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Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 vom 15.1.2015 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2008 um 55.136 € erhöht festgestellt werden;
der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 6.1.2015 wird dahingehend geändert, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2009 um 299.074,89 € erhöht festgestellt werden;
der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 6.1.2015 wird im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG dahingehend geändert, dass bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) und entsprechend die nicht ausgleichsfähigen Verluste um 102.941 € erhöht werden;
der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2010 vom 6.1.2015 wird dahingehend geändert, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2010 um 102.941 € erhöht festgestellt werden;
der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 6.1.2015 wird auch im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG dahingehend geändert, dass bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) um 161.849,19 € erhöht werden. Die Berechnung der insoweit ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen Verluste, die Verrechnung von Verlustvorträgen aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) sowie die Neuberechnung der Einkommensteuer 2011 werden dem Beklagten übertragen;
der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2011 vom 6.1.2015 wird dahingehend geändert, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2011 unter Berücksichtigung der o.g. Änderungen des Einkommensteuerbescheides 2011 erhöht festgestellt werden, die Neuberechnung wird auch insoweit dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darum, ob die Verluste des Klägers aus dem Erwerb von so-genannten Knock-Out-Zertifikaten steuerlich anzuerkennen sind. Die Kläger begehren die steuermindernde Berücksichtigung der Anschaffungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (im Streitjahr 2008) bzw. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (in den Streitjahren 2009 bis 2011).
3Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren erlitt der Käger Verluste aus Wertpapiergeschäften. Dabei handelte es sich u.a. um Geschäfte mit sog. „Open-End-Knock-Out-Zertifikaten“. Das sind Zertifikate ohne Laufzeitbegrenzung, die an Indizes bzw. einen bestimmten Aktienkurs gekoppelt waren. Das Zertifikat berechtigte den Kläger bei Einlösung bzw. Ausübung einen Abrechnungsbetrag zu verlangen. Der Preis eines Zertifikates bestimmte sich nach der Differenz zwischen einem vereinbarten Basispreis und dem (aktuellen) Wert der Bezugsaktie oder des Bezugsindex (Basiswert) bei Erwerb des Zertifikats. Um die Hebelwirkung zu verstärken, wurde außerdem ein bestimmtes Bezugsverhältnis vereinbart, so dass der Anleger nur einen Bruchteil der Differenz (regelmäßig 0,01) für ein Zertifikat bezahlen musste. Wurde z. B. bei einem Aktienkurs von 3000 € pro Aktie ein Basispreis von 2700 € vereinbart, dann hatte der Erwerber für das Open-End-Knock-Out-Zertifikat (3000 € – 270 € = 300 x 0,01=) 3 € zu bezahlen (zu Finanzierungskosten siehe unten). Stieg der Kurs auf 3500 €, bestand bei Ausübung des Rechts ein Zahlungsanspruch i. H. v. (3500 € – 2700 € = 800 x 0,01=) 8 €. Die Zertifikate waren mit einer sog. Stopp-Loss-Schwelle (Knock-Out-Barriere) versehen, die dem Basispreis vorgelagert war. Bei Berühren oder Durchbrechen der Barriere endete zwar die Laufzeit des Produktes. Da die Knock-Out-Barriere aber über dem Basispreis lag, wurde in jedem Fall mit Laufzeitende ein Knock-Out-Betrag ermittelt, der dem Anleger als „Restwert“ ausbezahlt wurde. Dieser Restwert entsprach der Differenz aus dem Auflösungskurs und dem Basispreis und konnte im schlechtesten Fall auch 0,001 Euro je Wertpapier betragen.
4Ein erheblicher Teil der vom Kläger in den Streitjahren erlittenen Verluste resultierte daraus, dass die Laufzeit der erworbenen Knock-Out-Produkte endete, weil die Stopp-Loss-Schwelle erreicht wurde. Nur die Anerkennung dieser Verluste ist zwischen den Beteiligten (noch) streitig.
5Bei den vom Kläger erworbenen Zertifikaten handelte es sich in den Streitjahren 2009 bis 2011 um Wave XXL Papiere der Deutschen Bank und um ein vergleichbares Papier der Commerzbank. Im Streitjahr 2008 handelte es sich um dem Wave XXL vergleichbare Produkte der Commerzbank (Commerzbank AG TuBull O.End) und der Dresdner Bank (Dresdner Bank AG TurboC O.End).
6Die Deutsche Bank beschreibt die „Wave XXL Papiere“ im Wesentlichen wie folgt (https://www.xmarkets.db.com/DE/Wissen-Academy/Produktwissen/WAVEs-XXL):
7„Waves XXL verfügen zusätzlich zum Basispreis über eine Barriere. Sobald der jeweilige Basiswert die Barriere des Produkts berührt oder unterschreitet (Wave XXL Call) bzw. berührt oder überschreitet (Wave XXL Put), wird das Produkt ausgestoppt. Da die Barriere bei Calls höher und bei Puts niedriger als der Basispreis ist, verfällt das Produkt nicht wertlos, sondern es wird im Falle eines Barrieren-Ereignisses ein Restwert an den Kunden ausbezahlt. Somit ergibt sich für den Investor die Möglichkeit, gehebelt an einem Basiswert zu partizipieren und im Falle eines Barrieren-Ereignisses noch einen Restwert ausgezahlt zu bekommen. Durch die unbegrenzte Laufzeit entstehen für den Emittenten der Produkte Kosten, die dem Kunden entstehen, wenn ein Wave XXL mehr als ein Tag gehalten wird. Diese Finanzierungskosten werden dem Kunden in Rechnung gestellt, indem der Basispreis täglich angepasst wird. Eine Anpassung der Barriere erfolgt bei Waves XXL monatlich.
