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Der Erbschaftsteuerbescheid vom 18.07.2018 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.2.2019 werden dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer auf 187.050 € festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs ein Wert für eine Rentenversicherung zu berücksichtigen ist, die die Erblasserin der Klägerin bereits zu Lebzeiten unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts unentgeltlich übertragen hat und für deren Übertragung (Kapitalwert der Rentenzahlungen) auch schon Schenkungsteuer festgesetzt wurde.
3Die Klägerin ist Alleinerbin der am ....07.2017 verstorbenen Frau A (Erblasserin). Die Klägerin ist mit der Erblasserin nicht verwandt.
4Die am ....1931 geborene Erblasserin schloss mit der B-Versicherung am ....09.2016 eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung und Beitragsrückgewähr bei Tod (Tarif ...; Versicherungsnummer: 1; Kundeninformationen Heft-Nr. ...) ab. Versicherungsnehmerin war die Erblasserin. Versicherte Person war die am ...1968 geborene Klägerin. Die Versicherungsbedingungen sahen vor, dass die Versicherungsnehmerin gegen Zahlung eines bei Versicherungsbeginn zu entrichtenden Einmalbetrages i.H.v. 350.000,00 € bis zum Tod der versicherten Person eine monatliche Rente i.H.v. 736,22 € erhalten sollte. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.11.2016 vereinbart. Bei Tod der versicherten Person sollte der Einmalbetrag ohne Zinsen abzüglich bereits gezahlter Renten zurückgezahlt werden. Als Bezugsberechtigter war insoweit (widerruflich) die Versicherungsnehmerin benannt. Die Kündigung der Versicherung war nicht möglich. Die Rückzahlung des Einmalbetrages konnte nicht verlangt werden (Hinweis auf § 6 der AVB). Die Versicherungsnehmerin hatte allerdings bis zum Tod der versicherten Person die Möglichkeit der „Kapitalentnahme“ in dem Sinne, dass sie sich bei Bedarf einen Teil ihres Guthabens - maximal bis zur Höhe der Todesfallleistung (Einmalbetrag abzüglich der bereits gezahlten Renten und abzüglich aller bereits kapitalisierten Beträge sowie der darauf entfallenden Selektionsabschläge) - auszahlen lassen konnte. Diese Voll- bzw. Teilkapitalisierung war jeweils zu Beginn eines Rentenzahlungsjahres drei Monate im Voraus zu beantragen.
5Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch zur Überschussbeteiligung, wird insoweit auf das Produktinformationsblatt der B-Versicherung zur Versicherungsnummer: 1 (in den Akten des Beklagten) verwiesen.
6Für die Vermittlung und den Abschluss des Vertrages sind Kosten in Höhe von 14.028,66 € entstanden. Diese wurden pauschal bei der Tarifkalkulation berücksichtigt und der Versicherungsnehmerin nicht gesondert in Rechnung gestellt. Darüber hinaus fielen für alle laufenden Verwaltungstätigkeiten einmalige Kosten in Höhe von 2.648,37 € und für jedes Jahr der Rentenzahlung Kosten in Höhe von 176,69 € an. (s. Produktinformationsblatt „Kosten“, Seite 4 des Versicherungsvertrages).
7Mit Schenkungsvertrag vom 04.11.2016 (Schenkungsvertrag über eine sofort beginnende Rentenversicherung) trat die Erblasserin - mit Zustimmung der Versicherung - unentgeltlich die Rechte und Pflichten der Versicherungsnehmerin aus dem o. g. Rentenversicherungsvertrag bei der B-Versicherung an die Klägerin ab (§ 2 des Vertrages). Dabei behielt sich die Erblasserin den lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauch an den jeweils monatlich auszuzahlenden Rentenleistungen vor. Der Nießbrauch sollte auch den Garantiezins und die Überschussbeteiligung erfassen. Die Renten sollten weiterhin auf direktem Wege von der Versicherung an die Erblasserin ausgezahlt werden (§ 3 des Vertrages). Zwischen der Klägerin und der Erblasserin bestand Einigkeit darüber, dass es sich bei der Rentenversicherung um eine verzinsliche Forderungen im Sinne des § 1076 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handelt und damit die §§ 1077 bis 1079 BGB anwendbar seien (§ 4 des Vertrages). In § 5 des Schenkungsvertrages vereinbarten die Klägerin und die Erblasserin folgende Widerrufs- und Rückforderungsrechte der Erblasserin:
8„(1) Die Schenkerin ist berechtigt, die Schenkung des bezeichneten Rentenversicherungsvertrages zu widerrufen und die Rückübereignung auf sich zu verlangen, wenn
9(a) die Beschenkte vor der Schenkerin verstirbt; oder
10(b) ein Gläubiger der Beschenkten in einen der bezeichneten Rentenversicherungsverträge die Zwangsvollstreckung betreibt und die Maßnahmen nicht innerhalb von drei Monaten wieder eingestellt werden, über das Vermögen der Beschenkten das Insolvenzverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird; oder
11(c) die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf nach § 530 BGB (grober Undank) vorliegen; oder
12(d) der bezeichnete Rentenversicherungsvertrag von der Beschenkten zu Lebzeiten der Schenkerin ohne deren Zustimmung ganz oder teilweise veräußert oder belastet wird, gleichgültig, ob im Wege eines Rechtsgeschäftes oder im Wege der Zwangsversteigerung; oder
13(e) die Beschenkte den bezeichneten Rentenversicherungsvertrag zu Lebzeiten der Schenkerin ordentlich oder außerordentlich kündigt; oder
14(f) die Beschenkte ihren Verpflichtungen aus diesem Schenkungsvertrag trotz einer Abmahnung nicht erfüllt,
15(g) wenn das zuständige Finanzamt für den heutigen Übertragungsvorgang Schenkungssteuer festsetzt, unabhängig vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer.
