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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 infolge eines geänderten Grundlagenbescheids.
3Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist seit dem Jahr 1999 als Kommanditist an der A GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) beteiligt. Er erzielte im Streitjahr unter anderem aus dieser Beteiligung gewerbliche Einkünfte. Daneben erzielten der Kläger und die Klägerin jeweils Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus privaten Veräußerungsgeschäften.
4Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2000 zunächst auf Grundlage der von den Klägern eingereichten Steuererklärung mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid vom 2.7.2002 fest. Dieser Bescheid wurde in der Folgezeit durch Bescheide vom 4.10.2002, vom 17.2.2003 und vom 15.10.2003 geändert, wobei der Vorbehalt der Nachprüfung weiterhin bestehen blieb.
5Bei der KG wurde für die Jahre 1999 bis 2003 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Aufgrund dieser Betriebsprüfung erging mit Datum vom 11.9.2006 unter anderem für das Jahr 2000 ein geänderter Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für und gegen alle Feststellungsbeteiligten.
6Dieser Bescheid für 2000 wurde von der KG wegen ... angefochten. Streitig war ein Betrag von rund 300 DM. Das Einspruchsverfahren wurde mit Blick auf ein insoweit beim BFH anhängiges Verfahren auf Antrag der KG zum Ruhen gebracht. Eine Aussetzung der Vollziehung wurde nicht beantragt oder gewährt.
7Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2000 wurde – ebenso wie der ursprüngliche Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2000 – in der Folgezeit nicht der Einkommensteuerfestsetzung der Kläger für 2000 zugrunde gelegt.
8Bei der KG wurde im Jahr 2010 eine Anschlussbetriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2007 mit einer späteren Erweiterung der Prüfung um das Jahr 2008 durchgeführt. Die aufgrund dieser Folgebetriebsprüfung am 5./6.12.2013 ergangenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2004 bis 2008 wurden bei den Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger für die entsprechenden Jahre zeitnah ausgewertet und führten zu einer Steuernachzahlung von insgesamt rund 8.500 Euro.
9Aufgrund einer bei der KG in der Folgezeit für die Jahre 2009 bis 2011 durchgeführten weiteren Betriebsprüfung ergingen auch für diese Jahre geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Diese Bescheide wurden zeitnah bei den entsprechenden Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger ausgewertet.
10Nachdem das hinsichtlich der Frage ... geführte Revisionsverfahren beim BFH abgeschlossen war, erließ der Beklagte bezüglich der Einkünfte aus der KG mit Datum vom 21.11.2016 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 2000. Dabei änderte er ... und minderte das bisher festgestellte Ergebnis um 300 DM.
11Aufgrund des Feststellungsbescheids vom 21.11.2016 änderte der Beklagte mit Datum vom 2.12.2016 die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger für 2000 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Dies führte wegen der nunmehr erstmaligen Berücksichtigung der festgestellten Beteiligungseinkünfte zu einer Steuernachzahlung von rund 56.000 Euro nebst Zinsen von rund 49.500 Euro.
12Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid vom 2.12.2016 Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass die Auswertung des Feststellungsbescheids im Rahmen der Einkommensteuer wegen Verwirkung nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Mit der Auswertung seien erstmals die Mehrergebnisse aus der bereits im Jahr 2006 abgeschlossenen Betriebsprüfung bei der KG erfasst worden. Dies sei unzulässig. Zwischen dem Erlass des ersten Grundlagenbescheids, d.h. des infolge der Betriebsprüfung geänderten Feststellungsbescheids, und dem geänderten Einkommensteuerbescheid für 2000 seien mehr als zehn Jahre vergangen. Es sei zu berücksichtigen, dass nach der ersten Betriebsprüfung bei der KG noch zwei weitere Betriebsprüfungen für die Folgejahre durchgeführt worden seien und die insoweit getroffenen Feststellungen jeweils zeitnah bei den Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger umgesetzt worden seien. Sie – die Kläger – hätten vor diesem Hintergrund darauf vertrauen dürfen, dass aus der Betriebsprüfung für 2006 keine steuerlichen Folgen mehr gezogen würden.
13Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 1.4.2020 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zur Berücksichtigung der in dem Grundlagenbescheid vom 21.11.2016 getroffenen Feststellungen vorlägen. Aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergebe sich eine Pflicht zur Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid. Diese Pflicht werde nicht durch eine unterlassene, unvollständige oder unrichtige Anpassung „verbraucht“. Es sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten, zumal die Anpassung mit Bescheid vom 2.12.2016 zeitnah nach dem Erlass des geänderten Feststellungsbescheids vom 21.11.2016 erfolgt sei. Darüber hinaus sei keine Verwirkung eingetreten. Eine Verwirkung komme nur in Ausnahmefällen in Betracht und setze neben einem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment voraus. Die bloße Untätigkeit reiche für die Annahme einer Verwirkung regelmäßig nicht aus. Die Kläger hätten nicht darauf vertrauen können, dass eine Anpassung an die Feststellungen der Betriebsprüfung unterbleiben würde. Es sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger als Kommanditisten der KG sowohl das Ergebnis der Betriebsprüfung für das Jahr 2000 als auch der aufgrund der Betriebsprüfung ergangene geänderte Grundlagenbescheid bekannt gewesen sei. Daher seien an die Voraussetzungen einer Verwirkung strengere Anforderungen zu stellen. Im Übrigen hätten die Kläger – anders als z.B. in dem der Entscheidung des FG Münster vom 8.7.1986 (VI 3392/83 E, EFG 1987, 51 ff.) zugrunde liegenden Sachverhalt – nicht davon ausgehen dürfen, dass die Sachbehandlung endgültig abgeschlossen sei. Der Kläger habe als Kommanditist der KG Kenntnis davon gehabt, dass der Grundlagenbescheid aufgrund des ruhenden Einspruchsverfahrens noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Der Einspruch gegen den Grundlagenbescheid und das von der KG beantragte Ruhen des Einspruchsverfahrens seien auf den Erlass eines geänderten Grundlagebescheids gerichtet gewesen und damit ursächlich für die letztlich erfolgte Änderung des Grundlagenbescheids. Aus dem Umstand, dass bei der KG in der Folgezeit für die Jahre 2004 bis 2011 weitere Betriebsprüfungen stattfanden, ergebe sich ebenfalls keine Verwirkung. Insbesondere ergäben sich aus diesen Betriebsprüfungen keine Ergebnisse, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Einkommensteuer der Eheleute für 2000 gehabt hätten. Im Übrigen sei ein „Bilanzzusammenhang“ wegen ... nicht betroffen. Schließlich hätten die Kläger nicht vorgetragen, dass und inwiefern ihnen durch die spätere Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung Nachteile entstanden seien und/oder welche nicht mehr rückgängig zu machenden Maßnahmen sie im Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung des auf der Anpassung beruhenden Steueranspruchs getroffen hätten. Für nähere Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
14Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr ursprüngliches Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie vor, dass die vom Beklagten vorgenommene Änderung der Einkommensteuer für 2000 unzulässig sei. Eine Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung sei bereits unzulässig, weil die Anpassungsverpflichtung „eingeengt“ sei. Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 6.6.1988 – 5 K 525/87) sei der „vorausgegangene Grundlagenbescheid“ als Maßstab für die Änderung des Folgebescheids anzusehen. Da die festgestellten Einkünfte im Grundlagenbescheid vorliegend infolge des Einspruchsverfahrens gemindert worden seien, müsse eine Korrektur des Folgebescheids unterbleiben. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für eine Verwirkung vor. Der tatsächliche Geschehensablauf – insbesondere die bei der KG für die Folgejahre ab 2004 durchgeführten Betriebsprüfungen mit den daraufhin vorgenommenen Anpassungen der entsprechenden Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger – und der lange Zeitraum von mehr als zehn Jahren hätten den für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand gesetzt. Dies ergebe sich auch aus einer zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung des FG Münster vom 8.7.1986 (VI 3392/83, EFG 1987, 51 ff.). Nach Auffassung des FG Münster komme es für die Verwirkung einer Anpassung des Folgebescheids nicht darauf an, ob dem betroffenen Steuerpflichtigen die unterbliebene Auswertung eines Grundlagebescheids bekannt sei. Der Beklagte hätte den ursprünglichen Grundlagenbescheid innerhalb der hierfür geltenden Frist des § 171 Abs. 10 AO auswerten müssen. Sie – die Kläger – hätten vor diesem Hintergrund insgesamt nicht mehr mit einer Korrektur ihrer Einkommensteuerfestsetzung für 2000 rechnen müssen. Insbesondere sei eine grundsätzliche, über die im seinerzeit von der KG geführten Einspruchsverfahren noch streitige Rechtsfrage hinausgehende Auswertung der Feststellungen der Betriebsprüfung nach über zehn Jahren nicht mehr zu erwarten gewesen.
15Die Kläger beantragen,
161. den Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 2.12.2016 und die dazugehörige Einspruchsentscheidung aufzuheben,
172. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
18Der Beklagte beantragt,
191. die Klage abzuweisen,
202. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
21Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht gegeben seien. Die Kläger hätten aufgrund des jedenfalls dem Kläger bekannten Umstandes, dass bei der KG für 2000 eine Betriebsprüfung stattgefunden habe und dass insoweit ein – letztlich auf Antrag der KG ruhend gestelltes – Einspruchsverfahren anhängig gewesen sei, jederzeit mit einer entsprechenden Steuernachforderung rechnen müssen. Die Kläger hätten davon ausgehen müssen, dass der angefochtene Feststellungsbescheid noch nicht im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung umgesetzt worden sei. Das Urteil des FG Münster vom 8.7.1986 (VI 3392/83 E, EFG 1987, 51 ff.) sei nicht einschlägig, da es einen anderen Sachverhalt betreffe. Aufgrund der Kenntnis der Kläger von den Ergebnissen der Betriebsprüfung sowie des hiernach ergangenen Grundlagenbescheids seien strengere Anforderungen an die Voraussetzungen einer Verwirkung zu stellen. Dies ergebe sich z.B. aus der Entscheidung des BFH vom 3.5.1979 – I R 49/78, BStBl. II 1979, 738).
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist unbegründet.
241.
25Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 2.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO lagen vor.
26a)
27Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Mit der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids ist jeder Ansatz von Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid unvereinbar, der dem Inhalt des Grundlagenbescheids widerspricht (vgl. nur BFH-Urteil vom 10.6.1999 – IV R 25/98, BStBl. II 1999, 545). Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für den Folgebescheid beinhaltet, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt verpflichtet ist, die zutreffenden Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründet eine „absolute Anpassungsverpflichtung“ und stellt die Anpassung des Folgebescheids nicht in das Ermessen der Finanzbehörden (vgl. BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749). Die Vorschrift bezweckt die Ermittlung und Festsetzung der zutreffenden Steuer, wobei sie der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids den Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits ergangenen Folgebescheids einräumt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749 und vom 16.7.2003 – X R 37/99, BStBl. II 2003, 867). Diese „absolute Anpassungspflicht“ wird durch eine unterlassene, unrichtige oder unvollständige Auswertung der Grundlagenentscheidung im Folgebescheid nicht beseitigt oder „verbraucht“. Sie geht vielmehr in diesen Fällen in eine Pflicht zur Richtigstellung durch den nachträglichen Erlass eines geänderten Folgebescheids über (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9.9.1988 – III R 253/84, BFH/NV 1989, 138; vom 17.2.1993 – II R 15/91, BFH/NV 1994, 1 und vom 4.9.1996 – XI R 50/96, BStBl. II 1997, 261). Die Berichtigungspflicht bleibt solange bestehen, wie der Grundlagenbescheid in dem Folgebescheid noch nicht zutreffend berücksichtigt worden ist, Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung noch nicht eingetreten ist und der Steueranspruch noch nicht verwirkt ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.1988 – IV R 219/85, BStBl. II 1988, 711). Das Vertrauen des Steuerpflichtigen wird in den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO alleine durch die Institute der Festsetzungsverjährung und – in Ausnahmefällen – der Verwirkung hinreichend geschützt (vgl. vgl. BFH-Urteil vom 10.8.2006 – II R 24/05, BStBl. II 2007, 87).
