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Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer gegenüber dem Kläger erlassenen Prüfungsanordnung streitig.
3Der Kläger ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater selbstständig tätig. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG.
4Zudem war er im Streitzeitraum – den Jahren bis – zu ... % an der A Steuerberatungsgesellschaft GmbH (A GmbH) und zu ... % an der A B GmbH (A B GmbH) beteiligt.
5Der Beklagte hat beim Kläger bereits für die Zeiträume ... bis ..., ... bis ... sowie für die Jahre ... und Betriebsprüfungen durchgeführt.
6Bei der zuletzt durchgeführten Betriebsprüfung wurde gemäß des geänderten Betriebsprüfungsbericht vom 21.03.2017 (der ursprünglichen Betriebsprüfungsbericht datierte vom 19.09.2016) u.a. festgestellt, dass der Kläger für die A GmbH sowie die A B GmbH in dem dortigen Prüfungszeitraum – die Jahre und – umfangreich tätig gewesen ist und u.a. der A GmbH im Jahre ... Rechnungen i.H.v. insgesamt ... € brutto sowie der A B GmbH im Jahre ... Rechnungen i.H.v. insgesamt ... € brutto sowie im Jahre ... i.H.v. insgesamt ... € brutto gestellt hat.
7Diese Rechnungen seien von der A GmbH und der A B GmbH in den Jahren ... und ... als Fremdleistungen gebucht worden. Eine Zahlung sei bisher nicht erfolgt, obwohl beide GmbH`s dazu in der Lage gewesen seien.
8Da der Kläger an der A GmbH zu ... % und an der A B GmbH zu ... % beteiligt und somit beherrschender Gesellschafter dieser beiden Gesellschaften sei, sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH (u.a. Entscheidung vom 02.06.2014 III B 153/13, BFH/NV 2014, 1377) ein Zufluss dieser Honorarforderungen des Klägers nicht erst im der Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Konto, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Forderung anzunehmen.
9Darüber hinaus wurde festgestellt, dass im Jahr ... Geldzahlungen seitens der A GmbH an den Kläger i.H.v. insgesamt ... € brutto erfolgt seien, die von der A GmbH als Forderungen gegenüber dem Kläger gebucht worden seien. Der Kläger selbst habe diese Zahlung nicht als Betriebseinnahmen berücksichtigt, sondern als Verbindlichkeiten gegenüber der A GmbH.
10Im Rahmen des berichtigten Betriebsprüfungsbericht wurde festgestellt, dass die Rechnungen des Klägers an die A GmbH im Jahr ... nicht mehr berücksichtigt würden, da sie einvernehmlich bei der A GmbH nicht als Verbindlichkeiten erfasst worden seien.
11Die Rechnungen des Klägers an die A B GmbH würden im Jahr ... nicht mehr berücksichtigt. Sie seien ausweislich der vom Kläger nachgereichten Unterlagen in der Gewinnermittlung und Umsatzsteuererklärung des Jahres ... enthalten.
12Für das Jahr ... ergäbe sich somit keine Erhöhung der Einnahmen und Umsätze.
13Des Weiteren gab es verschiedene Unklarheiten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, da insoweit die zunächst eingereichten Anlagen V der Jahre ... und ... teilweise identisch gewesen seien und erst im Rahmen der Betriebsprüfung korrigierte Anlagen V vorgelegt wurden, die hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten jedoch teilweise wiederum unvollständig waren bzw. Unklarheiten aufwiesen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dem Betriebsprüfungsbericht vom 21.03.2017 Bezug genommen.
15Auf der Grundlage dieses Betriebsprüfungsberichts ergingen geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide, die sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim Gericht zu den Aktenzeichen 1 und 2 im Klageverfahren befinden.
16Im Verfahren 1 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.10.2020 sowie im Erörterungstermin vom 09.10.2020 eingeräumt, dass die Zahlung der A GmbH an ihn im Jahre ... i.H.v. ... € brutto nicht als Darlehenszahlung steuerlich zu behandeln sei, sondern als gewinnwirksame Honorareinnahme.
17Mit Prüfungsanordnung vom 07.11.2017 ordnete der Beklagte unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO eine Betriebsprüfung beim Kläger an, die sich auf die Einkommen- und Umsatzsteuer für den Streitzeitraum ... bis ... bezog.
18In dieser Prüfungsanordnung wies der Beklagte auf eine Anlage hin, in der er ausführte, dass die erneute Anschlussprüfung erforderlich sei, da die Vorprüfung zu erheblichen Mehrsteuern geführt hätten und die Gewinnermittlungen aufgrund der Prüfungsfeststellungen aus den vorherigen Prüfungen nicht angepasst worden seien (Hinweis auf § 153 AO).
19Gegen diese Prüfungsanordnung legte der Kläger am 21.11.2017 fristgerecht Einspruch ein machte geltend, dass es sich um eine wiederholte Anschlussprüfung handle. Die anhängigen Einspruchs- und Klageverfahren aufgrund der vorangegangenen Betriebsprüfungen seien noch nicht abgeschlossen.
20Insbesondere seien die unter den Az. IV B 2/17 und III B 97/17 anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH, die die gleiche Rechtsfrage wie im Streitfall beträfen, noch nicht entschieden.
21Der Beklagte seinerseits wies den Kläger darauf hin, dass in der Prüfungsanordnung vom 07.11.2017 erläutert worden sei, aus welchen Gründen eine erneute Anschlussprüfung zu erfolgen habe.
22So hätten die vorangegangenen drei Betriebsprüfungen alle zu Mehrsteuern in nicht unerheblicher Höhe geführt. Ein weiterer Grund für eine erneute Betriebsprüfung sei, dass die Prüfungsfeststellungen der vorherigen Betriebsprüfung nicht in die Gewinnermittlungen eingearbeitet worden seien. So seinen Feststellungen im Zusammenhang mit Zinserträgen, die erst in ... zugeflossen seien, nicht nachträglich in der Gewinnermittlung für ... berücksichtigt worden. Ebenfalls ergäben sich für die Folgejahre ab ... Anpassungen zu § 4 Abs. 4a EStG. In diesem Zusammenhang werde auf § 153 AO verwiesen.
23Darüber hinaus liege dem Finanzamt Kontrollmaterial für den Prüfungszeitraum vor. Eine umfangreiche und eingehende Prüfung sei im Veranlagungsverfahren nicht zu gewährleisten, sodass dies ebenfalls im Rahmen einer Betriebsprüfung abzuklären sei.
24Hinzu kämen noch andere geplante Prüfungshandlungen zu den Fremdleistungen, Rechts- und Beratungskosten, Investitionsabzugsbeträgen sowie den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
25Die aktuellen Rechtsbehelfsverfahren für die Jahre ... und ... rechtfertigten keinen Verzicht auf die Prüfungsanordnung. Die Sachverhalte seien bei der Entscheidung, ob eine Prüfungsanordnung erforderlich sei, aus der aktuellen Sicht des Beklagten zu würdigen.
26In der Betriebsprüfungsakte des Beklagten befindet sich ein Aktenvermerk vom 30.10.2017, der vor dem Erlass der streitbefangenen Prüfungsanordnung angefertigt wurde und in dem festgehalten wird, dass Auffälligkeiten vorlägen, die einer Überprüfung bedürften.
27Dies betreffe u.a. die Bildung eines § 7g Investitionsabzugsbetrages im Jahre ... i.H.v. ... € sowie im Jahre ... i.H.v. ... €.
28Des Weiteren habe die Anpassung zu § 4 Abs. 4a EStG zu erfolgen.
29Der Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltskosten im Rahmen des Steuerstrafverfahrens sei zu streichen.
30Die Zinserträge – Zufluss frühestens in ... – seien in ... und ... gekürzt worden; dies sei zu überprüfen.
31Rechnungen an die A GmbH und die A B GmbH seien nicht gezahlt worden. Verbindlichkeiten über Fremdleistungen seien bei diesen Gesellschaften aber gewinnmindernd eingebucht worden. Es habe hingegen keine Versteuerung des Erlöses beim Kläger stattgefunden. Hier sei die Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter zu berücksichtigen.
32Es lägen zwei Kontrollmitteilungen hinsichtlich Leistungen an die Firma A GmbH (...) in ... vor.
33Des Weiteren gebe es – vom Beklagten in dem Aktenvermerk konkret benannte – Unklarheiten hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend die Objekte „...“.
34Mit Einspruchsentscheidung vom 24.08.2018 wurde der Einspruch des Klägers gegen die Prüfungsanordnung vom 07.11.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
35Dabei stellte der Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass die streitbefangene Prüfungsanordnung nicht ermessensfehlerhaft sei. Insbesondere spiele es für die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Betriebsprüfung keine Rolle, dass die unmittelbar vorangehenden Zeiträume bereits geprüft worden seien.
36Auch wenn es sich bei § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung handele, könne die Finanzbehörde im Einzelfall verpflichtet sein, eine Prüfungsanordnung – über den Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO hinaus – zu begründen, wenn dies zum Verständnis der Prüfungsanordnung wegen der besonderen Umstände oder nach der Art der angeordneten Maßnahme erforderlich sei.
37Auch wenn im Streitfall ein derartiger Ausnahmefall nicht gegeben sei, werde jedoch hilfsweise eine Begründung abgegeben, warum der Beklagte den Kläger für den Streitfall Zeitraum erneut prüfen wolle.
38Ein Bedürfnis für eine Anschlussprüfung bestehe schon deshalb, weil die Leistungsbeziehungen zwischen dem Kläger und der A GmbH sowie der A B GmbH zu prüfen seien. Auch die fehlende Anpassung der Gewinnermittlungen an die Ergebnisse der Betriebsprüfung für den Zeitraum bis ... sowie die Tatsache, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sonstige Kosten teilweise identisch seien oder die unzutreffende AfA aus den Vorjahren übernommen worden sei, seien Vorgänge, die den Streitzeitraum beträfen.
39Zudem hätten allein die letzten beiden Betriebsprüfungen zu Mehrsteuern i.H.v. ... € (Jahre ... bis ... nach Abschluss des Klageverfahrens) bzw. i.H.v. ... € (Jahre ... und ..., allerdings klagebehaftet) geführt.
40Im Rahmen seiner hiergegen am 27.09.2018 fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte habe nunmehr die vierte Prüfungsanordnung erlassen, mit der die dritte Anschlussprüfung angeordnet worden sei, ohne dies näher zu begründen.
41Die angefochtene Prüfungsanordnung sei ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt.
42Vorliegend handele es sich um die vierte aufeinanderfolgende Außenprüfung ohne einen prüfungsfreien Zeitraum. Die Begründung, die im Übrigen erst in der Einspruchsentscheidung erfolgt sei und sich auf die Leistungsbeziehungen mit zwei GmbH`s und die erforderliche Anpassung an die Vorprüfung, zu der noch ein Klageverfahren anhängig sei, beziehe, reiche nicht aus.
43Es stellt sich vielmehr die Frage, ob das Auswahlermessen vom Beklagten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ordnungsgemäß ausgeübt worden sei, wenn ein Betrieb innerhalb von zwölf Kalenderjahren durchgängig geprüft werde.
