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Die Einkommensteuerfestsetzung 1998 der Kläger in Gestalt des Bescheides vom 28.12.2009 wird mit der Maßgabe geändert, dass keine Einkünfte der Klägerin aus § 17 EStG in Ansatz gebracht werden.
Die Berechnung der festgesetzten Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Besteuerung eines Gewinns der Klägerin aus der Veräußerung von Aktien nach § 17 EStG.
3Die Kläger sind an der börsennotierten D AG (im Folgenden: AG) beteiligt. Diese ist aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 7.4.1998 (UR-Nr. 1 des Notars F) im Wege des Formwechsels aus der 1989 gegründeten D-Fabrik GmbH (im Folgenden: GmbH) hervorgegangen. Die Umwandlung wurde am 8.4.1998 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin war zuletzt in einem Umfang von 10 % an dem Stammkapital der GmbH von insgesamt 12,5 Millionen DM beteiligt gewesen. Sie hatte diese Beteiligung wie folgt erworben:
4Datum |
nominaler Anteil |
Erwerbsvorgang |
10.1.1992 |
50.000 DM |
Kauf, Anschaffungskosten 50.000 DM |
11.6.1996 |
450.000 DM |
verhältniswahrende Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln |
9.3.1998 |
500.000 DM |
unentgeltlicher Erwerb von dem Kläger |
17.3.1998 |
250.000 DM |
verhältniswahrende Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln |
1.250.000 DM |
Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung auf die Klägerin im Jahr 1998 Anteile an der GmbH von 48,5 %, nominell 4,85 Millionen DM gehalten, die er für insgesamt 485.000 DM erworben hatte.
6Laut Gesellschafterbeschluss vom 7.4.1998 sollte das Stammkapital der GmbH von 12,5 Millionen DM zum Grundkapital der AG werden und in 2,5 Millionen auf den Inhaber lautende Stammaktien in Form von Stückaktien eingeteilt werden. Der Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung ihrer Aktien war ausgeschlossen.
7Die Klägerin war danach - ausweislich des Gründungsberichtes der AG vom 7.4.1998 - an dem Grundkapital der AG folgendermaßen beteiligt:
8vormaliger Geschäftsanteil zum Nennbetrag |
daraus hervorgegangene Aktien |
|||
alte GmbH-Anteile |
Erhöhung vom 17.3.1998 |
neue GmbH-Anteile |
Stück |
Stück-Nr. |
500.000 DM |
125.000 DM |
625.000 DM |
125.000 |
992.501 - 1.117.500 |
450.000 DM |
112.500 DM |
562.500 DM |
112.500 |
1.117.501 – 1.230.000 |
50.000 DM |
12.500DM |
62.500 DM |
12.500 |
1.230.001 – 1.242.500 |
1.000.000 DM |
250.000 DM |
1.250.000 DM |
250.000 |
Die Aktien beider Kläger wurden in einem gemeinsamen Girosammeldepot bei der H‑Bank verwahrt.
10Durch Vorstandsbeschluss vom 8.5.1998 wurde das Grundkapital der AG unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Altaktionäre um 2,5 Millionen DM auf 15 Millionen DM erhöht. Am 14.5.1998 erfolgte die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel mit amtlicher Notierung. Im Rahmen des Börsengangs der AG am 18.5.1998 wurden neben den 500.000 Stückaktien aus der Kapitalerhöhung vom 8.5.1998 auch 88.046 Aktien der Klägerin veräußert. Die Aktien der Klägerin stammten aus einer Überzeichnungsreserve (sog. Greenshoe), für die die Klägerin 125.000 Stück aus ihrem Bestand zur Verfügung gestellt hatte.