28b)
29Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, denen sich der Senat anschließt, durfte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Kläger für das Jahr 2000 vom 15.10.2003 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ändern. Die bisherige Berücksichtigung der Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der KG im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 15.10.2003 stand im Widerspruch zu den insoweit im Feststellungsbescheid vom 21.11.2016 über die Einkünfte aus der KG getroffenen Feststellungen.
30aa)
31Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger war der (geänderte) Feststellungsbescheid vom 21.11.2016, der den ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 11.9.2006 ersetzte.
32bb)
33Der Änderung stand nicht entgegen, dass die zutreffende Anpassung an den (ursprünglichen) Feststellungsbescheid vom 11.9.2006 bereits zeitlich früher hätte vorgenommen werden können. Unabhängig davon, dass im Zeitraum zwischen dem letzten geänderten Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 15.10.2003 und dem vorliegend angefochtenen Änderungsbescheid vom 2.12.2016 keine weiteren Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung der Kläger für das Jahr 2000 erfolgten, besteht die Anpassungspflicht des Beklagten zur Herbeiführung eines materiell zutreffenden Ergebnisses auch im Fall einer zuvor versäumten Anpassung des Folgebescheids an einen (bereits) vorliegenden Grundlagenbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.1988 – IV R 219/85, BStBl. II 1988, 711).
34cc)
35Aus dem Umstand, dass die Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung auf einem geänderten Grundlagenbescheid beruht und der vorher ergangene (und letztlich geänderte) Grundlagenbescheid nicht umgesetzt worden war, ergibt sich nicht anderes. Denn die oben unter 1. a) genannten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nur, wenn aus dem zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewerteten Grundlagenbescheid später noch die zutreffenden Folgerungen im Folgebescheid gezogen werden, sondern auch dann, wenn ein zunächst nicht ausgewerteter Grundlagenbescheid später geändert wird und das Finanzamt aus dem Änderungsbescheid die gebotenen Konsequenzen ziehen möchte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749; BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117, jeweils m.w.N.). Die Änderung des Folgebescheids zur Herbeiführung eines materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnisses ist selbst dann geboten, wenn die Anpassung eines Folgebescheids auf einem geänderten Grundlagenbescheid beruht. Da der geänderte Grundlagenbescheid den ursprünglichen Bescheid in sich aufnimmt und insoweit dessen Suspendierung bewirkt (vgl. BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117), richtet sich die Pflicht zur Änderung des Folgebescheids auch in diesen Fällen – unabhängig von früheren Auswertungsversäumnissen oder Anpassungsfehlern – alleine nach dem geänderten Grundlagenbescheid (vgl. zum Ganzen z.B. BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749; BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117).
36dd)
37Dem Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids vom 2.12.2016 stand keine Festsetzungsverjährung entgegen. Nach § 171 Abs. 10 AO endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) bindend ist. Vorliegend wurde der Feststellungsbescheid über die Einkünfte aus der KG als Grundlagenbescheid am 21.11.2016 erlassen. Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2000 erfolgte bereits mit Datum vom 2.12.2016 unmittelbar nach Erlass des Grundlagenbescheids und damit innerhalb der zweijährigen Umsetzungsfrist.
38Der Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung der Kläger als Folge der Änderung des nicht ausgewerteten Grundlagenbescheids vom 11.9.2006 stand im Übrigen auch keine „Teilverjährung“ im Umfang der Bindungswirkung des zunächst nicht ausgewerteten Grundlagenbescheids vom 11.9.2006 entgegen. Denn § 171 Abs. 10 AO bewirkt in seiner Funktion als verjährungsrechtliche Ergänzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer insoweit gehemmt ist, als die Folgesteuer auf einem Grundlagenbescheid beruht oder beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117). Daher führt § 171 Abs. 10 AO nicht dazu, dass eine zunächst abgelaufene Festsetzungsfrist durch den Erlass von Grundlagenbescheiden im Umfang der von diesen ausgehenden Bindungswirkung stets wieder erneut in Lauf gesetzt würde (vgl. BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117). Solange und soweit in offener Feststellungsfrist ein Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindungswirkung dieses Grundlagenbescheids gehemmt und wird diese Bindung durch § 171 Abs. 10 AO auf die Frist von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids ausgedehnt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749; BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117). Ergeht also zulässigerweise ein geänderter Grundlagenbescheid, weil die Feststellungsfrist insgesamt oder jedenfalls punktuell noch offen war, dann ist die Folgesteuer allein nach Maßgabe des gesamten Inhalts des geänderten Grundlagenbescheids unter „Bereinigung“ früherer Anpassung- oder Auswertungsfehler zu ändern (vgl. nur BFH-Beschluss vom 14.7.2008 – VIII B 176/07, BStBl. II 2009, 117).