8Die von der Deutschen Bank angebotenen WAVE XXL auf einen Index spiegeln die Bewegung des Index 1 zu 1 wieder, sind jedoch günstiger zu erwerben als der Index selbst. Dadurch kommt eine Hebelwirkung zustande. Ein WAVE XXL Call könnte beispielsweise ein Bezugsverhältnis von 0,01 sowie einen Basispreis von 5.200 Indexpunkten besitzen. Zusätzlich hat jeder WAVE XXL wie oben erwähnt einen Stopp-Loss-Level (Barriere-Betrag), der bei WAVE XXL Optionsscheinen auf Indizes in der Regel ca. 2 bis 5 Prozent über dem Basispreis liegt und in unserem Beispiel anfänglich 5.310 Punkte beträgt. Die Differenz zwischen dem fiktiven Indexstand und dem Basispreis unseres WAVE XXL Calls beträgt folglich 300 Punkte (5.500 – 5.200) woraus sich ein anfänglicher Preis des WAVE XXL von 3,00 EUR ergäbe. Für jeden Tag, an dem ein WAVE XXL Call gehalten wird, entstehen Finanzierungskosten. Bei WAVE XXL Calls werden diese in Rechnung gestellt, indem der Basispreis täglich um die Finanzierungskosten erhöht wird. … Fällt der Basiswert zu irgendeinem Zeitpunkt während der Barrieren-Bestimmungsperiode auf, über oder unter die Barriere, wird der WAVE XXL Knock-Out Optionsschein ausgeknockt. Eine Kurserholung ist dann ausgeschlossen. In diesem Fall wird der Auszahlungsbetrag auf Grundlage der Differenz zwischen Basispreis und Wert des Basiswerts im Zeitraum nach Eintritt des Barrieren-Ereignisses bestimmt, und Anleger verlieren unter Umständen nahezu ihren gesamten Anlagebetrag oder einen Großteil davon. Andernfalls erleiden Anleger einen Verlust, wenn der Basiswert am Bewertungstag so nahe am Basispreis liegt, dass der Auszahlungsbetrag unter dem Kaufpreis des WAVE XXL Knock-Out Optionsscheines liegt. Das Barrieren-Ereignis kann jederzeit während der Handelszeiten des Basiswerts eintreten; gegebenenfalls aber auch außerhalb der Handelszeiten des WAVE XXL Knock-Out Optionsscheins.“
9In einem von den Klägern vorgelegten Prospekt der Deutschen Bank „Starke Kurs-bewegungen mit WAVEs“ heißt es u.a. (Seite 13):
10„Das Stopp-Loss-Ereignis (Barriere-Ereignis) wird automatisch bei Erreichen des Barriere-Betrages (Stopp-Loss-Level) ausgelöst. Im Falle eines Barriere-Ereignisses löst die Deutsche Bank die hinter dem Produkt stehende Absicherungsposition auf. Anleger erhalten in einem solchen Fall dann einen Barausgleichsbetrag ausgezahlt, welcher der mit dem Bezugsverhältnis multiplizierten Differenz aus dem Stopp-Loss-Referenzzustand und dem Basispreis entspricht und im schlechtesten Fall auch Null betragen kann“.
11In den endgültigen Bedingungen dieser „WAVE XXL Call-Optionsscheine“ ordnet die Deutsche Bank die Papiere der Produktgattung „Call/Optionschein/Inhaberschuld-verschreibung“ zu. Als „Abwicklungsart“ sehen die Bedingungen „Zahlung“ vor. Zum Auszahlungsbetrag bestimmen sie bei Eintritt des „Barrieren-Ereignisses“ den Stopp-Loss-Referenzpreis minus Basispreis x Bezugsverhältnis und ansonsten den Schlussreferenzpreis minus Basispreis x Bezugsverhältnis.
12In 2008 beliefen sich die Verluste des Klägers durch „automatische“ Beendigung der Laufzeit auf 55.136 €. 2009 ergaben sich Verluste in Höhe von 299.074,89 € aus der Laufzeitbeendigung wegen Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle. In 2010 belief sich der entsprechende Verlustbetrag auf 102.941 €. Im Jahr 2011 ergaben sich noch einmal Verluste in Höhe von 161.849,19 €, die auf das Erreichen der Knock-Out-Barriere zurückzuführen waren.
13Basiswerte der fraglichen Knock-Out-Zertifikate waren der DAX-Index oder diverse Aktien. Die in Frage stehenden Verluste, die in allen Fällen jeweils darauf beruhten, dass die Knock-Out-Barriere erreicht wurde, wurden in allen Streitjahren, insbesondere auch im Jahr 2008, innerhalb weniger Wochen realisiert. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in jedem Fall bei Erreichen der Barriere vom Emittenten eine Abrechnung des Papiers durch Ermittlung und Auskehrung des Restwertes erfolgt ist.
14So erwarb der Kläger am 12.6.2008 über die M.M. Warburg & CO 30.000 Stück “Commerzbank AG TuBull O.End H.Haf&Lo 45,62“ zum Kurs von 1,04 € (Kaufpreis nebst Gebühren 31.214,38 €). Am 10.7.2008 erhielt er aus diesem Geschäft unter der Überschrift „Optionsrecht - vorzeitiger Knockout eingetreten“ 8.400 € erstattet(30.000 x 0,28 €/Stück). Am 3.6.2008 erwarb der Kläger Zertifikate vom Typ „Dresdner Bank AG TurboC O.End Postbank 53“ für 0,92 €/Stück (insgesamt 22.000 Stück zum Preis von 20.254,38 € inkl. Gebühr) und am 20.6.2008 für 0,55 €/Stück (insgesamt 22.000 Stück zum Preis von 12.112,05 € inkl. Gebühr). Am 2.7.2008 erhielt er aus diesen Geschäften unter der Bezeichnung „Wertpapierabrechnung Kommissionsgeschäft: Verkauf“ für 44.000 Stück (je 0,001 €) einen Betrag i.H.v. insgesamt 44,00 € erstattet.
15Im Jahr 2009 lag der Rückzahlungs-/Barausgleichsbetrag in keinem Fall bei nahezu 0 €. Er variierte vielmehr zwischen ca. 0,72 € und 1,19 € je Stück. In 2010 lagen die Rückkaufswerte je Stück bei 0,001 € (DE000LS54441; allerdings Ankauf für nur 0,35 €), bei 0,28 € je Stück (DE000DE27NM2) und bei 1,03 € je Stück (DE000DBA5A7C2). 2011 lag der Barausgleichsbetrag/Stück einmal bei 0,001 € (DE000LSOHMD8) und einmal bei 0,02 € (DE000DB3AY38; Ankauf für ca. 0,19 €/Stück). Im Übrigen lag er zwischen 0,31 € je Stück und 1,38 € je Stück.
16Der Kläger machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre neben weiteren Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften (2008) bzw. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (ab 2009) auch die o.g. Verluste geltend.
17Die Einkommensteuererklärungen für 2008 und 2009 sowie die Anträge auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 und auf den 31.12.2009 gingen beim Beklagten vor dem 13.12.2010 ein. Der Beklagte lehnte in den Einkommensteuerbescheiden und Verlustfeststellungsbescheiden für die Streitjahre die Anerkennung der o.g. Verluste ab, weil sie aus Geschäften stammten, bei denen die Laufzeit durch Eintritt des Knock-Out-Ereignisses endete.
18Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 22.3.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer u.a. unter Berücksichtigung nicht ausgleichsfähiger Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von insgesamt 743.394 € auf 0 € fest. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008, ebenfalls vom 22.3.2013, berücksichtigte der Beklagte den o.g. Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 743.394 €. Er lehnte aber die Anerkennung weiterer Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 55.136 € ab.
19Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.9.2013 wurde die Steuer ebenfalls auf 0 € festgesetzt. Dabei wurden bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) negative Kapitalerträge in Höhe von 34.296 € berücksichtigt. Dieser Verlust wurde in Höhe von 17.630 € (15.392 € und Verrechnung Ehegatte) im Einkommensteuerbescheid mit positiven Kapitalerträgen verrechnet. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des Verlustvortrages auf den 31.12.2009 vom selben Tag erkannte der Beklagte die restlichen 16.666 € (34.296 € - 17.630 €) als „verbleibende negative Einkünfte lt. Steuerbescheid für 2009“ bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen ohne Veräußerung von Aktien“ an. Die Berücksichtigung eines weitergehenden Verlustes in Höhe von 299.074,89 € lehnte der Beklagte ab. Die im Rahmen der Veranlagung 2009 vom Beklagten o.g. berücksichtigten Verluste in Höhe von insgesamt 34.296 € resultieren aus Wertpapiergeschäften, bei denen der Kläger o.g. Wertpapiere vor Erreichen der sog. Knock-Out-Schwelle mit Verlust verkauft hatte.
20Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 22.5.2012 wurde die Steuer ebenfalls auf 0 € festgesetzt. Dabei wurden bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) in Höhe von 84.844 € berücksichtigt. Diese Verluste wurden in Höhe von 42.337 € (40.962 € und Verrechnung Ehegatte) im Einkommensteuerbescheid mit positiven Kapitalerträgen verrechnet. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des Verlustvortrages auf den 31.12.2010 vom 13.12.2012 erkannte der Beklagte die restlichen 42.507 € (84.844 € - 42.337 €) als „verbleibende negative Einkünfte lt. Steuerbescheid für 2010“ bei den „Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne Veräußerung von Aktien“ an. Die Berücksichtigung eines weitergehenden Verlustes in Höhe von 102.941 € lehnte er dagegen ab.
21Im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 4.12.2012 wurde die Steuer auf 95.772 € festgesetzt. Dabei wurde bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) in Höhe von 5.424 € berücksichtigt. Dieser Verlust wurde in voller Höhe im Einkommensteuerbescheid 2011 mit positiven Kapitalerträgen verrechnet. Außerdem wurde der zum 31.12.2010 festgestellte Verlustvortrag („Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne Veräußerung von Aktien“) in Höhe von 59.173 € im Einkommensteuerbescheid 2011 in vollem Umfang verrechnet. Die Berücksichtigung eines weitergehenden Verlustes in Höhe von 161.849,19 € lehnte der Beklagte ab. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des Verlustvortrages auf den 31.12.2011 vom 4.12.2012 wurden dementsprechend keine „verbleibenden negative Einkünfte lt. Steuerbescheid für 2011“ bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen ohne Veräußerung von Aktien“ festgestellt.
22Die Kläger legten hiergegen Einsprüche ein und begehrten weiter die Berücksichtigung der nicht anerkannten Verluste aus den „Open-End-Knock-Out-Zertifikaten“. Die Geschäfte seien an einen Stopp-Loss-Kurs gebunden gewesen, um den Eintritt eines Totalverlustes zu verhindern. Weil es nicht zu einem Totalverlust gekommen sei, seien die Verluste anzuerkennen. Auch wenn der Restwert zum Teil bei nahe 0 € gelegen habe, könne nicht von einem Gestaltungsmissbrauch ausgegangen werden.
23Die Einsprüche der Kläger blieben erfolglos. Der Beklagte erkannte die streitigen Verluste weiterhin nicht an. Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 22.3.2013 verwarf er mit Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unzulässig, weil die Kläger wegen der Steuerfestsetzung auf 0 € nicht beschwert seien. Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 vom 22.3.2013 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unbegründet zurück.
24Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.9.2013 lehnte der Beklagte mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unzulässig ab, weil die Kläger wegen der Steuerfestsetzung auf 0 € nicht beschwert seien. Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 30.9.2013 wies der Beklagte mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unbegründet zurück.
25Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 22.5.2012 wies der Beklagte mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unbegründet zurück, weil die Kläger nach geänderter Rechtslage zu § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG trotz der Steuerfestsetzung auf 0 € beschwert seien. Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2010 vom 13.12.2012 verwarf der Beklagte mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 wegen der geänderten Rechtslage zu § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG als unzulässig.
26Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 4.12.2012 lehnte er mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unbegründet zurück. Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2011 vom 4.12.2012 verwarf der Beklagte mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 8.10.2013 als unzulässig.
27Die Kläger haben daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Sie begehren weiterhin die umfassende Berücksichtigung der Verluste aus den Geschäften mit den Knock-Out-Zertifikaten.
28Für die Streitjahre 2009 bis 2011 berufen sie sich darauf, dass es mit der Einführung der Abgeltungsteuer keine steuerlich irrelevante Vermögenssphäre mehr gebe. Insbesondere komme es für die Anerkennung steuerlicher Verluste aus Wertpapiergeschäften nicht darauf an, ob diese aufgrund eines Veräußerungsgeschäftes oder aufgrund eines tatsächlich eingetretenen Verfalls entstanden seien. Unter der Abgeltungsteuer seien alle Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne steuerpflichtig. Entsprechend müssten sämtliche Verluste als steuerlich relevant betrachtet werden. Bei einer vorhanden Gewinnerzielungsabsicht und der Versteuerung eingetretener Gewinne sei die steuerliche Berücksichtigung von eingetretenen Verlusten zwingend.
29Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass es in den vom Beklagten beanstandeten Sachverhalten stets zur Zahlung eines Barausgleichsbetrages in relevanter Höhe gekommen sei. In keinem Fall sei ein Totalverlust eingetreten. Vielmehr sei der den WAVE XXL-Optionsscheinen immanente Stopp-LossMechanismus zur Wirkung gelangt. Hierin liege keine Rückabwicklung des Geschäftes, sondern ein Veräußerungsgeschäft zur Vermeidung eines Totalverlustes. Entsprechend seien die geltend gemachten Verluste – letztlich auch für 2008 – vollumfänglich steuerlich zu berücksichtigen.
30Die BFH-Rechtsprechung zur alten Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer (Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10, BStBI II 2012, 454; und Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159), wonach Verluste aus Geschäften mit so genannten Knock-OutProdukten als Verluste auf der privaten Vermögensebene nicht abzugsfähig seien, finde auf den Streitfall (Streitjahr 2008) keine Anwendung. Diese Rechtsprechung betreffe Knock-Out-Produkte, bei denen ein Rückkauf bzw. eine Abrechnung durch den Verkäufer nicht erfolgt sei. Im Streitfall handele es sich aber gerade nicht um entsprechend strukturierte Papiere, sondern um Papiere, die einen Stopp-Loss-Mechanismus enthielten, der in jedem Fall zur Zahlung eines Barausgleichbetrages geführt habe.
31In Bezug auf die Jahre 2009 bis 2011 werde auch auf die Entscheidungen des BFH vom 12.1.2016 (IX R 48/14, IX R 49/14 und IX R 50/14, BStBl II 2016, 456; BStBl II 2016, 459; BStBl II 2016, 462) verwiesen.
32Die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2010 und auf den 31.12.2011 wurden mit Datum vom 22.10.2013 (für 2011) bzw. vom 31.10.2013 (für 2010) nach Erlass der Einspruchsentscheidung geändert. Im Verlauf des Klageverfahrens wurden mit Datum vom 15.1.2015 der Einkommensteuerbescheid 2008 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 noch einmal geändert. Die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 und die entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide wurden jeweils mit Bescheiden vom 6.1.2015 noch einmal geändert. Die hier streitigen Sachverhalte sind von diesen Änderungen nicht berührt.
