 19.01.2010 – X R 53/08, BStBl II 2011, 567).
42Ungeachtet dessen, dass aufgrund der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Pauschalierung (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 19.05.2021 -X R 20/19, BFH/NV 2021, 980) ohnehin keine Einzelberechnung des Ertragsanteils in Betracht kommt, legt der Kläger seiner Berechnung unzulässige Parameter zu Grunde. Ausweislich der Legaldefinition des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG kommt es allein auf den Jahreswert der (tatsächlich erzielten) Rente und auf den auf die voraussichtliche Laufzeit berechneten Kapitalwert dieser Rente an. Die Höhe der eingezahlten Rentenbeiträge ist für die Bestimmung des „Ertrags des Rentenrechts“ ohne Bedeutung.
43d) Sonstige Umstände, die eine Anpassung des zu versteuernden Anteils der Arbeitnehmerrente erfordern würden, liegen nicht vor. Insbesondere ist kein Verstoß gegen das Verbot der doppelten Besteuerung ersichtlich. Eine Doppelbesteuerung liegt vor, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der Altersbezüge; dabei gilt grundsätzlich das Nominalwertprinzip (BFH Urteil vom 05.04.2017 – X R 50/14, BStBl II 2017, 1187 m.w.N.). Geht es - wie hier - um die Einhaltung des Verbots der Doppelbesteuerung im Rahmen der Anwendung des Progressionsvorbehalts ist abstrakt zu prüfen, ob es bei Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts zu einer Doppelbesteuerung gekommen wäre. Die tatsächliche steuerliche Behandlung im Ausland bleibt unberücksichtigt (BFH, Urteil vom 14.07.2010 – X R 37/08, BStBl II 2011, 628).
44In Belgien erfolgen keine Direktzahlungen in die unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme, sondern vielmehr behält der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung einen Betrag in Höhe von 13,07 % des Bruttoverdienstes (Arbeitnehmeranteil) ein und überweist diesen zusammen mit dem Arbeitgeberanteil, der je nach Berufsgruppe zwischen 25 und 30 % des Bruttoverdienstes beträgt, an das Landesamt für soziale Sicherheit (Rijksdienst voor Sociale Zekerheid / Office national de sécurité sociale). Das Landesamt verteilt die Beiträge anschließend auf die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung. Losgelöst davon, wie hoch der an die Rentenversicherung überwiesene Anteil im Streitfall letztlich war, spricht bereits der Umstand, dass die Arbeitgeberanteile die Arbeitnehmeranteile um ca. das Doppelte überstiegen haben, gegen das Vorliegen einer Doppelbesteuerung. Denn da die Arbeitgeberanteile bei Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gewesen wären, hätten allein schon aus diesem Grund rund 2/3 der Gesamtbeiträge nicht der Besteuerung unterlegen. Die Arbeitnehmerbeiträge wären - wiederum bei Betrachtung nach deutschem Steuerrecht - in der von § 10 Abs. 3 EStG a.F. bestimmten Höhe als Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig gewesen, was zu einer weiteren Minderung der Steuerlast auf die Beiträge geführt hätte. Bei Betrachtung der Einnahmenseite ist festzuhalten, dass die Renteneinnahmen ganz überwiegend - nämlich zu 68,8 % - als steuerfrei behandelt wurden. Nur 31,2 % (3.323 € von 10.658 €) wurden der Besteuerung unterworfen.
45Die vorgenannten Umstände sprechen bei einer Gesamtbetrachtung in erheblichem Maße gegen eine Doppelbesteuerung. Unterlagen oder Berechnungen, die eine Doppelbesteuerung aufzeigen, hat der Kläger nicht vorgelegt. Soweit er mit Schreiben vom 20.02.2021 vorgetragen hat, dass die Renteneinnahmen sogar „fünffach“ besteuert würden, übersieht er, dass ausländische Steuern in die Berechnung nicht einzubeziehen sind und es sich bei den von ihm in die Berechnung einbezogenen 300.000 € Rentenbeiträgen zudem nicht um „Steuern“ handelt.
46II. Der Hilfsantrag ist zulässig. Der Kläger durfte den Antrag, mit dem er die abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt, zulässigerweise im Wege einer eventuellen Klagehäufung (§ 43 FGO) rechtshängig machen (vgl. BFH, Urteil vom 14.09.2017 - IV R 51/14, BStBl 2018, 78; FG Düsseldorf, Urteil vom 18.05.2022 – 4 K 892/21 VBr, ZfZ 2022, 252).