16(2) Die Rückübertragung des bezeichneten Rentenversicherungsvertrages hat mit allen dazugehörigen anteiligen Nebenrechten zu erfolgen. Die Rückübertragung erfolgt unentgeltlich.
17(3) Der Widerruf der Schenkung kann nur durch schriftliche Erklärung gegenüber der Beschenkten erklärt werden.
18(4) Die Ansprüche aus dieser Vereinbarung sind - soweit sie nicht bereits zu Lebzeiten des Anspruchsberechtigten in der vereinbarten Form geltend gemacht worden sind - nicht vererblich und nicht übertragbar. …“
19Nach § 7 des Schenkungsvertrages sollte die Erblasserin etwaige anfallende Schenkungssteuer tragen.
20Dieser Schenkungsvorgang wurde mit Schenkungssteuerbescheid vom 24.01.2017 unter Berücksichtigung des Nießbrauchs und der Tatsache, dass die Erblasserin die anfallende Schenkungsteuer übernommen hat, der Schenkungssteuer unterworfen. Dabei wurde der Jahreswert der Rentenzahlungen i.H.v. 8.834 € (736,22 € × 12) mit dem Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.H.v. 16,084 (47 Jahre, weiblich) multipliziert. Von diesem Kapitalwert der Rentenleistungen i.H.v. 142.086 € wurde der Wert des Nießbrauchs i.H.v. 40.920 € (7.639 € = Jahreswert des Nießbrauchs unter Berücksichtigung der Beschränkung des § 16 BewG) abgezogen. Unter Berücksichtigung der von der Erblasserin zu übernehmenden Steuer i.H.v. 24.330 € wurde der Besteuerung ein Wert des Erwerbs i.H.v. 145.496 € zu Grunde gelegt und die Steuer auf 31.620 € festgesetzt.
21Nach dem Tode der Erblasserin übte die Klägerin ihr Kapitalisierungswahlrecht aus und bekam von der B-Versicherung zum 01.11.2017 einen Betrag in Höhe von 324.210,37 € (vor Berücksichtigung möglicher Kapitalertragsteuer) ausbezahlt. Damit erlosch der Versicherungsvertrag (vgl. im Einzelnen Schreiben der B-Versicherung vom 29.8.2017, Bl. 85, 86 der FG-Akte).
22Da die Erblasserin bereits am ....07.2017 verstorben ist, wurde der Schenkungsteuerbescheid vom 24.01.2017 gemäß § 14 Abs. 2 BewG berichtigt. In dem Änderungsbescheid vom 27.10.2017 wurde die Schenkungssteuer auf 45.660 € erhöht. In diesem Bescheid wurde ein Steuerpflichtiger Erwerb i.H.v. 172.257 € zu Grunde gelegt, der sich wie folgt zusammensetzt:
23Kapitalisierte Leibrente |
142.086 € |
abzüglich verkürzter Nießbrauch |
./. 4.950 € |
zuzüglich übernommene Schenkungssteuer |
+ 35.130 € |
Summe |
172.257 € |
Der Beklagte setzte außerdem für den Erwerb von Todes wegen der Klägerin als Alleinerbin der Erblasserin mit Erbschaftsteuerbescheid vom 12.06.2018 Erbschaftsteuer i.H.v. 251.220 € fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen berücksichtigte der Beklagte erklärungsgemäß die Vorschenkung in Bezug auf die Übertragung der Rentenversicherung i.H.v. 172.257 €. Zudem berücksichtigte er in dem Bescheid im Hinblick auf die Rentenversicherung einen (weiteren) Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG -) i.H.v. 207.914 €. Diesen Betrag ermittelte er, indem er von dem Einmalbetrag i.H.v. 350.000 €, den die Erblasserin einbezahlte, den bisher besteuerten Kapitalwert von 142.086 € abzog.
25Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, dass der Ansatz des Differenzbetrages i.H.v. 207.914 € nicht gerechtfertigt sei. Der schenkungsteuerliche Vorgang sei mit Festsetzung der Schenkungsteuer im Änderungsbescheid vom 27.10.2017 rechtskräftig abgeschlossen. Darüber hinaus sei der Wert des Erwerbs im angefochtenen Erbschaftssteuerbescheid als Vorerwerb unter Anrechnung der hierauf entfallenden Schenkungssteuer berücksichtigt worden. Die Klägerin habe keinen Zufluss i.H.v. 350.000 € gehabt, da der Tod der Erblasserin versicherungstechnisch kein Vertragsende zur Folge gehabt habe. Der Tod habe lediglich zum Erlöschen des Nießbrauchs geführt. Die Bestimmung, dass im Todesfall der Einmalbetrag abzüglich bereits gezahlter Renten zurückerstattet werde, beziehe sich auf den Todesfall der versicherten Person, also der Klägerin.
26Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde am 18.07.2018 ein Erbschaftsteuer-änderungsbescheid erlassen, der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.
27Der Einspruch der Klägerin blieb im Übrigen erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2019 hielt der Beklagte an seiner Auffassung fest, dass in Höhe des Betrages von 207.914,01 € ein erbschaftssteuerpflichtiger Erwerb der Klägerin in Bezug auf die Rentenversicherung vorliege, der zusätzlich zu der bisher erfassten Schenkung zu versteuern sei. Die Klägerin verkenne, dass mit dem Schenkungssteuerbescheid vom 27.10.2017 nur ein Teil des Versicherungsvertrages und zwar der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung der Leibrente versteuert worden sei. Mehr sei am 04.11.2016 auch nicht übertragen worden. Aufgrund der strengen Bestimmungen unter § 5 des Schenkungsvertrages sei die Klägerin trotz Übergang der Versicherungsnehmerstellung von jeglicher Verfügung des eingezahlten Kapitals zu Lebzeiten der Erblasserin ausgeschlossen gewesen. Somit sei zum 04.11.2016 aufgrund des Versicherungsnehmerwechsels nur der Rentenanspruch unter Berücksichtigung des Nießbrauchsvorbehaltes auf die Klägerin übergegangen und so auch der Besteuerung unterworfen worden. Der Tod der Erblasserin/Schenkerin habe zwar versicherungstechnisch kein Vertragsende zur Folge gehabt. Neben dem Wegfall des Nießbrauchs habe der Tod der Erblasserin aber auch dazu geführt, dass alle zu Lebzeiten der Erblasserin bestehenden Einschränkungen gemäß § 5 des Schenkungsvertrages entfallen seien. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin durch den Tod der Erblasserin wirtschaftlich dahingehend bereichert werde, als sie nun erstmals frei über das Kapital der Rentenversicherung habe verfügen können. Hiermit sei nicht die vertraglich geregelte Auszahlung der Todesfallleistung (Differenz zwischen Einmalbetrag und ausgezahlten garantierten Renten) bei Tod der versicherten Person gemeint. Dieser Anspruch entstehe erst beim Tod der Klägerin.
28Der wirtschaftlichen Bereicherung der Klägerin im Erbfall stehe nicht entgegen, dass nach den Vertragsunterlagen eine Kündigung der Rentenversicherung nicht möglich gewesen sei und die Rückzahlung des Einmalbetrages nicht verlangt werden könne. Mit dem Tod der Erblasserin könnten nunmehr nämlich Gläubiger der Klägerin in den Versicherungsvertrag vollstrecken und die Klägerin habe die Möglichkeit den Anspruch aus dem Vertrag ganz oder teilweise zu veräußern oder zu belasten.
29Entscheidend sei in diesem Zusammenhang vor allem aber auch, dass die Klägerin nun die Möglichkeit der Vollkapitalisierung bzw. mehrmaligen Teilkapitalisierung wahrnehmen könne. Trotz vertraglichem Kündigungs- und Rückzahlungsverbot stehe die Möglichkeit auf Vollkapitalisierung bzw. mehrmaliger Teilkapitalisierung wirtschaftlich einer vor Eintritt des Todesfalls erfolgten Rückzahlung des Kapitals gleich. Durch den Antrag auf Vollkapitalisierung bzw. mehrmalige Teilkapitalisierung habe die Klägerin die Möglichkeit, die Todesfallleistung auf Null Euro zu reduzieren und somit vor Eintritt des Todesfalls über das Kapital zu verfügen. Somit sei mit dem Tod der Erblasserin neben dem bereits am 04.11.2016 übergegangenen Rentenanspruch nun auch der Anspruch auf Auszahlung des Kapitals auf die Klägerin übergegangen. Im vorliegenden Erbfall der Erblasserin sei somit die Zuwendung des Anspruchs auf Auszahlung der Todesfallleistung sowie der Möglichkeit der Kapitalentnahme bis zur Höhe des Deckungskapitals als Erwerb gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zu erfassen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entstehe die Steuer unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung sei im Streitfall der Tod der Schenkerin/Erblasserin. Der Ansatz sei der Höhe nach korrekt mit dem Nennwert nach § 12 Abs. 1 BewG (Einmalbetrag abzüglich kapitalisierte Rente) erfolgt.