33Die Kläger nahmen in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2016 die Klage gegen die auf Null lautenden Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 zurück.
34Sie beantragen zuletzt,
35den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlust-vortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 vom 15.1.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2008 um 55.136 € erhöht festgestellt werden;
36den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 6.1.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2009 um 299.074,89 € erhöht festgestellt werden;
37den Einkommensteuerbescheid 2010 im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG vom 6.1.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) und entsprechend die nicht ausgleichsfähigen Verluste um 102.941 € erhöht werden;
38den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2010 vom 6.1.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2010 um 102.941 € erhöht festgestellt werden,
39den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 6.1.2015 auch im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG dahingehend zu ändern, dass bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften (§ 32d Abs. 1 EStG) die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) um 161.849,19 € erhöht werden, nach Verrechnung mit positiven Kapitalerträgen die nicht ausgleichsfähigen Verluste entsprechend festgestellt werden und eine Verrechnung mit dem zum 31.12.2010 festgestellten Verlustvortrag unterbleibt,
40den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2011 vom 6.1.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ die verbleibenden negativen Einkünfte und der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2011 unter Berücksichtigung der beantragten Änderungen des Einkommensteuerbescheides 2011 erhöht festgestellt werden,
41Der Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidungen vom 8.10.2013. Darüber hinaus stützt er sich für das Streitjahr 2008 auf den BFH-Beschluss vom 24.04.2012 (IX B 154/10, BStBI II 2012, 454) und das BFH-Urteil vom 10.11.2015 (IX R 20/14, BStBl II 2016, 159), wonach beim automatischen Verfall einer Option mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt sei. Für die Streitjahre 2009 bis 2011 beruft er sich auf die aktuelle Weisungslage. Danach dürften Verluste aus Geschäften mit Knock-Out-Produkten weiterhin nicht anerkannt werden, obwohl der BFH darauf hingewiesen habe, dass die restriktive Rechtsprechung zu Knock-Out-Produkten nicht auf die neue Rechtslage übertragbar sei.
44Entscheidungsgründe
45Die Klage ist in vollem Umfang zulässig und begründet.
46Die angefochtenen Bescheide für 2008 bis 2011 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags und die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit die Verluste aus Wertpapiergeschäften, die aus dem Erreichen der Knock-Out-Barriere resultieren, nicht berücksichtigt wurden.
47I. Streitjahr 2008
48Der Beklagte hat die Anschaffungskosten der Knock-Out-Produkte im Streitjahr 2008 zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 2 EStG 2008, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 berücksichtigt. Der streitbefangene Verlust des Klägers in Höhe von 55.136 € wurde unzutreffend nicht anerkannt und der verbleibende Verlustvortrag bei den Einkünften aus Veräußerungsgeschäften in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2008 vom 15.1.2015 entsprechend zu niedrig festgestellt.
49Der Erwerb und die Abrechnung der Knock-Out-Produkte “Commerzbank AG TuBull O.End„ H.Haf&Lo 45,62“ und „Dresdner Bank AG TurboC O.End Postbank 53“, die innerhalb eines Jahres zu einem Verlust in Höhe von 55.136 € führten, sind als Termingeschäfte nach § 22 Nr. 2 EStG 2008 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 steuerbar. Die Aufwendungen für die Optionsscheine/Zertifikate sind als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften gemäß § 22 Nr. 2 EStG 2008 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG).
501. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 sind private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2 EStG 2008 auch Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 2008 sind bei der Ermittlung des Gewinns oder des Verlustes aus Termingeschäften Werbungskosten abzuziehen. Der Werbungskostenabzug setzt allerdings voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 23 Abs. 1 EStG 2008 steuerbaren Tätigkeit zu ermitteln ist. Dementsprechend können in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 Werbungskosten nur dann abgezogen werden, wenn es zu einem steuerrechtlich bedeutsamen Beendigungstatbestand kommt (ständige BFH-Rechtsprechung, u.a. BFH-Urteile vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159; vom 26.9.2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231, m.w.N.).
51Den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 erfüllt nur, wer durch die Beendigung des erworbenen Rechts tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt.
52Die Vorschrift erfasst grundsätzlich nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Dies kann geschehen, indem das Basisgeschäft durchgeführt wird und der aus dem Termingeschäft Verpflichtete die entsprechenden Basiswerte liefert. Kommt es aber, wie bei Derivatgeschäften üblicherweise, nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Termingeschäft durch einen Barausgleich beendet. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008. Das Gesetz erfasst indes mit dem Barausgleich nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust. Vorteil ist danach auch der Nachteil, soweit er auf dem Basisgeschäft beruht. So verhält es sich, wenn eine Option wertlos wird, weil der Wert eines Bezugsobjekts oder einer sonstigen Referenzgröße zum Fälligkeitszeitpunkt vom festgelegten Betrag (dem Basiswert) negativ abweicht. Dieser Nachteil (negativer Differenzausgleich) beruht ebenso wie der entsprechende Vorteil (positiver Differenzausgleich) allein auf den Wertverhältnissen des Basisgeschäfts (BFH-Urteile vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159; vom 26.9.2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231).
53Dabei wird das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil auch dann i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird (BFH-Urteile vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159; vom 26.9.2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231, m.w.N.).
542. Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen für die nach Erreichen der Stopp-Loss-Grenze abgerechneten Optionsscheine/Zertifikate im Streitjahr 2008 als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 2008). Der streitige Verlust in Höhe von 55.136 € ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 steuerbar.
55a) Bei den Knock-Out-Zertifikaten, wie sie im Streitfall vorliegen, handelt es sich nach Überzeugung des Senates um Termingeschäfte i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008. Sämtliche in Frage stehenden Knock-Out-Produkte sind solche, die an Indizes bzw. an einen Aktienkurs gekoppelt waren. Der Kläger hatte einen Anspruch auf einen Differenzausgleich, der von der Entwicklung der Basiswerte, d.h. der Indizes bzw. der Aktienkurse, abhängig war. Die einzelnen Geschäfte hatten jeweils tatsächliche Laufzeiten von deutlich weniger als einem Jahr.
56Zwar hat der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit bisher mehrfach offen gelassen, ob er Knock-Out-Zertifikate in Form von Vollrisikozertifikaten unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 subsumiert (BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, und BFH-Beschluss vom 24.4.2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454, m.w.N.; ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 6.10.2015 9 K 4203/13 E , EFG 2015, 2173). Der erkennende Senat hat allerdings auch bei der maßgebenden Orientierung am Zivilrecht (vgl. BFH-Urteile vom 6.7.2016 I R 25/14, DStR 2016, 2388; vom 26.9.2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231, m.w.N.) keine Bedenken, eine entsprechende Zuordnung zu treffen (so auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.5.2014 12 K 421/13, EFG 2014, 2037, m.w.N; FG Düsseldorf, Urteil vom 25.2.2015 15 K 4038/13 E,F,DStRE 2016, 1163; Meinert, EFG 2015, 2175; Blümich/Ratschow EStG, 132. Aufl. 2016, § 20 Rn. 368, zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG 2009).
