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Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob das Halten des Fahrzeugs der Klägerin nach § 3 Nr. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) steuerbefreit ist.
3Die Klägerin ist Halterin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX. Es handelt sich um ein Mehrzweckfahrzeug der Marke Volkswagen, das am 01.08.2016 erstmals zum Verkehr zugelassen wurde. Das Fahrzeug verfügt über neun mögliche Sitzplätze einschließlich Fahrersitz und ist mit einer Rollstuhlverladerampe ausgestattet. Bei Nutzung des Rollstuhlplatzes sind nur drei bis sechs Sitzplätze möglich. Weiter sind im Fahrzeug drei Rasterschienen quer zur Fahrtrichtung zur Verankerung von einem Rollstuhl installiert. Auf dem weißen Fahrzeug steht in großen Buchstaben „T Krankenfahrten“ sowie die Telefonnummer des Unternehmens der Klägerin. Das Unternehmen der Klägerin, das unter „T-Krankenfahrten“ firmiert, hat Personenbeförderungen zum Gegenstand. Hierzu wird u.a. das streitrelevante Fahrzeug verwendet. Daneben ist die Klägerin Halterin weiterer Fahrzeuge. Die Stadt R genehmigte der Klägerin mit Genehmigungsurkunde vom 09.10.2015 den Verkehr mit Mietwagen nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Genehmigungsurkunde Bezug genommen.
4Die Klägerin beantragte für das streitrelevante Fahrzeug die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG. Der Antrag blieb erfolglos. Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 setzte der Beklagte Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX für die Zeit ab 01.08.2016 in Höhe von jährlich 310,00 € fest.
5Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und trug vor, dass die Patienten, die täglich mit dem Fahrzeug transportiert würden, körperlich, seelisch oder geistig behindert und sturzgefährdet seien. Alle Fahrzeuge der Firma T-Krankenfahrten seien dementsprechend behindertengerecht ausgebaut und vom Rettungsdienst der Stadt R geprüft und abgenommen worden. Auch für die Feuerwehr und andere vergleichbare Organisationen würden entsprechende Krankenbeförderungen durchgeführt. Es handele sich nicht um Fahrdienstleistungen i. S. von Taxiunternehmen. Im streitrelevanten Fahrzeug würden behinderte Patienten sitzend bzw. liegend transportiert. Die Patienten benötigten keine ärztliche oder fachliche Betreuung bei der Fahrt. Es seien jedoch bei jeder Fahrt zwei Personen zur Beaufsichtigung der Patienten und ggf. für Hilfeleistungen anwesend.
6Mit Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück und begründete seine Entscheidung wie folgt: Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG setze voraus, dass das Fahrzeug ausschließlich zu dringenden Soforteinsätzen verwendet werde. Es müsse sich um Soforteinsätze handeln, durch die akuten Notständen, in denen unmittelbar Gefahr für Leib oder Leben bestehe, begegnet werde. Darunter fielen insbesondere Notfallrettungen und Krankentransporte unter fachgerechter Betreuung nach den Vorschriften für die Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor. Denn die Klägerin verwende das Fahrzeug für Fahrten kranker Menschen nach ärztlicher Verordnung im funktionalen Sinne eines Taxis. Das Fahrzeug sei weder für Notfälle ausgestattet, noch fahre geschultes Personal zur Betreuung der zu befördernden Person mit. Hierfür spreche auch die Genehmigungsurkunde der Stadt R.
7Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr außergerichtliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, dass die beförderten Patienten zwar keine intensivmedizinische Betreuung benötigten, jedoch auf geschultes Personal und die speziellen Fahrzeuge angewiesen seien. Die Patienten könnten nicht eigenständig in ein Fahrzeug einsteigen. Die Klägerin sei deshalb auch im Rettungsdienstplan der Feuerwehr vertreten, um im Katastrophenfall für die Feuerwehr einsetzbar zu sein. Das streitrelevante Fahrzeug werde ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet. Das Fahrzeug sei auch äußerlich entsprechend gekennzeichnet. Die Patienten würden ausschließlich in einer Trage oder in einem Tragestuhl transportiert und könnten nicht auf ein normales Taxi zurückgreifen. Mit den Fahrzeugen der Klägerin würden beispielsweise nierenkranke Patienten zu Dialyse-Terminen gebracht. Auch andere Arztbesuche für kranke Menschen, die ohne Hilfe nicht zu ihrem Hausarzt fahren könnten, biete die Klägerin an.
8Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Krankenbeförderung i.S. des § 3 Nr. 5 KraftStG einen dringenden Soforteinsatz nicht erfordere. Das Erfordernis eines solchen Soforteinsatzes habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 22.02.1989 (Aktenzeichen VII R 9/87) auch nicht festgestellt. Ferner sei der Beklagte an die zuvor von den Finanzämtern geübte Praxis, wonach Fahrzeuge wie das der Klägerin von der Steuer befreit gewesen seien, gebunden. Es gelte der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
9Weiter betont die Klägerin, dass alle Krankenfahrten nur aufgrund von Verordnungen der Ärzte der Patienten durchgeführt würden. Die jeweilige Krankenkasse übernehme dann für die Versicherten die Kosten für diese Fahrten, die insbesondere liegend oder sitzend erfolgten, je nach Gesundheitszustand des beförderten Patienten. Ohne eine solche Verordnung würde die Klägerin keine Fahrten übernehmen. Vertragspartner seien auch Krankenhäuser, die Feuerwehr und die Johanniter. Als Nachweis hat die Klägerin eine Kopie einer ärztlichen Verordnung vom 09.11.2017 dem Gericht vorgelegt. Auf den Inhalt der Verordnung wird Bezug genommen.
10Die Klägerin beantragt,
11den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 aufzuheben,
12hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise, die Revision zuzulassen.
16Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass eine Steuerbefreiung für das Fahrzeug der Klägerin nicht in Betracht komme. Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten Bezug genommen.
18Der Senat hat die Sache am 25.01.2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20A. Die Klage ist zulässig und begründet.
21Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).
22Die Klägerin hat einen Anspruch auf Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX.
23I. Nach § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG ist das Halten von Fahrzeugen von der Steuer befreit, solange die Fahrzeuge ausschließlich im Feuerwehrdienst, im Katastrophenschutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes, bei Unglücksfällen, im Rettungsdienst oder zur Krankenbeförderung verwendet werden. Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind (§ 3 Nr. 5 Satz 2 KraftStG). Bei Fahrzeugen, die nicht für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder einen Zweckverband zugelassen sind, ist außerdem Voraussetzung, dass sie nach ihrer Bauart und Einrichtung den bezeichneten Verwendungszwecken angepasst sind (§ 3 Nr. 5 Satz 3 KraftStG).
24II. Im Streitfall ist der – hier allein ernsthaft in Betracht kommende – Fall der Vorschrift „ausschließliche Verwendung zur Krankenbeförderung“ gegeben.
251. Es ist unter den Beteiligten unstreitig, dass das Fahrzeug ausschließlich zur Beförderung von Kranken, nämlich von Personen verwendet wird, die derart gehbehindert sind, dass sie öffentliche Verkehrsmittel oder private Fahrzeuge ohne fremde Hilfe nicht benutzen können. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG nicht erforderlich, dass das Fahrzeug ausschließlich zu dringenden Soforteinsätzen verwendet wird, durch die akuten Notständen begegnet werden soll (andere Ansicht: Urteil des Finanzgerichts -FG- Düsseldorf vom 11.04.2002 8 K 6038/01 Verk, EFG 2002, 1058, mit Verweis auf BFH-Urteil vom 22.08.1989 VII R 9/87, BFHE 158, 132, BStBl II 1989, 936; Strodthoff in KraftStG, § 3 Rz. 48). Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut, der Gesetzeshistorie oder der Systematik des § 3 Nr. 5 KraftStG (dazu unter a. bis c.) noch aus der vom Beklagten in Bezug genommenen Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinie -KrTransp-RL-) in der Fassung vom 16.03.2017 (dazu unter d.).
26a. Der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Nr. 5 KraftStG sieht die ausschließliche Verwendung des Fahrzeugs zum Zwecke von Krankenbeförderungen i.S. von „sofortigen Einsätzen, durch die akuten Notständen begegnet werden soll“, nicht vor. Eine solche Voraussetzung könnte sich allenfalls als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus dem Vergleich mit den in der Vorschrift anderen genannten Verwendungszwecken ergeben (vgl. BFH in BFHE 158, 132, BStBl II 1989, 936).
27Jedoch gebietet bereits der Vergleich der Krankenbeförderung mit den übrigen in § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG genannten Verwendungszwecken nicht das Erfordernis eines dringenden Soforteinsatzes. Hierfür spricht, dass auch Fahrzeuge im Feuerwehrdienst nicht nur zur Brandbekämpfung, sondern auch zu vorbeugenden Maßnahmen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 65/02, BFHE 204, 493, BStBl II 2004, 528) und zum Zweck der Ausbildung verwendet werden können, ohne dass die Steuerbefreiung entfällt. So sind auch solche Löschfahrzeuge der Feuerwehr von der Steuer befreit, an denen das für die Brandbekämpfung bestimmte Personal durch regelmäßig stattfindende Übungen geschult wird, und zwar selbst dann, wenn das Ausmaß der Verwendung der Löschkraftfahrzeuge für Schulungszwecke vielfach gegenüber dem Ausmaß der Verwendung im Ernstfall überwiegt (vgl. BFH-Urteil vom 05.08.1953 II 70/53 U, BFHE 58, 356, BStBl III 1954, 48). Zudem legt der Umstand, dass das KraftStG in der aktuellen Fassung im Gegensatz zur ursprünglichen Formulierung in § 2 Nr. 1 KraftStG in der Fassung vom 30.06.1955 (KraftStG 1955, BGBl I 1955, 417) nicht mehr von „im Feuerlöschdienst“, sondern weiter gefasst von „im Feuerwehrdienst“ spricht, nahe, dass die Steuerbefreiung nicht nur für Fahrzeuge zu gewähren ist, die zu dringenden Soforteinsätzen verwendet werden.
28Vergleichbares dürfte für Fahrzeuge gelten, die im Katastrophenschutz oder für Zwecke des zivilen Luftschutzes verwendet werden, denn auch diese Fahrzeuge sind nach der gesetzlichen Regelung von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, obwohl davon auszugehen ist, dass sie in weitaus überwiegendem Umfang für präventive Maßnahmen bzw. Schulungszwecke und nur selten für dringende Soforteinsätze verwendet werden.
29b. Der Senat vermag auch der Gesetzeshistorie nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Fahrzeuge zum Zweck der Krankenbeförderung an die Notwendigkeit eines dringenden Soforteinsatzes knüpfen wollte. Insbesondere lässt sich nach Auffassung des Senates hierfür nicht als Beleg anführen, dass die Verwendung von Fahrzeugen zur Krankenbeförderung in § 3 Nr. 5 KraftStG zusammen mit der Verwendung von Fahrzeugen im Rettungsdienst, im Feuerwehrdienst, im Katastrophenschutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes und bei Unglücksfällen aufgeführt ist (so aber BFH-Urteil vom 22.08.1989 VII R 9/87, BFHE 158, 132, BStBl II 1989, 936). Denn während der Steuerbefreiungstatbestand der Krankenbeförderung nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zusammen mit Verwendungszwecken aufgeführt war, die keine dringenden Soforteinsätze erfordern, ist die Mehrzahl der nunmehr als Beleg für das Erfordernis dringender Soforteinsätze in § 3 Nr. 5 KraftStG aufgeführten Verwendungszwecke erst später in das KraftStG eingefügt worden.
30aa. Bereits im KraftStG 1955 war nach § 2 Nr. 1 KraftStG 1955 von der Steuer befreit das Halten von Kraftfahrzeugen, solange sie für den Bund, ein Land oder eine Gemeinde zugelassen waren und ausschließlich im Feuerwehrlöschdienst, zur Krankenbeförderung, zum Wegebau oder zur Straßenreinigung verwendet wurden. Die Steuerbefreiung für Feuerwehr- und Krankenfahrzeuge privater Eigentümer ergab sich aus § 34 der Durchführungsverordnung zum KraftStG in der Fassung vom 12.07.1955 (KraftStDV 1955, BGBl I 1955, 423). Demnach stand der Zweck „zur Krankenbeförderung“ ursprünglich auch neben solchen Verwendungen, die regelmäßig nicht durch die Notwendigkeit eines dringenden Soforteinsatzes gekennzeichnet sind, wie die Verwendungen zum Wegebau und zur Straßenreinigung. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung bezüglich privater Kranken- und Feuerwehrfahrzeuge war nach § 34 Abs. 2 KraftStDV 1955 allerdings, dass diese Fahrzeuge nach ihrer Bauart und Einrichtung dem Verwendungszeck der Krankenbeförderung oder des Feuerwehrdienstes angepasst waren.
31bb. Mit dem KraftStG in der Fassung vom 02.02.1961 (KraftStG 1961, BGBl I 1961, 2) sind die in der Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 1 KraftStG 1955 genannten Verwendungszwecke „im Feuerlöschdienst“ und „zur Krankenbeförderung“ in die neu formulierte Nr. 4 des § 2 KraftStG 1961 (dort: „im Feuerwehrdienst“ anstatt „im Feuerlöschdienst“) übernommen und mit den neu aufgenommenen Verwendungszwecken „im Katastrophenschutz“, „für Zwecke des zivilen Luftschutzes“ und „bei Unglücksfällen“ zusammengefasst worden. Die Zusammenfassung sollte zugleich die in § 34 KraftStDV 1955 enthaltene Vorschrift über den Steuererlass für Feuerwehr- und Krankenfahrzeuge privater Eigentümer ersetzen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 13.02.1960 8-52216-5044/59 II, Bundestags-Drucksache 1621, S. 6). Die Vorschrift des § 2 Nr. 4 Satz 1 KraftStG 1961 lautete danach wie folgt: „Von der Steuer befreit ist das Halten von Fahrzeugen, solange sie ausschließlich im Feuerwehrdienst, im Katastrophenschutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes, bei Unglücksfällen oder zur Krankenbeförderung verwendet werden.“ Den Fahrzeugen, die ausschließlich im Feuerwehrdienst oder zur Krankenbeförderung verwendet wurden, sollten künftig die – neu aufgenommenen – ausschließlich im Katastrophenschutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes oder bei Unglücksfällen verwendeten Fahrzeuge gleichstehen. Als neue Voraussetzung für die Steuerbefreiung wurde geregelt, dass nunmehr sämtliche Fahrzeuge äußerlich als für die entsprechenden Zwecke bestimmt erkennbar sein mussten.
32Es ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass – abgesehen vom neu eingefügten Tatbestandsmerkmal der äußerlichen Erkennbarkeit der Verwendung – mit der Zuordnung der bisher in § 2 Nr. 1 KraftStG 1955 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände „im Feuerwehrdienst“ und „zur Krankenbeförderung“ zu § 2 Nr. 4 KraftStG 1961 und mit der Ergänzung von § 2 Nr. 4 KraftStG 1961 um weitere Steuerbefreiungstatbestände (Katastrophenschutz, ziviler Luftschutz, Unglücksfälle) eine Änderung des sachlichen Anwendungsbereiches der bisher schon bestehenden Steuerbefreiungstatbestände einhergehen sollte. Es ist im Gegenteil in der Gesetzesbegründung (siehe Bundestags-Drucksache 1621, S. 5 f.) ausdrücklich ausgeführt, dass die Neufassung des § 2 KraftStG sachlich im Wesentlichen dem geltenden Recht entsprechen sollte und die ehedem in § 2 Nr. 1 KraftStG enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände in § 2 Nr. 4 KraftStG 1961 „übernommen“ werden sollten, soweit sie nicht § 2 Nr. 3 KraftStG 1961 zugewiesen worden sind. „Dass die Verwendungszwecke „zum Wegebau“ und „zur Straßenreinigung“ nunmehr in § 2 Nr. 3 KraftStG 1961 und damit getrennt vom Verwendungszweck „zur Krankenbeförderung“ geregelt wurden, lag lediglich darin begründet, dass in Nr. 3 der Vorschrift Fahrzeuge von Gebietskörperschaften zusammengefasst werden sollten, während die Nr. 4 auch Fahrzeuge privater Eigentümer umfasste. Die Aufzählung der Verwendungszwecke in § 2 Nr. 4 KraftStG 1961 entspricht derjenigen in § 3 Nr. 5 KraftStG in der aktuellen Fassung, mit Ausnahme des im Jahr 1964 zusätzlich eingefügten Verwendungszwecks „im Rettungsdienst“ (dazu sogleich).
33c. Ferner kann die Notwendigkeit eines „dringenden Soforteinsatzes“ für die Verwendung zur Krankenbeförderung auch nicht systematisch aus einer Gleichstellung der Krankenbeförderung mit dem in § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG genannten Verwendungszeck „im Rettungsdienst“ hergeleitet werden. Denn die Worte „im Rettungsdienst“ hinter den Worten „bei Unglücksfällen“ wurden erst mit dem Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 17.03.1964 (KraftStG 1964, BGBl I 1964, 145) eingefügt. Auch insoweit sind Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung den Verwendungszweck „zur Krankenbeförderung“ sachlich einschränken wollte, nicht ersichtlich. Nach Ansicht des erkennenden Senats bilden Krankenfahrten gegenüber dem Verwendungszweck „im Rettungsdienst“ nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zudem eine eigene Kategorie. Denn der Rettungsdienst umfasst gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer Nordrhein-Westfalen (Rettungsgesetz NRW) 1. die Notfallrettung, 2. den Krankentransport und 3. die Versorgung einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker bei außergewöhnlichen Schadensereignissen. Für die anderen Bundesländer gelten entsprechende Gesetze über die Regelung des Rettungsdienstes. Fahrten „im Rettungsdienst“ unterliegen damit besonderen Anforderungen. Will man dem Verwendungszweck „zur Krankenbeförderung“ – wie ursprünglich im KraftStG vorgesehen – einen eigenständigen sachlichen Anwendungsbereich einräumen, kann dies nur erreicht werden, wenn damit auch Fahrten erfasst werden, die nicht bereits unter Fahrten i.S. des Rettungsdienstes fallen. Anderenfalls würde die Alternative „zur Krankenbeförderung“ weitestgehend leer laufen.
34d. Schließlich lässt sich auch den Regelungen der KrTransp-RL nicht entnehmen, dass unter Fahrten „zur Krankenbeförderung“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG nur Fahrten zu verstehen sein sollen, die „dringende Soforteinsätze“ darstellen.
35aa. Die KrTransp-RL, die im Bundesanzeiger veröffentlicht ist und den Anwendungsbereich des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Verordnung von Krankentransporten) näher regelt, konkretisiert den Begriff der „Krankenbeförderung“. Soweit sie vom Beklagten als Auslegungshilfe herangezogen wird, um den Begriff der „Krankenbeförderung“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG auszulegen, kann sich dies nach Ansicht des erkennenden Senats jedoch nicht nur auf die Vorschriften der §§ 5 und 6 KrTransp-RL (betreffen Rettungsfahrten und Krankentransporte) beziehen; bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 3 Nr. 5 KraftStG sind dann vielmehr auch die Vorschriften des § 7 i.V.m. § 8 KrTransp-RL (betreffen Krankenfahrten) sowie § 4 KrTransp-RL einzubeziehen.
36bb. Aus § 4 KrTransp-RL, der mit „Auswahl des Beförderungsmittels“ überschrieben ist, ergeben sich die Mittel zur „Beförderung“ in Bezug auf die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransporten und Rettungsfahrten nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V für die Auswahl des Beförderungsmittels. § 4 KrTransp-RL verweist wiederum auf die §§ 5 bis 7 KrTransp-RL. „Beförderung“ ist insoweit der Oberbegriff für Rettungsfahrten (§ 5 KrTransp-RL), Krankentransporte (§ 6 KrTransp-RL) und Krankenfahrten (§ 7 KrTransp-RL). Krankenfahrten stellen demnach einen Unterfall der „Krankenbeförderung“ dar und sind nach § 7 Abs. 1 KrTransp-RL Fahrten, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwagen oder Taxen durchgeführt werden. Zu den Mietwagen zählen z.B. auch Wagen mit behindertengerechter Einrichtung zur Beförderung von Rollstuhlfahrern. Demnach setzt § 7 Abs. 1 KrTransp-RL in Bezug auf Krankenfahrten einen „dringenden Soforteinsatz“ nicht voraus.
372. Der erkennende Senat verkennt nicht, dass der Begriff der „Krankenbeförderung“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG als unbestimmter Rechtsbegriff dem Wortlaut nach weit gefasst werden kann. Gleichwohl ist eine unangemessene Ausdehnung der Steuerbefreiungsvorschrift auf eine Vielzahl von Fällen, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt wäre, nicht zu befürchten. Denn eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG für Fahrzeuge, die „zur Krankenbeförderung“ verwendet werden, unterliegt weiteren einschränkenden Voraussetzungen, die sich bereits aus dem Tatbestand der Vorschrift selbst ergeben. Insbesondere das Merkmal der „Ausschließlichkeit“ schränkt die Fälle, in denen eine Steuerbefreiung zu gewähren ist, deutlich ein. Dem Steuerpflichtigen obliegt es insoweit, eine „ausschließliche Verwendung“ seines Fahrzeugs zu den in § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG genannten Zwecken darzulegen und nachzuweisen.
38Ausschließlichkeit i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG bedeutet, dass jede – auch nur teilweise – zweckfremde Verwendung, z.B. vorliegend die Beförderung von nicht kranken Personen, schädlich ist und zur Versagung der Steuerbefreiung führt. Gemäß § 3 Nr. 5 Satz 2 KraftStG setzt eine Steuerbefreiung weiter voraus, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind. Sind die Fahrzeuge nicht äußerlich als für die genannten Zwecke bestimmt erkennbar, z.B. bei fehlenden Aufschriften, scheidet eine Steuerbefreiung ebenfalls aus. Ferner müssen nach Satz 3 der Vorschrift Fahrzeuge, die nicht für Gebietskörperschaften zugelassen sind – wie das der Klägerin – nach ihrer Bauart und Einrichtung den bezeichneten Verwendungszwecken angepasst sein.
393. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 KraftStG liegen im Streitfall vor.
40a. Das Fahrzeug der Klägerin wird nach Überzeugung des Gerichts ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet. Denn nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin wird das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX ausschließlich zur Beförderung von Personen verwendet, die derart gehbehindert sind, dass diese ein öffentliches Verkehrsmittel oder privates Fahrzeug ohne Hilfe durch Begleitpersonen und ohne medizinische Hilfemittel nicht benutzen können. Sämtliche Personen, die mit dem streitrelevanten Fahrzeug befördert werden, sind kranke Personen, die sich nur mit dem Rollstuhl fortbewegen können. Die Fahrten erfolgen ausschließlich unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung zu ärztlichen Behandlungen. Die Klägerin lässt sich die Kosten für die Fahrten von dem Krankenversicherungsträger jeweils erstatten. Diese Umstände sind zwischen den Beteiligten unstreitig und bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.
41Eine ärztliche Verordnung für Krankenfahrten zu ambulanten Behandlungen kann nur unter den Voraussetzungen des § 8 KrTransp-RL erteilt werden. Daher geht der Senat davon aus, dass die in der KrTransp-RL genannten Voraussetzungen bei Erteilung der ärztlichen Verordnungen bereits geprüft worden sind und im Streitzeitraum insoweit auch tatsächlich erfüllt waren. Dies reicht aus, um im Streitfall eine „ausschließliche Verwendung zur Krankenbeförderung“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG anzunehmen. Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KrTransp-RL ist die Verordnung einer Krankenfahrt mit einem Taxi oder Mietwagen unter den näher genannten Voraussetzungen nur bei Fahrten zu stationären Leistungen, zu einer vor- oder nachstationären Behandlung und bei Fahrten zu einer ambulanten Operation zulässig. Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung können in den nach § 8 KrTransp-RL näher aufgeführten Voraussetzungen nur ausnahmsweise verordnet werden. Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass solche Fahrten dem Verwendungszweck „zur Krankenbeförderung“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG entsprechen.
42b. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit ihrem Krankenfahrzeug auch gesunde Personen im Streitzeitraum befördert hat, für deren Transport eine Verordnung i.S. der KrTransp-RL nicht vorlag, haben sich nicht ergeben und sind vom Beklagten auch nicht behauptet worden.
43c. Schließlich ist das streitrelevante Fahrzeug auch äußerlich als für den Verwendungszweck „zur Krankenbeförderung“ bestimmt erkennbar und nach seiner Bauart und Einrichtung diesem Verwendungszweck angepasst. Denn das Fahrzeug ist mit „T Krankenfahrten“ äußerlich beschriftet und für Krankenfahrten im vorgenannten Sinne entsprechend ausgerüstet. Das Fahrzeug verfügt über eine Rollstuhlverladerampe und über drei Rasterschienen, mit denen ein Rollstuhl verankert werden kann.
44B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
45C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
46D. Die Revision wurde zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), und weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO).