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Unter Abänderung der Versicherungsteueranmeldung der Beigeladenen für den Anmeldungszeitraum April 2019 vom 22. November 2019 wird die Versiche-rungsteuer um einen Betrag von ... EUR herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf ...EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Versicherungsteuerpflicht von sog. Verkaufsaufschlägen. Konkret geht es darum, ob die von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsaufschläge im Zusammenhang mit der Verschaffung von Versicherungsschutz zugunsten ihrer Kunden auf Basis der mit der Beigeladenen abgeschlossenen Gruppenversicherungsverträge als Versicherungsentgelte im Sinne von § 3 Abs. 1 VersStG der Versicherungsteuer unterliegen.
3Die Klägerin ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen und bietet u.a. Leasing-, Mietkauf bzw. Factoring-Produkte an.
4Die Klägerin schloss als Versicherungsnehmerin mit der Beigeladenen zum 1. Januar 2019 vier Gruppenversicherungsverträge (Rahmenverträge), und zwar betreffend eine Elektronikversicherung (vgl. Bl. 65 ff. der Gerichtsakte -GA-), eine Firmensachversicherung (Sammelvertrag für die Sachversicherung von verleaster, vermieteter oder finanzierter Betriebseinrichtung und Geschäftsausstattung, vgl. Bl. 87 ff. der GA), eine Maschinenversicherung für fahrbare oder transportable Geräte (vgl. Bl. 129 ff. der GA) sowie eine Maschinenversicherung für stationäre Geräte (vgl. Bl. 150 ff. der GA). Im Hinblick auf diese Gruppenversicherungsverträge beauftragte die Klägerin die Z GmbH als Versicherungsmakler (vgl. hierzu Versicherungsmaklervertrag und Honorarvertrag jeweils vom 26. Januar 2018, Bl. 194 ff. der GA). Vor Abschluss der Gruppenversicherungsverträge mit der Beigeladenen (ab dem 1. Januar 2019) bestand ein Maklervertrag, auf Grund dessen der damalige Versicherer (Y) dem Makler eine marktübliche Provision für jedes durch den Gruppenversicherungsvertrag sukzessive übernommene Risiko schuldete. Im Rahmen der zum 1. Januar 2019 abgeschlossenen Gruppenversicherungsverträge wurden mit der Beigeladenen, die seither die Versicherung der Risiken übernommen hat, sog. Nettotarife vereinbart. Der Makler, die Z GmbH, erhält seine Provisionen seither nicht vom Versicherer, sondern von der Klägerin. Das gezahlte Maklerhonorar wurde während des gesamten Jahres 2019 stückzahlabhängig berechnet, also für jedes durch den Gruppenversicherungsvertrag sukzessive übernommene Risiko (vgl. Beispielabrechnung Bl. 211 der GA). Bei diesem von der Klägerin geschuldeten Honorar handelt es sich um eine auch der Höhe nach marktübliche Maklercourtage.
5Der auf Basis der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Gruppenversicherungsverträge bestehende Versicherungsschutz wurde seitens der Klägerinderen Kunden/Leasingnehmern verschafft, soweit die Kunden im Rahmen von Leasing-, Miet- und Mietkaufverträgen einen entsprechenden Versicherungsschutz gewählt hatten (vgl. Muster-Leasingverträge Bl. 170 ff. der GA). Die Absprache mit den Kunden der Klägerin erfolgte in der Regel dergestalt, dass seitens der Vertriebsmitarbeiter der Klägerin auf die Möglichkeit der Verschaffung von Versicherungsschutz für das Leasingobjekt hingewiesen wurde. Entschied sich der Leasingnehmer für den Versicherungsschutz über die Klägerin, wurde dies sowie das entsprechende Entgelt hierfür im Vertrag – neben dem Miet- bzw. Leasingentgelt – festgehalten (vgl. beispielhaft die von der Klägerin verwendeten Vertragsformulare, Bl. 170, 172, 174, 177 der GA). Die Beratung über den Versicherungsschutz erfolgte mündlich. Die Details des verschafften Versicherungsschutzes waren in einem dem Leasingnehmer ausgehändigten Merkblatt, auf das auch in den dem Kunden erteilten Rechnungen hingewiesen wurde, aufgeführt (vgl. beispielhaft Merkblatt Bl. 186 der GA). Die Versicherungsbedingungen wurden dem Leasingnehmer nicht ausgehändigt. Die Schadenmeldung und -abwicklung erfolgten ausschließlich zwischen den Kunden der Klägerin sowie der hierfür von der Klägerin beauftragten Z GmbH, deren Kontaktdaten in den Versicherungsmerkblättern aufgeführt waren. Nach der Sachverhaltsschilderung der Klägerin erbrachte die Z GmbH daneben allgemeine Beratungsleistungen gegenüber der Klägerin. Nur in Ausnahmefällen bei entsprechendem Bedarf wurde die Beratung der Kunden der Klägerin bei der Vereinbarung des Versicherungsschutzes im Rahmen des Abschlusses von Leasing-, Miet- und Mietkaufverträgen durch die Z GmbH unterstützt. Die Tätigkeit der Z GmbH für die Klägerin wurde auf Provisionsbasis pauschal abgerechnet (vgl. Versicherungsmaklervertrag und Honorarvertrag, Bl. 194 ff. der GA).
6Die Klägerin rechnete ihre gesamte Leistung gegenüber ihren Kunden/Leasingnehmern zzgl. Umsatzsteuer ab. In den hierfür von der Klägerin erstellten Kundenabrechnungen wurde neben dem Entgelt für Kauf/Leasing/Miete auch das Entgelt für den Versicherungsschutz unter Ausweis des darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrags ausgewiesen (vgl. Beispielrechnungen Bl. 179 ff. der GA). Die konkrete Höhe der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbarten Versicherungsprämien für die einzelnen verleasten/vermieteten Produkte ergab sich aus sog. Produktgruppencode-Listen mit Angaben zu den Prämiensätzen für einzelne versicherte Gegenstände sowie den Beträgen für die Selbstbeteiligungen als Anlage zu den Gruppenversicherungsverträgen (vgl. Anhang zum Protokoll vom 27. September 2023). Daneben erhob die Klägerin für die Verschaffung des Versicherungsschutzes einen sog. Verkaufsaufschlag, d.h. die Klägerin stellte ihren Kunden/Leasingnehmern ein höheres Entgelt in Rechnung, als die Klägerin selbst als Versicherungsnehmerin der Beigeladenen an Prämie für die Gewährung dieses Versicherungsschutzes schuldete. Dabei wurde gegenüber dem Kunden keine Aufschlüsselung des abgerechneten Entgelts für die Verschaffung des Versicherungsschutzes nach dem Anteil des Entgeltes, das der Höhe nach der von der Klägerin insoweit der Beigeladenen geschuldeten Versicherungsprämie entspricht, und dem Anteil des Entgeltes, das darüber hinausgeht, vorgenommen.
7Im Fall der Beendigung eines Vertrages zwischen der Klägerin und ihrem Kunden endete automatisch auch die Verschaffung des Versicherungsschutzes und damit auch die insoweit bestehende Zahlungsverpflichtung des Kunden. In einem solchen Fall wurde die auf diesen Vertrag entfallende Prämie in der monatlichen Meldung an die Beigeladene nicht mehr mit aufgeführt.
8Zwischen der Beigeladenen und der Klägerin wurde keine Provision zugunsten der Klägerin vereinbart. Es wurden auch keine Absprachen über die Höhe der Verkaufsaufschläge, die von der Klägerin für die Verschaffung des Versicherungsschutzes erhoben wurden, getroffen.
9Die Klägerin meldete der Beigeladenen auf Basis der Gruppenversicherungsverträge/Rahmenverträge monatlich die versicherten Anlagen und Geräte. Ausgehend von den nach dem Gruppenversicherungsvertrag bzw. den dazugehörigen Produktgruppencode-Listen sich ergebenden Versicherungsprämien meldete die Beigeladene die hierfür anfallende Versicherungsteuer an. Die von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsaufschläge für die Verschaffung wurden der Beigeladenen im Jahre 2019 zunächst nicht mitgeteilt, da im Hinblick auf die Frage der steuerrechtlichen Behandlung der Verkaufsaufschläge bei der Klägerin noch interne Ermittlungen durchgeführt wurden. Im September 2019 teilte die Klägerin sodann der Beigeladenen die seit Anfang 2019 erhaltenen Verkaufsaufschläge mit. Die Beigeladene erstellte daraufhin geänderte Prämienrechnungen mit separatem Ausweis der Verkaufsaufschläge (vgl. Bl. 190 bis 193 der GA).
10Die Differenz zwischen den von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen geschuldeten Versicherungsprämien und den von den Leasingnehmern gegenüber der Klägerin geschuldeten Entgelten für die Verschaffung des Versicherungsschutzes, die der Höhe der vereinnahmten Verkaufsaufschläge entspricht, betrug im ersten Quartal 2019 insgesamt ... EUR (vgl. Prämienrechnungen, Bl. 190 bis 193 der GA).
11Vor diesem Hintergrund – und um den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 29. November 2017 gerecht zu werden – meldete die Beigeladene mit geänderter Steueranmeldung vom 22. November 2019 für den Anmeldungszeitraum April 2019 – ausgehend von den vereinnahmten Verkaufsaufschlägen als Bemessungsgrundlage – Versicherungsteuer in Höhe von insgesamt ... EUR nach. Dieser Betrag bezog sich nicht nur auf die Klägerin als Versicherungsnehmerin, sondern auch auf weitere Versicherungsnehmer der Beigeladenen, die zur Unternehmensgruppe der Klägerin gehören. Auf die Klägerin entfällt von dem nachgemeldeten Betrag ein Anteil in Höhe von ... EUR (entspricht 19 Prozent von ... EUR).
12Gegen die mit dieser Steueranmeldung erfolgte Steuerfestsetzung wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 20. Dezember 2019 im Wesentlichen mit der Begründung, die von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsausschläge unterlägen nicht der Versicherungsteuer, da sie kein Versicherungsentgelt darstellten. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des BFH vom 7. Dezember 2016 (II R 1/15). Diesem Urteil habe ein besonderer Sachverhalt dergestalt zugrunde gelegen, dass zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer eine Abrede über die Höhe des von der versicherten Person zu zahlenden Entgelts für die Verschaffung des Versicherungsschutzes, des sog. Verkaufsaufschlags, getroffen worden sei. Für diesen konkreten Fall habe der BFH angenommen, dass der Versicherungsnehmer die Versicherung an Stelle und im Interesse des Versicherers vermarkte und er dafür aufgrund einer konkludenten Vereinbarung eine Vergütung für die erbrachte Vertriebsdienstleistung erwarten dürfe. Insoweit habe der Versicherungsnehmer die Prämienzahlungsschuld gegenüber dem Versicherer in zwei Zahlungsakten getilgt, d.h. zum einen mit der Zahlung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsprämie (Netto-Prämie) und zum anderen durch Aufrechnung mit dem ihm, dem Versicherungsnehmer, aufgrund der konkludenten Vereinbarung gegenüber dem Versicherer zustehenden Anspruch auf Vergütung für an den Versicherer erbrachte, üblicherweise vom Versicherer zu vergütende Vertriebsleistungen. Das vom BFH unterstellte Konstrukt einer konkludenten Vereinbarung setze voraus, dass tatsächlich ein Versicherungsentgelt in Höhe des (Brutto‑)Verkaufspreises, d.h. der sog. Abrechnungsbeträge sowie eines Verkaufsaufschlags als Vergütung für eine Vermarktungsdienstleistung, vereinbart und zudem dessen Zahlung durch den Versicherungsnehmer erfolgt sei. Vorliegend existiere eine derartige (konkludente) Vergütungsvereinbarung hingegen nicht. Insoweit interpretiere die Finanzverwaltung die Entscheidung des BFH unzutreffend. Darüber hinaus seien auch nach der Argumentation des BFH Verkaufsaufschläge, die der Versicherungsteuer unterliegen könnten, nur denkbar, wenn der Versicherungsnehmer die Funktion eines Versicherungsvermittlers wahrnehme. Soweit jedoch nachweislich ein Makler für die Vermittlung des Versicherungsschutzes tätig werde, übe allein dieser die Tätigkeit aus und es bleibe kein Raum für die Annahme, dass zusätzlich zum Makler auch der Versicherungsnehmer als Versicherungsmakler auftrete und ihm hierfür ein Vergütungsanspruch zustehe.
13Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 27. September 2021 als unbegründet zurück und führte zur Begründung hierzu im Wesentlichen aus, eine unmittelbare Beteiligung des Versicherers an der Preisgestaltung für die Verschaffung des Versicherungsschutzes sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe nach den Regelungen der §§ 354 HGB und 612 BGB auch ohne ausdrückliche Provisionsabrede eine Vergütung vom Versicherer erwarten dürfen, denn derjenige, der in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorge oder Dienste leiste, könne dafür auch ohne Verabredung eine Provision verlangen bzw. gelte eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Zudem könne auch von einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung ausgegangen werden, da es völlig fernliegend sei, dass der Versicherer davon ausginge, dass die Klägerin den Versicherungsschutz kostenlos vermarkte. Die Vermarktung erfolge auch im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin, da sie ein Provisionsinteresse habe.
14Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Änderung der streitgegenständlichen Versicherungsteuerfestsetzung weiter und trägt zur Begründung in Ergänzung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren im Wesentlichen vor: Die von der Klägerin vereinnahmten sog. Verkaufsaufschläge stellten keine zusätzliche Bemessungsgrundlage für die Versicherungsteuer dar, da die in den Prämienrechnungen der Beigeladenen ausgewiesenen Verkaufsausschläge kein an die Beigeladene gezahltes Versicherungsentgelt darstellten. Die Verkaufsaufschläge seien lediglich als Bemessungsgrundlage für die Versicherungsteuer in den geänderten Prämienrechnungen (vgl. Bl. 190 bis 193 der GA) aufgenommen.
15Unabhängig davon, ob das Urteil des BFH vom 7. Dezember 2016 (II R 1/15) einer kritischen Betrachtung standhalte, sei es jedenfalls im vorliegenden Fall aufgrund maßgeblicher Divergenzen im Sachverhalt nicht anwendbar. Ausgangspunkt der Argumentation des BFH sei die Feststellung, dass eine konkludente Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über den Verkaufspreis des Versicherungsprodukts existiert habe. Insoweit stelle der BFH in dem von ihm entschiedenen Fall ausdrücklich darauf ab, dass Versicherer und Versicherungsnehmer den Einkaufspreis für die Versicherung sowie die an den Versicherer abzuführende Netto-Prämie miteinander abgestimmt hätten, so dass die Differenz, d.h. der dem Versicherungsnehmer zustehende Verkaufsaufschlag, festgestanden habe. Eine solche (konkludente) Vergütungsvereinbarung existiere im Streitfall jedoch allein schon deshalb nicht, weil die Beigeladene als Versicherer bis zur Mitteilung der Höhe der im Rahmen der Verschaffung des Versicherungsschutzes durch die Klägerin vereinnahmten Entgelte im Laufe des Jahres 2019 keine Kenntnis von diesem Sachverhalt gehabt habe.
16Der Argumentation des Beklagten sei entgegenzuhalten, dass es im Wirtschaftsleben üblich sei, dass sich bei aufeinanderfolgenden Leistungen (Leistungsketten) ein Delta hinsichtlich der jeweils vereinbarten Gegenleistung ergebe. Allein daraus erwachse weder ein Anspruch des ersten Leistungserbringers gegen seinen Abnehmer in Höhe des von diesem gegenüber seinem Abnehmer geforderten Entgelts noch ein Anspruch des Abnehmers auf eine Vertriebsvergütung. Es sei üblich, dass ein Marktteilnehmer in einer Leistungskette seinen Gewinn über einen Verkaufsaufschlag (sog. Marge) erziele, ohne diesen Aufschlag seinem Kunden gegenüber offen auszuweisen oder gar eine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe dieses Aufschlages mit seinem Kunden getroffen zu haben.
17Eine Vergütungsabrede für die Vermarktung der Versicherungsleistung könne auch nicht unter Berücksichtigung von § 354 HGB oder § 612 BGB angenommen werden. Diese beiden Regelungen setzten ein Dienstleistungsverhältnis als Tatbestandsmerkmal voraus. Ein solches unterstelle der Beklagte lediglich. Tatsächlich habe die Klägerin keine Vermarktungs- bzw. Vermittlungsdienstleistung erbracht. Vielmehr biete die Klägerin ihrem Kundenkreis im eigenen Interesse die Verschaffung des Versicherungsschutzes an, sie vermarkte die Versicherung daher im eigenen Interesse, da sie damit Erträge im Hinblick auf die erzielten Entgelte für die Verschaffung von Versicherungsschutz erwirtschafte. Das Vermarktungsinteresse beziehe sich nicht auf eine Vergütung durch die Beigeladene. Naturgemäß profitiere auch sie als Versicherer davon, wenn die Klägerin möglichst viele versicherte Personen gewinnt. Dies sei vergleichbar mit einem Händler, der Produkte bei einem Hersteller erwerbe und mit einer Marge weiterveräußere. Selbstverständlich profitiere dann auch der Hersteller davon, dass der Händler möglichst viele dieser Produkte vertreibe und diese bei ihm einkaufe. Der Händler agiere aber trotzdem nicht im Interesse des Herstellers, sondern im eigenen Interesse. Folge man dem BFH, so müsse argumentiert werden können, dass – eine Absprache über den Verkaufspreis zwischen Händler und Hersteller vorausgesetzt – der Händler dem Hersteller die Marge als zusätzlichen Preis für den Kauf der Produkte schulde, im Gegenzug aber einen Anspruch auf die Vergütung einer Vermarktungsdienstleistung habe. In diesem Fall hätte man quasi „aus dem Nichts“ zwei neue Dienstleistungen mit einem Wert in Höhe der Marge erschaffen, die beide der Umsatzsteuer unterliegen würden. Da in diesem Fall die Umsatzsteuer vermutlich auf beiden Seiten als Vorsteuer abziehbar wäre, wäre eine solche rechtliche Einordnung aber fiskalisch – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – zumindest im Ergebnis irrelevant.
18Eine solche Parallele könne man auch für den Bereich der Dienstleistungen ziehen. Bringe ein Kunde einen beschädigten Gegenstand zu einem Reparaturservice, der den Gegenstand wiederum an einen anderen Unternehmer zu Reparatur weiterleite und darüber auf Grund eines mit dem die Reparatur ausführenden Unternehmer im Voraus vereinbarten höheren Endpreises Erträge erwirtschafte, ließe sich argumentieren, dass dieser Reparaturservice seine Leistung im Interesse des anderen Unternehmers erbringe und dafür eine Provision erhalte. Diese Annahme könne aber wohl nur im Einzelfall bei Vorliegen bestimmter Sachverhaltsvoraussetzungen getroffen werden.
19Darüber hinaus müsse beachtet werden, dass in dem vom BFH entschiedenen Fall das Ergebnis augenscheinlich dadurch geprägt sei, dass der Versicherungsnehmer zuvor den identischen Versicherungsschutz gegen Vermittlungsprovision an den Versicherer vermittelt habe und sodann im Rahmen der Umstellung auf einen Gruppenversicherungsvertrag die Höhe des Verkaufspreises mit dem Versicherer vereinbart worden sei. Vorliegend habe die Klägerin jedoch mit der Beigeladenen vor Abschluss der Gruppenversicherungsverträge ab 1. Januar 2019 keine Vermittlungsvereinbarung geschlossen. Auch sonst liege keine Vereinbarung über die Höhe des Entgelts für die Verschaffung des Versicherungsschutzes vor. Insoweit mangele es bereits – anders als in der dem BFH vorgelegenen Fallkonstellation – an einer Forderung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen, mit der die Beigeladene eine eigene Forderung auf eine zusätzliche, nicht ausdrücklich vereinbarte Versicherungsprämie aufgerechnet haben könnte.
20Unabhängig davon habe der Beklagte nicht dargelegt, weshalb ein (konkludent) vereinbartes Dienstleistungsentgelt, das die Klägerin habe beanspruchen können, ausgerechnet in der Höhe der von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsaufschläge bestanden haben soll. Diese Verkaufsaufschläge überschritten bei weitem eine marktübliche Provision für vergleichbare Vermarktungstätigkeit. Es sei abwegig, dass ein Versicherer, noch dazu konkludent, ein solch hohes Dienstleistungsentgelt für einen für ihn tätigen „Versicherungsvermarkter“ vereinbare.
21Der Beklagte gehe des Weiteren über die vom BFH entschiedene Konstellation hinaus. Der BFH habe lediglich im Falle einer konkludenten Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer angenommen, dass dann das gesamte, dem Kunden als versicherte Person in Rechnung gestellte Entgelt das versicherungsteuerrechtlich relevante Versicherungsentgelt darstellen „kann“. Demgegenüber gehe der Beklagte nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 29. November 2017 (unter I Nr. 2) davon aus, dass bei Berechnung eines Verkaufsaufschlags auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Provisionsvereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer von einer stillschweigenden Vereinbarung einer Vermarktungsvergütung „auszugehen ist“. Das BMF gehe infolgedessen im Falle der Vereinbarung von Verkaufsaufschlägen durch den Versicherungsnehmer für nach dem 31. März 2018 gezahlte Versicherungsentgelte generell und ohne weitere Prüfung von einer derartigen stillschweigenden Vereinbarung aus, obgleich dies nicht von den Ausführungen des BFH getragen werde.
22Die Klägerin verweist ergänzend auf den Katalog „Fragen und Antworten zum BMF-Schreiben vom 29. November 2017“, Tz. 9b(vgl. 212, 214 der GA). Danach gelte, dass das BMF-Schreiben auf den Gruppenversicherungsvertrag keine Anwendung finde, wenn der Versicherer dem Makler eine marktübliche Provision für jedes durch den Gruppenversicherungsvertrag sukzessive übernommene Risiko schulde, da dann von einer durch Provisionen vergüteten Vermarktungsleistung des Maklers auszugehen sei. Auch hiernach scheide die Annahme einer Vermarktungsleistung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen aus, da die Klägerin einen Makler, die Z GmbH, beauftragt habe und an diese eine marktübliche Provision für jedes durch den Gruppenversicherungsvertrag sukzessive übernommene Risiko zahle. Die Klägerin habe sich gerade dafür entschieden, ihren Makler nicht im Rahmen eines sog. Bruttotarifs der Beigeladenen als Versicherer vergüten zu lassen, sondern ihn selbst zu vergüten und mit der Beigeladenen einen sog. Nettotarif zu vereinbaren, in den keine Maklercourtage eingepreist sei. Beide Vorgehensweisen seien marktüblich und würden dazu führen, dass der Makler allein im Auftrag des Versicherungsnehmers tätig werde und inhaltlich dieselben Tätigkeiten ausübe. Einziger Unterschied sei, dass zum einen der Versicherer, zum anderen der Versicherungsnehmer dem Makler das Entgelt für die Vermittlungsleistung schulde.
23Soweit der Beklagte auf „Vertriebsdienstleistungen“ der Klägerin verweise, suggeriere dies, dass tatsächlich klar sei, dass die Klägerin die Verschaffung des Versicherungsschutzes für den Versicherer vornehme und damit wie ein Versicherungsvermittler agiere. Eine derartige Annahme verkenne jedoch die Unterschiede zwischen „Versicherungsvermittlung“ und „Verschaffung von Versicherungsschutz“. Auch der EuGH formuliere in diesem Zusammenhang in einem Fall der Verschaffung von Versicherungsschutz an Leasingnehmer deutlich, dass „der Leasinggeber auf Ersuchen seiner Kunden bei einem Dritten eine Versicherung abschließt“ (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Januar 2013, C-224/11 „BGZ Leasing“). Vorliegend sei der Gruppenversicherungsvertrag zwar bereits vor dem „Ersuchen der Kunden“ der Klägerin abgeschlossen worden. Jedoch sei die Meldung des konkreten versicherten Risikos zum Gruppenversicherungsvertrag erst erfolgt, nachdem der Kunde diesen Versicherungsschutz bei Abschluss des Leasingvertrages gewählt habe. Daran ändere auch der zum 1. Januar 2019 vorgenommene Wechsel des Versicherers von einem sog. Bruttotarif zu einem sog. Nettotarif, wonach der Makler seither nicht mehr vom Versicherer, sondern von seinem Auftraggeber, der Klägerin, vergütet werde, nichts. Wenn der Beklagte von einer von der Klägerin übernommenen Vermarktungsleistung ausgehe, verkenne er, dass der Makler vor und nach dem Stichtag 1. Januar 2019 dieselbe Dienstleistung ausgeübt und lediglich die Vergütung für diese Dienstleistung vertragsgemäß von unterschiedlichen Rechtsträgern bezogen habe. Auftraggeber und Dienstleistungsempfänger sei stets die Klägerin gewesen. Die Klägerin habe keine Dienstleistung zum 1. Januar 2019 „übernommen“. Ein Makler bzw. Vermittler habe die Aufgabe, Versicherer und potentielle Versicherungsnehmer zusammenzuführen. Die Klägerin hingegen sei als Versicherungsnehmer selbst Partei des Versicherungsvertrages und könne naturgemäß nicht an sich selbst vermitteln.
24Ergänzend verweist die Klägerin auf das EuGH-Urteil vom 29. September 2022 (C‑633/20), wonach die Gruppenspitze eines echten Gruppenversicherungsvertrags Versicherungsvermittler sein könne. Der Fall betreffe einen Gruppenversicherungsfall, der auf Vermarktung durch den Versicherungsnehmer angelegt sei und in dem der Versicherungsnehmer von den versicherten Personen sog. verdeckte Verkaufsaufschläge erhoben habe. Hierbei gehe auch der EuGH davon aus, dass der Versicherungsnehmer Vermittlungsleistungen an die versicherten Personen erbringe und dafür Vergütungen erhalte, nicht jedoch Vermittlungsleistungen an den Versicherer. Die Vergütungen seien „nicht vom Versicherer in Form z.B. einer Provision“ geleistet, sondern von den versicherten Personen „als Gegenleistung für die ihnen [vom Versicherungsnehmer] abgetretenen Ansprüche auf Versicherungsleistung“ an den Versicherungsnehmer (vgl. EuGH-Urteil, Rn. 42). Diese Rechtsprechung betreffe zwar keine steuerliche Rechtsfrage, sei aber dennoch maßgeblich für den Streitfall, da die Begründung des Beklagten auf einer zivilrechtlich wirksam geschlossenen Vermittlungsvereinbarung zwischen Versicherer und Klägerin beruhe.
25Die Ansicht des Beklagten überzeuge auch aus einem weiteren Grund nicht. Die Klägerin habe ihren Kunden für die Verschaffung des Versicherungsschutzes Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und abgeführt, da bei der Erhebung von Verkaufsaufschlägen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung dieser Leistung gem. § 4 Nr. 10 b) UStG nach der Rechtsprechung des EuGH nicht vorlägen (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 17. Januar 2013, C-224/11 „BGZ Leasing“). Der EuGH erkenne eine steuerfreie Leistung nur dann, wenn der versicherten Person „die genauen Kosten der Versicherung“ in Rechnung gestellt würden. Die Frage nach den „genauen Kosten der Versicherung“ könne sich jedoch nicht stellen, wenn der EuGH – wie der Beklagte hier – bei Verkaufsaufschlägen im Ergebnis stets ein erhöhtes gezahltes Versicherungsentgelt sähe. Denn dann entsprächen die Kosten für die Verschaffung des Versicherungsschutzes der Höhe nach in jedem Fall dem (angeblich) tatsächlich gezahlten Versicherungsentgelt. In der weiteren Folge wäre die Verschaffung des Versicherungsschutzes stets steuerfrei, die vom EuGH aufgeführte Ausnahme käme nie zum Zuge.
26Im Übrigen sei eine Belastung von zusätzlichem Versicherungsentgelt in Höhe der Verkaufsaufschläge mit Versicherungsteuer und zusätzlich eine Besteuerung des gesamten Entgelts für die Verschaffung des Versicherungsschutzes mit Umsatzsteuer ausgeschlossen.
27Hilfsweise verweist die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Köln vom 16. Februar 2022 (2 K 588/19) darauf, dass Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Versicherungsteuer nicht die vereinnahmten Verkaufsaufschläge seien, sondern es sich hierbei um den Bruttobetrag handele, aus dem die Versicherungsteuer herauszurechnen sei. Bei Unterstellung einer entsprechenden Dienstleistungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sei davon auszugehen, dass mit der unterstellten Aufrechnung die wechselseitigen Forderungen ausgeglichen werden sollten und keine Forderung der Beigeladenen in Höhe der darauf entfallenden Versicherungsteuer verbleiben sollte. Die Vertragsparteien seien davon ausgegangen, dass allein die Zahlung des schriftlich als Versicherungsentgelt vereinbarten Betrags Versicherungsteuer auslöse und darüber hinaus kein Versicherungsentgelt gezahlt werde. Im Übrigen läge auch bei Unterstellung einer solchen Aufrechnung lediglich in Höhe der Verkaufsaufschläge eine Zahlung im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG vor, aus der generell die Versicherungsteuer herauszurechnen sei. Sollte das Vorliegen einer (weiteren, über die vertraglich zwischen Klägerin und Beigeladener vereinbarte Prämienhöhe hinausgehende) Prämienzahlung in Höhe von ... EUR angenommen werden, handele es sich dabei jedenfalls um einen Bruttobetrag, aus dem die Versicherungsteuer mit 19/119 herauszurechnen sei, so dass sich ein Versicherungsteuerbetrag in Höhe von ... EUR, also ein um ... EUR niedrigerer Betrag als angemeldet und entrichtet, ergäbe.
28Die Klägerin beantragt,
29unter Änderung der mit der Steueranmeldung der X AG vom 22. November 2019 erfolgten Steuerfestsetzung die Versicherungsteuer für den Anmeldungszeitraum April 2019 um einen Betrag von ... EUR niedriger festzusetzen,
30hilfsweise, unter Änderung der mit der Steueranmeldung der X AG vom 22. November 2019 erfolgten Steuerfestsetzung die Versicherungsteuer für den Anmeldungszeitraum April 2019 um einen Betrag von ... EUR niedriger festzusetzen,
31hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Die von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsaufschläge sieht der Beklagte weiterhin als steuerbares und steuerpflichtiges Versicherungsentgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 VersStG an. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Verkaufsaufschläge seien Teil der einheitlichen Gegenleistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses von der versicherten Person gezahlt und an den Versicherer bewirkt werde. Nach dem Urteil des BFH vom 7. Dezember 2016 (II R 1/15) könne das Versicherungsentgelt für das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer dem gesamten, dem Kunden in Rechnung gestellten Verkaufspreis entsprechen, wenn eine Versicherung darauf angelegt sei, dass nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer die Versicherung vermarkte und der Versicherungsschutz den vom Versicherungsnehmer gewonnenen Kunden als versicherte Personen zugutekomme. Dies gelte auch dann, wenn der Versicherer vom Versicherungsnehmer nur einen Teil des Verkaufspreises, die sog. Abrechnungsprämie (Netto-Prämie), erhalte und der Versicherer dem Versicherungsnehmer den restlichen Verkaufspreis, den sog. Verkaufsaufschlag, überlasse. In diesen Fällen beinhalteten die vertraglichen Regelungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer die konkludente Vereinbarung, dass der Versicherungsnehmer die Vergütung für die Vermarktung der Versicherung vom Versicherer beanspruchen könne, wobei er diese vom Verkaufspreis einbehalten dürfe.
35Auch vorliegend sei eine derartige Fallkonstellation gegeben. Der Sachverhalt decke sich in allen wesentlichen Punkten mit dem vom BFH entschiedenen. Die Klägerin habe als Versicherungsnehmerin den versicherten Personen den Versicherungsschutz verschafft und dabei die originäre Vermarktungstätigkeit hinsichtlich der Versicherungsprodukte übernommen, indem sie ihren Kunden im Rahmen ihrer Gespräche über das jeweilige Miet- bzw. Leasingverhältnis die Möglichkeit zum Abschluss einer Versicherung unterbreitete. Die von der Klägerin beauftragte Z GmbH sei hinsichtlich der Vertragsabschlüsse nur bei Bedarf im Auftrag der Klägerin beratend tätig geworden und habe im Anschluss ebenfalls in ihrem, der Klägerin, Auftrag die Verwaltung und Abwicklung der jeweiligen Versicherungsverhältnisse übernommen. Zudem hätten die versicherten Personen, wie in dem vom BFH entschiedenen Fall, einen festen, nicht nach Prämien und Provision aufgeschlüsselten Verkaufspreis zu zahlen, während die Klägerin nur die festgelegte Netto-Prämie an den Versicherer zu entrichten hatte und der restliche Teil des Verkaufspreises bei ihr verblieben sei.
36Zwischen dem Versicherer und der Klägerin sei zwar keine ausdrückliche Provisionsabrede, jedoch eine konkludente Vereinbarung zur Vermarktung der Gruppenversicherung getroffen worden. Denn die Klägerin habe für den Versicherer Dienstleistungen übernommen und ausgeführt, für die sie eine Vergütung erwarten dürfe. Es sei völlig fernliegend, wenn der Versicherer davon ausginge, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz des Versicherers kostenlos vermarkte. Die Vermarktung erfolge naturgemäß auch im wirtschaftlichen Interesse (Provisionsinteresse) des Versicherungsnehmers. Die Klägerin habe agenturtypische Verpflichtungen für den Vertrieb der Versicherungsprodukte übernommenen, etwa dergestalt, dass sie die Produkte gegenüber ihren Kunden vorgestellt und angepriesen sowie die weitere Abwicklung durch die von ihr beauftragte Z GmbH übernommen habe. Derartige Vertriebsleistungen würden typischerweise gegen ein Entgelt getätigt. Dies bestätige auch der Umstand, dass die von der Klägerin übernommene Vermarktungsleistung zuvor durch einen externen Makler ausgeübt worden sei, der in gleichem Maße vergütet worden sei. Ein gesonderter Vergütungsanspruch der Klägerin folge aus §§ 354 HGB und 612 BGB.
37Soweit die Klägerin einen Vergleich mit der Weitervermarktung eines Produktes durch einen Händler ziehe, verkenne die Klägerin die Besonderheiten des hier vorliegenden Sachverhalts. Im Gegensatz zum Weiterverkauf eines erworbenen Gegenstandes, bei dem der Händler selbst Eigentümer geworden sei und frei über den Gegenstand verfügen könne, liege hier eine Versicherung für fremde Rechnung vor. Hierbei leiste nur der Versicherer gegenüber den versicherten Personen den Versicherungsschutz. Unmittelbare Rechtsbeziehungen bestünden im vorliegenden Fall – im Gegensatz zu der Weitervermarktung eines Gegenstandes – zwischen allen drei Beteiligten.
38Für die versicherungsteuerliche Beurteilung des vorliegenden Falles sei maßgeblich, dass es sich um Verträge zugunsten der versicherten Personen als Dritte i.S.v. §§ 74 ff. VVG a.F. handele, sodass die versicherte Person in das ursprünglich bilaterale Vertragsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer einbezogen werden müsse. Es bestünden Rechtsbeziehungen zwischen allen drei Beteiligten. Bei dieser besonderen vertraglichen Konstellation sei es erforderlich, die versicherte Person in die Gesamtbetrachtung aufzunehmen und von ihrem Standpunkt aus über das Versicherungsentgelt zu entscheiden. Hinsichtlich der an den Versicherer zu leistenden Prämie sei damit entscheidend auf die Perspektive der versicherten Personen abzustellen. Werde der Verkaufspreis diesen gegenüber nicht aufgeschlüsselt, leiste sie ein einheitliches Entgelt zur Begründung des Versicherungsschutzes.
39Der Annahme einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung hinsichtlich des Verkaufspreises zwischen der Klägerin und dem Versicherer stehe nicht entgegen, dass der Versicherer und die Klägerin die Endpreise für die Kunden der Klägerin nicht gemeinsam festgelegt hätten. Der vom BFH angeführte Aspekt der Beteiligung des Versicherers an der Festlegung des nicht aufgeschlüsselten Verkaufspreises sei nicht ausschlaggebend für die Argumentation des BFH. Zudem sei auch vorliegend der Versicherer dadurch an der Preisgestaltung beteiligt, dass er der Klägerin bei der Preisgestaltung keine Einschränkungen vorschreibe.
40Der Verweis der Klägerin auf die FAQ zum BMF-Schreiben vom 29. November 2017 überzeuge nicht, da im BMF-Schreiben klargestellt werde, wem die Zuführung der Risiken der versicherten Personen als Vermarktungsleistung zuzurechnen sei. Vorliegend sei der Makler von der Klägerin beauftragt bzw. eingeschaltet worden. Zwischen dem Versicherer und dem Makler bestehe hingegen keine vertragliche Beziehung. Die Vermarktungsleistung des Maklers sei daher allein der Klägerin zuzurechnen.
41Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass sie ihren Kunden für die Verschaffung des Versicherungsschutzes Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe, sei die von der Klägerin gewählte Besteuerung für die rechtliche Beurteilung nicht maßgeblich. Die versicherungsteuerrechtliche Bewertung sei vorgreiflich und müsse im Umsatzsteuerrecht im Hinblick auf die dortigen Steuerbefreiungsregelungen nachvollzogen werden. Insoweit führe der Verweis der Klägerin auf das zur Frage der Mehrwertsteuerbefreiung ergangene EuGH-Urteil zur Klärung der Frage, ob es sich vorliegend um versicherungsteuerbare Verkaufsaufschläge handele, nicht weiter.
42Der Hilfsantrag der Klägerin könne ebenfalls keinen Erfolg haben. Der Streitfall sei mit dem vom Finanzgericht Köln unter dem Az. 2 K 588/19 entschiedenen Fall nicht vergleichbar. In jenem Verfahren seien die Vertragsparteien irrtümlich davon ausgegangen, dass die Zahlung einer Versicherungsprämie nicht der Versicherungsteuer unterliege. Vorliegend hätten die Parteien davon ausgehen müssen, dass eine Versicherungsteuerbarkeit der Verkaufsaufschläge (zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung) gegeben sei. Spätestens ab Veröffentlichung des BMF-Schreibens am 29. November 2017 habe der Klägerin die Auffassung der Finanzverwaltung zur versicherungsteuerrechtlichen Behandlung von Verkaufsaufschlägen klar sein müssen. Erst deutlich danach, im Jahr 2019, habe die Klägerin die streitgegenständlichen Verkaufsaufschläge vereinnahmt. Zudem sei in den Rechnungen der Beigeladenen gegenüber der Klägerin die Versicherungsteuer auf die gezahlten Entgelte berechnet worden. Schließlich habe die Beigeladene dem entsprechend auch die Versicherungsteuer nachgemeldet. Dies zeige, dass die Parteien bei der Berechnung der Versicherungsteuer nicht rechtsirrtümlich von einer Nichtsteuerbarkeit der Prämien, sondern vielmehr von Nettoprämien, auf die die zutreffende Verkehrsteuer – hier: Versicherungsteuer – aufgeschlagen werden müsse, ausgegangen seien. Dafür spreche auch, dass die Klägerin gegenüber den versicherten Personen die gesamte Versicherungsleistung (Prämie nebst Verkaufsaufschlag) ebenfalls als Nettoprämie zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe.
43Mit gerichtlichem Beschluss vom 5. Juli 2023 (Bl. 271 der GA), hinsichtlich der ladungsfähigen Anschrift berichtigt mit Beschluss vom 19. Juli 2023 (Bl. 288 der GA), wurde die X AG gemäß § 60 Abs. 1, 3 FGO zum vorliegenden Verfahren beigeladen.
44Entscheidungsgründe
45Die zulässige Klage ist begründet.
46Die angefochtene Steuerfestsetzung ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als die von der Klägerin vereinnahmten Verkaufsaufschläge, die über die an die Beigeladene gezahlten Versicherungsentgelte für die Verschaffung von Versicherungsschutz zugunsten der Kunden der Klägerin hinausgehen, der Versicherungsteuer unterworfen werden. Diese Verkaufsaufschläge stellen vielmehr kein Versicherungsentgelt dar und unterliegen nicht der Versicherungsteuer.
47I. Die Klägerin wendet sich zu Recht gegen die Versicherungsteueranmeldung der Beigeladenen, da sie durch die mit der Steueranmeldung bewirkte Steuerfestsetzung beschwert ist.
48Gemäß § 7 Abs. 1 des Versicherungsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (VersStG) ist Schuldner der Versicherungsteuer der Versicherungsnehmer. Allerdings ist der Versicherungsnehmer nur in Ausnahmefällen (vgl. § 7 Abs. 6 VersStG) zur Steueranmeldung verpflichtet. Steueranmeldungspflichtig ist regelmäßig der Steuerentrichtungsschuldner (vgl. § 8 Abs. 1 VersStG). Gleichwohl ist der Versicherungsnehmer wirtschaftlich durch eine Steueranmeldung, die gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, beschwert. Dem Versicherungsnehmer steht daher der Rechtsschutz gegen eine Versicherungsteueranmeldung, die durch einen Dritten – wie vorliegend der Beigeladenen als Versicherer und Steuerentrichtungsschuldnerin – abgegeben worden ist, zu (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2005, VI R 165/01, BStBl. II 2005, 890; BFH-Beschluss vom 29. August 2011, II B 86/10, BFH/NV 2012, 286).
49II. Der Versicherungsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung einesVersicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
501. Unter dem Versicherungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG ist das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010, II R 12/08, BStBl. II 2012, 383; vom 29. November 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, 513). Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen, beim Versicherungsnehmer angesiedelten Wagnisses (vgl. BFH-Urteile 11. Dezember 2013, II R 53/11, BStBl. II 2014, 352; vom 19. Juni 2013, II R 26/11, BStBl. II 2013, 1060; vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097 m.w.N.). Das Wagnis des Versicherers besteht darin, bei Eintritt des schädigenden Ereignisses den vereinbarten Ersatz leisten zu müssen. Die Gegenleistung dafür sind die von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsentgelte (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; FG Köln, Urteil vom 10. November 2004, 11 K 7893/00, EFG 2005, 656; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09 EFG 2009, 1074).
51Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, wobei hierunter insbesondere Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen und Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten fallen. Nicht zum Versicherungsentgelt gehört, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird, insbesondere Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde und Mahnkosten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 VersStG).
52Das Merkmal der „Zahlung eines Versicherungsentgelts“ im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG erfasst den rechtlich erheblichen „Geldumsatz” im Versicherungswesen und damit nicht jegliche Zahlung von Geld an den Versicherer, sondern (nur) jede Leistung, die eine im Versicherungsverhältnis begründete Schuld des Versicherungsnehmersgegenüber dem Versicherer erlöschen lässt (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 1977,II R 47/76, BStBl. II 1977, 748; vom 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68; vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097). Gegenstand der Besteuerung ist nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten. Die Versicherungsteuer ist eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des Geldumsatzes (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 2009, II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097; vom 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68). Der Begriff des Versicherungsentgelts ist nicht auf den Betragsanteil beschränkt, der für die Übernahme des Wagnisses gezahlt wird (vgl. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1961, II 64/58 U, BStBl. III 1961, 559, vom 16. Dezember 1964, II 165/61 U, BStBl. III 1965, 397 und vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360).
53Das Versicherungsentgelt wird maßgeblich durch den Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bestimmt. Versicherungsnehmer ist derjenige, der nach der Police (Versicherungsschein) Versicherungsnehmer ist, weil dieser die für die Versicherungsteuerpflicht maßgebenden Prämienzahlungen zu leisten hat (vgl. BFH-Urteile vom 30. August 1961, II 234/58 U, BStBl. III 1961, 494, und vom 5. Februar 1992, II R 93/88, BFH/NV 1993, 68). Das gilt auch, wenn der Versicherungsvertrag den Versicherungsschutz für versicherte Personen regelt. Die versicherten Personen werden dadurch nicht Versicherungsnehmer (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360).
542. Vor diesem rechtlichen Hintergrund gehören die von der Klägerin mit ihren Kunden vereinbarten und vereinnahmten Verkaufsaufschläge im Zusammenhang mit der Verschaffung von Versicherungsschutz, d.h. der Einbeziehung der Kunden in die von der Klägerin mit der Beigeladenen abgeschlossenen Gruppenversicherungsverträge, nicht zum Versicherungsentgelt im Sinne von § 3 Abs. 1 VersStG und unterliegen daher nicht der Versicherungsteuer. Nicht der Brutto-Verkaufspreis (inklusive des sog. Verkaufsaufschlags), den die Klägerin aufgrund der Verschaffung von Versicherungsschutz im Zusammenhang mit den Miet- bzw. Leasingverträgen von ihren Kunden erhält, sondern nur die von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen für den vom versicherten Kunden jeweils gewählten Versicherungsschutz geschuldete (Netto‑)Versicherungsprämie stellt das Entgelt für das mit der Beigeladenen bestehende Versicherungsverhältnis dar.
55a) Für die Versicherungsteuer maßgeblich ist das Versicherungsentgelt im Sinne von § 3 Abs. 1 VersStG, das sich danach bestimmt, was der Versicherungsnehmer dem Versicherer schuldet. Besteuert wird gemäß § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG das aufgrund des Versicherungsverhältnisses gezahlte Versicherungsentgelt, wodurch die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer erlischt. Auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von §§ 43 ff. VVG, wie sie die vorliegenden (echten) Gruppenversicherungsverträge darstellen, besteht die Pflicht zur Erbringung der Versicherungsprämie allein für den Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherers und Schuldner der Versicherungsprämie. Dies ist vorliegend die Klägerin. Es kommt daher allein auf das Innenverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmer und der Beigeladenen als Versicherer und nicht auf das Außenverhältnis des Versicherers zu den Kunden der Klägerin als versicherte Personen an. Das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und der versicherten Person im Hinblick auf das Verschaffen von Versicherungsschutz begründet für den Versicherten eine Verpflichtung zur Begleichung eines Entgelts allein gegenüber dem Versicherungsnehmer, nicht jedoch gegenüber dem Versicherer (vgl. hierzu Franz, Versicherungsteuergesetz /Feuerschutzsteuergesetz, § 3 VersStG Rn. 323).
56b) Vereinbaren Versicherer und Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag, dass der Versicherungsnehmer den versicherten Personen (als Dritten) Versicherungsschutz verschafft, wobei diese hierfür einen festen, nicht nach Prämie und Provision aufgeschlüsselten Verkaufspreis zu zahlen haben, und der Versicherungsnehmer nur die festgelegte Netto-Prämie an den Versicherer zu entrichten hat, während der restliche Teil des Verkaufspreises beim Versicherungsnehmer verbleibt, entspricht nach Ansicht des BFH das Versicherungsentgelt der Höhe des Verkaufspreises (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360, Rn. 16, 18). In einem solchen Fall können die vertraglichen Regelungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer die konkludente Vereinbarung beinhalten, dass der Versicherungsnehmer die Vergütung für die Vermarktung der Versicherung vom Versicherer beanspruchen kann, wobei er diese vom Verkaufspreis einbehalten darf. Für eine in diesem Sinne zu verstehende Vereinbarung spricht, dass der Versicherungsnehmer die Versicherung anstelle und im Interesse des Versicherers vermarktet und er für seine Dienstleistung regelmäßig eine Vergütung des Versicherers erwarten darf und Versicherer und Versicherungsnehmer den Verkaufspreis der Versicherung sowie die an den Versicherer abzuführenden Netto-Prämien miteinander abstimmen, so dass die Differenz, d.h. der dem Versicherungsnehmer zustehende Verkaufsaufschlag, feststeht. Der Verkaufsaufschlag, den der Versicherer dem Versicherungsnehmer belässt, ist die vom Versicherer stammende Vergütung des Versicherungsnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360, Rn. 19).
57Hierzu hat der BFH mit besagtem Urteil entschieden, dass in dem Fall, in dem eine Versicherung darauf angelegt ist, dass nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer die Versicherung vermarktet und der Versicherungsschutz den vom Versicherungsnehmer gewonnenen Kunden als versicherte Personen zugutekommt, das Versicherungsentgelt für das zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehende Versicherungsverhältnis dem gesamten, den Kunden in Rechnung gestellten Verkaufspreis entsprechen kann, selbst wenn der Versicherer vom Versicherungsnehmer nur einen Teil des Verkaufspreises, die sog. Netto-Prämie, erhält und dem Versicherungsnehmer den restlichen Verkaufspreis, den sog. Verkaufsaufschlag, belässt. Der BFH hat dies für den Fall entschieden, dass Versicherer und Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag einen Brutto-Verkaufspreis für Versicherungsprodukte (Reiseversicherung) vereinbart hatten, den der Versicherungsnehmer gegenüber seinen Kunden als versicherte Personen abgerechnet hatte, sodann jedoch nur eine zuvor ebenfalls festgelegte Netto-Prämie an den Versicherer zu entrichten und den darüberhinausgehenden Teil des Brutto-Verkaufspreises einbehalten hatte. Konkret wurde die Höhe des Verkaufspreises, der von den Reisekunden jeweils für die abgeschlossene Reiseversicherung zu begleichen war, zuvor zwischen dem Versicherer und dem jeweiligen Reiseveranstalter abgestimmt und war sodann für den Reiseveranstalter verbindlich. Dieser Verkaufspreis war als einheitliches Entgelt von den Reisekunden an die Reiseveranstalter zu zahlen. Selbst im Falle eines Reiserücktritts oder einer Reiseabsage wurde der gesamte Verkaufspreis für die Reiseversicherung als Gesamtentgelt behandelt, weil es – bei Eintritt der Versicherungsbedingungen – vollständig an den Reisekunden zu erstatten war. Nach dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Vertriebsmodell hatten die Reiseveranstalter zumindest auch im Interesse des Versicherers im Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Reiseleistungen zusätzlich Vertriebsleistungen erbracht, um Reiseversicherungsverträge abzuschließen. Der Vertrieb der Versicherungsprodukte hätte ansonsten grundsätzlich dem Versicherer als Anbieter der Versicherungsleistungen oblegen. In dieser Konstellation sah der BFH eine konkludente vertragliche Abrede dahingehend, dass der Versicherungsnehmer als Vergütung für die Vermarktung des Versicherungsprodukts vom Versicherer eine Vergütung erwarten konnte und erhalten hatte, die der Differenz zwischen Brutto-Verkaufspreis und Netto-Prämie, d.h. dem sog. Verkaufsaufschlag, entsprach.
58c) Die hier streitgegenständliche Sachverhaltskonstellation unterscheidet sich maßgeblich von dem vom BFH entschiedenen Fall.
59Gemäß § 3 Abs. 1 VersStG ist für die Annahme eines Versicherungsentgelts Voraussetzung, dass eine Leistung (Prämienzahlung) an den Versicherer zur Begründung und Durchführung eines Versicherungsverhältnisses bewirkt wird. Dies ist im Streitfall bezogen auf die von der Klägerin vereinnahmten und bei ihr verbleibenden Verkaufsaufschläge nicht gegeben.
60(1) Vorliegend erhält die Beigeladene zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses bzw. zur Wagnisübernahme gegenüber den versicherten Personen lediglich die vereinbarten Versicherungsprämien nach den Produktgruppencode-Listen. Ausgehend von dem für die Bestimmung des Versicherungsentgelts allein maßgeblichen Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer stellt nur diese Prämie (Netto‑Entgelt) das vorliegend maßgebliche Versicherungsentgelt im Sinne von § 3 Abs. 1 VersStG dar. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmerin und der Beigeladenen als Versicherer eine Vereinbarung hinsichtlich der von der Klägerin gegenüber ihren Kunden in Rechnung gestellten Brutto-Verkaufspreisen (inklusive Verkaufsaufschlägen) für die Einbeziehung in die Gruppenversicherungsverträge, die die Klägerin bei der Beigeladenen abgeschlossen hat, existiert.
61Klägerin und Beigeladene haben im Gruppenversicherungsvertrag lediglich die von der Klägerin zu entrichtende Versicherungsprämie ohne Berücksichtigung von Aufwendungen für den Vertrieb des Versicherungsproduktes, die typischerweise im Wege einer Provision für die entsprechend tätige Person vereinbart werden, geregelt. Der Beigeladenen als Versicherer gegenüber schuldet die Klägerin allein diese (Netto-)Prämie. Die Kunden der Klägerin wiederum schulden allein dieser gegenüber (und nicht der Beigeladenen) das im Leasingvertrag vereinbarte Entgelt für die Verschaffung von Versicherungsschutz, das – ohne Aufgliederung gegenüber dem Kunden – neben der an die Beigeladene zu zahlenden Netto-Prämie den Verkaufsaufschlag enthält.
62(2) Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall, bei dem aufgrund der expliziten Vereinbarung des Brutto-Verkaufspreises der Versicherer über diesen gesamten Verkaufspreis dadurch verfügen konnte, dass er den zuvor vertraglich vereinbarten Verkaufsaufschlag bei seinem Vertragspartner, dem Versicherungsnehmer, beließ und damit im Verrechnungswege der Vergütungsanspruch des Versicherungsnehmers aufgrund der von ihm erbrachten Vermarktungsleistungen beglichen wurde, ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Beigeladene eine solche vergleichbare vertragliche Position innehat.
63Im Streitfall konnte nach den vertraglichen Vereinbarungen allein die Klägerin den Anspruch auf Zahlung des Bruttoentgelts inklusive der Verkaufsaufschläge gegenüber ihren Kunden geltend machen, nicht aber die Beigeladene als Versicherer. Die Beigeladene ihrerseits konnte mangels entsprechender Vereinbarung – anders als in dem vom BFH mit Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360, entschiedenen Fall – von der Klägerin nicht den Bruttobetrag, sondern lediglich die mit der Klägerin vereinbarte, in den sog. Produktgruppencode-Listen (vgl. Anhang zum Protokoll vom 27. September 2023) festgehaltene (Netto-)Versicherungsprämie verlangen. Die Beigeladene hatte zudem keine Kenntnis von den von der Klägerin erhobenen Verkaufsaufschlägen.
64Der Umstand, dass die Klägerin ein höheres Entgelt mit den Kunden vereinbart als sie der Beigeladenen für die Einbeziehung der Kunden in den Schutz des Gruppenversicherungsvertrages schuldet, ändert nichts daran, dass dieses erhöhte Entgelt und damit der über die Versicherungsprämie hinausgehende Verkaufsaufschlag allein im Verhältnis der Klägerin zu ihren Kunden vereinbart und geschuldet ist, nicht aber im Verhältnis zur Beigeladenen.
65(4) Zwar ist auch die vorliegende Konstellation – dem vom BFH entschiedenen Fall vergleichbar – darauf ausgerichtet, dass nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer die Versicherung vermarktet und dafür sorgt, dass der Versicherungsschutz dem vom Versicherungsnehmer gewonnenen Kunden als versicherte Person zugutekommt. Hieraus folgt jedoch nicht stets, dass dann der dem Kunden in Rechnung gestellte Verkaufspreis insgesamt der Versicherungsteuer unterliegt, auch wenn ein Teil des Verkaufspreises beim Versicherungsnehmer als Verkaufsaufschlag verbleibt und der Versicherer nur die Netto-Prämien erhält. Vielmehr „kann“ (so ausdrücklich auch der BFH im Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15) dies (lediglich) der Fall sein. Hierbei sind die konkreten Umstände des vom BFH entschiedenen Falles zu beachten, unter deren Berücksichtigung der BFH zur Annahme eines einheitlichen Versicherungsentgelts gekommen ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem die Abstimmung des Brutto-Verkaufspreises und des beim Versicherungsnehmer verbleibenden Verkaufsaufschlags zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360, Rn. 18, 20). Für den Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen eine Verkaufspreisabrede inklusive einer Vergütung für den Versicherungsnehmer getroffen wurde. Die Klägerin und die Beigeladene haben als Parteien des Gruppenversicherungsvertrages gerade eine Netto-Prämie ohne einen Provisionsbestandteil vereinbart.
66(5) Dem steht auch nicht entgegen, dass unabhängig davon gleichwohl die Vermarktung des Versicherungsproduktes erfolgen musste und erfolgt ist, vorliegend jedoch nicht durch den Versicherer, sondern durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin, und dass eine solche Vermarktung üblicherweise entgeltlich erfolgt. Die Beigeladene als Versicherer hat die Vermarktung des mit der Klägerin abgestimmten Versicherungsproduktes nicht selbst übernommen, sondern es der Klägerin überlassen, und sich damit an sich anfallende Vertriebskosten erspart. Eine derartige wirtschaftliche Betrachtung kann jedoch nicht zur Annahme von Versicherungsentgelt führen, da die Versicherungsteuer eine Steuer auf den Rechtsverkehr ist, bei der von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung und Betrachtungsweise und nicht von der bei anderen Steuerarten maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010, II R 21/09, BStBl. II 2012, 387).
67Hinzu kommt, dass die Klägerin die Vermarktung des Versicherungsproduktes gerade selbst, aufgrund der bezweckten Absicherung der von ihr vermieteten/verleasten Gegenstände im maßgeblichen eigenen Interesse, vorgenommen hat. Bei der Abwicklung der Versicherungsangelegenheiten hat sie jedoch wiederum einen Dritten, vorliegend die Z GmbH als Versicherungsmakler beauftragt, im Bedarfsfalle bereits bei der Vertragsanbahnung, umfänglich jedoch zumindest bei der Abwicklung von Schadensfällen und den insoweit erforderlichen Kontaktaufnahmen zum Versicherer für sie, die Klägerin, bzw. deren Kunden tätig zu werden. Insoweit dürfte die Klägerin wirtschaftlich betrachtet eine gesonderte, wenngleich nicht als solche offenbarte Provisionsabrede mit ihren Kunden als versicherte Personen getroffen haben, um die anfallenden Kosten im Zusammenhang mit der Vermarktung, dem Vertrieb des Versicherungsproduktes und der Schadensabwicklung einschließlich der Einbindung der hierbei im Auftrag der Klägerin tätigen Z GmbH abzudecken. Im Streitfall wurde also anders als im typischerweise anzutreffenden Vertriebsmodell von Versicherungsprodukten, bei denen auf Provisionsbasis entweder die Versicherer eigene Versicherungsvertreter einbinden oder die Versicherungsnehmer Versicherungsmakler beauftragen, das Entgelt für die Vermarktung/Vertrieb des Versicherungsproduktes durch die Versicherungsnehmerin im Rahmen von sog. Verkaufsaufschlägen kalkuliert und gegenüber den versicherten Personen abgerechnet.
68(6) Der BFH (Urteil vom 7. Dezember 2016, II R 1/15, BStBl. II 2017, 360, Rn. 21) hat zwar die versicherungsrechtliche Zulässigkeit derartiger selbständiger Provisionsvereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und versicherte Person im Vergleich zu entsprechenden Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH offengelassen. Für den vorliegenden Streitfall bestehen jedoch keine Bedenken, dass derartige, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Provisionsvereinbarungen/Vergütungsvereinbarungen im Zusammenhang mit Gruppenversicherungen getroffen werden. Für den Fall des Versicherungsvertreters hat der BGH keine Bedenken dahingehend geäußert, dass ein im Lager des Versicherers stehender Versicherungsvertreter mit dem Versicherungsnehmer – trotz der gegenüber dem Versicherer bestehenden Loyalitätspflichten – eine gesonderte Entgeltvereinbarung (Provisionsabrede) trifft (vgl. BGH-Urteil vom 12. Dezember 2013, III ZR 124/13, DB 2014, 176). Eine derartige Vergütungsvereinbarung steht auch nicht in Widerspruch zu einem gesetzlichen Leitbild und vor allem den handelsrechtlichen Regelungen zum Provisionsanspruch von Handelsvertretern u.ä. Letztgenannte Vorschriften dienen lediglich dem Risikoausgleich zwischen dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter und dem Unternehmer und betreffen nicht das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsvermittler. Soweit es um das Verhältnis des Handels-/Versicherungsvertreters zum Versicherungsnehmer geht, hat der BGH sodann auch offen gelassen, ob die Regelungen des HGB über die Provision des Versicherungsvertreters überhaupt Vereinbarungen zulassen, wonach der Versicherungsvertreter vom Versicherer keinerlei Vergütung erhält, dafür aber selbständige Vergütungsvereinbarungen mit seinen Kunden schließen darf (vgl. BGH-Urteil vom 12. Dezember 2013, III ZR 124/13, DB 2014, 176). Im Übrigen lässt sich dafür auch nicht der aus dem Handelsvertreterrecht entwickelte sog. Schicksalsteilungsgrundsatz, wonach für den Regelfall einer sog. Bruttopolice die Courtage des Versicherungsmaklers das Schicksal der Versicherungsprämie teilt, etwas auf die unmittelbar vom Versicherungsnehmer zu zahlende Maklerprovision beim Abschluss einer Nettopolice herleiten. Denn der Schicksalsteilungsgrundsatz betrifft lediglich die Risikoverteilung zwischen dem Unternehmer und dem von ihm aus den Gewinnen des vermittelten Geschäfts entlohnten Vermittler bei Störungen in der Vertragsausführung (vgl. BGH-Urteil vom 20. Januar 2005, III ZR 251/04, VersR 2005, 406).
693. Da die Klage nach dem Hauptantrag Erfolg hat, ist eine Entscheidung über den Hilfsantrag entbehrlich.
70III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, 3 FGO.
71IV. Die Revision wird zugelassen, weil der versicherungsteuerrechtlichen Behandlung sog. Verkaufsaufschläge im Zusammenhang mit Gruppenversicherungsverträgen auch angesichts der hierzu bereits ergangenen Entscheidung des BFH vom 7. Dezember 2016 (II R 1/15) eine grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zukommt, da der BFH bislang lediglich die – im Streitfall nicht vorliegende – Konstellation entschieden hat, in der das von der versicherten Person an den Versicherungsnehmer zu zahlende Brutto-Entgelt und der hiervon beim Versicherungsnehmer verbleibende Verkaufsaufschlag zuvor zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer fest vereinbart worden war.
72V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
73VI. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.