30Entgegen der im Veranlagungsverfahren vertretenen Auffassung des Beklagten handele es sich somit um einen Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung der Klägerin erst beim Tode der Erblasserin/Schenkerin eintrete. Insofern bestehe eine vergleichbare Rechtslage wie beim Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, so dass die Anwendung dieser Vorschrift im angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden sei. Sie führe zum gleichen Ergebnis. Die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setze voraus, dass der Begünstigte aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode unmittelbar einen Vermögensvorteil erhalte, welcher im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweise. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sei danach im Streitfall erfüllt, da die Zuwendung zu einer objektiven Bereicherung bei der Klägerin geführt habe und die Erblasserin bei der Schenkung auch das Bewusstsein der Freigebigkeit gehabt habe. Die Klägerin könne nach dem Tod der Schenkerin erstmals uneingeschränkt über die gesamte Versicherung verfügen. Auf den Eintritt des Versicherungsfalls (Tod der versicherten Person) komme es deshalb nicht mehr an.
31Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, der Beklagte habe den Differenzbetrag i.H.v. 207.914 € zu Unrecht bei der Ermittlung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs berücksichtigt. Der schenkungsteuerrechtliche Vorgang in Bezug auf die Übertragung der Rentenversicherung sei mit den Bescheiden vom 24.01.2017 und vom 27.10.2017 abschließend erfasst worden. Ein erneuter steuerpflichtiger Vorgang im Sinne des § 1 ErbStG sei durch den Tod der Erblasserin nicht mehr verwirklicht worden. Es liege weder eine Schenkung auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG noch ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vor. Die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung sei am 04.11.2016 unbedingt erfolgt. Der Schenkungsvertrag sei kein Vertrag zugunsten Dritter. Es gebe weder ein Deckungs- noch ein Valutaverhältnis.
32Es handele sich vielmehr ausschließlich um eine freigebige Zuwendung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, für die die Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung entstanden sei. Dies sei bei der Übertragung der Versicherungsnehmerstellung der Zeitpunkt, zu dem der Zuwendungsempfänger in die Versicherungsnehmerstellung einrücke. Gegenstand der Schenkung sei dann regelmäßig nicht die erst mit dem Tod der versicherten Person ausgezahlte Versicherungssumme, sondern der nach §§ 12, 13 BewG errechnete Kapitalwert der Rente.
33Darüber hinaus war mit dem Wegfall des Widerrufsrechts der Erblasserin/Schenkerin am Todestag eine selbständige unentgeltliche Zuwendung nicht verbunden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 13.9.1989 II R 67/86, BStBl II 1989, 1034). Nach der Rechtsprechung des BFH bringe eine bürgerlich-rechtlich vollzogene Schenkung auch dann die Schenkungsteuer nach § 7 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974 zur Entstehung, wenn sie unter freiem Widerrufsvorbehalt stehe. Denn mit dem Vollzug einer Sachschenkung durch Übereignung des Schenkungsgegenstandes sei dieser aus dem Vermögen des Zuwendenden ausgeschieden und in das Vermögen des Zuwendungsempfängers übergegangen. Die Frage danach, ob diese von sicherem Bestand sei, berühre den Umstand der Bereicherung des Zuwendungsempfängers auf Kosten des Zuwendenden nicht.
34Entsprechendes gelte für den Wegfall des Nießbrauchsrechts. Die Klägerin sei trotz des Nießbrauchsrechts bereits am 04.11.2016 uneingeschränkte Versicherungsnehmerin und damit Eigentümerin des Versicherungsvertrages geworden. Sie hätte bereits zu diesem Zeitpunkt den Versicherungsvertrag beleihen oder veräußern können. Insofern wäre sie auch nicht aufgrund der §§ 1077 bis 1079 BGB beschränkt gewesen. Vielmehr wäre die Klägerin auch zu Lebzeiten der Erblasserin rechtlich in der Lage gewesen, die Vollkapitalisierung oder mehrmalige Teilkapitalisierungen der Rentenversicherung zu verfügen. Maßgebend für die Bereicherung der Klägerin seien gemäß § 11 ErbStG einzig und alleine die bereits besteuerten Verhältnisse am Bewertungsstichtag, nämlich zum Zeitpunkt des Übertragungsvertrages. Im Rahmen dieser Bewertung hätten Ereignisse wie z.B. ein etwaiger Widerruf der Erblasserin, die Auswirkung auf den Wert am Stichtag hätten, die aber hinsichtlich ihres Eintritts noch ungewiss seien, unberücksichtigt zu bleiben.