44Es sei bisher noch nicht entschieden worden, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere in Hinsicht auf das Auswahlermessen, bei einem solch langen durchgängigen Prüfungszeitraum gewahrt werde.
45Der BFH habe bisher noch nicht über Prüfungsanordnungen entschieden, die über die zweite Anschlussprüfung hinausgingen bzw. zu einem zwölfjährigen durchgängigen Prüfungszeitraum führten. Wollte man davon ausgehen, dass auch über die zweite Anschlussprüfung hinaus noch weitere Prüfungen zulässig seien, so wäre die gesamte Betriebsgrößenklasseneinteilung nach der Betriebsprüfungsordnung überflüssig.
46Jedenfalls habe der Beklagte nicht das ihm obliegende Auswahlermessen sachgerecht ausgeübt.
47Angesichts des Umstands, dass es die personellen Ressourcen der Finanzverwaltung nicht zuließen, Klein- und Mittelbetriebe durchgehend und lückenlos zu prüfen, anders als bei Großbetrieben, habe die Finanzverwaltung ihr Auswahlermessen auszuüben.
48Dieses Auswahlermessen könne dahingehend ausgeübt werden, dass eine anlassbezogene Prüfung oder eine Prüfung aufgrund Zufallsauswahl stattfinde. Unter Umständen könne sich hieran noch eine weitere Prüfung zur Kontrolle anschließen, um die Ergebnisse der vorherigen Prüfung und deren Umsetzung noch einmal zu kontrollieren.
49Als Klein- oder Mittelbetrieb könne man demnach mit einem allgemeinen, nicht durchgängigen Prüfungsrhythmus rechnen, wobei sich zulässige Abweichungen von einem statistischen Mittelwert nach oben und unten ergeben könnten.
50Bei einer durchgängigen und lückenlosen Betriebsprüfung über zwölf Jahre hinweg bei einem Klein- oder Mittelbetrieb liege jedoch weder eine Anlassprüfung oder Kontrollprüfung noch eine ordnungsgemäße Zufallsauswahl vor.
51Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen eine Außenprüfung angeordnet werde, stelle eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde dar, die von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden könne, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden seien und ob das eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt worden sei. Als tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung sei die Außenprüfung daher in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaß-, Willkür- und Schikaneverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig.
52Es stelle sich aber die Frage, ob vier Betriebsprüfungen hintereinander und ein Prüfungszeitraum von zwölf Jahren ohne ein einziges prüfungsfreies Jahr als eine rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessens angesehen werden könne.
53Insbesondere stelle sich die Frage, ob die Prüfungsbedürftigkeit das einzig sachgerechte Ermessensrichtmaß für die Ausübung des Auswahlermessens darstelle.
54Da die Finanzbehörden aufgrund ihrer Personalausstattung nicht alle Klein- und Mittelbetrieb durchgehend prüfen könne, müsse eine sachgerechte Auswahl vorgenommen werden. Dabei müsse insbesondere eine Belastungs- und Besteuerungsungleichheit der Steuerpflichtigen vermieden werden. Denn zum einen stellten Außerprüfungen für die Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung dar, zum anderen könne die Verschonung vor Außerprüfungen zu einem Steuerausfall bei denjenigen Steuerpflichtigen führen, die sich nicht an die Steuergesetze hielten, dies jedoch wegen unterbliebener Außenprüfungen jedoch nicht entdeckt würde.
55Grundsätzlich müssten die Finanzbehörden daher im Hinblick auf den Gleichheitssatz sämtliche Steuerpflichtigen nach § 193 Abs. 1 AO in ein System aufnehmen, das die Feststellung ihrer abstrakten Prüfungsbedürftigkeit sowie ihre konkrete Heranziehung zur Außenprüfung nach bestimmten allgemeinen und insbesondere auch nachprüfbaren Grundsätzen gewährleiste. Bei der jetzigen Handhabung entstehe jedoch ein Widerspruch zwischen einerseits dem gesetzgeberischen Auftrag, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Steuergerechtigkeit durch das Instrument der Außenprüfung sicherzustellen, und andererseits dem tatsächlichen ungleichen Vollzug dieser Gesetze, durch den sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen und damit Belastungs- und Besteuerungsungleichheit erzeugt werde.
56Tatsächlich gebe es bis zur Grenze der Willkür kein Ermessensrichtmaß. Insbesondere Klein- und Mittelbetriebe würden als leicht zu prüfende Steuerpflichtige ausgewählt, um Prüfungsstatistiken aufzubessern. Eine solche Auswahl beruhe auf sachfremden Erwägungen, sei den Finanzbehörden aber mangels Ermessensrichtmaß kaum nachzuweisen. Man könne sogar so weit gehen, zu sagen, eine Ermessensbetätigung ohne Vorliegen von sachgerechten Ermessenskriterien sei bereits Willkür. Völliges oder weitgehend freies Ermessen laufe jedenfalls auf Willkür hinaus.
57Mangels eines ausdrücklich an die Prüfungsbedürftigkeit ausgerichteten Ermessensrichtmaßes komme insoweit nur die Zufallsauswahl der zu prüfenden Betriebe in Betracht. Hierbei müsse jedoch gewährleistet sein, dass es sich tatsächlich um ein echtes Zufallsverfahren handle, das sich auf alle in Betracht kommenden Steuerpflichtigen erstrecke.