11Nachdem die Kläger aus dem Aktienverkauf der Klägerin keine Einkünfte erklärt hatten, ermittelte der Beklagte einen Veräußerungsgewinn von 5.374.328 DM:
12Veräußerungserlös laut H-Bank |
5.409.546 DM |
||||
abzüglich Anschaffungskosten |
|||||
eigene Anschaffungskosten aus 1992: |
50.000 DM |
||||
fortgeführte Anschaffungskosten des |
|||||
Rechtsvorgängers aus 1998: |
50.000 DM |
||||
insgesamt für 250.000 Aktien |
100.000 DM |
||||
je Aktie 0,40 DM x verkaufte 88.046 Stück |
35.218 DM |
||||
Veräußerungsgewinn |
5.374.328 DM |
||||
davon ½ steuerpflichtig nach § 17 EStG |
2.687.164 DM |
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass es nach Umwandlung der GmbH in eine AG nicht mehr möglich sei, den Aktien einzelne Anschaffungsvorgänge und Anschaffungskosten zuzuordnen. Es müsse daher eine Berechnung der Anschaffungskosten nach Durchschnittswerten erfolgen. Dies habe zur Folge, dass der Verkauf zur Hälfte steuerpflichtig nach § 17 Abs. 1 S. 4 EStG sei, weil die Anteile infolge des unentgeltlichen Erwerbs von dem Kläger 1998 durchschnittlich zur Hälfte steuerverhaftet seien.
14Mit Änderungsbescheid vom 8.4.2004 berücksichtigte der Beklagte neben weiteren Änderungen erstmals den vorgenannten Veräußerungsgewinn und setzte die Einkommensteuer 1998 der Kläger auf 1.890.759 DM fest.
15Gegen diesen Bescheid wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 19.4.2004. Sie trugen vor, die Klägerin selbst sei nie wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt gewesen. I.R.d. Börsenganges seien nur Aktien veräußert worden, die aus dem nicht steuerverhafteten Altbestand an GmbH-Anteilen hervorgegangen seien. Sie beriefen sich auf H 140 Abs. 5 EStH 1998 „Wahlrecht bei teilweiser Veräußerung“ und das darin genannte BFH-Urteil VIII R 126/75 v. 10.10.1978, BStBl II 1979,77, hilfsweise auf eine analoge Anwendung der Verwaltungsanweisung zu § 23 EStG in H 169 EStH 1998 „Sammeldepot“.
16Mit Entscheidung vom 9.3.2007 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung stützte er sich auf die BFH-Urteile IV R 15/76 v. 17.7.1980, BStBl II 1981, 11, und VIII R 126/75 v. 10.10.1978 BStBl II 1979, 77. Der Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes nach § 17 EStG könnten die tatsächlichen Anschaffungskosten bestimmter Anteile nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der Veräußerer bei der Veräußerung durch Bezugnahme auf den notariellen Erwerbsakt bestimme, welchen von mehreren rechtlich selbständigen Anteilen er veräußere und diesen identifiziere. Unterbleibe die für die Ausübung eines Wahlrechtes erforderliche Identifizierung, sei bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns von den durchschnittlichen Anschaffungskosten auszugehen. Vorliegend seien die ehemaligen, trennbaren GmbH-Anteile durch den Formwechsel und die Zerlegung des Grundkapitals in Stückaktien untergegangen und hätten ihre rechtliche Selbständigkeit verloren. Eine Zuordnung der veräußerten Aktien zu den damaligen Anschaffungsvorgängen setze eine Identifizierung und damit eine Selbständigkeit der Anteile voraus, die im Streitfall nicht mehr gegeben sei. Die Zuordnung, wie sie die Kläger vorgenommen hätten, sei willkürlich und steuerlich nicht beachtlich.
17Die Kläger könnten sich nicht mit Erfolg auf eine analoge Anwendung der Grundsätze in H 169 EStH 1998 „Sammeldepot“ berufen. Mit dem dort genannten Urteil X R 49/90 v. 24.11.1993, BStBl II 1994, 591, habe der BFH zu dem Verkauf von Wertpapieren in Girosammelverwahrung im Rahmen des § 23 EStG entschieden, dass der Spekulationsgewinn nur mit Hilfe von Durchschnittswerten zu ermitteln sei und nicht nach der Lifo- oder Fifo-Methode. Jedes einzelne Wertpapier gelte danach als anteilig verkauft.
18Auch handelsrechtlich würden gem. § 255 HGB Wertpapiere in einem Girosammeldepot grundsätzlich mit den durchschnittlichen Anschaffungskosten sämtlicher Wertpapiere derselben Art bewertet.
