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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob Krankheitskosten, die die Kläger zur Erlangung einer Beitragsrückerstattung ihrer Krankenversicherungen selbst getragen haben, als Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigungsfähig sind.
3Die Kläger werden als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, sie haben zwei Kinder. Der Kläger ist als Steuerberater freiberuflich tätig, die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2011 und 2012 machten die Kläger für sich und ihre Kinder Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben geltend. Wegen der Höhe der Beträge wird auf die Darstellung in der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2013 Bezug genommen.
4Gegen die daraufhin ergangenen Steuerbescheide legten die Kläger jeweils fristgemäß Einspruch ein. Sie trugen vor, dass zusätzlich zu den an die Krankenversicherung geleisteten Beiträgen ein Betrag in Höhe von 241,08 EUR als Sonderausgaben zu berücksichtigen sei. Hierbei handele es sich um Krankheitskosten, welche die Kläger selbst getragen und der Krankenversicherung nicht zur Abrechnung vorgelegt hätten, um in den Genuss einer Beitragsrückerstattung zu kommen. Die tatsächlich angefallenen Krankheitsaufwendungen hätten 803,58 EUR betragen. Hieraus hätte sich bei Geltendmachung gegenüber der Krankenversicherung ein Erstattungsanspruch gegenüber der Versicherung in Höhe von 241,08 EUR (=30%) ergeben. Der Versicherer habe in 2012 eine Beitragsrückerstattung von 519,41 EUR gezahlt.
5Die Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12.12.2013 zurück.
6Dagegen richtet sich die Klage.
7Die Kläger sind der Auffassung, dass der Betrag in Höhe von 241,08 EUR entweder im Veranlagungszeitraum 2011 (Abflussprinzip) oder im Veranlagungszeitraum 2012 (Saldierung mit den KV-Beiträgen) zu berücksichtigen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 13.02.2008 festgestellt, dass die existenznotwendigen Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung steuerfrei gestellt werden müssten. Hieraus folge, dass alles, was der Steuerpflichtige für die Erlangung einer existenznotwendigen Absicherung gegen Krankheits- und Pflegekosten aufwende, steuerlich verschont werden müsse. Der Gesetzgeber habe die Regelung des Sonderausgabenabzugs mit Wirkung zum 01.01.2010 gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts reformiert, dabei jedoch keine Regelungen zum Umgang mit Beitragsrückerstattungen getroffen. Die Finanzverwaltung sei der Auffassung, dass Krankheitskosten, die im Rahmen eines Selbstbehaltes oder zur Erlangung einer Beitragsrückerstattung selbst getragen würden, keine Beiträge zur Krankenversicherung darstellen würden. Hiermit verkenne die Finanzverwaltung jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben habe die, zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen zur berücksichtigen. Dies bedeute, dass alle Aufwendungen der Steuerpflichtigen steuerfrei gestellt werden müssten, die zur Erlangung einer Absicherung notwendig seien. Daher müssten nicht lediglich die Versicherungsbeiträge, sondern zusätzlich auch solche Aufwendungen des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, die der Reduzierung der Gesamtaufwendungen dienten. Hierunter fielen auch die von den Klägern selbst getragenen Krankheitskosten. Die Auffassung der Finanzverwaltung führe zu dem widersinnigen Ergebnis, dass die wirtschaftlich sinnvolle Inanspruchnahme der Beitragsrückerstattung – von der auch der Fiskus durch den insgesamt niedrigeren Sonderausgabenabzug profitiere – für den Steuerpflichtigen unter Einbeziehung der steuerlichen Folgen wirtschaftlich nachteilig sein könne.
8Die Kläger beantragen,
9den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 19.11.2012 und den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19.09.2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2013, dergestalt zu ändern, die Einkommensteuer für 2011 auf 53.080,00 EUR und die Einkommensteuer für 2012 auf 62.230,00 EUR festgesetzt wird.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er trägt – unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 12.12.2013 – vor, dass die aufgrund eines tariflichen Selbstbehaltes oder wegen der Wahl einer Beitragsrückerstattung selbst getragenen Krankheitskosten keine Beiträge zur Krankenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG seien. Schon begrifflich handele es sich bei den Krankheitskosten nicht um „Beiträge“. Dass der Kläger in Erwartung einer Beitragsrückerstattung auf die Geltendmachung der Krankheitskosten gegenüber der Krankenversicherung verzichtet habe, rechtfertige nicht den Abzug der Krankheitskosten als Sonderausgaben.
13Die Krankheitskosten könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG berücksichtigt werden. Es fehle an der Zwangsläufigkeit der Ausgaben, da die Kläger freiwillig auf die Geltendmachung der Krankheitskosten gegenüber der Krankenversicherung verzichtet hätten.
14Bei der in 2012 erhaltenen Erstattung handele es sich um eine Rückzahlung von Beiträgen zur Krankenversicherung die gemäß dem Zu- und Abflussprinzip gem. § 11 EStG mit den im selben Jahr geleisteten Beiträgen verrechnet worden sei.
15Entscheidungsgründe:
16Der Senat entscheidet durch Gerichtsbescheid gem. § 90a FGO.
17Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Die von den Klägern selbst getragenen Krankheitskosten in Höhe von 241,08 EUR sind weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
18I.
19Die Krankheitskosten, die der Kläger zur Erlangung einer Rückerstattung von Krankenversicherungsbeiträgen selbst getragen hat, stellen keine Krankenversicherungsbeiträge i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG dar. Unter den Begriff der „Beiträge“ i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fallen nur solche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erlangung von Versicherungsschutz stehen. Dies ist bei Zahlungen an Ärzte etc. zur Vergütung von Heilbehandlungen nicht der Fall.
20Es ist bereits durch den Bundesfinanzhof geklärt, dass Zahlungen auf Krankheitskosten aufgrund von Selbst- und Eigenbeteiligungen nicht zu den Beiträgen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehören. Denn die Selbstbeteiligung ist keine Gegenleistung zur Erlangung von Versicherungsschutz, sondern gewissermaßen das Gegenteil hiervon. Die Krankenversicherung übernimmt aufgrund des Selbstbehaltes nicht das Risiko, für künftige Schadensfälle eintreten zu müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 08.10.2013 X B 110/13, BFH/NV 2014, 154; BFH-Urteil vom 18.07.2012 X R 41/11, BStBl. II 2012, 821). Diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, welche die Tragung von Krankheitskosten im Rahmen eines Selbstbehaltes betrifft, muss nach Auffassung des Senats entsprechend für die Tragung von Krankheitskosten zur Erlangung einer Beitragsrückerstattung gelten. Gründe für eine Differenzierung sind insoweit nicht ersichtlich.
21Der Senat ist überzeugt, dass die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist. Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2008 (Az. 2 BvL 1/06, BGBl I 2008, 540) folgt nichts Gegenteiliges. Zwar kann die gegenwärtige gesetzliche Regelung – wie der Kläger zutreffend vorträgt – dazu führen, dass die Inanspruchnahme einer Beitragsrückerstattung, die für den Steuerpflichtigen zunächst wirtschaftlich vorteilhaft erscheint, unter Einbeziehung der steuerlichen Konsequenzen wirtschaftlich nachteilig ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige Krankheitskosten in Höhe von 400 EUR selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung von 500 EUR zu erhalten. In diesem Fall sind die Krankheitskosten von 400 EUR nicht als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig, während die Beitragsrückerstattung zu einer Minderung der steuerlich berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben führt. Der Ersparnis gegenüber der Krankenversicherung von 100 EUR steht damit unter Umständen eine sogar höhere steuerliche Mehrbelastung gegenüber. Dies mag als widersprüchlich empfunden werden, es führt jedoch nach Überzeugung des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Die grundgesetzlichen Vorgaben verlangen eine Freistellung des Existenzminimums; sie verlangen jedoch nicht, dass jedwede Bemühung zur Beitragsoptimierung auch steuerlich entsprechend honoriert wird. Den Klägern wäre es anheimgestellt, bei Berechnung des wirtschaftlich optimalen Selbstbehalts auch die steuerlichen Konsequenzen in ihre Berechnungen einzubeziehen.
22Falls der Gesetzgeber die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG reformieren würde, um die von den Klägern kritisierten Widersprüchlichkeiten zu beseitigen, würde dies zudem zu einer weiteren Verkomplizierung der ohnehin durchaus komplexen gesetzlichen Regelung führen. Der Zugewinn an materieller Gerechtigkeit erscheint demgegenüber vergleichsweise gering. Nach der eigenen Berechnung der Kläger liegt der nachsteuerliche finanzielle Nachteil, der ihnen unter der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung durch den Selbstbehalt und die Inanspruchnahme der Beitragsrückerstattung entsteht, bei 28,56 EUR. Der mögliche finanzielle Vorteil der Kläger durch die von ihnen erstrebte Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG und die Anerkennung zusätzlicher Krankheitskosten in Höhe von 241,08 EUR läge im unteren dreistelligen Bereich. Diese Beträge erscheinen im Vergleich zu den Kassenversicherungsbeiträgen und im Vergleich zu dem Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger vergleichsweise gering; das Existenzminimum der Kläger ist offensichtlich in keiner Weise gefährdet.
23II.
24Die Krankheitskosten, die der Kläger zur Erlangung einer Rückerstattung von Krankenversicherungbeiträgen selbst getragen hat, sind auch nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig.
25Krankheitskosten wie die im vorliegenden Fall von den Klägern getragenen fallen grundsätzlich unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung gem. § 33 Abs. 1 EStG. Vorliegend scheidet eine Berücksichtigung der Krankheitskosten jedoch deshalb aus, weil die Ausgaben der Kläger nicht die Zumutbarkeitsschwelle des § 33 Abs. 3 EStG überschreiten. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger beträgt 196.688 EUR im Jahr 2011 und 216.008 EUR im Jahr 2012. Hieraus folgt, dass die zumutbare Eigenbelastung der Kläger bei ca. 7.800 EUR im Jahr 2011 und 8.600 EUR im Jahr 2012 liegt. Die angefallenen Krankheitskosten liegen mithin deutlich unter der zumutbaren Eigenbelastung.
26Der Senat ist der Überzeugung, dass die Zumutbarkeitsschwelle gem. § 33 Abs. 3 EStG mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist. Ausgaben zur Behandlung von Krankheiten bzw. zur Aufrechterhaltung der Gesundheit werden in gewissem Umfang von jedem Steuerpflichtigen getragen und müssen daher als Bestandteil der allgemeinen Lebenshaltung bzw. des Existenzminimums angesehen werden. Derartige Ausgaben sind bereits durch den Grundfreibetrag und die progressive Gestaltung des Steuertarifs angemessen berücksichtigt. Der Gesetzgeber handelt im Rahmen des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums, wenn er eine zusätzliche steuerliche Berücksichtigung von Krankheitskosten erst bei Überschreitung einer bestimmten Wesentlichkeitsschwelle zulässt (so auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.09.2012, 4 K 1970/10, EFG 2012, 2205 m.w.N.). Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2014 (Az.: 2 BvL 1/06, BGBl. I 2008, 540) folgt nichts Gegenteiliges. Hiernach gewährleistet das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums lediglich den Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau. Dieses Leistungsniveau wird nach Überzeugung des Senats durch die Leistungsstandards der gesetzlichen Krankenkassen und der privaten Krankenversicherungen erreicht und sogar übertroffen, so dass eine steuerliche Berücksichtigung zusätzlicher Krankheitskosten nach den Vorgaben des Grundgesetzes nicht zwingend geboten ist.
27III.
28Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die bereits anhängigen Revisionsverfahren VI R 33/13 und X R 43/13 zuzulassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.