57So hat nämlich gerade der BGH bereits mit Urteil vom 5.10.1999 (XI ZR 296/98, DB 1999, 2508) Knock-Out-Zertifikate in Form von Bandbreiten-Optionsscheinen als Börsentermingeschäfte klassifiziert. Es handele sich, so der BGH, um standardisierte Geschäfte mit Wertpapieren, die erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen seien und einen Bezug zu einem Terminmarkt hätten. Sie entsprächen damit der von der (Zivil-)Rechtsprechung entwickelten Definition eines Termingeschäftes.
58Das vom BFH (Beschluss vom 24.4.2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454) für seine Zweifel angeführte BGH-Urteil vom 13.7.2004 (XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58) steht dieser Beurteilung nach Auffassung des erkennenden Senates nicht entgegen. Dort hat der BGH zwar entschieden, dass Verträge über Indexzertifikate keine Börsentermingeschäfte seien. Die im Rahmen dieser Entscheidung zu beurteilenden Indexzertifikate auf den Nemax 50 sind aber mit den im Streitfall erworbenen Knock-Out-Produkten nicht vergleichbar. Der BGH hat in dem Urteil vom 13.7.2004 (XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58) seine Entscheidung u.a. damit begründet, dass der Erwerb von Indexzertifikaten nicht die für Termingeschäfte spezifische Hebelwirkung habe. Da der Preis des Indexzertifikats in der Regel dem Index der zugrunde gelegten Aktien entspreche, erlange der Erwerber des Zertifikats nicht die Möglichkeit, mit verhältnismäßig geringem Geldeinsatz weit überproportional an der Wertentwicklung des Index und der zugrunde gelegten Aktien teilzunehmen. Auch die Gefahr des Totalverlustes bestehe bei Indexzertifikaten nicht in dem für Termingeschäfte typischen Maße. Während bei Termingeschäften aufgrund der begrenzten Laufzeit ein Totalverlust drohe und insbesondere Optionsprämien durch bloßen Zeitablauf vollständig verfallen könnten, bestehe bei Indexzertifikaten grundsätzlich nur das Risiko, aufgrund eines ungünstigen Standes des Index bei der Fälligkeit des Zertifikats nur einen Teil des gezahlten Kaufpreises zurückzuerhalten. Die Gefahr eines Totalverlustes sei nicht größer als beim Direkterwerb von Aktien, der unzweifelhaft kein Börsentermingeschäft sei.
59Die nach den o.g. Ausführungen des BGH (Urteil vom 13. 7. 2004 XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58) typischen Merkmale eines Termingeschäfts liegen bei den im Streitfall zu beurteilenden Produkten im Wesentlichen alle vor. Die Produkte haben die für Termingeschäfte spezifische Hebelwirkung. Außerdem besteht trotz einer Stopp-Loss-Grenze eine erhebliche Gefahr für einen Totalverlust. Vor diesem Hintergrund unterscheiden sich diese Papiere auch maßgeblich von den Index-Partizipationszertifikaten, die der BFH im Urteil vom 4.12.2014 (IV R 53/11, BStBl II 2015, 483) im Rahmen des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht als Termingeschäfte beurteilt hat.
60b) Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 ist im Streitfall erfüllt. Anders als in den vom BFH entschiedenen Knock-Out-Fällen (BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, und BFH-Beschluss vom 24.4.2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454, m.w.N.) fehlt es im Streitfall insbesondere nicht an einer Beendigung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008.
61Bei § 23 Abs. 1 EStG 2008 handelt es sich um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichen mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt. Aufwendungen, die während des maßgebenden Zeitraums angefallen sind, können grundsätzlich Werbungskosten sein (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, m.w.N). Die Anschaffungskosten der Optionsscheine/Zertifikate können allerdings nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn es zu einem die Steuerbarkeit konstituierenden Veräußerungsgeschäft kommt, der Steuertatbestand mithin vollständig verwirklicht wird. Macht der Anleger von seinem Recht auf Differenzausgleich innerhalb der Frist Gebrauch, ist das Ergebnis steuerbar; subjektive Merkmale sind nicht zu prüfen. Andernfalls fällt die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt in die nicht steuerbare Vermögenssphäre. Der Erwerb eines Zertifikats und die damit verbundenen Aufwendungen sind steuerrechtlich ohne Bedeutung, wenn der Erwerber sein Recht nicht innerhalb eines Jahres ausübt oder veräußert, es vielmehr verfällt (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, m.w.N).
62Das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil wird allerdings auch dann i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der (wertlosen) Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird (BFH-Urteile vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159; vom 17.4. 2007 IX R 40/06, BStBl II 2007, 608, und vom 13.2.2008 IX R 68/07, BStBl II 2008, 522). Grund hierfür ist, dass dem Steuerpflichtigen kein wirtschaftlich sinnloses Verhalten in Gestalt der zu einer negativen Differenz führenden Ausübung seiner Option abverlangt wird, um die Optionsprämie als Werbungskosten geltend machen zu können. Wird die Option nicht ausgeübt und wegen Wertlosigkeit ausgebucht, bleibt das Termingeschäft zwar ohne Differenzausgleich im Basisgeschäft. Da aber auch eine negative Differenz steuerbar wäre, muss es das Weniger, das Nichtausüben der wirtschaftlich wertlosen Option im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ebenso sein. Deshalb können auch in diesen Fällen die Optionsprämien als Werbungskosten gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 2008 abgezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, m.w.N).
63Anders liegt der Fall nach Auffassung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159, m.w.N; Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BVerfG: 2 BvR 217/16) dagegen bei Knock-Out-Produkten, wenn der Verfall der Option bereits ex ante bei Vertragsschluss an einen bestimmten Kurswert gekoppelt ist, bei dem die Option zugleich wertlos wird. Trete bei Erreichen der Knock-Out-Schwelle ein vorzeitiger Verlust des Rechts ein, einen positiven oder negativen Differenzausgleich zu erlangen, so entfalle die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestands von § 23 Nr. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008. Eine Beendigung des Rechts i.S. dieser Regelung sei nicht (mehr) möglich. Der Inhaber des Zertifikates habe dann nicht mehr die Wahl des Verfallenlassens der Option zur Vermeidung eines noch größeren Schadens. Die willentliche Entscheidung zur Nichtausübung einer wertlosen Option als einzig wirtschaftlich sinnvolle sei mit Erreichen der Knock-Out-Schwelle nicht mehr möglich. Diese Entscheidung werde, so der BFH, auch nicht quasi vorverlagert bei Zeichnung des Papiers ausgeübt. Vorweg vereinbart sei lediglich die Eigenschaft der Option, bei Eintritt des Knock-Out-Ereignisses zu verfallen.