47Der Hilfsantrag ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte hat es mit dem Bescheid vom 28.01.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2021 zu Recht abgelehnt, die Einkommensteuer 2018 aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO niedriger festzusetzen.
48a) Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Der Zweck des § 163 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH, Urteil vom 20.09.2012 – IV R 29/10, BStBl II 2013, 505). Die Kriterien hierfür sind im Regelungsbereich des § 163 AO die gleichen wie im Rahmen des § 227 AO, weil sich diese beiden Erlassvorschriften im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgenanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unterscheiden (BFH, Urteil vom 26.10.1994 – X R 104/92, BStBl II 1995, 297).
49Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Behörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (BFH, Urteil vom 26.06.2014 – IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507). Maßgeblich für die Ermessensüberprüfung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
50b) Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass weder aus sachlichen noch aus persönlichen Gründen vorliegen.
51Gründe für eine persönliche Unbilligkeit wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht anderweitig ersichtlich.
52Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (BFH, Urteil vom 22.11.2018 – VI R 50/16, BStBl II 2019, 313 m.w.N. und Urteil vom 20.09.2012 – IV R 29/10, BStBl II 2013, 505).
53Die Festsetzung der Einkommensteuer 2018 entspricht - wie unter I. dargelegt wurde - den gesetzlichen Regelungen. Ein sachlicher Grund, der es gebieten würde, die Steuer niedriger festzusetzen, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass sich Gründe für eine abweichende Steuerfestsetzung insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Verbot der Übermaßbesteuerung ergeben. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ist wegen der Ausgestaltung der Einkommensteuer als Jahressteuer auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum zu beziehen (BVerfG, Beschluss vom 10.04.1997 - 2 BvL 77/92, BStBl II 1997, 518). Richtigerweise wurden im Streitfall nur die Einnahmen aus der belgischen Arbeitnehmerrente berücksichtigt, die dem Kläger im Jahr 2018 tatsächlich zugeflossen sind und die dessen Leistungsfähigkeit im Jahr 2018 angesichts ihres Zuflusses auch tatsächlich gesteigert haben. Die schon in den Jahren 1990 bis 2005 geleisteten Beitragszahlungen wurden zu Recht außer Ansatz gelassen, da sie für das Streitjahr 2018 ohne Bedeutung sind. Der Kläger übersieht, dass die mit diesen Zahlungen verbundene Minderung seiner Leistungsfähigkeit bereits im jeweiligen Zahlungszeitpunkt - d.h. schon in den Jahren 1990 bis 2005 - eingetreten ist, nicht aber die Leistungsfähigkeit des Jahres 2018 mindert. Würden die in früheren Jahren erfolgten Beitragszahlungen im Jahr 2018 steuermindernd berücksichtigt, wäre dies - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - ein vom Gesetzgeber nicht gewollter Verstoß gegen das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG.
54Auch der Einwand des Klägers, dass er einen deutlich höheren Rentenanspruch erworben hätte, wenn die von ihm geleisteten Rentenversicherungsbeiträge nicht in die belgische, sondern in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung geflossen wären, wurde von dem Beklagten zu Recht als unerheblich eingestuft. Denn es ist ein Grundprinzip der Einkommensbesteuerung, dass ausschließlich der tatsächlich verwirklichte, nicht aber rein fiktive Sachverhalte der Besteuerung zu Grunde gelegt werden (BFH, Urteil vom 13.04.2011 – X R 1/10, BStBl II 2011, 915). Folgerichtig wurde nur auf die tatsächlich zugeflossenen Rentenleistungen abgestellt und gerade nicht - was der Kläger bei seiner Argumentation auszublenden scheint - der behauptete hypothetische Rentenanspruch i.H.v. 34.212 € der Besteuerung unterworfen.
55Ebenso wenig konnte der Kläger mit seinem Einwand durchdringen, dass der Sachverhalt mit dem Ausfall einer Kapitalforderung vergleichbar sei und der durch die ungedeckelte Beitragszahlung ausgelöste „Verlust“ schon aus diesem Grund steuerlich zu berücksichtigen sei. Denn - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - hatte der Kläger gegenüber der belgischen Rentenversicherung keine Ansprüche, die über die Zahlung der tatsächlich zugeflossenen Arbeitnehmerrente hinausgingen, insbesondere keinen Anspruch auf Rückzahlung von Beiträgen. Gegenüber der deutschen Rentenversicherung bestand ein solcher Anspruch erst recht nicht. Mangels eines Forderungsanspruchs konnte sich in der Folge auch kein Forderungsverlust ergeben.
56III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.