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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin in den Streitjahren 2012 und 2013 zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma T versagt hat und ob die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch den Beklagten für Zwecke des Umsatzsteuerbescheides 2014 rechtmäßig ist.
3Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2012-2014 ein Trockenbaugewerbe, das sie bei der Stadt E angemeldet hatte.
4Für das Streitjahr 2012 erklärte die Klägerin in ihrer am 30.10.2014 abgegebenen Umsatzsteuererklärung Umsätze in folgender Höhe:
5Umsätze zu 19% |
71.394 € |
Unentgeltliche Wertabgaben |
2.001 € |
Abziehbare Vorsteuer |
10.868,94 € |
Umsatzsteuerschuld |
3.076,11 € |
Dieser Umsatzsteuererklärung stimmte der Beklagte zunächst zu.
7Für das Streitjahr 2013 schätzte der Beklagte die Umsätze der Klägerin wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung mit Bescheid vom 12.11.2014 zunächst auf 60.000 € und setzte die Umsatzsteuer auf 11.400 € fest (Bl. 40 der Umsatzsteuerakte).
8Am 20.01.2015 gab die Klägerin eine Umsatzsteuerjahreserklärung 2013 ab (Bl. 45 ff. der Umsatzsteuerakte) und am 26.03.2013 gab sie eine korrigierte Umsatzsteuerjahresklärung 2013 ab, in der sie Umsätze in folgender Höhe erklärte (Bl. 48 ff. der Umsatzsteuerakte):
9Umsätze zu 19% |
186.946 € |
Unentgeltliche Wertabgaben |
1.524 € |
Abziehbare Vorsteuer |
38.604,65 € |
Umsatzsteuerschuld |
-2.795,35 € |
Dieser Erklärung stimmte der Beklagte nicht zu.
11Aufgrund der Ergebnisse einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte für die Streitjahre 2012 und 2013 mit Datum vom 28.12.2015 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen er die Umsatzsteuer auf 7.842,08 € (2012, Bl. 37 ff. Umsatzsteuerakte) bzw. 25.607,78 € (2013, Bl. 53 ff. der Umsatzsteuerakte) festsetzte. Die durchgeführten Änderungen gegenüber den Steuererklärungen beruhten darauf, dass der Beklagte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma F T nicht anerkannte. Im Einzelnen wurden folgende Rechnungsbeträge nicht anerkannt (Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 20.11.2015, Bl. 77 der Gerichtsakte):
122012 |
Datum |
Saldo |
USt |
30.03.2012 |
4.201,68€ |
798,32€ |
|
30.06.2012 |
4.201,68€ |
798,32€ |
|
30.09.2012 |
6.722,69€ |
1.277,31€ |
|
31.12.2012 |
9.957,98€ |
1.892,02€ |
|
Summe |
25.084,03 € |
4.765,97 € |
2013 |
Datum |
Saldo |
USt |
30.04.2013 |
20.510,00€ |
3.896,90€ |
|
30.04.2013 |
14.640,00€ |
2.781,60€ |
|
27.05.2013 |
24.263,36€ |
4.610,04€ |
|
31.05.2013 |
8.403,36€ |
1.596,64€ |
|
30.11.2013 |
33690,00€ |
6.401,10€ |
|
30.12.2013 |
21.886,55€ |
4.158,45€ |
|
30.12.2013 |
3600,00€ |
684,00€ |
|
30.12.2013 |
22.500,00€ |
4.275,00€ |
|
Summe |
149.493,27 € |
28.403,73 € |
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen von der Rechnungsausstellerin nicht erbracht worden seien.
15Hiergegen legte die Klägerin am 28.01.2016 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf die Ausführungen ihres Anwalts zum Haftungsinanspruchnahmeverfahren wegen Lohnsteuer.
16Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2016 (Bl. 19 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ein Vorsteuerabzug könne nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Unternehmer tatsächlich Leistungen von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen empfangen habe. Hierfür obliege der Klägerin die Feststellungslast.
17Wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 2014 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen mit Umsatzsteuerbescheid vom 28.12.2015 (Bl. 64 der Gerichtsakte). Dabei ging der Beklagte von Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19% in Höhe von 100.000 € und Vorsteuern in Höhe von 5.000 € aus, so dass sich eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 14.000 € ergab.
18Hiergegen legte die Klägerin ohne Begründung am 28.01.2016 Einspruch ein.
19Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2016 (Bl. 17 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nach nochmaliger Prüfung des Akteninhalts sei die durchgeführte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht zu beanstanden.
20Mit ihrer am 02.06.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012-2014 gerichtlich weiter. Zur Begründung verweist sie auf das der Klage beigefügte Einspruchsschreiben ihres Rechtsanwalts im Strafverfahren vom 11.01.2016 (Bl. 52 ff. der Gerichtsakte). Nach diesem Schreiben soll das Geschäftsmodell der Klägerin in den Jahren 2012 und 2013 so ausgesehen haben, dass Bauherren an die Klägerin herangetreten seien und diese um die Vermittlung von Handwerksfirmen aus Polen gebeten hätten. Die Klägerin habe die Bauaufträge an Frau F T, eine Freundin ihres ehemaligen Lebensgefährten Q, vermittelt. Es habe die Absprache bestanden, dass Frau T die Bauaufträge an Subunternehmer weitervermittelt und die entsprechende Buchführung durchführt. Frau T habe dann polnische Handwerksunternehmen mit der Durchführung der von der Klägerin vermittelten Bauaufträge beauftragt. Die polnischen Handwerksunternehmer hätten die durchgeführten Arbeiten der Frau T in Rechnung gestellt. Die Abrechnung zwischen der Klägerin und Frau T sei vierteljährlich erfolgt. Frau T habe aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen meist Barzahlungen erbeten, da der Gang zur Bank für sie eine erhebliche Belastung dargestellt hätte. Nach dem Tod der Frau T im Jahr 2014 habe sich die Tätigkeit der Klägerin dahingehend geändert, dass sie die Handwerksleistungen als Subunternehmer nunmehr direkt an die Bauherren vermittelt habe.
21Die Klägerin beantragt,
22unter Aufhebung der Umsatzsteueränderungsbescheide 2012 bis 2014, jeweils vom 28.12.2015 und in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 17.05.2016, die Umsatzsteuer dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2012 auf 3.076,11 €, die Umsatzsteuer 2013 auf ./. 2.795,35 € und die Umsatzsteuer 2014 nach Maßgabe der vorliegenden Einnahmenüberschussrechnung (Einnahmen in Höhe von brutto 16.900 €) festgesetzt wird.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidungen. Die Klägerin habe auch im Klageverfahren keine Umsatzsteuererklärung 2014 abgegeben.
26Mit Beschluss vom 10.10.2018 hat der Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Klägerin hat am 31.1.2019 die Prozessbevollmächtigten beauftragt (Vollmacht, Bl. 322 der Gerichtsakte). Diese haben am 04.11.2019 Akteneinsicht genommen (Bl. 321 der Gerichtsakte).
27Mit Schreiben vom 27.09.2019 hatte der Berichterstatter der Klägerin Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 79b Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 07.11.2019 gesetzt.
28Die Klägerin hat innerhalb der gesetzten Fristen keine Angaben gemacht.
29In der Sache hat am 05.12.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Es wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31Die Klage hat keinen Erfolg.
32I. Die Klage ist in Bezug auf die Umsatzsteuerfestsetzung 2014 bereits unzulässig.