58Berufe sich ein Steuerpflichtiger auf die gegenüber Konkurrenzbetrieben ungleichmäßige Belastung seines Betriebes durch die Prüfungsfrequenz, so berufe er sich tatsächlich nicht auf ein Recht auf Individualverschonung, sondern auf einen objektiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Von der Finanzverwaltung sei daher zu fordern, zukünftig ein objektives und nachprüfbares Auswahlverfahren zur Heranziehung zur Außenprüfung zu installieren und nachprüfbare, sachgerechte Ermessensrichtmaße anzuwenden. Dabei könne das Abstellen auf die Betriebsgröße im Hinblick auf die Sachgerechtigkeit der Auswahl nicht das letztlich entscheidende Kriterium sein. Da die Betriebsgröße objektiv nicht entscheidend für die Prüfungsbedürftigkeit sein könne, müssten Unterscheidungskriterien gefunden werden zwischen dringend prüfungsbedürftigen, durchschnittlich prüfungsbedürftigen und weniger prüfungsbedürftigen Betrieben.
59Benötigt würden allgemeine Maßstäbe, ausgerichtet am entscheidenden Kriterium der Prüfungsbedürftigkeit für alle Prüfungssubjekte i.S.v. § 193 Abs. 1 AO. Der BFH habe daher zu richtigerweise verlangt, das Motiv für die Prüfung müsse allein in den betrieblichen Verhältnissen liegen. Soweit keine ausdrücklich an der Prüfungsbedürftigkeit ausgerichteten Ermessensrichtlinien installiert und in der Praxis angewendet würden, komme auch eine Zufallsauswahl der zu prüfenden Betriebe in Betracht. Dann müsse jedoch gewährleistet sein, dass es sich tatsächlich um ein echtes Zufallsverfahren handle, das sich darüber hinaus auf alle in Frage kommenden Steuerpflichtigen erstrecke. Von einer solchen Zufahrtauswahl Streitfall nicht gesprochen werden.
60Der Kläger beantragt,
61die Prüfungsanordnung vom 07.11.2017 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24.08.2018 aufzuheben.
62Der Beklagte beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Entscheidungsgründe
65Die Klage ist nicht begründet.
66Die vom Beklagten angeordnete Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung beim Kläger für den Zeitraum ... bis ... beruht auf den §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 und 196 AO, enthält keine Ermessensfehler im Sinne des § 102 S. 1 FGO und ist insbesondere nicht unverhältnismäßig bzw. verstößt nicht gegen das Schikane- oder Willkürverbot. Sie ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
67I. Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nach § 102 FGO nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Finanzbehörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszweckes (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteile vom 15.06.2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25 sowie vom 14.04.2020 VI R 32/17, BStBl. II 2020, 487). Im Streitfall hat der Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet (1.) und frei von Ermessensfehlern entschieden (2.).
681. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind im Streitfall vom Beklagten nicht überschritten worden.
69a) Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung u.a. auch bei Steuerpflichtigen zulässig, die freiberuflich tätig sind (vgl. BFH-Beschluss vom 13.12.2018 VIII B 114/18, BFH/NV 2019, 385).
70Weitere Anforderungen enthält die Vorschrift nicht. Es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie des Übermaß-, Schikane und Willkürverbotes grundsätzlich unbeschränkt zulässig.
71Nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO können einer oder mehrere Prüfungszeiträume geprüft werden. Dieses gesetzlich eingeräumte Ermessen zur Bestimmung des Prüfungsumfangs hat die Finanzverwaltung im Rahmen der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der BpO dahingehend konkretisiert, dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000 bei anderen als Großbetrieben der Prüfungszeitraum nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei Besteuerungszeiträume gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 jedoch nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht.
72Insbesondere ist weder den gesetzlichen Regelungen der Abgabenordnung noch den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der Betriebsprüfungsordnung vom 15.03.2000 (BpO 2000) bzw. dem Erlass betreffend der Grundsätze zur Rationalisierung der steuerlichen Betriebsprüfung der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.06.1995 (Rationalisierungserlass, abgedruckt u.a. bei Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand Februar 2011, vor §§ 193-203, Rn. 105 ff., 107) zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit bestimmten zeitlichen Abständen erfolgen dürften (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25).
73Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist vielmehr eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die vom Gericht nach § 102 Satz 1 FGO nur darauf zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteil vom 28.09.2011 VIII R 8/09, BStBl. II 2012, 395).
74b) Im Streitfall hat der Beklagte mit Prüfungsanordnung vom 07.11.2017 beim Kläger eine Außenprüfung für einen dreijährigen Zeitraum, nämlich die Veranlagungszeiträume ... bis ... angeordnet. Damit hat er sich aber in dem durch § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO konkretisierten Ermessensspielraum des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO bewegt.
75Die Tatsache, dass diese Prüfung die dritte Anschlussprüfung und damit die insgesamt vierte Prüfung mit einem ununterbrochenen Prüfungszeitraum von zwölf Jahren darstellt, wird weder durch die gesetzlichen Regelungen der §§ 193, 194 Abs. 1 Satz 2 AO noch durch die BpO in Frage gestellt, insbesondere da die BpO in ihrem § 4 Abs. 3 Satz 3 auch für Klein- und Mittelbetriebe Anschlussprüfungen für zulässig erklärt.
76Vielmehr ergeben sich insoweit weder aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 193 ff. AO noch den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der BpO Begrenzungen für die Anzahl der zulässigerweise unmittelbar aufeinanderfolgenden Anschlussprüfungen. Damit sind aber die gesetzlichen Grenzen des durch §§ 193 Abs. 1, 194 AO dem Beklagten eingeräumten Ermessens bei der Anordnung einer Außenprüfung gewahrt.