19Mit ihrer am 2.4.2007 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
20§ 17 EStG knüpfe für die steuerliche Identifizierbarkeit einzelner Beteiligungen an das Zivilrecht an. Danach müsse zwingend jede einzelne kraft formwechselnder Umwandlung entstandene Aktie einem konkreten Anteil an der ehemaligen GmbH zugeordnet werden. Damit habe der ehemalig steuerverstrickte GmbH-Anteil in Form bestimmter steuerverstrickter Aktien einerseits und die ehemalig nicht verstrickten GmbH-Anteile in Form bestimmter nicht steuerverstrickter Aktien andererseits fortbestanden. Es seien – bereits sachenrechtlich zwingend – individualisierbare Aktienpakete veräußert worden.
21Zudem habe der BFH in seinem Urteil X R 49/90 vom 24.11.1993, BStBl II 1994, 591, eine erleichterte Beweisführung zur Identifikation von Wertpapieren zugelassen.
22Der am 9.3.1998 unentgeltlich erworbene GmbH-Anteil zum Nennwert von 500.000 DM sei vollständig in der ersten Aktientranche („Tranche I“) laut Gründungsbericht mit den Nummern 992.501-1.117.500 aufgegangen. Ebenfalls enthalten sei in dieser Tranche I der hälftige, aus der Kapitalerhöhung vom 17.3.1998 hervorgegangene GmbH-Anteil mit einem Nennwert von 125.000 DM.
23In Kenntnis des Umstandes, dass sich in Tranche I die unentgeltlich von dem Kläger erworbenen und damit steuerverstrickten Aktien befunden hätten, habe die Klägerin für die Überzeichnungsreserve anlässlich des Börsenganges bewusst die 125.000 Aktien aus den Tranchen II und III gewählt.
24Zudem trage der Beklagte die Feststellungslast für steuerbegründende Tatsachen. Dazu gehöre im Streitfall insbesondere die Tatsache, dass die veräußerten Aktien durch den Vorbesitz des wesentlich beteiligten Klägers steuerverstrickt waren. Denn die Verwirklichung eines steuerlichen Veräußerungstatbestandes setze für jeden einzelnen steuerbaren Vorgang die Nämlichkeit des angeschafften und des veräußerten Wirtschaftsgutes voraus. Es verbiete sich eine Fiktion des Steuertatbestandes. Einer Veräußerung gerade der steuerverstrickten Anteile stehe im Streitfall schon die Vermutung des ersten Anscheins entgegen. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Beteiligte, die Inhaber sowohl steuerverstrickter als auch nicht steuerverstrickter Anteile sind, allein die nicht verstrickten Anteile veräußern wollten. Die Klägerin sei seinerzeit steuerlich beraten gewesen, und man habe ausdrücklich die Veräußerung allein der steuerlich nicht verstrickten Anteile geplant.
25Der Beklagte hat im Laufe des Klageverfahrens mehrere Änderungsbescheide erlassen, zuletzt mit Datum vom 28.12.2009. Darin wird der Veräußerungsgewinn der Klägerin i.S.v. § 17 EStG nach Abzug weiterer Veräußerungskosten von 19.871 DM schließlich nur noch mit 2.667.293 DM in Ansatz gebracht. Eine weitere Änderung erfolgte aus für das vorliegende Verfahren nicht relevanten Gründen.
26In der mündlichen Verhandlung vom 24.4.2015 haben die Kläger ihre Beweisanträge aus den Schriftsätzen vom 4.7.2007, 16.10.2013 und 20.4.2015, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, wiederholt und vorsorglich deren Nichtbeachtung gerügt.
27Die Kläger beantragen,
28die Einkommensteuerfestsetzung 1998 in Gestalt des Bescheides vom 28.12.2009 mit der Maßgabe zu ändern, dass Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Gestalt des Veräußerungsgewinnes i.S.d. § 17 EStG außer Ansatz bleiben,
29im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen,
32im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
33Er verweist auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.
34Fest stehe, dass der Tatbestand des § 17 EStG erfüllt sei. Erst in einem zweiten Schritt sei zu prüfen, ob die veräußerten Aktien einem bestimmten Anschaffungsvorgang zuzuordnen seien.
35Bei dem Verkauf nennwertloser Stückaktien wie denen im Streitfall sei weder für den Veräußerer noch für den Erwerber erkennbar, welchen ehemaligen GmbH-Anteil die veräußerten Aktien verkörpern. Letztere würden weder eine Nummerierung enthalten, die Rückschlüsse auf die Zuordnung in dem Gründungsbericht zulässt, noch seien die Wertpapiere in dem Depot in Tranchen aufgeteilt. Mit der Anwendung der Durchschnittswertmethode werde gerade der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Zuordnung der veräußerten Aktien zu ehemaligen Geschäftsanteilen im Streitfall nicht möglich sei.
36Entscheidungsgründe
37Die Klage ist begründet.
38Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 1998 der Kläger ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
39Der Ansatz eines Veräußerungsgewinnes nach § 17 EStG in der für das Streitjahr 1998 geltenden Fassung (im Folgenden: EStG) scheidet aus.
40Denn es steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass es sich bei den veräußerten 88.046 Stückaktien ganz oder teilweise um steuerverstrickte Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 5 EStG handelt.
41I.
42Für die Besteuerung des Anteilsveräußerungsgewinns der Klägerin im Streitjahr kommt vorliegend nur der Tatbestand des § 17 EStG in Betracht und dies auch nur, wenn und soweit es sich bei den veräußerten Aktien um solche handelt, die aus der unentgeltlichen Anteilsübertragung durch den Kläger im März 1998 hervorgegangen sind.
43Nach § 17 Abs. 1 S. 1, 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung wesentlich, also zu mehr als einem Viertel an dem Kapital der Gesellschaft beteiligt war.
44Dies gilt nach § 17 Abs. 1 S. 5 EStG auch für Fälle, in denen ein Anteil veräußert wird, den der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, jedoch sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war.
45Die Klägerin selbst war zu keinem Zeitpunkt wesentlich in dem vorgenannten Sinne beteiligt. Sie hatte stets Anteile von weniger als 25 % an der GmbH und später der AG gehalten, so dass die in ihrer Person bestehende Beteiligung nicht originär nach § 17 Abs. 1 S. 1, 4 EStG steuerverstrickt war.
46Nach § 17 Abs. 1 S. 5 EStG waren jedoch die auf den unentgeltlichen Erwerb von dem Kläger zurückzuführenden Aktien steuerverhaftet. Dabei handelte es sich um 125.000 Stück der insgesamt in der Hand der Klägerin vorhandenen 250.000 Aktien.
47Denn der Kläger war seinerzeit zu mehr als 25 % und damit wesentlich an der GmbH beteiligt.
48Nach der unentgeltlichen Übertragung hielt die Klägerin damit einen steuerverstrickten GmbH-Anteil von 5 % mit einem Nennwert von 500.000 DM und einen weiteren, nicht steuerverhafteten Anteil in gleicher Höhe, soweit es sich um die von ihr selbst 1992 und 1996 erworbene Altbeteiligung handelte.
49Diese hälftige Steuerverhaftung erstreckte sich in gleichem Umfang auf die wenige Tage nach der unentgeltlichen Übertragung vorgenommene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Diese war verhältniswahrend und führte zu einem gleichmäßigen Übergang der in den – steuerverstrickten und nicht verstrickten – Altanteilen gebundenen stillen Reserven auf die hinzukommenden Neuanteile. Der aus der Kapitalerhöhung resultierende GmbH-Anteil der Klägerin war daher zu gleicher Quote von 50 % steuerverhaftet wie die bis dahin bestehende Beteiligung (vgl. zu den entsprechenden Grundsätzen ausführlich BFH-Urteile vom 25.2.2009 IX R 26/08, BStBl II 2009, 658, und vom 28.11.2007 I R 34/07, BStBl II 2008, 533, jeweils m. w. N.).
50Schließlich setzte sich diese hälftige Steuerverhaftung der Beteiligung der Klägerin in gleichem Umfang an den Aktien fort, die infolge des Formwechsels aus der GmbH-Beteiligung hervorgegangen sind. Der Formwechsel führte nicht etwa - wie eine Verschmelzung - zu einem Anteilstausch und damit zu einem veräußerungsähnlichen Vorgang. Vielmehr bestanden die Anteile an der Gesellschaft in der Hand der Klägerin in anderer Gestalt, nämlich in Form von Aktien fort, so wie auf der Ebene der GmbH bzw. AG auch kein Rechtsträgerwechsel, sondern lediglich ein identitätswahrender Wechsel der Rechtsform stattgefunden hat (vgl. § 190 Abs. 1 UmwG sowie zu weiteren Einzelheiten auch BFH-Urteil vom 12.7.2012 IV R 39/09, BStBl II 2012, 728, und FG Nürnberg vom 11.7.2006 I 296/2003, juris).