33Die Klägerin hat den Gegenstand des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist dargelegt. Für das Streitjahr 2014 hat die Klägerin innerhalb der gesetzten Frist nicht dargelegt, inwieweit sie die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen anfechten möchte. Eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 hat die Klägerin auch innerhalb der gesetzten Ausschlussfristen nicht abgegeben. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Versäumnis der Ausschlussfrist wegen mangelnder Sprachkenntnisse der Klägerin unverschuldet sein sollte, so hätte sie – nachdem sich ihr Prozessbevollmächtigter bestellt und am 04.11.2019 Akteneinsicht genommen hat – innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gem. § 56 Abs. 2 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Rechtshandlung, die Darlegung des Gegenstandes des Klagebegehrens, nachholen müssen. Dies hat die Klägerin jedoch nicht innerhalb der Frist getan. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt, warum sie auf die vom Gericht gesetzten Ausschlussfristen nicht reagiert hat.
34II. Die Klage ist jedenfalls aber hinsichtlich aller Streitjahre unbegründet.
35Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2014 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
361. Der Beklagte hat der Klägerin zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma F T in den Streitjahren 2012 und 2013 versagt.
37Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 (MwStSystRL).
38Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei in formaler Hinsicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Auch das Unionsrecht verlangt als formelle Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts gem. Art. 178 a) MwStSystRL eine im Einklang mit Art. 226 MwStSystRL ausgestellte Rechnung (EUGH, Urt. vom 15.09.2016 – C-516/14 „Barlis 06“, HFR 2016, 1031 Rdn. 41).
39In materieller Hinsicht setzt das Recht zum Vorsteuerabzug voraus, dass die Lieferung des betreffenden Gegenstands oder die betreffende Dienstleistung tatsächlich bewirkt wird. Umgekehrt kann kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen, wenn die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung tatsächlich nicht bewirkt wurde (EuGH, Urt. vom 27.06.2018 – C-459/17 und C-460/17 „CGI“, BFH/NV 2018, 1070 Rdn. 35, 36).
40Der Vorsteuerabzug ist aus materiellen Gründen auch dann zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Urt. vom 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 „Mahageben und David“, HFR 2012, 917 Rdn. 45; EuGH, Urt. vom 06.12.2012 – C-285/11 „Bonik“, HFR 2013, 192, Rdn. 40; BFH, Urt. vom 12.08.2009 – XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; BFH, Urt. vom 19.05.2010 – XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132).
41Grundsätzlich trägt der Steuerpflichtige, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs (EUGH, Urt. vom 15.09.2016 – C-516/14 „Barlis 06“, HFR 2016, 1031 Rdn. 46; EuGH, Urt. vom 18.07.2013 – C-78/12 „Evita-K.“, HFR 2013, 857 Rdn. 37; BFH, Beschluss vom 03.02.2016 – V B 35/15, BFH/NV 2016, 794).
42Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH obliegt es zwar den zuständigen Steuerbehörden, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen (EuGH, Urt. vom 06.12.2012 – C-285/11 „Bonik“, HFR 2013, 192, Rdn. 43; EuGH, Urt. vom 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 „Mahageben und David“, HFR 2012, 917 Rdn. 49). Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder eine Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer zwar nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen (EuGH, Urt. vom 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 „Mahageben und David“, HFR 2012, 917 Rdn. 60). Die Steuerverwaltung kann jedoch von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorgelagerten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen oder entsprechende Unterlagen vorzulegen (EuGH, Urt. vom 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 „Mahageben und David“, HFR 2012, 917 Rdn. 61). Es ist nämlich grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung begangen hat, Sanktionen zu verhängen (EuGH, Urt. vom 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 „Mahageben und David“, HFR 2012, 917 Rdn. 62).
43Diese Rechtsprechung ändert jedoch nichts daran, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Steuerpflichtige die Feststellungslast dafür trägt, dass Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (FG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2014 – 1 V 3235/13, juris; Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rdn. 148). Zudem trägt der Steuerpflichtige auch dafür die Beweislast, dass keine Scheinlleistungen vorliegen, sondern tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge (vgl. hierzu Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rdn. 144, 148). Nur dann, wenn die in Rede stehenden Lieferungen von Gegenständen tatsächlich bewirkt und die Gegenstände vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet worden sind, kann das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht versagt werden (EuGH, Urt. vom 27.06.2018 – C-459/17 und C-460/17 „CGI“, BFH/NV 2018, 1070 Rdn. 38 ff.; EUGH EuGH, Urt. vom 06.12.2012 – C-285/11 „Bonik“, HFR 2013, 192 Rdn. 33; BFH, Beschluss vom 26.02.2014 – V S 1/14 (PKH), BFH/NV 2014, 917; BFH, Beschluss vom 08.07.2015 – XI B 5/15, BFH/NV 2015, 1444; Rothenberger, UStB 2014, 227, 228).
44Nach diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, hat die Klägerin im Streitfall nicht den ihr obliegenden Nachweis erbracht, dass die Firma F T die in Rechnung gestellten Leistungen auch tatsächlich erbracht hat. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die Subunternehmer nicht von Frau T an die Klägerin überlassen worden sind, sondern direkt für die Klägerin tätig geworden sind.
45Eine Anfrage des Beklagten beim für die Besteuerung der Frau T zuständigen Finanzamt P hat ergeben, dass Frau T für die Jahre 2012 und 2013 keine Steuererklärungen eingereicht hat und keine Erkenntnisse über von Frau T beschäftigte Arbeitnehmer vorliegen (Schreiben des Finanzamts P vom 10.12.2015, Bl. 136 der Gerichtsakte). Frau F T war – wie die Klägerin selbst durch ihren Anwalt im Strafverfahren vorgetragen hat – bereits in den Streitjahren schwer krank. Dieser Vortrag ist glaubhaft, da Frau T im Jahr 2014 (00.00.2014) verstorben ist (Bl. 57 der Gerichtsakte). Frau T konnte die Arbeiten daher nicht selbst durchführen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen, dass Frau T im Rollstuhl gesessen habe.
46Nach dem Vortrag der Klägerin soll Frau T polnische Handwerksunternehmen mit der Durchführung der von der Klägerin vermittelten Bauaufträge beauftragt haben. Die polnischen Handwerksunternehmer hätten die durchgeführten Arbeiten der Frau T in Rechnung gestellt. Erst nach dem Tod der Frau T seien die Subunternehmer direkt von der Klägerin an die Bauherren vermittelt worden.
47Dieser Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei den Rechnungen um Scheinrechnungen zur Abdeckung von Schwarz(lohn)zahlungen für die auf den Baustellen der Klägerin tätigen Personen handelt.
48Aus den Rechnungen der Firma T (Bl. 125 ff. der Gerichtsakte) geht – mit Ausnahme einer einzelnen Rechnung vom 30.12.2013 (Bl. 128 der Gerichtsakte) – schon nicht hervor, welche von der Firma T vermittelten Subunternehmer für die Klägerin tätig gewesen sein sollen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche Subunternehmervermittlung den Rechnungen der Firma T im Einzelnen zugrunde gelegen haben soll.
49Nach der Rechnung vor 30.12.2013 hat die Firma T die Handwerker X1, X2, X3, X4 und X5 an die Klägerin vermittelt.
50Der in der Rechnung vom 30.12.2013 als angeblich von Frau T als Subunternehmer vermittelte Herr X3 hat bei seiner Zeugenvernehmung am 29.04.2015 (Bl. 188 ff. der Gerichtsakte) jedoch ausgesagt, dass er Aufträge nur von Herrn Q, dem Lebensgefährten der Klägerin, erhalten habe. Sein Gewerbe sei nur genutzt worden, um Rechnungen zu schreiben. Dieser Vortrag steht im Einklang mit den von Herrn X3 vorgelegten Rechnungen an das von der Klägerin betriebene Dienstleistungsunternehmen (Bl. 191 ff. der Gerichtsakte). Diese betreffen insbesondere die Baustelle des Herrn K im Jahr 2013 (Bl. 191-194 der Gerichtsakte). Auch die Rechnung der Firma T vom 30.12.2013 betrifft den Kunden K und führt ebenfalls Herrn X3 als vermittelten Handwerker auf. Es ist jedoch nicht plausibel, dass Herr X3 zugleich als von Frau T vermittelter Handwerker und als direkt für die Klägerin tätiger Handwerker im gleichen Jahr und für den gleichen Bauherrn tätig gewesen sein soll.
51Auch die weiteren in der Rechnung vom 30.12.2013 genannten Herren X1 und X2 sowie Herr X5 haben nach Aussage des Herrn X3 für Herrn Q gearbeitet (Bl. 189 der Gerichtsakte).
52Ebenso haben Herr X5 (Bl. 209 der Gerichtsakte) und Herr X1 (Bl. 210 der Gerichtsakte) bereits im Jahr 2012 und nicht – wie von der Klägerin behauptet – erst nach dem Tod der Frau T in 2014 ihre Rechnungen – u.a. für die Baustelle K in C – direkt an die Klägerin und nicht an Frau T gerichtet. Zudem hat die Klägerin der Firma X2 direkt einen Trockenbauauftrag ab dem 08.04.2013 erteilt (Bl. 283 ff. der Gerichtsakte).
53Der Umstand, dass die Herren X2 und X1 nach Aussage des Herr X3 das Gewerbe in E angemeldet haben (Bl. 189 der Gerichtsakte), spricht ebenfalls gegen eine Vermittlung durch die Firma T, die in I ansässig war, sondern für eine direkte Beauftragung durch das in E ansässige Unternehmen der Klägerin.
54Auch Herr Y M hat ausgesagt, dass er seinen Lohn von Herrn Q und Frau L in bar gegen Quittung erhalten habe (Zeugenvernehmung M vom 18.08.2015, Bl. 172 der Gerichtsakte). Nach der Aussage des Herrn M habe er später auch mit einer Frau T telefoniert und sei davon ausgegangen, dass diese eine Auftraggeberin von Herrn Q sei (Zeugenvernehmung M vom 18.08.2015, Bl. 172 der Gerichtsakte). Dies spricht ebenfalls gegen die Aussage der Klägerin, dass Frau T ihr Subunternehmer vermittelt habe.
55Gegen die Vermittlung der Arbeiter durch Frau T spricht ferner die Aussage der ehemaligen Lebensgefährtin des Herrn Q, Frau L N. Diese hat ausgesagt, dass Herr Q im Internet nach Arbeitskräften gesucht habe und sich dann Herr X5 gemeldet habe, der die anderen Handwerker weiterempfohlen habe (Bl. 187 der Gerichtsakte). Auch wenn möglicherweise persönliche Differenzen zwischen Frau N und Herrn Q bestehen, ist ihre Aussage in diesem Detailpunkt glaubhaft, da die Art der Kontaktaufnahme zwar für den Streitfall, nicht aber für eine mögliche Strafbarkeit der Herrn Q relevant ist.
56Die Frage, ob die in der Rechnung vom 30.12.2013 genannten und weitere Personen Arbeitnehmer der Klägerin bzw. des Herrn Q gewesen sind oder von der Klägerin bzw. Herrn Q als selbständig tätige Subunternehmer beauftragt worden sind, kann im Streitfall dahinstehen. Denn jedenfalls ist der Senat aufgrund der Gesamtumstände davon überzeugt, dass die Arbeitsleistungen der Handwerker nicht von Frau T an die Klägerin vermittelt worden sind.
57Ebenso kann die von der Klägerin unter Beweis gestellte Frage, ob der Zeuge Q Barzahlungen an Frau T geleistet hat, dahinstehen, da diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Denn Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist nicht die Zahlung von Geldbeträgen, sondern die Erbringung von Eingangsleistungen. Aus den vorgenannten Gründen ist der Senat jedoch der Überzeugung, dass die Firma T keine Eingangsleistungen für das Unternehmen der Klägerin erbracht hat.
582. Hinsichtlich der Zurechnung der Umsätze an die Klägerin besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Klägerin hat die Umsätze auch als eigene erklärt.
59Leistender kann zudem auch ein „Strohmann“ sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr als sog. Strohmann im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. Hintermann), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der „Strohmann“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem „Strohmann“ auch solche Leistungen zuzurechnen, die der „Hintermann“ berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat (BFH, Urt. vom 10.11.2010 – XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867, Rdn. 17; BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622, Rdn. 21). Unbeachtlich ist das Strohmanngeschäft als sog. „vorgeschobenes“ Strohmanngeschäft nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h., wenn die Vertragsparteien, der Strohmann und der Leistungsempfänger, einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann“ eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (BFH, Urt. vom 10.11.2010 – XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867, Rdn. 19; BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622, Rdn. 22).
60Selbst wenn man von einer Strohmanneigenschaft der Klägerin (und Herrn Q als Hintermann) ausgehen sollte, so liegt jedenfalls kein Scheingeschäft vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auftraggeber der Klägerin (die jeweiligen Bauherren) wussten, dass die Klägerin keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen wollte und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern wollte. Die Klägerin hat auch für die Streitjahre 2012 und 2013 Umsatzsteuererklärungen abgegeben.
613. Der Beklagte hat zudem dem Grunde und der Höhe nach zu Recht die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 2014 im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festgesetzt.
62a) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie gem. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Dabei sind gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Insbesondere ist eine Schätzung dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgibt und dadurch die sich aus § 149 Abs. 1 AO ergebende Steuererklärungspflicht verletzt (BFH, Urt. vom 20.10.1993 – II R 59/91, BFH/NV 1994, 176; Cöster, in: Koenig, AO, § 162 Rdn. 53). Umsatzsteuerrechtlich ist ein Steuerpflichtiger zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen gemäß § 22 UStG, §§ 63 bis 68 UStDV verpflichtet (BFH, Urt. vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219 m.w.N.).
63Im Streitfall hat die Klägerin keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 abgegeben und keine Aufzeichnungen nach § 22 UStG, §§ 63 bis 68 UStDV vorgelegt, so dass der Beklagte dem Grunde nach zur Schätzung befugt war. Insbesondere ersetzen die von der Klägerin vorgelegte Einkommensteuererklärung (Bl. 89 ff der Gerichtsakte) und die Einnahmenüberschussrechnung (Bl. 93 der Gerichtsakte) für das Jahr 2014 nicht die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung sowie Aufzeichnungen nach § 22 UStG, §§ 63 bis 68 UStDV.
64b) Auch der Höhe nach ist die Schätzung nicht zu beanstanden.
65Gibt der Steuerpflichtige keine Steuererklärung ab, so kann der Vorjahresvergleich als grobe Schätzungsmethode angewendet werden. Nach dem Vorjahresvergleich werden die Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der entsprechenden Angaben des Steuerpflichtigen für vorangegangene Veranlagungszeiträume ermittelt und ggf. durch Unsicherheitszuschläge und –abschläge an die veränderten Verhältnisse des zu schätzenden Besteuerungszeitraums angepasst. Der Vorjahresvergleich beruht auf der Annahme, dass die Steuererklärungen des Steuerpflichtigen, die dieser in den Vorjahren abgegeben hat, richtig und vollständig sind und die Lebenssachverhalte regelmäßig über einen Veranlagungszeitraum hinaus Bestand haben (Cöster, in: Koenig, AO, § 162 Rdn. 104; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 162 Rdn. 54).
66Die in der Schätzung festgesetzte Umsatzsteuer 2014 in Höhe von 14.000 € liegt deutlich unterhalb des vom Beklagten – nach den Ausführungen unter Ziffer 1. zu Recht – festgesetzten Vorjahreswertes (25.607,78 €). Die Schätzung des Beklagten ist daher auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.