772. Der Beklagte hat im Streitfall aber auch von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und keinen Ermessensfehler begangen. Insbesondere verstößt die Anordnung der dritten Anschlussprüfung nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
78a) Da die Finanzbehörden aufgrund ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten nicht sämtliche gemäß § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung unterliegende Steuerpflichtige für alle Besteuerungszeiträume prüfen können, müssen sie unter den zu prüfenden Betrieben und hinsichtlich des Prüfungsumfangs eine Auswahl treffen. Dabei sind gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 Anschlussprüfungen grundsätzlich zulässig.
79Die Betriebsprüfungsordnung 2000 bewirkt damit eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Anordnung von Außenprüfungen. Es handelt sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, so dass ihre Auslegung sich nicht nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäben richtet, sondern danach, wie die Verwaltung sie versteht und verstanden wissen will. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist. Nach der Betriebsprüfungsordnung bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen.
80Im Übrigen wird im Rationalisierungserlass – einer ebenfalls ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift – die Bedeutung der Unvorhersehbarkeit der Außenprüfung hervorgehoben. Diese Unvorhersehbarkeit spricht somit aus Sicht der Verwaltung gegen eine Bindung von Außenprüfungen an einen bestimmten Prüfungsturnus oder einen Anspruch auf prüfungsfreie Jahre zwischen einzelnen Prüfungen. Es besteht somit auch kein Anspruch auf die Einhaltung eines bestimmten – an dem nachträglich ermittelten statistischen Durchschnittswert orientierten – Prüfungsrhythmus, da eine zeitlich vorhersehbare Außenprüfung dem mit ihr verfolgten Ziel, aufgrund ihrer präventiven Wirkung zur richtigen Steuererhebung beizutragen, widersprechen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 14.07.2014 III B 8/14, BFH/NV 2014, 1880).
81Grundsätzlich bleiben die Finanzbehörden dabei aber verpflichtet, für eine steuerliche Belastungsgleichheit zu sorgen und diese auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges zu gewährleisten. Die Herstellung der steuerlichen Lastengleichheit spricht für eine möglichst lückenlose Prüfung. Die Verwaltung kann daher grundsätzlich alle Veranlagungszeiträume durch eine Außenprüfung kontrollieren. Da eine umfassende Prüfung der unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Steuerpflichtigen nicht realisierbar ist, kann sich die Finanzbehörde aber zumindest die prophylaktische Wirkung nutzbar machen, die in der Unberechenbarkeit eines prüfungsfreien Zeitraums zwischen den turnusmäßigen Prüfungen liegt (vgl. BFH-Beschluss vom 16.02.2011 VIII B 246/09, BFH/NV 2011, 748).
82Daher ist bei der Ermessensausübung nach § 193 Abs. 1 AO für die Berücksichtigung eines Individualinteresses auf Verschonung von den durch eine Außenprüfung ausgelösten Belastungen vorbehaltlich des Übermaß-, des Willkür- und des Schikaneverbotes grundsätzlich kein Raum (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25).
83Ob ein Ermessensfehler im Sinne des § 102 Satz 1 FGO gegeben ist, beurteilt sich grundsätzlich nach der Begründung der Prüfungsanordnung durch die Finanzbehörde. Da die Anordnung einer Außenprüfung im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich ermessensgerecht ist, wenn sie nicht gegen das Übermaß-, das Willkür- oder Schikaneverbot verstößt, bedarf sie indessen regelmäßig keiner über die Angabe der gesetzlichen Grundlage, also des § 193 Abs. 1 AO, hinausgehenden Begründung. Dies gilt nicht nur für die erste Anschlussprüfung, sondern auch für die zweite Anschlussprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25).
84b) Im Streitfall lässt die vom Beklagten ausgesprochene Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung beim Kläger für die Jahre ... bis ... weder Ermessensfehler noch sonstige Verstöße erkennen.
85aa) Insoweit ist es war zutreffend, dass es sich bei der vom Beklagten angeordneten streitbefangenen Außenprüfung um die dritte Anschlussprüfung handelt.
86Weder aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 193 ff. AO noch aus den ermessenslenkenden Richtlinien des Beklagten ist jedoch – wie bereits zu den gesetzlichen Grenzen des Ermessens festgestellt – ersichtlich, dass eine solche wiederholte Anschlussprüfung unzulässig sein sollte.
87Insbesondere sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, ab welcher Anzahl von Außenprüfungen eine grundsätzliche Unzulässigkeit bzw. ermessensfehlerhafte Auswahlentscheidung gegeben sein sollte.
88Vielmehr hat die Finanzverwaltung in § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO geregelt, dass Anschlussprüfungen grundsätzlich auch bei Betrieben, die nicht zu den in § 4 Abs. 2 BpO genannten Betrieben, also nicht zu den Groß- und Konzernbetriebe gehören, zulässig sind.
89Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht zutreffend, dass der BFH bislang erst über die Zulässigkeit einer zweiten Anschlussprüfung entschieden hat (und zwar im Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25). Vielmehr ist dem Gericht bekannt, dass der BFH in einem Fall auf die gegen die Anordnung einer dritten Außenprüfung gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde die Revision nicht zugelassen hat (XI B 45/19).
90Das Gericht sieht insoweit vielmehr keinen Grund dafür, allein die Anzahl der ununterbrochen angeordneten Außen- bzw. Anschlussprüfungen bzw. die Dauer des durchgängigen, also ohne ein prüfungsfreies Jahr ausgestalteten, Prüfungszeitraums als entscheidendes und ausschlaggebendes Kriterium für eine ermessenswidrige und damit rechtswidrige Prüfungsanordnung bzw. Anschlussprüfung anzusehen. Für die Feststellung einer fehlerhaften und damit rechtswidrigen Ausübung des Auswahlermessens ist es vielmehr erforderlich, dass keine sachlichen und inhaltlichen Gründe ersichtlich sind, warum ein Klein- oder Mittelbetrieb in einer derartigen Intensität geprüft bzw. mit einer derart hohen Anzahl von Anschlussprüfungen überzogen wird. In diesem Fall dürfte zudem die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit, zum Übermaß sowie zur Willkür und Schikane nicht mehr weit sein.
91bb) Soweit der Kläger in Frage stellt, ob die Prüfungsbedürftigkeit das einzig sachgerechte Ermessensrichtmaß für die Auswahlentscheidung der Finanzbehörden sein dürfe, so kann sich das Gericht diesem Standpunkt nicht anschließen.
92Denn entspricht es dem Gesetzeszweck, für den in § 193 Abs. 1 AO bestimmten Personenkreis eine möglichst lückenlose Aufklärung des abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhalts zu erreichen und stellt die Außenprüfung ein besonderes Instrument zur Erfüllung der den Finanzbehörden nach § 85 AO obliegenden Aufgabe dar, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben und Steuergerechtigkeit durch gerechte Vollziehung der Steuergesetze zu verwirklichen (vgl. hierzu mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien BFH-Urteil vom 02.10.1991 X R 89/89, BStBl. II 1992, 220), so müssen die Finanzbehörden Unklarheiten und Auffälligkeiten, mithin prüfungsbedürftigen Fragen nachgehen können.
93Auch wenn es – worauf der Kläger im Wesentlichen abstellt – im Bereich der Routineprüfungen und bei der Zufallsauswahl so sein mag, dass sich die Zufallsauswahl für den Steuerpflichtigen häufig als zu intransparent darstellt, hat dies im Streitfall keine ausschlaggebende Bedeutung. Denn es geht im Streitfall gerade nicht um eine Routineprüfung, bei der die Auswahl zufällig – zum dritten Mal (?) – auf den Kläger gefallen ist, sondern um eine Anlassprüfung aufgrund der vom Beklagten festgestellten Prüfungsbedürftigkeit.
94Dass aber gerade die Prüfungsbedürftigkeit eines Steuerpflichtigen oder eines Steuerfalles das wesentliche und entscheidende Kriterium sowohl für eine erstmalige Prüfung als auch für weitere Anschlussprüfungen darstellt, ergibt sich sowohl aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen als auch aus den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der BpO und des Rationalisierungserlasses.
95So zeigt bereits das Rechtsinstitut der abgekürzten Außenprüfung gemäß § 203 AO, wonach bei Steuerpflichtigen, bei denen die Finanzbehörde einer Außenprüfung in regelmäßigen Zeitabständen nach den Umständen des Falles nicht für erforderlich erachtet, eine abgekürzte Außenprüfung durchgeführt werden kann, dass es insoweit darum geht, Betriebsprüfungen auf die wesentlichen Besteuerungsgrundlagen zu beschränken und insbesondere auf diejenigen Fälle, die tatsächlich überprüfungsbedürftig sind (vgl. dazu nur Klein/Rüsken, AO, 15. Auflage 2020, § 203 Rn. 1).
96Und auch die BpO sieht in § 7 vor, dass die Außenprüfung auf das Wesentliche abzustellen hat und ihre Dauer auf das notwendige Maß zu beschränken ist. Sie hat sich in erster Linie auf solche Sachverhalte zu erstrecken, die zu endgültigen Steuerausfällen oder Steuererstattungen oder -vergütung oder zu nicht unbedeutenden Gewinnverlagerungen führen können.
97Diese Zielsetzung wird auch im Rationalisierungserlass konkretisiert, der bereits in Ziffer 3.1 hinsichtlich der Auswahl der zu prüfenden Betriebe vorgibt, dass die Auswahl der zu prüfenden Steuerpflichtigen das Ziel zu verfolgen hat, möglichst alle prüfungsbedürftigen Steuerpflichtigen – aber nur diese – innerhalb der Verjährungsfristfrist zu prüfen. Danach ist es erforderlich, die Prüfungsbedürftigkeit kritisch zu untersuchen. In die gezielte Auswahl sollen danach alle verfügbaren Informationen eingehen, um die prüfungsbedürftigen Fälle erkennen zu können. Dabei sollen vor allem die individuelle Einschätzung der Anschlussprüfungsbedürftigkeit anlässlich der Betriebsprüfung, die begründeten Prüfungsersuchen insbesondere der Veranlagungsstellen sowie die branchenbezogenen und sonstigen Erfahrungen der Betriebsprüfung als Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden.
98Um den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung zu tragen, ist stets ein Teil der Prüfungsfälle nach dem Zufallsprinzip auszuwählen.
99Ziffer 3.7 des Rationalisierungserlasses sieht vor, dass in den Fällen, in denen der Prüfer nach der Prüfungsvorbereitung zu der Auffassung gelangt, dass die Prüfung zu keinen wesentlichen Berichtigungen führen wird oder etwa nachzuerhebende Steuern nicht beitreibbar sein werden, der Betrieb grundsätzlich vom Prüfungsgeschäftsplan abzusetzen ist.
100Gemäß Ziffer 4.3 ist die Prüfung, soweit sich während der Prüfung ergibt, dass die steuerlichen Verhältnisse im Großen und Ganzen in Ordnung sind oder dass eine Fortsetzung der Prüfung zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand führen würde, zu beenden.
101Für das Gericht ergibt sich bereits aus diesen gesetzlichen Vorgaben sowie ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, dass jenseits der Routine- und Zufallsprüfungen die Prüfungsbedürftigkeit das alleinige und ausschlaggebende sachliche Kriterium für eine anlassbezogene Prüfung eines Steuerpflichtigen ist und sowohl für die erstmalige Prüfungsanordnung als auch für weitergehende Anschlussbetriebsprüfungen der alleinige Entscheidungsmaßstab für die Ausübung des Auswahlermessens durch die Finanzverwaltung zu sein hat.
102Ausweislich der Begründung zu der streitbefangenen Prüfungsanordnung sowie den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung hat sich der Beklagte aber bei seiner Ermessensentscheidung, eine weitere Anschlussprüfung beim Kläger durchzuführen, genau an denjenigen Fragen und Unklarheiten orientiert, die eine entsprechende Prüfungsbedürftigkeit dokumentieren.
103cc) Ungeachtet der Frage, ob jedenfalls ab der dritten Anschlussprüfung die Finanzbehörde die Ausübung ihres Auswahlermessens sachgerecht begründen muss, ist der Beklagte jedoch einem solchen – vermeintlichen – Begründungserfordernis sowohl in der Anlage zur Prüfungsanordnung als auch in der Einspruchsentscheidung in ausreichendem Umfang nachgekommen.
104Denn er hat insoweit in aller Deutlichkeit dargelegt, was die Gründe für die Anordnung einer weiteren Betriebsprüfung beim Kläger sind. Die in den Vorprüfungen, insbesondere der Letzteren, festgestellten Vorgänge um die Leistungsbeziehungen des Klägers zur A GmbH sowie der A B GmbH haben derartig vielfältige Fragen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen aufgeworfen, dass es der Beklagte zu Recht als notwendig erachten musste, auch für die Folgejahre ... bis ... im Einzelnen zu überprüfen, ob und wann die vom Kläger gegenüber den vorgenannten Gesellschaften erstellten Honorarabrechnungen in seinen Gewinnermittlungen gewinnwirksam erfasst worden sind.
105Auch der Umstand, dass der Kläger im Laufe des Klageverfahrens zum Az. 1, das sich mit den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre ... und ... befasst, nunmehr eingeräumt hat, dass Zahlungsvorgänge der A GmbH an ihn in einer Größenordnung von ca. ... € als Einnahmen zu versteuern sind und nicht als Darlehensgewährungen gewinnneutral bleiben können, zeigt, dass insoweit seitens des Beklagten zu Recht ein erheblicher Ermittlungs- und Aufklärungsbedarf gesehen worden ist.
106Auch hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung haben sich in der Vorbetriebsprüfung für die Jahre ... und ... eine ganze Reihe von Fragen und Unklarheiten aufgrund der nicht geklärten Höhe der AfA sowie insbesondere angesichts der fehlenden Nachweise für die geltend gemachten Schuldzinsen und Erhaltungsaufwendungen ergeben, die für den Beklagten berechtigterweise Anlass gewesen sind, auch für die Folgejahre bis eine Außenprüfung anzuordnen.
107dd) Diesem Vorgehen des Beklagten, also der Anordnung einer weiteren Anschlussbetriebsprüfung für die Jahre ... bis ... steht auch nicht entgegen, dass die Feststellungen der Vorbetriebsprüfung für die Jahre und sich im Zeitpunkt der streitbefangenen Prüfungsanordnung noch in einem laufenden gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren beim Finanzgericht Köln zu den Az. 1 und 2 befanden.
108Denn unabhängig vom Ausgang dieser Klageverfahren musste der Beklagte angesichts der Prüfungsfeststellungen für die Jahre ... und berechtigterweise von einem erheblichen weiteren Ermittlungs- und Aufklärungsbedarf auch für die Folgejahre ausgehen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob und wann die ganz erheblichen Honoraransprüche des Klägers für die Beratung der von ihm beherrschten Gesellschaften denn einmal zu einer entsprechenden gewinnwirksamen Erfassung bei seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit führen würden.
109Auch wenn sich auf der Grundlage des berichtigten Betriebsprüfungsberichts vom 21.03.2017 verschiedene Streitpunkte bereits im Vorfeld der außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren geklärt haben, sind doch eine ganze Reihe weiterer Streitpunkte mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen offen geblieben, über die derzeit noch im gerichtlichen Klageverfahren verhandelt wird.
110Es ist für das Gericht zudem nicht einsichtig, dass die Anordnung einer Anschlussbetriebsprüfung davon abhängig sein soll, dass zunächst die Prüfungsfeststellungen der Vorbetriebsprüfung einem rechtskräftigen Abschluss im Rahmen eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens bzw. bestandskräftigen Änderungsbescheiden zugeführt worden sind. Vielmehr kann sich, auch soweit einzelne Prüfungsfeststellungen der Vorbetriebsprüfung im Rechtsbehelfsverfahren nicht bestätig worden sind, ein weitergehender Prüfungs- und Kontrollbedarf für die Folgejahre ergeben, insbesondere auch hinsichtlich in der Vorbetriebsprüfung gar nicht streitbefangener Prüfungsfeststellungen bzw. erst in den Folgejahren verwirklichter Lebenssachverhalte und Geschäftsvorfällen.
111ee) Für das Gericht sind im Streitfall auch keine greifbaren Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das allgemeine Übermaß-, Willkür- oder Schikaneverbot ersichtlich.