39ee)
40Die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch nicht ausnahmsweise mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (Verwirkung) ausgeschlossen. Die Verwirkung greift als Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden würde (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.7.1988 – I R 81/84, BFH/NV 1989, 78).
41Voraussetzung einer Verwirkung sind daher ein Zeitmoment in Gestalt einer längeren Untätigkeit des Anspruchsberechtigten und ein Umstandsmoment, mithin ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten. Das Zeitmoment ist regelmäßig von untergeordneter Bedeutung, weil die zeitliche Begrenzung von Ansprüchen primär durch die Verjährung geregelt ist. Abgesehen davon führt Zeitablauf allein ohnehin grundsätzlich nicht zur Verwirkung; hinzukommen müssen in der Regel ein Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge (z.B. BFH-Urteile vom 29.8.2007 – XI R 5/07, BFH/NV 2008, 12 und vom 4.11.1992 – X R 13/91, BFH/NV 1993, 454, m.w.N.). Es reicht zudem grundsätzlich nicht aus, dass der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Er muss vielmehr tatsächlich darauf vertraut und sich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs eingerichtet haben. Dabei ist im Rahmen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu beachten, dass ein Steuerpflichtiger nicht generell darauf vertrauen darf, dass die Finanzbehörde einen Folgebescheid nicht oder unzutreffend auswertet. Der erforderliche subjektive Vertrauenstatbestand ist im Rahmen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit Blick auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur ausnahmsweise erfüllt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.8.2006 – II R 24/05, BStBl. II 2007, 87).
42Die Voraussetzungen für eine Verwirkung sind vor diesem Hintergrund nicht gegeben. Der geänderte Feststellungsbescheid über die Einkünfte aus der KG vom 21.11.2016 hatte den ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 11.9.2006 hinsichtlich der unverändert gebliebenen Feststellungen in sich aufgenommen und insoweit suspendiert (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.6.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749). Der geänderte Feststellungbescheid vom 21.11.2016 wurde vom Beklagten zeitnah im geänderten Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 2.12.2016 umgesetzt. Bereits vor diesem Hintergrund sind keine Anhaltspunkte für eine Verwirkung erkennbar, zumal bei der – vorliegend aufgrund des insoweit geführten Einspruchsverfahrens ohne weiteres zulässigen – Änderung eines Grundlagenbescheids stets mit einer Anpassung des Folgebescheids gerechnet werden muss.
43Im Übrigen konnten die Kläger mit Blick auf das gegen den Feststellungsbescheid vom 11.9.2006 geführte und sogar dem Kläger bekannte Einspruchsverfahren sowie den Umstand, dass der Feststellungsbescheid aufgrund des anhängigen und auf Antrag der KG ruhend gestellten Einspruchsverfahrens noch nicht bestandskräftig geworden war, insgesamt nicht davon ausgehen, dass die festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Rahmen ihrer Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt bleiben würden. Solange das von der KG gegen den Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid geführte Einspruchsverfahren nicht abgeschlossen war, bestand die Möglichkeit der Änderung des Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und damit auch der zutreffenden Auswertung/Umsetzung des Grundlagenbescheides; unabhängig davon, ob der Kläger als Kommanditist von diesem verfahrensmäßigen Ablauf Kenntnis hatte (vgl. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.2.2001 – II 345/99, EFG 2001, 610). Zwar hätte der Beklagte eine Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung aufgrund des angefochtenen und nicht von der Vollziehung ausgesetzten Feststellungsbescheids bereits zu einem früheren Zeitpunkt vornehmen können. Hierzu war er mit Blick auf das von der KG geführte Einspruchsverfahren jedoch nicht verpflichtet, zumal ihm die Regelungen in §§ 171 Abs. 3a; 171 Abs. 10 AO verfahrensmäßig auch zu einem späteren Zeitpunkt eine Änderungsmöglichkeit einräumten und bei einer Änderung des Grundlagenbescheids eine Anpassung des Folgebescheids innerhalb der Umsetzungsfrist (§ 171 Abs. 10 AO) ermöglichten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass diese Vorgehensweise für den Beklagten aufgrund der Möglichkeit einer Einspruchsrücknahme und der damit einhergehenden Konsequenz eines Verjährungseintritts nach § 171 Abs. 10 AO für die Umsetzung des dann alleine maßgeblichen ursprünglichen Grundlagenbescheids vom 11.9.2006 mit einem Risiko behaftet war.
44Durch die zunächst unterbliebene Folgeanpassung hat der Beklagte – auch mit Blick auf eine etwaige „Teilverwirkung“ – keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zumindest dem Kläger angesichts der bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung und der für und gegen alle Feststellungsbeteiligten – mithin auch für und gegen den Kläger – ergangenen geänderten Gewinnfeststellung die Grundlagen für die noch vorzunehmende Besteuerung sogar mitgeteilt worden waren und er daher – insbesondere auch wegen des noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens – damit rechnen musste, dass die Folgeanpassungen bei der Einkommensteuer jedenfalls nach Beendigung des Einspruchsverfahrens und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 171 Abs. 10 AO vorgenommen würden. Der Beklagte hat den Klägern im Übrigen zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er auf eine Folgeanpassung der Einkommensteuerfestsetzung 2000 verzichten würde. Ohnehin können die bei der KG für die Folgejahre 2004 bis 2011 durchgeführten Betriebsprüfungen ein im Rahmen der Verwirkung erforderliches Umstandsmoment nicht begründen (vgl. BFH-Urteil vom 18.7.1984 – III R 36/83, n.v., juris).
45Der vorliegende Sachverhalt ist schließlich nicht mit der der Entscheidung des FG Münster vom 8.7.1986 (VI 3392/83 E, EFG 1987, 51 ff.) zugrunde liegenden Fallgestaltung vergleichbar, in dem das Finanzamt mit der Auswertung eines aufgrund einer Außenprüfung ergangenen Grundlagenbescheides rund zehn Jahre abgewartet hatte, obwohl bereits die Ergebnisse einer späteren Außenprüfung für die Folgejahre verwertet worden waren. Vorliegend wurde der ursprüngliche Feststellungsbescheid aufgrund eines hiergegen geführten und auf Antrag der KG mehrere Jahre ruhend gestellten Einspruchsverfahrens geändert und sodann dieser geänderte Feststellungsbescheid zeitnah ausgewertet. Im Übrigen erging die Entscheidung des FG Münster zu einer abweichenden Rechtslage im Hinblick auf die seinerzeit geltende und im dortigen Verfahren alleine relevante Ablaufhemmung des § 146a RAO. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des FG Münster in seiner Entscheidung vom 8.7.1986 – unabhängig davon, ob sich der Senat ihnen anschließen könnte – nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.
46Zudem hätte die Verwirkung noch zur Voraussetzung, dass sich die Kläger auf die Nichtanpassung der Einkommensteuerfestsetzung 2000 an die Feststellungen im Grundlagenbescheid vom 21.11.2016 tatsächlich eingerichtet hätten und die von ihnen deshalb getroffenen oder unterlassenen Maßnahmen und Vorkehrungen zur Folge gehabt hätten, dass die Entrichtung der nachträglich noch festgesetzten Einkommensteuer für sie wegen der damit verbundenen Nachteile billigerweise nicht zumutbar wäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4.11.1992 – X R 13/91, BFH/NV 1993, 454). Anhaltspunkte hierfür sind jedoch weder vorgetragen noch erkennbar. Alleine der Hinweis auf die Höhe der nachzuzahlenden Steuer und der Zinsen reicht hierfür nicht aus. Insgesamt bestand kein Vertrauenstatbestand, der hinsichtlich einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Verwirkung rechtfertigen könnte.
472.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
493.
50Die Revision wird nicht zugelassen. Insbesondere liegt mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte keine Abweichung zur Entscheidung des FG Münster vom 8.7.1986 (VI 3392/83 E, EFG 1987, 51 ff.) vor.