51Mithin setzte sich der von der Klägerin bei der Veräußerung der 88.046 Aktien gehaltene Gesamtbestand von 250.000 Aktien zusammen aus 125.000 Stück steuerverhafteten und 125.000 steuerlich nicht verhafteten Papieren.
52II.
53Da nicht sicher feststellbar ist, dass die veräußerten 88.046 Aktien ganz oder zum Teil aus dem steuerverstrickten Bestand von 125.000 Stück gespeist wurden, verbietet sich die Annahme einer Tatbestandsmäßigkeit des Veräußerungsvorganges nach § 17 Abs. 1 S. 5 EStG.
54Nach dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung muss für die Anwendung einer belastenden Vorschrift auf einen Wertpapierverkauf zumindest nach der Art und Stückzahl der Papiere feststehen, dass die Veräußerung auch tatsächlich in vollem Umfang die gesetzlichen Merkmale der Vorschrift erfüllt.
55Diese Auffassung hat der BFH bereits in verschiedenen Entscheidungen zur Subsumtion von Veräußerungen girosammelverwahrter Aktien unter die Tatbestände des § 23 EStG und des § 21 UmwStG vertreten (vgl. Entscheidungen vom 11.12.2013 IX R 45/12 BStBl II 2014, 578, vom 26.8.2010 I B 85/10, BFH/NV 2011, 220, vom 4.5.1994 X R 157/90, BFH/NV 1995, 195, und vom 24.11.1993 X R 49/90, BStBl II 1994, 591).
56Der erkennende Senat hält sie für zutreffend und für vergleichbar mit der Problematik des Streitfalles, die die Ermittlung und Subsumtion des Verkaufs von ebenfalls girosammelverwahrten Papieren unter eine andere belastende Norm - § 17 EStG - zum Gegenstand hat.
57Bei der Herkunft der verkauften Aktien aus dem steuerverstrickten Anteil handelt es sich um eine Tatsache, die Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes des § 17 Abs.1 S. 5 EStG ist. Über ihr Vorliegen hat das Gericht gem. § 96 Abs. 1 S. 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Mit den verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln (§ 82 FGO i.V.m. § 371 ff. ZPO) hatte der erkennende Senat sich eine volle Überzeugung i.S.e. mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu bilden von der Nämlichkeit der veräußerten und der unentgeltlich erworbenen Gesellschaftsanteile.
58Dies ist vorliegend nicht gelungen, was nach den allgemeinen Beweislastregeln dazu führt, dass der Beklagte den Nachteil aus der Unerweislichkeit des von ihm angenommenen steuererhöhenden Sachverhaltes trägt.
59Denn eine Identifizierung der tatsächlich in den Greenshoe und später zur Veräußerung gelangten Aktien war wegen der Vermischung der gattungsgleichen Wertpapiere in dem Sammeldepot der Kläger unmöglich.
60Mit Beantragung der Girosammelverwahrung wurde ein Anspruch auf Verwendung bestimmter Stückenummern bei dem Verkauf von Aktien ausgeschlossen und der Fungibilität der Aktien zugestimmt. Das bedeutet, dass die Aktien beliebig austauschbar waren und nicht mehr individuell, sondern nur noch der Gattung nach bestimmt werden konnten. Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren in einem Girosammeldepot können daher auch nicht auf konkrete Papiere, sondern stets nur auf den ideellen Anteil des Inhabers an der Gesamtheit der sammelverwahrten Stücke der jeweiligen Gattung bezogen werden. Dies steht einer konkreten Zuordnung von Stückenummern entgegen. (Zur mangelnden Identifizierbarkeit sammelverwahrter Aktien vgl. ebenso BFH-Urteil vom 24.11.1993 X R 49/90, BStBl II 1994, 591, und Hessisches FG, Urteil vom 14.11.2012 7 K 748/08, juris.)
61Nach der Vermischung der Aktien unterschiedlicher Abstammung in dem Sammeldepot waren die Aktien nicht mehr nach Herkunft oder Stückenummer zu unterscheiden.
62Da ausreichend nicht steuerverstrickte Aktien vorlagen, aus denen die Überzeichnungsreserve und die veräußerten Papiere stammen konnten, ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den verkauften Aktien nicht um den unentgeltlich erworbenen Anteil des Klägers handelt, sondern um die steuerlich unbeachtlichen „Altanteile“ der Klägerin aus 1992 und 1996. Das Gericht konnte daher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Veräußerungsvorgang den Tatbestand des § 17 Abs. 1 S. 1, 4 und 5 EStG erfüllt.
63Einen Erfahrungssatz des Inhaltes, dass steuerverstrickte und nicht verstrickte Aktienbestände zu den gleichen ideellen Anteilen verkauft werden, wie sie auch in dem Gesamtbestand der vorhandenen Aktien vorhanden sind, gibt es nicht. Es verbietet sich insbesondere auch eine Fiktion des Steuertatbestandes, wie sie der Beklagte aus dem zu § 23 EStG ergangenen BFH-Urteil X R 49/90 vom 24.11.1993, BStBl II 1994, 591, ableiten will, wenn er ausführt, jedes in dem Depot der Klägerin vorhandene Wertpapier „gelte als anteilig verkauft“. Eine solche Regelung kann der erkennende Senat diesem Urteil nicht entnehmen. Vielmehr fordert der BFH im Hinblick auf die Tatbestandmäßigkeit der Besteuerung das „Feststehen“ der Tatbestandserfüllung, in dem dortigen Urteil das Einhalten der sechsmonatigen Spekulationsfrist.
64Auch die von dem Beklagten herangezogene Durchschnittswertmethode hilft nicht über die mangelnde Identifizierbarkeit der verkauften Wertpapiere hinweg. Sie macht eine positive Feststellung der Tatbestandserfüllung dem Grunde nach nicht entbehrlich und führt nicht zu der Annahme, dass alle Aktien in einem nur der Gattung nach bestimmbaren Wertpapierbestand als anteilig verkauft gelten. Bei dem Durchschnittswertverfahren handelt es sich ebenso wie bei Lifo- und Fifo-Methode lediglich um Bewertungsverfahren, die erst dann, quasi auf einer zweiten Stufe der Einkunftsermittlung, zur Anwendung kommen, wenn auf einer ersten Stufe der Tatbestandsmäßigkeit festgestellt ist, dass ein bestimmter Vorgang die Merkmale des gesetzlichen Steuertatbestandes - hier: den unentgeltlichen Erwerb der verkauften Papiere innerhalb der letzten fünf Jahre vor Veräußerung - erfüllt.
65Schließlich scheidet auch eine Beweisführung anhand von Wahrscheinlichkeitserwägungen mangels gesetzlicher Grundlage aus, zumal vorliegend kein Fall der Mitwirkungspflichtverletzung des beweisnäheren Beteiligten - der Klägerin - vorliegt, die zu einer Reduzierung des Beweismaßes führen würde, sondern schlicht ein Fall der Unmöglichkeit der Beweisführung. Die Finanzbehörde trägt die objektive Beweislast, wenn - wie hier - ohne Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen ein steuererhöhender Sachverhalt, der die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt, nicht feststellbar ist.
66Im Übrigen sind keine Gesichtspunkte erkennbar, nach denen eine weitere Aufklärung möglich oder geboten wäre.
67Insbesondere bedurfte es wegen Ungeeignetheit der von der Klägerin benannten Beweismittel, die in der Vernehmung verschiedener Zeugen bestanden, nicht der Erhebung dieser Beweise. Die Zeugen hätten allenfalls Auskunft darüber geben können, welche Absichten die Klägerin in Bezug auf die Einstellung bestimmter Aktien in die Überzeichnungsreserve hatte. Sie hätten jedoch nicht Zeugnis über die tatsächliche Herkunft oder die Eigenschaft der veräußerten Papiere als nicht steuerverstrickt ablegen können, weil es sich dabei nicht um äußere und sinnlich wahrnehmbare Merkmale handelt, sondern nur um Verschiedenheiten ideeller Art.
68Die Berechnung der festgesetzten Einkommensteuer 1998 der Kläger wird gem. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten aufgegeben.
69II.
70Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
71III.
72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
73IV.
74Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen zur Fortbildung des Rechts und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Anwendung der Durchschnittswertmethode bei Veräußerung eines Teils gleichartiger Gesellschaftsanteile bereits auf Tatbestandsebene dazu führen kann, dass jeder Gesellschaftsanteil als anteilig verkauft gilt.