35Selbst wenn die Auffassung des Beklagten zutreffend sein sollte, sei auf jeden Fall die Wertermittlung unzutreffend. Bei dem Ansatz des Wertes in Höhe von 207.914 € habe der Beklagte Kosten in Höhe von 17.030,41 € zu Unrecht nicht berücksichtigt. Es könnte deshalb im Erbfall allenfalls ein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb aus der Versicherung in Höhe von 190.883, 59 € angenommen werden.
36Die Klägerin beantragt,
37den Erbschaftsteuerbescheid vom 18.7.2018 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.02.2019 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 187.050 € festgesetzt wird.
38Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung vom 19.02.2019.
41Entscheidungsgründe
42Die Klage ist begründet.
43Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 18.07.2018 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.02.2019 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als in dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb in Bezug auf die Rentenversicherung neben dem Vorerwerb in Höhe von 172.257 € ein weiterer Wert in Höhe von 207.914 € erfasst wurde.
44Der Beklagte hat im Streitfall hinsichtlich der Rentenversicherung zu Unrecht einen Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 ErbStG angenommen (1.). Darüber hinaus ist im Streitfall auch keine Schenkung unter Lebenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben, für die die Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG mit dem Tod der Erblasserin entstanden ist (2.) und die zusammen mit dem Erwerb von Todes wegen im angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid hätte erfasst werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21.04.2009 II R 57/07, BStBl II 2009, 606; FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987).
451. Die Klägerin hat mit dem Tod der Erblasserin keine (weiteren) Rechte hinsichtlich der Rentenversicherung erworben, die als Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 Abs. 1, Abs. 2 ErbStG bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat vielmehr sämtliche Rechte aus der Versicherung bereits im Rahmen des Schenkungsvertrages vom 04.11.2016 erhalten, so dass zum Todestag keinerlei Vermögenswerte aus der Rentenversicherung im Nachlass vorhanden waren.
46Die Erblasserin hat der Klägerin bereits durch Schenkungsvertrag vom 04.11.2016 mit Zustimmung der Versicherung wirksam die Versicherungsnehmerstellung übertragen. Damit sind bereits zu Lebzeiten der Erblasserin alle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertragsverhältnis unentgeltlich auf die Klägerin übergegangen (vgl. FG Münster, Urteile vom 23.10.2014 3 K 265/12 Erb, EFG 2015, 240, m. Anm. Deimel, und vom 13.09.2018 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987, m. Anm. Beidenhauser, jeweils m.w.N.; BFH-Urteil vom 30.06.1999 II R 70/97, BStBl II 1999, 742). Diese Übertragung stellt eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, die mit Rechtsübergang im Einvernehmen mit der Versicherungsgesellschaft als ausgeführt im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt (vgl. FG Münster, Urteil vom 23.10.2014 3 K 265/12 Erb, EFG 2015, 240; Worgula, ErbStB 2008, 234, 235 ). Bei der unentgeltlichen Übertragung einer Versicherungsnehmerstellung, wie im Streitfall, ist der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, an dem gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Schenkungsteuer entsteht, grundsätzlich der Zeitpunkt, an dem der Zuwendungsempfänger in die Versicherungsnehmerstellung einrückt. Die Schenkungsteuer für die Übertragung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ist damit grundsätzlich am 04.11.2016 entstanden.
47Der Bereicherung der Klägerin im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der Ausführung der Zuwendung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und somit der Entstehung der Schenkungsteuer zum Zeitpunkt des Schenkungsvertrages am 04.11.2016 standen insbesondere auch nicht der Vorbehalt der zahlreichen Widerrufsrechte durch die Klägerin (a.) oder der Nießbrauchsvorbehalt (b.) entgegen.
48a. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, bringt eine ernst gemeinte bürgerlich-rechtlich vollzogene Schenkung auch dann die Schenkungsteuer nach § 7 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG zur Entstehung, wenn sie unter freiem Widerrufsvorbehalt steht. Denn mit dem Vollzug einer Sachschenkung durch Übereignung des Schenkungsgegenstandes oder der wirksamen Übertragung eines Rechtes sind diese Vermögenswerte aus dem Vermögen des Zuwendenden ausgeschieden und in das Vermögen des Zuwendungsempfängers übergegangen. Es hat eine auf der causa der unentgeltlichen Zuwendung beruhende Vermögensverschiebung stattgefunden. Die Frage danach, ob diese von sicherem Bestand ist, berührt den Umstand der Bereicherung des Zuwendungsempfängers auf Kosten des Zuwendenden nicht. Die eingetretene Bereicherung kann zwar bei Ausübung der dem Schenker vorbehaltenen Rechte bzw. bei Eintritt einer etwa dem Schenkungsvertrag beigefügten auflösenden Wollensbedingung (später) wieder entfallen, weil der Beschenkte infolge des Hinzutretens eines Ereignisses zur Herausgabe des Gegenstands der Zuwendung oder des Rechtes verpflichtet ist. Allein durch diese Möglichkeit, die dem Schenkungsrecht ohnehin immanent ist (vgl. §§ 528, 530 BGB) wird die vermögensmäßig erworbene Position aber nicht zu einer lediglich "formalen". Die Bereicherung, die sich letztlich auch in der Möglichkeit dokumentiert, über den Zuwendungsgegenstand zu verfügen (vgl. § 137 Satz 1 BGB) und soweit nicht Rechte Dritter entgegenstehen jeden anderen von der Einwirkung auf ihn auszuschließen, ist, solange der Schenkungsvertrag seine volle Wirksamkeit entfaltet (also beispielsweise nicht widerrufen wird), eine auch in schenkungssteuerrechtlicher Hinsicht endgültige (vgl. BFH-Urteile vom 13.09.1989 II R 67/86, BStBl II 1989, 1034 und vom 28.06.2007 II R 21/05, 669).
49Hiervon ausgehend wurde die Klägerin auch im Streitfall trotz der zahlreichen Widerrufsvorbehalte der Erblasserin bereits am 04.11.2016 in Bezug auf die Rechte aus dem Versicherungsvertrag umfassend bereichert im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Infolge der Ausführung der Zuwendung am 04.11.2016 ist die Schenkungsteuer auch grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entstanden.
50Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass im Hinblick auf die umfassenden Widerrufsvorbehalte der Erblasserin am 04.11.2016 lediglich ein Teil der Rechte aus dem Versicherungsvertrag, nämlich der Anspruch auf Zahlung der Leibrente, übertragen worden sei und im Übrigen der Anspruch auf Voll-/Teilkapitalisierung im Vermögen der Erblasserin verblieben ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten führten die in § 5 des Schenkungsvertrages aufgeführten Widerrufsvorbehalte nämlich nicht dazu, dass die Klägerin trotz des Überganges der Versicherungsnehmerstellung von jeglicher Verfügung des eingezahlten Kapitals zu Lebzeiten der Erblasserin ausgeschlossen war. Die Erblasserin hat der Klägerin in § 2 des Schenkungsvertrages unentgeltlich die Rechte und Pflichten der Versicherungsnehmerin aus dem Rentenversicherungsvertrag übertragen. Die Klägerin konnte aufgrund dieser Übertragung der Versicherungsnehmerstellung sämtliche Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausüben. Diese Rechtsfolge wird gerade auch aus dem umfangreichen Widerrufskatalog deutlich. Die Erblasserin hat sich nämlich u.a. ein Widerrufsrecht für die Fälle vorbehalten, dass die Klägerin den Versicherungsvertrag zu Lebzeiten der Erblasserin ganz oder teilweise belastet oder die Klägerin den Rentenversicherungsvertrag zu Lebzeiten der Erblasserin ordentlich oder außerordentlich kündigt. Gerade diese Vereinbarungen zeigen, dass auch die Vertragspartner davon ausgegangen sind, dass die Klägerin bereits am 04.11.2016 umfassend in die Rechtsstellung der Erblasserin aus dem Versicherungsvertrag eingetreten ist und dies auch so gewollt war. Die Erblasserin hat sich zwar für bestimmte Sachverhalte ein Widerrufsrecht vorbehalten. Der Klägerin war es aber vertraglich weder im Verhältnis zur Versicherung noch im Verhältnis zu der Erblasserin untersagt, in bestimmter Weise über ihre Rechte zu verfügen. Die Widerrufsrechte hätten im Hinblick auf die Festsetzung der Schenkungsteuer nur dann Auswirkungen gehabt, wenn die Erblasserin wirksam davon Gebrauch gemacht hätte (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Allein die Möglichkeit, bei einem bestimmten Verhalten der Klägerin die Schenkung zu widerrufen, macht die vermögensmäßig erworbene Position nicht schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 13.09.1989 II R 67/86, BStBl II 1989, 1034, und vom 28.06.2007 II R 21/05, 669).
51Da der vereinbarte Widerrufsvorbehalt weder der umfassenden Bereicherung der Klägerin im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG noch der Ausführung der Schenkung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bereits mit Vertragsabschluss am 04.11.2016 entgegensteht, hat der Wegfall des Widerrufsvorbehalt mit dem Tod der Schenkerin/Erblasserin in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht keinerlei Auswirkungen.
52Der Widerrufsvorbehalt war zwar gemäß § 5 Abs. 4 des Schenkungsvertrages nicht vererblich und nicht übertragbar. Er stand damit unter der auflösenden Bedingung des Todes der Schenkerin/Erblasserin. Der aus dem Eintritt dieser Bedingung resultierende Wegfall des Widerrufsvorbehalts konnte aber in Bezug auf die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu keiner weiteren Bereicherung der Klägerin und dementsprechend zu keinem Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 ErbStG führen. Die Klägerin hatte bereits am 04.11.2016 sowohl zivilrechtlich als auch schenkungsteuerrechtlich sämtliche Rechte aus dem Versicherungsvertrag erworben (vgl. hierzu auch Hannes/Holtz in Meincke, ErbStG, 17. Aufl., § 7 Rn. 53; FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987).
53b. Entsprechendes gilt im Ergebnis auch in Bezug auf den Nießbrauch, den sich die Erblasserin in § 3 des Schenkungsvertrages vorbehalten hat. Dieser Nießbrauchsanspruch führt nicht zu einer Vermögensposition im Nachlass der Erblasserin.
54Durch die unentgeltliche Übertragung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag im Eivernehmen mit der Versicherung waren trotz des Nießbrauchsvorbehalts mit Abschluss des Schenkungsvertrages vom 04.11.2016 alle Merkmale einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Der Vorbehalt des Nießbrauchs stand auch der Ausführung der Schenkung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zum 04.11.2016 nicht entgegen.
55Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Hierfür kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise das übertragene Vermögen nach § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 25.01.2001II R 39/98, BFH/NV 2001, 908). Dementsprechend führt der Vorbehalt des Nießbrauches an einem Recht, das wirksam übertragen wurde, nicht dazu, dass beim Schenker mit dem wirtschaftlichen Eigentum eine erbschaftsteuerrechtlich bedeutsame Rechtsposition verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.1982 II R 61/80, BStBl II 1983, 179).
56Eine andere Beurteilung ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass zwischen der Erblasserin und der Klägerin gemäß § 4 des Schenkungsvertrages Einigkeit darüber bestand, dass es sich bei der Rentenversicherung um eine verzinsliche Forderung im Sinne des § 1076 BGB handele und die §§ 1077 bis 1079 BGB anwendbar seien.
57Die §§ 1076 bis 1079 BGB regeln die Nutzungsrechte bei Nießbrauch an verzinslichen Forderungen. Der Nießbraucher darf diese Forderungen nur in der Weise nutzen, dass die Substanz gegen den Willen des Forderungsberechtigten nicht gemindert wird. Aus diesem Grunde kann der Nießbrauchsberechtigte nur zusammen mit dem Gläubiger die verzinste Forderung einziehen (§ 1077 BGB i.V.m. § 1076 BGB). Mit der Leistung des Schuldners erlangen Gläubiger und Nießbraucher Mitbesitz in der Form, dass der Gläubiger das Eigentum und der Nießbraucher den Sachnießbrauch erwirbt. Die §§ 1078, 1079 BGB gewährleisten, dass bei allen Maßnahmen, die den Bestand der verzinslichen Forderung betreffen, Nießbraucher und Gläubiger zusammenwirken müssen (vgl. im Einzelnen Laukemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 1076 BGB Rn. 2, § 1077 BGB Rn. 6, § 1079 BGB Rn. 3). Aus dieser Rechtslage ergeben sich keine weitergehenden Einschränkungen des Forderungsinhabers, die eine von den o.g. Grundsätzen abweichende schenkungsteuerrechtliche Beurteilung rechtfertigen würden.
58Erlischt der Nießbrauch beim Tod des Nießbrauchers oder zu einem sonst vorgesehenen Ereignis und geht damit nach dem rechtlichen nun auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Bedachten über, so liegt hierin keine erneute bereichernde Zuwendung unter Lebenden oder von Todes wegen. Denn mit dem Wegfall der dinglichen Belastung verwirklicht sich lediglich eine in der früheren Zuwendung bereits angelegte Vervollständigung der Rechtsposition des Beschenkten, die noch zum Inhalt der früheren Zuwendung gehört (vgl. Hannes/Holtz in Meincke, ErbStG, 17. Aufl., § 7 Rn. 55; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 14 Rn. 63).
59Dementsprechend hat der Wegfall des Nießbrauchs aufgrund des Todes des Nießbrauchers, wie im Streitfall, allenfalls im Rahmen des § 14 Abs. 2 BewG Auswirkungen auf die Festsetzung der Schenkungsteuer. Darüber hinaus ergibt sich hierdurch kein Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 ErbStG, der den vom Beklagten vorgenommen Wertansatz in Bezug auf die Versicherung im Erbschaftsteuerbescheid rechtfertigen könnte.
602. Im Streitfall ist die Schenkungsteuer in Bezug auf die mit dem Schenkungsvertrag übertragenen Rechte aus der Versicherung auch nicht (teilweise) gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG mit dem Tod der Erblasserin entstanden. Daher durfte der Beklagte auch unter diesem Gesichtspunkt in dem angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid keine Werte aus der Versicherung zusammen mit dem Erwerb von Todes wegen erfassen (vgl. hierzu FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987).
61Anders als in dem vom FG Münster im Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16 (EFG 2018, 1987) entschiedenen Sachverhalt wäre im Streitfall der Versicherungsfall erst mit dem Tod der Klägerin eingetreten. Sie war versicherte Person. Der Tod der Schenkerin/Erblasserin hatte bis auf den schenkungsteuerrechtlich unerheblichen Wegfall der Widerrufsvorbehalte und des Nießbrauchsrechts auf die Rechte aus dem Versicherungsvertrag keinerlei Einfluss. Die Rechtsposition der Klägerin hat sich darüber hinaus (allein) durch den Tod der Erblasserin in keiner Weise geändert, so dass der Tod der Erblasserin keinen Ansatz zur Erfassung eines weiteren Wertes in Bezug auf die Versicherung bietet.
62Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Rechts auf die Entnahme des gesamten Kapitals. Auch dieses Recht stand der Klägerin unter den Bedingungen des Versicherungsvertrages nach den o.g. Ausführungen bereits mit der Übertragung der Versicherungsnehmerstellung uneingeschränkt ab dem 04.11.2016 zu. Die Vertragsbedingungen sehen insoweit zwar vor, dass eine Voll- oder Teilkapitalisierung zu Beginn eines Rentenzahlungsjahres drei Monate im Voraus zu beantragen ist. Damit konnte die Klägerin die Auszahlung des Kapitals erstmals zum 01.11.2017 beantragen. Offenbleiben kann insoweit aber, ob dieser Umstand einer Berücksichtigung des gesamten Kapitals bei der Besteuerung der Schenkung entgegenstand oder ob der Beklagte bereits beim Erlass des Schenkungsteuerbescheides auf den 04.11.2016 den Kapitalauszahlungsanspruch hätte erfassen müssen. Für die die im Streitfall festzusetzende Erbschaftsteuer ist die Beantwortung dieser Frage nämlich unerheblich.
63a. Ginge man davon aus, dass die Schenkungsteuer in Bezug auf die Kapitalentnahme wegen deren Abhängigkeit von einem Antrag des Versicherungsnehmers gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG erst mit Antragstellung oder ggf. mit Fälligkeit des Kapitalauszahlungsanspruchs entsteht, so liegt dieser Zeitpunkt unstreitig nach dem Erbfall und könnte daher nicht im Erbschaftsteuerbescheid zum Todeszeitpunkt ....07.2017 erfasst werden. Anders als in dem Fall des FG Münster (Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16, EFG 2018, 1987) ist diese Antragstellung nämlich völlig unabhängig vom Erbfall und kann daher keine gemeinsame Festsetzung im Erbschaftsteuerbescheid rechtfertigen.
64b. Aber selbst wenn der Anspruch auf Entnahme des gesamten Kapitals schon bei der Festsetzung der Schenkungsteuer zu berücksichtigen gewesen wäre, würde sich dies im Streitfall auch im Rahmen des § 14 ErbStG nicht auf die festzusetzende Steuer auswirken. Durch die Erhöhung des Vorerwerbs würde sich zwar der im angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid zu berücksichtigende steuerpflichtige Erwerb ebenfalls entsprechend erhöhen. Allerdings würde sich gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch die anzurechnende Steuer für die Vorschenkung immer in dem Maße erhöhen, dass die ohne Ansatz eines Wertes für das Kapitalentnahmerecht auf den Todeszeitpunkt (bisher 207.000 €) festzusetzende Steuer immer auf 187.050 € festzusetzen wäre. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die nicht mit der Erblasserin verwandte Klägerin in der Steuerklasse III gemäß § 19 ErbStG bis zu einem Erwerb von 6 Millionen Euro durchgehend mit einem Steuersatz von 30 % zu besteuern ist und der Freibetrag in Höhe von 20.000 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) bereits durch den unstreitigen (bisherigen) Mindestansatz für die Vorschenkung in Höhe von 172.250 € aufgebraucht wird. Entscheidend für dieses Ergebnis ist außerdem, dass nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG von der Steuer für den Gesamtbetrag nicht (nur) die tatsächlich gezahlte Steuer, sondern die Steuer abzuziehen ist, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe entrichtete Steuer wird nur dann abgezogen, wenn diese höher ist, § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG.
653. Die Erbschaftsteuer nach dem Tod der Erblasserin war nach alledem ohne Berücksichtigung eines Wertes in Bezug auf die Versicherung bei einem Erwerb durch Erbanfall in Höhe von 623.508 € und einer Vorschenkung von (mindestens) 172.257 € auf 187.050 € festzusetzen (anrechenbare Steuer für den Vorerwerb 45.560 €).
664. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
675. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.
685. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.