64Der erkennende Senat kann offen lassen, ob er der o.g. Differenzierung des BFH zu folgen vermag. Im Streitfall ist nämlich auch nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen der Beendigungstatbestand i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 erfüllt. Die im Streitfall zu beurteilenden Zertifikate unterscheiden sich insoweit wesentlich von den Knock-Out-Zertifikaten, über die der BFH zu entscheiden hatte. In den BFH-Fällen handelte es sich soweit erkennbar ausschließlich um Produkte ohne (erhebliche) Stopp-Loss-Schwelle, die bei Eintritt des Knock-Out-Ereignisses ohne weiteres verfielen.
65Im Streitfall dagegen wurden die Papiere bei Erreichen der Knock-Out-Barriere (Stopp-Loss-Schwelle) in jedem Fall abgerechnet. Der Differenzbetrag wurde vereinbarungsgemäß ausbezahlt. Die Verluste aus den Termingeschäften wurden mithin durch die (bzw. bei der) "Beendigung des Rechts" erzielt (vgl. hierzu auch Hinweis zur „alten Rechtslage“ in BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456).
66Das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil wird dann i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 beendet, wenn es zur Durchführung des Basisgeschäfts oder des Differenzausgleichs innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Veräußerungsfrist kommt. Kommt es wie bei Derivatgeschäften üblicherweise nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Geschäft durch einen Barausgleich beendet. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 (vgl. BFH-Urteil vom 26.9.2012 IX R 50/09, BStBl. II 2013, 231; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.6.2013 5 K 2444/12, EFG 2014, 763).
67Im Streitfall stellt die vertraglich bereits bei Erwerb der Knock-Out-Zertifikate vereinbarte Stopp-Loss-Schwelle und der damit verbundene Abrechnungsanspruch gegenüber der Emittentin den Barausgleich im o.g. Sinne und damit den Differenzausgleich im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 dar (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.6.2013 5 K 2444/12, EFG 2014, 763; in diesem Sinne auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.5.2014 12 K 421/13, EFG 2014, 2037). Denn der Kläger hatte auch und gerade im Falle des Erreichens der Stopp-Loss-Schwelle einen Anspruch auf Abrechnung des Geschäftes. Durch den Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses wurde die Laufzeit des Zertifikats zwar automatisch beendet. Das Zertifikat verfiel aber nicht (zwingend) als wertlos. Im Unterschied zu dem vom BFH zu beurteilenden Knock-Out-Zertifikaten war vorliegend das Stopp-Loss-Ereignis dem Basispreis vorgeschaltet. Für diesen Fall war vertraglich eine Abrechnung, d.h. die Gewährung eines Differenzausgleichs, zu dem nach den Emissionsbedingungen zu ermittelndem Restwert vorgesehen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.6.2013 5 K 2444/12, EFG 2014, 763; Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.5.2014 12 K 421/13, EFG 2014, 2037). Nach den maßgeblichen vertraglichen Bestimmungen war der Abrechnungsmodus grundsätzlich der Gleiche, wie im Falle einer planmäßigen Einlösung. Zum Auszahlungsbetrag bestimmen die Bedingungen bei Eintritt des „Barrieren-Ereignisses“ den Stopp-Loss-Referenzpreis minus Basispreis x Bezugsverhältnis und ansonsten den Schlussreferenzpreis minus Basispreis x Bezugsverhältnis. Infolge des stark gesunkenen inneren Werts des Papiers (gesetzt war auf die gegenteilige Entwicklung des Basiswerts) fällt der abzurechnende Wert allerdings zwangsläufig wesentlich niedriger aus bzw. tendiert gegen Null. Der Fall stellt sich damit nicht so dar, dass der Kläger von seinem Recht auf Durchführung der Abrechnung keinen Gebrauch gemacht hat, sondern die Abrechnung ergibt einen Wert, der im schlechtesten Fall auch 0,001 Euro je Wertpapier betragen kann. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass innerhalb kurzer Zeit nicht nur die Stopp-Loss-Schwelle erreicht werden kann, sondern auch der Basispreis (vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.6.2013 5 K 2444/12, EFG 2014, 763).
68Die Abrechnung eines Differenzausgleichs hat (auch) im Streitjahr 2008 in den in Frage stehenden Fällen tatsächlich vereinbarungsgemäß und innerhalb eines Jahres stattgefunden. So erhielt der Kläger am 10.7.2008 für 30.000 Stück “Commerzbank AG TuBull O.End„ H.Haf&Lo 45,62“, die er am 12.6.2008 zum Kurs von 1,04 € (Kaufpreis nebst Gebühren 31.214,38 €) erworben hatte, nach Erreichen der „Stopp-Loss-Grenze“ 8.400 € erstattet (30.000 x 0,28 €/Stück). Für die Zertifikate vom Typ „Dresdner Bank AG TurboC O.End Postbank 53“, die er am 3.6.2008 für 0,92 €/Stück (insgesamt 22.000 Stück zum Preis von 20.254,38 € inkl. Gebühr) und am 20.6.2008 für 0,55 €/Stück (insgesamt 22.000 Stück zum Preis von 12.112,05 € inkl. Gebühr) erworben hatte, erhielt er am 2.7.2008 zwar nur noch 44,00 € erstattet (44.000 Stück je 0,001 €). Aber auch in diesem Fall erfolgte unstreitig eine Abrechnung und ein Ausgleich. Der Umstand, dass der Restwert gegen 0 ging, steht, soweit es wie im Streitfall zu einer tatsächlichen Beendigung und nicht zu einem „Verlust“ des Rechts kommt, der steuerlichen Anerkennung ebenso wenig entgegen, wie beim Verfallenlassen einer Option zur Vermeidung eines höheren Verlustes (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.6.2013 5 K 2444/12, EFG 2014, 763; Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.5.2014 12 K 421/13, EFG 2014, 2037).
69II. Streitjahr 2009
70Der Beklagte hat im Streitjahr 2009 die Abrechnung der Knock-Out-Produkte nach Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle und den jeweils durchgeführten Differenzausgleich unzutreffend als nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 nicht steuerbar behandelt. Er hat den von den Klägern insoweit gem. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 korrekt ermittelten Verlust in Höhe von 299.074,89 € zu Unrecht nicht bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ berücksichtigt und den verbleibenden Verlustvortrag in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009 vom 6.1.2015 entsprechend zu niedrig festgestellt.
71Die Abrechnung der Knock-Out-Produkte nach Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle erfüllt den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009. Die für den Erwerb der Knock-Out-Produkte aufgewandten Anschaffungskosten sind Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen und deshalb bei der Ermittlung des Gewinns (oder Verlusts) i.S. von § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 abzuziehen sind.
72Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Nach § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 ist Gewinn bei einem Termingeschäft der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 setzt voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a oder b EStG 2009 steuerbaren Tätigkeit zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456).
731. Bei den in Frage stehenden Knock-Out-Zertifikaten handelt es sich um Termingeschäfte i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009. Da der Begriff des Termingeschäfts insoweit der Definition des Termingeschäfts in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2008 entspricht (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.), wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen zum Streitjahr 2008 verwiesen.
74Tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme eines steuerbaren Termingeschäfts i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 ist, dass der Steuerpflichtige "einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt". Demgegenüber verlangt der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 anders als § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 nicht mehr, dass die entsprechenden Gewinne aus Termingeschäften durch die (bzw. bei der) "Beendigung des Rechts" erzielt werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund führt eine wortlautgetreue Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 zu dem Schluss, dass das besteuerungsauslösende Moment nicht mehr, wie dies die Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 noch angenommen hat, die Durchführung des Basisgeschäfts oder des Differenzausgleichs (als "Beendigung des Rechts") innerhalb einer von Gesetzes wegen vorgegebenen Veräußerungsfrist ist. Für den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 ist es vielmehr unerheblich, ob das Basisgeschäft durchgeführt wird oder ob es wie bei Optionen üblicherweise bzw. bei Optionen auf Indizes zwangsläufig ohne Durchführung des Basisgeschäfts lediglich zu einem Barausgleich (Differenzausgleich) kommt. Soweit der Gesetzeswortlaut weiterhin einen "Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil" voraussetzt, umschreibt dies nur die Art der von der Vorschrift erfassten Termingeschäfte (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.).
75Mit diesem durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) gegenüber der Vorgängervorschrift geänderten Gesetzeswortlaut wollte der Gesetzgeber "Wertzuwächse zukünftig unabhängig von dem Zeitpunkt der Beendigung des Rechts" als steuerbar behandelt wissen (so ausdrücklich BTDrucks 16/4841, S. 55) und damit alle Vor- und Nachteile des Steuerpflichtigen "bei Termingeschäften" erfassen. Weggefallen ist insoweit der Zeitbezug. Aus einem vormals "gestreckten Tatbestand" in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 2008 wurde durch die Formulierungen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 ein Tatbestand, der nur noch auf den Abschluss eines Termingeschäfts und dessen wirtschaftliches Ergebnis ("... Gewinn bei Termingeschäften ...") abstellt. Damit unterscheidet § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 auch nicht mehr zwischen Eröffnungs- und Basisgeschäft, was angesichts der vom Gesetzgeber erwünschten erweiterten Erfassung solcher Geschäfte konsequent ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.).
76Soweit der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Besteuerung von Optionsgeschäften das Eröffnungs- und das Basisgeschäft mit Blick auf die zivilrechtliche Rechtslage ertragsteuerrechtlich nicht als einheitliches Rechtsgeschäft verstanden hat, kann diese Trennung vor dem Hintergrund der veränderten Gesetzeslage nicht länger aufrechterhalten werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anschaffung einer Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts bei der ertragsteuerrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Abweichung von der früheren Rechtsprechung grundsätzlich als Einheit betrachtet werden müssen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.).
77Unter Berücksichtigung dieser vom Gesetz vorgegebenen Prämissen ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 teleologisch dahin zu interpretieren, dass einen "Vorteil" aus einem Termingeschäft (Option) derjenige "erlangt", der mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt, egal ob er den Barausgleich im Fall einer für ihn günstigen Wertentwicklung durchführt oder ob er im Fall einer für ihn ungünstigen Wertentwicklung das Recht verfallen lässt. Schließt der Steuerpflichtige mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, ein Termingeschäft ab, so ist jedweder Ausgang des Geschäfts ohne zeitliche Beschränkung in vollem Umfang steuerbar. Verluste sind nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 EStG 2009 innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen verrechenbar. Ein vom Gesetz der Besteuerung unterworfener "Vorteil" (Gewinn) wird mithin auch dann erzielt ("erlangt"), wenn der Inhaber eine Option verfallen lässt (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.). Denn das Gesetz erfasst in § 20 Abs. 2 EStG 2009 nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.).
78Hiervon ausgehend hat der Kläger mit den von ihm erworbenen Knock-Out-Produkten und deren Abrechnung den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 erfüllt. Er hat diese Optionsscheine/Zertifikate mit Gewinnerzielungsabsicht erworben und dadurch das Recht auf einen Barausgleich erlangt.
79Da im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 Gewinne oder Verluste aus Termingeschäften auch nicht mehr durch eine "Beendigung des Rechts" erzielt werden müssen (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.; vom 10.11.2015 IX R 20/14, BStBl II 2016, 159 ), wären die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 im Streitfall selbst dann erfüllt, wenn man, anders als der erkennende Senat, das Erreichen der Knock-Out-Barriere und die anschließende Abrechnung nicht als Beendigung des Rechts auf Differenzausgleich genügen lassen würde.
80Es entspricht auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit in Art. 3 Abs. 1 GG die streitgegenständlichen (Verlust-)Geschäfte mit Knock-Out-Produkten als steuerbare Vorgänge nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2009 einzuordnen. Mit der Einführung der Abgeltungssteuer wollte der Gesetzgeber den "Gewinn" und mithin alle Wertzuwächse bei Termingeschäften der Besteuerung unterwerfen (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 55). Die Leistungsfähigkeit des Klägers ist um die aufgewandten Anschaffungskosten gemindert. Der Gefahr einer ausufernden Verlustnutzung wird dabei schon durch die nach § 20 Abs. 6 EStG 2009 beschränkte Verrechenbarkeit von Verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Grenzen gesetzt (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456).
812. Danach sind die Anschaffungskosten für die in Frage stehenden Knock-Out-Produkte im Streitjahr 2009 bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 zu berücksichtigen.
82Das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG 2009 steht dem Abzug der Anschaffungskosten nicht entgegen. Denn § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 enthält in Bezug auf die bei einem Termingeschäft angefallenen Aufwendungen eine der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG 2009 vorgehende Sondervorschrift. Danach können die Aufwendungen abgezogen werden, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Hierzu gehören auch die dem Kläger für die Knock-Out-Produkte gezahlten Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 12.1.2016 IX R 48/14, BStBl II 2016, 456, m.w.N.).
83III. Streitjahr 2010
84Die Klage ist auch in Bezug auf das Streitjahr 2010 in vollem Umfang zulässig (1.) und begründet (2.). Der Senat hält es angesichts der unklaren verfahrensrechtlichen Rechtslage in Bezug auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG in der Fassung des JStG 2010 (BGBl I 2010, 768; EStG 2010) für angebracht, insoweit auch den auf Null lautenden Einkommensteuerbescheid 2010 zu tenorieren (3.)
851.
86a) Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 6.1.2010 ist zulässig, obwohl die Einkommensteuer 2010 darin auf Null Euro festgesetzt wurde. Es fehlt insbesondere nicht an einer Beschwer gemäß § 40 Abs. 2 FGO. Der Einkommensteuerbescheid entfaltet nämlich nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 Bindungswirkung für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zum Schluss desselben Jahres, auch wenn er formal nicht den Charakter eines Grundlagenbescheids hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 13.1.2015 IX R 22/14, BStBl II 2015, 829; FG Hamburg, Urteil vom 10.6.2016 5 K 185/13, EFG 2016, 1432; FG Münster, Urteil vom 21.7.2016 9 K 3457/15 E,F , Juris; FG Köln, Urteil vom 16.2.2016 10 K 2574/15, EFG 2016, 1109; FG Düsseldorf, Beschluss vom 16.2.2016 10 K 3686/13 F, EFG 2016, 662).
87Im Streitfall sind § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010 anzuwenden, da die Kläger erstmals nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags 2010 abgaben. Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.
88Die Besteuerungsgrundlagen sind im Feststellungsverfahren so zu berücksichtigen, wie sie der letzten bestandskräftigen bzw. nach den Vorschriften der AO noch änderbaren Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegen. Unterbleibt eine Änderung der letzten Einkommensteuerfestsetzung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer, ergeht dennoch ein Verlustfeststellungsbescheid (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2010). Ist eine Änderung des Einkommensteuerbescheids unabhängig von der fehlenden betragsmäßigen Auswirkung auch verfahrensrechtlich nicht möglich, bleibt es jedoch bei der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 angeordneten Bindungswirkung (vgl. hierzu auch FG Hamburg, Urteil vom 10.6.2016 5 K 185/13, EFG 2016, 1432; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.2.2015 6 K 424/13, EFG 2015, 1441).
89Daraus ergibt sich für den Streitfall, dass eine Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheides 2010 für eine Verlustfeststellung zum 31.12.2010 vorliegt. Wäre allein eine Klage gegen die Verlustfeststellung zum 31.12.2010 anhängig, könnte eine solche Klage nach den vorstehenden Grundsätzen keinen Erfolg haben, da eine Änderung des inhaltlich bindenden Einkommensteuerbescheides nicht möglich wäre und dies nicht allein auf einer fehlenden betragsmäßigen Auswirkung beruhen würde (vgl. hierzu auch FG Hamburg, Urteil vom 10.6.2016 5 K 185/13, EFG 2016, 1432; FG Düsseldorf, Beschluss vom 16.2.2016 10 K 3686/13 F, EFG 2016, 662). Bindende Besteuerungsgrundlagen (§ 199 AO) des Einkommensteuerbescheides 2010 für die Verlustfeststellung 2010 sind im Streitfall die Höhe die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) und die nicht ausgleichsfähigen Verluste.
90b) Auch die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zum 31.12.2010 vom 6.1.2015 ist zulässig. Eine Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) musste insoweit nicht erfolgen.
91Nach der hier entsprechend anzuwendenden Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Folgebescheid auch insoweit zulässig ist, als Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid erhoben werden und eine zunächst unbegründete Klage durch eine Änderung des Grundlagenbescheides begründet werden kann (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 3.8.2000 III B 179/96, BStBl II 2001, 33, m.w.N.; FG Düsseldorf, Beschluss vom 16.2.2016 10 K 3686/13 F, EFG 2016, 662). Zwar ist es in solchen Fällen regelmäßig geboten und zweckmäßig, dass das Finanzgericht den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angegriffene Grundlagenbescheid geändert wird. Die Pflicht zur Verfahrensaussetzung bei Abhängigkeit des Folgebescheids von einem Grundlagenbescheid gilt aber nur für den Regelfall (vgl. BFH-Beschluss vom 3.8.2000 III B 179/96, BStBl II 2001, 33, m.w.N.).
92Im Streitfall kann der Senat ausnahmsweise ohne die Notwendigkeit einer Aussetzung gemäß § 74 FGO entscheiden. Nach § 74 FGO ist die Aussetzung des Verfahrens möglich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Eine Aussetzung gemäß § 74 FGO kommt daher nicht in Betracht, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht in demselben Verfahren auch über das vorgreifliche Rechtsverhältnis entscheidet (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17.8.1995 XI B 123, 125/94, BFH/NV 1986, 219; FG Köln, Beschluss vom 12.2.2009 13 K 1570/06, EFG 2009, 969). Vorliegend entscheidet der erkennende Senat in demselben Urteil auch über den (vorgreiflichen) Einkommensteuerbescheid 2010.
932. Der Beklagte hat im Streitjahr 2010 die Abrechnung der Knock-Out-Produkte nach Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle und den jeweils durchgeführten Differenzausgleich unzutreffend als nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2010 nicht steuerbar behandelt. Er hat den von den Klägern insoweit gem. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2010 korrekt ermittelten Verlust in Höhe von 102.941 € zu Unrecht nicht bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ berücksichtigt und den verbleibenden Verlustvortrag in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2010 vom 6.1.2015 entsprechend zu niedrig festgestellt. Zur Begründung wird insoweit in vollem Umfang auf die Ausführungen zum Streitjahr 2009 verwiesen. Die Sach- und Rechtslage sind identisch.
943. Der Senat hält es angesichts der unklaren verfahrensrechtlichen Rechtslage in Bezug auf die Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 für angebracht, insoweit auch den auf Null lautenden Einkommensteuerbescheid 2010 zu tenorieren, auch wenn eine Änderung der festgesetzten Steuer nicht erfolgt. Dies entspricht im Übrigen auch der Praxis der Finanzverwaltung, die geänderte Nullbescheide bei Änderung der Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 erstellt (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.2.2015 6 K 424/13, EFG 2015, 144, m.w.N.; a.A. wohl FG Köln, Urteil vom 16.2.2016 10 K 2574/15, EFG 2016, 1109).
95IV. Streitjahr 2011
96Die Klage ist letztlich auch in Bezug auf das Streitjahr 2011 in vollem Umfang zulässig und begründet.
97Da der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 6.1.2015 nicht auf Null Euro lautete, stellt sich insoweit die im Streitjahr 2010 erörterte Zulässigkeitsproblematik nicht. Bezüglich der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2011 vom 6.1.2015 als „Quasi-Folgebescheid“ verweist der Senat auf die Ausführungen zum Streitjahr 2010.
98Der Beklagte hat im Streitjahr 2011 die Abrechnung der Knock-Out-Produkte nach Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle und den jeweils durchgeführten Differenzausgleich unzutreffend als nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 2011 nicht steuerbar behandelt. Er hat den von den Klägern insoweit gem. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG 2011 korrekt ermittelten Verlust in Höhe von 161.849,19 € zu Unrecht nicht bei den „Einkünften aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien)“ berücksichtigt und den verbleibenden Verlustvortrag in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 vom 6.1.2015 entsprechend zu niedrig festgestellt. Zur Begründung wird insoweit in vollem Umfang auf die Ausführungen zum Streitjahr 2009 verwiesen. Die Sach- und Rechtslage sind identisch.
99Die Neuberechnung der insoweit ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen Verluste, die Verrechnung von Verlustvorträgen aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien), die Neuberechnung der Einkommensteuer 2011 sowie der verbleibenden negativen Einkünfte und des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2011 werden gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen.
100V.
101Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
102Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.