112Der Kläger begründet einen solchen Verstoß allein mit der Anzahl der ununterbrochen aufeinanderfolgenden Anschlussprüfungen, ohne zu berücksichtigen, dass sich aus den Vorprüfungen, insbesondere aus der unmittelbar vorhergehenden Betriebsprüfung für die Jahre ... und eine ganze Reihe von Fragen und Unklarheiten mit ganz erheblichen steuerlichen Auswirkungen ergeben haben. Im Streitfall handelt es sich somit bei der für die Veranlagungszeiträume ... bis ... angeordneten Prüfung um eine Anlassprüfung, deren Anordnung durch die Prüfungsfeststellungen in dem unmittelbar vorangehenden Prüfungszeitraum in jeder Hinsicht nachvollziehbar, einsichtig und damit gerechtfertigt ist.
113Soweit der Kläger hieran eine Ungleichbehandlung in der Belastungswirkung gegenüber anderen Steuerpflichtigen und einen Wettbewerbsnachteil gegenüber seinen Konkurrenten am Markt sieht, so verhält es sich eigentlich genau umgekehrt. Warum sollte die Finanzverwaltung einem Steuerpflichtigen einen prüfungsfreien Zeitraum einräumen, wenn doch aus einer Prüfung Erkenntnisse dahingehend gewonnen wurden, dass insoweit die steuerlichen Regeln nicht eingehalten wurden oder zumindest so viele Unklarheiten und Fragen aufgetreten sind, dass zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch in den Folgejahren diese steuerlichen Regeln nicht beachtet wurden. Die Finanzverwaltung in dieser Situation zu verpflichten, ihre knappen Ressourcen für Routine- und Zufallsprüfungen bei Steuerpflichtigen einzusetzen, bei denen weder der Veranlagungsbezirk eine Prüfungsbedürftigkeit erkannt hat noch bei denen Kontrollmaterial oder sonstige Anhaltspunkte eine Prüfungswürdigkeit erkennen lassen und stattdessen dem erkennbar weiterhin prüfungsbedürftigen Steuerpflichtigen eine betriebsprüfungsbezogene Auszeit zu gönnen, erscheint vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Außenprüfung, auch für Besteuerungsgleichheit zu sorgen, nicht einsichtig.
114Es ist vielmehr auch unter Berücksichtigung der sehr eingeschränkten Ressourcen und Kapazitäten der Prüfungsdienste der Finanzverwaltung und bei der gesetzlichen Vorgabe, die Steuerpflichtigen möglichst in gleichbelastendem Maße einer Betriebsprüfung zu unterziehen, festzustellen, dass anlassbezogene Prüfungen immer mit den Rechtsgrundsätzen eines ordnungsgemäßen Auswahlermessens zu vereinbaren sind.
115Ein Verstoß gegen dieses Auswahlermessen im Hinblick auf eine willkürliche und schikanöse Belastung des Steuerpflichtigen kann erst dann vorliegen, wenn entsprechende Anschlussprüfungen vorgenommen werden, obwohl die vorhergehenden Prüfungen keinen nennenswerten Anlass zu Beanstandungen gegeben haben. Liegen jedoch solche nennenswerten Beanstandungen in den Ergebnissen der Vorprüfungen vor oder sieht die Finanzverwaltung steuerliche Sachverhalte, denen auch in den Folgejahren nachzugehen ist, so kann es sich nicht um eine schikanöse Ausübung des Auswahlermessens handeln. Dann entspricht es vielmehr einem sachgerechten und Belastungs- und Besteuerungsgleichheit herstellenden Vorgehen der Betriebsprüfungsdienste, wenn diese Anlässe den Grund dafür bilden, auch weitere Folgejahre zu prüfen.
116In diesem Fall würde es vielmehr eine ermessenswidrige Auswahlentscheidung darstellen, wollte man diejenigen Steuerpflichtige, die keinen Anlass für eine Prüfung gegeben haben, einer Prüfung unterziehen, nur weil sie aufgrund eines wie auch immer gearteten Prüfungsrhythmus wieder einmal zur Prüfung anstehen, also „dran“ sein müssten.
117Dem Kläger ist ohne weiteres zuzustimmen, dass eine anlasslose Kette von mehreren Anschlussprüfungen, ohne dass erkennbar ist, aufgrund welcher tatsächlichen oder rechtlichen Umstände diese begründet sein könnten, was die Finanzbehörde eigentlich überprüfen oder aufklären möchte, und ohne dass die Finanzbehörde hierzu auch irgendwelchen brauchbar substantiellen Anhaltspunkte vorbringt, die Schwelle zur Unverhältnismäßigkeit und zum Übermaß ohne weiteres überschreitet. Kann der Steuerpflichtige in diesem Fall zudem auch noch auf sachfremde Erwägungen der Finanzbehörde hinweisen, liegt der Verdacht auf Willkür und der Schikane ebenfalls sehr nahe.
118So liegen die Dinge im Streitfall gerade nicht, da der Beklagte zur Begründung der Notwendigkeit einer dritten Anschlussprüfung eine Reihe von nachvollziehbaren steuerlichen Sachverhalten und Fragestellungen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen angeführt hat und der Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür angeführt hat, dass der Beklagte sich insoweit von willkürlichen oder schikanösen Handlungsmotiven hat leiten lassen.
119III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
120IV. Das Gericht sieht keine Veranlassung die Revision zuzulassen. Denn allein der Umstand, dass es sich im Streitfall um die dritte Anschlussprüfung handelt, stellt keine höchstrichterlich zu klärende Rechtfrage dar. Insoweit ist es höchstrichterlich vielmehr geklärt, dass es auch in diesem Fall allein darauf ankommt, ob diese Anschlussprüfung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots beachtet. Ob sie diese wahrt, ist jedoch eine Einzelfallentscheidung, die sich insbesondere an der Prüfungsbedürftigkeit der steuerlichen Sachverhalte orientiert.
121V. Da der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Aufwendungen hat, kann das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren nicht gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklären.