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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob das Halten des Fahrzeugs der Klägerin nach § 3 Nr. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) steuerbefreit ist.
3Die Klägerin ist Halterin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ZZ AA 001. Es handelt sich um ein Mehrzweckfahrzeug der Marke X, das am 01.08.2016 erstmals zum Verkehr zugelassen wurde. Das Fahrzeug verfügt über neun mögliche Sitzplätze einschließlich Fahrersitz und ist mit einer Rollstuhlverladerampe ausgestattet. Bei Nutzung des Rollstuhlplatzes sind nur drei bis sechs Sitzplätze nutzbar. Weiter sind im Fahrzeug drei Rasterschienen quer zur Fahrtrichtung zur Verankerung eines Rollstuhls installiert. Auf dem weißen Fahrzeug steht in großen Buchstaben „AALH Krankenfahrten“ sowie die Telefonnummer des Unternehmens der Klägerin. Das Unternehmen der Klägerin, das unter „AALH-Krankenfahrten“ firmiert, hat Personenbeförderungen zum Gegenstand. Hierzu wird u.a. das streitrelevante Fahrzeug verwendet. Daneben ist die Klägerin Halterin weiterer Fahrzeuge.
4Ausweislich der von der Klägerin für die Zeit von August 2016 bis 31.12.2018 vorgelegten ärztlichen Verordnungen bezüglich der abgerechneten Krankenbeförderungen können folgende Gründe für die Beförderung von Personen vorliegen: voll-/teilstationäre Krankenhausbehandlung, vor-/nachstationäre Behandlung, ambulante Operationen, Vor- und Nachbehandlung ambulanter Operationen und genehmigungspflichtige Fahrten zu ambulanten Behandlungen. Unter den genehmigungspflichtigen Fahrten zu ambulanten Behandlungen werden folgende Gründe ausdrücklich aufgeführt: hochfrequente Behandlung (Dialyse, onkologische Chemo- oder Strahlentherapie) und dauerhafte Mobilitätsbeeinträchtigung (Merkzeichen „aG“, „Bl“, „H“, Pflegestufe 2 bzw. 3 sowie vergleichbarer Grund).
5Die Klägerin hat eine Vielzahl von ärztlichen Verordnungen, die in der Zeit von August 2016 bis Dezember 2018 ausgestellt wurden, in sechs Ordnern in Kopien dem Gericht vorgelegt. Darüber hinaus hat die Klägerin Listen über die durchgeführten Fahrten in der Zeit von August 2016 bis Dezember 2018 zur Verfügung gestellt. Die Ordner mit den Unterlagen sind dem Beklagten zur Einsichtnahme übersandt worden. Der Beklagte hat hierzu mit Schreiben vom 02.10.2019 Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der überreichten Unterlagen und Nachweise Bezug genommen.
6Aus den vorgelegten Listen über die durchgeführten Fahrten ergibt sich, dass die Klägerin in der Zeit von August 2016 bis Dezember 2018 den Mitarbeiter des Hauptzollamtes Herrn E im Jahr 2016 insgesamt 29-mal, im Jahr 2017 insgesamt 42-mal und im Jahr 2018 insgesamt 50-mal zur seiner Tätigkeitsstätte im Hauptzollamt bzw. zu seiner Wohnung in der A-Straße 1 in T beförderte. Herr E verfügt über einen eigenen Rollstuhl. Nach dem Vortrag der Klägerin standen diese Fahrten nicht im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung. Vielmehr sei es Herrn E nach seiner Konstitution nicht möglich gewesen, ein Taxiunternehmen mit der Beförderung zu beauftragen, da im Raum T keine Taxen mit geeigneten Vorrichtungen vorhanden seien. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Listen mit den durchgeführten einzelnen Fahrten wurde Herr E als Einzelperson befördert.
7Im genannten Zeitraum (August 2016 bis Dezember 2018) führte die Klägerin montags bis samstags regelmäßig zwischen drei und elf Fahrten pro Tag mit dem streitrelevanten Fahrzeug durch, wobei pro Fahrt bis zu sechs Personen gleichzeitig befördert wurden. Die Klägerin beförderte teilweise Einzelpersonen, führte aber auch vormittags Sammeltransporte zur Geriatrie Krankenhaus 1 durch, bei denen regelmäßig vier bis fünf Personen gleichzeitig befördert wurden. Nachmittags wurden regelmäßig mehrere Personen gesammelt von der Geriatrie Krankenhaus 1 zu verschiedenen Zielen befördert.
8Die Klägerin beantragte für das streitrelevante Fahrzeug die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG. Der Antrag blieb erfolglos. Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 setzte der Beklagte Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ZZ AA 001 für die Zeit ab 01.08.2016 in Höhe von jährlich X € fest.
9Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und trug vor, dass die Patienten, die täglich mit dem Fahrzeug transportiert würden, körperlich, seelisch oder geistig behindert und sturzgefährdet seien. Alle Fahrzeuge der Firma AALH-Krankenfahrten seien dementsprechend behindertengerecht ausgebaut und vom Rettungsdienst der Stadt T geprüft und abgenommen worden. Auch für die Feuerwehr und andere vergleichbare Organisationen würden entsprechende Krankenbeförderungen durchgeführt. Es handele sich nicht um Fahrdienstleistungen i. S. von Taxiunternehmen. Im streitrelevanten Fahrzeug würden behinderte Patienten sitzend bzw. liegend transportiert. Die Patienten benötigten keine ärztliche oder fachliche Betreuung bei der Fahrt. Es seien jedoch bei jeder Fahrt zwei Personen zur Beaufsichtigung der Patienten und ggf. für Hilfeleistungen anwesend.
10Mit Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück und begründete seine Entscheidung wie folgt: Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG setze voraus, dass das Fahrzeug ausschließlich zu dringenden Soforteinsätzen verwendet werde. Es müsse sich um Soforteinsätze handeln, durch die akuten Notständen, in denen unmittelbar Gefahr für Leib oder Leben bestehe, begegnet werde. Darunter fielen insbesondere Notfallrettungen und Krankentransporte unter fachgerechter Betreuung nach den Vorschriften für die Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor. Denn die Klägerin verwende das Fahrzeug für Fahrten kranker Menschen nach ärztlicher Verordnung im funktionalen Sinne eines Taxis. Das Fahrzeug sei weder für Notfälle ausgestattet, noch fahre geschultes Personal zur Betreuung der zu befördernden Person mit. Hierfür spreche auch die Genehmigungsurkunde der Stadt T.
11Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr außergerichtliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, dass die beförderten Patienten zwar keine intensivmedizinische Betreuung benötigten, jedoch auf geschultes Personal und die speziellen Fahrzeuge angewiesen seien. Die Patienten könnten nicht eigenständig in ein Fahrzeug einsteigen. Die Klägerin sei deshalb auch im Rettungsdienstplan der Feuerwehr vertreten, um im Katastrophenfall für die Feuerwehr einsetzbar zu sein. Das streitrelevante Fahrzeug werde ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet. Das Fahrzeug sei auch äußerlich entsprechend gekennzeichnet. Die Patienten würden ausschließlich in einer Trage oder in einem Tragestuhl bzw. mit einem Rollstuhl transportiert und könnten nicht auf ein normales Taxi zurückgreifen. Mit den Fahrzeugen der Klägerin würden beispielsweise nierenkranke Patienten zu Dialyse-Terminen gebracht. Auch andere Arztbesuche für kranke Menschen, die ohne Hilfe nicht zu ihrem Hausarzt fahren könnten, biete die Klägerin an.
12Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Krankenbeförderung i.S. des § 3 Nr. 5 KraftStG einen dringenden Soforteinsatz nicht erfordere. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seiner Entscheidung vom 13.09.2018 (Aktenzeichen III R 10/18) ausdrücklich klargestellt, dass ein solcher Soforteinsatz nicht Voraussetzung für eine Steuerbefreiung sei.
13Weiter betont die Klägerin, dass alle Krankenfahrten nur aufgrund von Verordnungen der Ärzte der Patienten durchgeführt würden. Die jeweilige Krankenkasse übernehme dann für die Versicherten die Kosten für diese Fahrten, die insbesondere liegend oder sitzend erfolgten, je nach Gesundheitszustand des beförderten Patienten. Ohne eine solche Verordnung würde die Klägerin keine Fahrten übernehmen. Vertragspartner seien auch Krankenhäuser, die Feuerwehr und die Johanniter. Die Klägerin verweist insoweit auf die Vielzahl an ärztlichen Verordnungen und Nachweise, die sie in Kopie dem Gericht vorgelegt hat. Auf den Inhalt der Verordnungen wird Bezug genommen.
14Hinsichtlich der Fahrten mit Herrn E trägt die Klägerin vor, dass Herr E ausschließlich mit dem streitrelevanten Fahrzeug befördert worden sei. Die Kosten der Fahrten seien durch die Rentenversicherung erstattet worden. Diese singuläre schädliche Verwendung des streitrelevanten Fahrzeugs stehe wegen des geringen Umfangs einer Steuerbefreiung nicht entgegen.
15Die Klägerin beantragt,
16den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 aufzuheben,
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen,
19Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass eine Steuerbefreiung für das Fahrzeug der Klägerin nicht in Betracht komme. Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend macht er geltend, dass von einer „gewissen Dringlichkeit“ nicht mehr gesprochen werden könne, wenn zwischen dem Ausstellungsdatum der ärztlichen Verordnung und dem Tag der ausgeführten Fahrt mehrere Arbeitstage oder Wochen vergangen seien. Im Streitfall sei dies nach stichprobenmäßiger Prüfung der vorgelegten Unterlagen bei einer Vielzahl von Fahrten der Fall. Auf die Auflistung des Beklagten in seinem Schreiben vom 02.10.2019 wird verwiesen.
20Weiter rügt der Beklagte, dass die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug den Mitarbeiter des Hauptzollamtes, Herrn E, zwischen Wohnung und Arbeitsstätte regelmäßig befördert habe. Der Mitarbeiter sei zwar auf einen Rollstuhl angewiesen, jedoch nicht krank im Sinne der Rechtsprechung des BFH gewesen. In dieser regelmäßigen Beförderung sei eine schädliche Verwendung des Fahrzeugs zu sehen, so dass bereits aus diesem Grund eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG ausscheide.
21Der Senat hat in der Sache zunächst durch Urteil am 25.01.2018 unter dem Aktenzeichen 6 K 159/17 Kfz entschieden und der Klage stattgegeben. Gegen das Urteil ist die Revision zugelassen worden. Auf die Revision des Beklagten hat der BFH mit Urteil vom 13.09.2018 unter dem Aktenzeichen III R 10/18 das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25.01.2018 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der BFH-Entscheidung vom 13.09.2018 Bezug genommen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24A. Der Senat entscheidet durch Gerichtsbescheid nach § 90a Abs. 1 (Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Beteiligten sind zuvor angehört worden.
25B. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
26Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
27Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ZZ AA 001.
28I. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt der Kraftfahrzeugsteuer das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist nach § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG u.a. das Halten von Fahrzeugen, solange sie ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist nach § 3 Nr. 5 Satz 2 KraftStG weiterhin, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind und dass sie, sofern sie nicht für eine der in § 3 Nr. 5 Satz 3 KraftStG aufgeführten Körperschaften zugelassen sind, nach ihrer Bauart und Einrichtung dem Verwendungszweck angepasst sind.
29Die Krankenbeförderung setzt bereits begrifflich voraus, dass kranke Menschen befördert werden (BFH-Urteile vom 13.09.2018 III R 10/18, BFHE 262, 532, BFH/NV 2019, 352, und vom 10.06.2019 III R 47/18, BFHE 265, 466, BFH/NV 2019, 1448; Urteil des Finanzgericht –FG– Berlin-Brandenburg vom 26.09.2019 8 K 8023/18, EFG 2019, 1917; vgl. Hessisches FG, Urteil vom 26.10.1971 V 31/70, EFG 1972, 145).
301. Der Begriff der Krankheit ist im Gesetz nicht definiert, da sein Inhalt ständigen Änderungen unterliegt und der Begriff im jeweiligen Rechtszusammenhang und individuellem Fall gebraucht wird. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Krankheit ein „anomaler körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand ist, der nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf“ (BFH in BFHE 262, 532, BFH/NV 2019, 352, und in BFHE 265, 466, BFH/NV 2019, 1448, BFH-Urteile vom 28.07.2005 III R 30/03, BFHE 210, 355, BStBl II 2006, 495, Rz 25, und vom 18.06.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, Rz 9, jeweils zu § 33 des Einkommensteuergesetzes; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.09.2015 B 3 KR 14/14 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 48, Rz 29, m.w.N.). Dieser Krankheitsbegriff gilt auch für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer. Der Begriff der Behinderung (vgl. § 2 Abs. 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch) ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff der Krankheit.
312. Die Behandlungsbedürftigkeit impliziert eine gewisse Dringlichkeit der Beförderung, wie sie auch den übrigen Merkmalen des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG (Feuerwehrdienst, Katastrophenschutz, ziviler Luftschutz, Unglücksfälle, Rettungsdienst) immanent ist. Diese Auslegung entspricht auch den Grundsätzen der Urteile des BFH vom 22.08.1989 VII R 9/87 (BFHE 158, 132, BStBl II 1989, 936, Rz 6). Das Gesetz verlangt jedoch keinen dringenden Soforteinsatz. Vielmehr müssen die beförderten Personen behandlungsbedürftig sein und die Beförderung muss mit der Behandlung im Zusammenhang stehen (BFH in BFHE 262, 532, BFH/NV 2019, 352, und in BFHE 265, 466, BFH/NV 2019, 1448). Behandlungsbedürftigkeit i.S. des sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriffs liegt vor, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen über eine bestimmte Bandbreite individueller Verschiedenheit hinaus in solchem Maße eingeschränkt sind, dass ihre vollständige oder doch teilweise Wiederherstellung ohne ärztliche Hilfe nicht erreichbar erscheint (FG Berlin-Brandenburg in EFG 2019, 1917). Die ärztliche Behandlung muss demnach erforderlich sein, um die Gesundheitsstörung zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (FG Berlin-Brandenburg in EFG 2019, 1917; Lang in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 27 Rn. 31; Steege in Hauck/Noftz, SGB V, § 27 Rn. 49). Der erkennende Senat schließt sich diesem Begriffsverständnis an.
32II. Überträgt man diese Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG nicht erfüllt.
331. Das streitrelevante Fahrzeug der Klägerin wird nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet.
34a. Zwar werden mit dem Fahrzeug der Klägerin ganz überwiegend kranke Personen jeweils zum Zweck einer bestimmten medizinischen Behandlung befördert. Diese Fahrten stehen auch mit der Krankheit der Personen im Zusammenhang. Denn die kranken Personen werden jeweils nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung befördert. Ausweislich der in die Abrechnungszeiträume August 2016 bis Dezember 2018 fallenden vorgelegten ärztlichen Verordnungen – die aufgrund des Umfangs eine Übertragung deren Inhalts auf den gesamten Streitzeitraum zulassen – stehen die auf Grundlage dieser Bescheinigungen durchgeführten Beförderungen im Zusammenhang mit einer voll- bzw. teilstationären Krankenhausbehandlung, einer vor- bzw. nachstationären Behandlung, zu ambulanten Behandlungen wie z.B. zur Dialyse, Chemotherapie, Strahlentherapie oder zu einer vergleichbaren ärztlichen Behandlung der beförderten Person. Diese Gründe implizieren zum einen, dass sich die beförderten Personen in einem „anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand befinden, der nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf“. Zweck der Beförderung ist die Ermöglichung einer solchen notwendigen ärztlichen Behandlung. Zum anderen implizieren die genannten Gründe eine gewisse Dringlichkeit der Beförderung, weil nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Krankheitszustand der Personen ohne Behandlung nicht verbessert oder ohne Behandlung sogar verschlimmert. Die Erteilung einer ärztlichen Verordnung ist in jedem Einzelfall nur bei Vorliegen eines in der Verordnung jeweils aufgeführten Grundes möglich.
35Eine ärztliche Verordnung kann zwar über die oben genannten Gründe hinaus auch dann erteilt werden, wenn die beförderte Person dauerhaft in der Mobilität beeinträchtigt ist (Markzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ oder Pflegestufe 2 bzw. 3) oder in vergleichbarer Weise in der Mobilität beeinträchtigt ist und für mindestens sechs Monate behandelt werden muss. Jedoch ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Verordnungen, dass auch diese Personen, die solche Merkmale aufweisen, ebenfalls zu „ambulanten Behandlungen“ befördert wurden. Hieraus schließt der erkennende Senat, dass die auf der Grundlage der ärztlichen Verordnungen beförderten Personen nicht nur die oben genannten Merkmale einer Mobilitätsbeeinträchtigung aufweisen, sondern darüber hinaus auch behandlungsbedürftig i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG sind.
36b. Jedoch hat die Klägerin im Streitzeitraum darüber hinaus auch einen Mitarbeiter des Hauptzollamtes regelmäßig befördert, ohne dass diese Beförderungen mit einer ärztlichen Behandlung im Zusammenhang standen.
37Denn ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Listen über die durchgeführten Fahrten mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ZZ AA 001 wurde der Mitarbeiter „Herr E“ in der Zeit von August 2016 bis Dezember 2018 insgesamt 121-mal vom Wohnort A-Straße 1 in T zum Hauptzollamt, B-Straße 2 in T bzw. vom Hauptzollamt zum Wohnort befördert. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass Herr E über einen eigenen Rollstuhl verfügt, den die Klägerin mittransportiert. Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass es sich beim Hauptzollamt um die Tätigkeitsstätte des Herrn E handelt. Die Klägerin beförderte Herrn E ausweislich der dem Gericht vorliegenden Fahrtlisten als Einzelperson.
382. Soweit die Klägerin Herrn E als Rollstuhlfahrer von seiner Wohnung zu seiner Tätigkeitsstätte beim Hauptzollamt oder zurück befördert hat, liegt jeweils eine schädliche Verwendung des streitrelevanten Fahrzeugs vor, welche die begehrte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG ausschließt. Denn eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG für Fahrzeuge, die „zur Krankenbeförderung“ verwendet werden, setzt weiter voraus, dass die Fahrzeuge „ausschließlich“ für den im Gesetz genannten Zweck verwendet werden.
39a. Ausschließlichkeit i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG bedeutet, dass jede – auch nur teilweise – zweckfremde Verwendung, z.B. vorliegend die Beförderung von nicht kranken Personen, schädlich ist und zur Versagung der Steuerbefreiung führt. Bei einer nur vorübergehenden steuerschädlichen – zweckfremden – Benutzung des Fahrzeugs endet die Steuerpflicht – vorbehaltlich des § 5 Abs. 2 Satz 4 KraftStG – mit dem Eintritt der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung (§ 5 Abs. 2 Satz 3 KraftStG). Wird ein Fahrzeug, dessen Halten von der Steuer befreit ist, vorübergehend zu anderen als den begünstigten Zwecken genutzt (zweckfremde Benutzung), so dauert die Steuerpflicht, solange die zweckfremde Benutzung währt, mindestens jedoch einen Monat (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 4 KraftStG).
40Dem Steuerpflichtigen obliegt es insoweit, eine „ausschließliche Verwendung“ seines Fahrzeugs zu den in § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG genannten Zwecken darzulegen und nachzuweisen (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.2012 II R 39/11, BFH/NV 2012, 1664, und Urteil des FG Münster vom 25.01.2018 6 K 159/17 Kfz, DStRK 2018, 147, juris).
41Aus dem Umstand, dass ein Fahrzeug auch im Rahmen einer anderweitigen Mitbenutzung für bestimmte Einsätze bereitgehalten wird, ergibt sich keine ausschließliche Verwendung für diese bestimmten Zwecke (vgl. BFH in BFH/NV 2012, 1664: zur Mitbenutzung für Fahrten zwischen Wohnung und weiteren Arbeitsorten der Fahrzeugführer, und BFH-Urteil vom 17.12.1991 VII R 55/90, BFH/NV 1992, 632: Beförderung von leeren Toilettenkabinen im Rahmen einer Abfallbeseitigung). In Fällen einer auf Dauer angelegten Vermengung von steuerbegünstigten und nicht begünstigten Fahrten kann eine anteilsmäßige Steuerbefreiung nur für die begünstigten Fahrten nicht gewährt werden (BFH-Urteil vom 05.10.2004 VII R 73/03, BFHE 208, 303, BStBl II 2005, 222, und BFH in BFH/NV 1992, 632). Vielmehr liegt bei einer solchen „Mischverwendung“ eine insgesamt steuerschädliche Verwendung vor (vgl. BFH in BFH/NV 1992, 632).
42b. Eine solche steuerschädliche „Mischverwendung“ ist auch im Streitfall gegeben. Die „Mischverwendung“ ist im Streitfall zudem auf Dauer angelegt.
43aa. Zum einen hat die Klägerin selbst eingeräumt, den Mitarbeiter des Hauptzollamtes regelmäßig mit dem streitrelevanten Fahrzeug befördert zu haben, ohne dass diese Fahrten mit einer ärztlichen Behandlung im Zusammenhang standen. Vielmehr seien nach dem Vortrag der Klägerin die Beförderungen deshalb erfolgt, weil es Herrn E nach dessen Konstitution nicht möglich gewesen sei, ein Taxiunternehmen mit der Beförderung zu beauftragen, da im Raum T keine Taxen mit geeigneten Vorrichtungen vorhanden seien.
44bb. Auch ergibt sich aus den vorgelegten Listen der Klägerin über die durchgeführten Fahrten, dass der Mitarbeiter des Hauptzollamtes als Einzelperson ausschließlich entweder zum Hauptzollamt oder zur Anschrift „A-Straße 1“ in T befördert worden ist. Diese Fahrten stehen offensichtlich nicht im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung. Denn in den Listen sind bezüglich dieser Fahrten weder Vermerke über Ärzte oder ärztliche Einrichtungen enthalten noch hat die Klägerin eine ärztliche Behandlung für die durchgeführten Fahrten als Grund genannt. Auch sind keine ärztlichen Verordnungen bezüglich dieser Fahrten ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter befördert worden ist, weil er sich grundsätzlich mit einem Rollstuhl fortbewegt, und auf eine Beförderung über längere Strecken angewiesen ist. Die Kosten der Fahrten übernahm die Rentenversicherung. Das Fahrzeug der Klägerin ist für die Beförderung von Personen mit einem Rollstuhl besonders gebaut und geeignet und wurde insoweit wie ein funktionales Taxi verwendet.
45cc. Die Fahrten, die mit der Beförderung des Mitarbeiters des Hauptzollamtes im Zusammenhang stehen, beschränken sich auch nicht auf einzelne Tage im Streitzeitraum. Vielmehr ist diese zweckfremde Benutzung des Fahrzeugs auf Dauer angelegt. Denn Herr E wurde im Zeitraum von August 2016 bis Dezember 2018 mindestens 121-mal von seiner Wohnung zu seinem Arbeitsort bzw. von seinem Arbeitsort zu seiner Wohnung befördert. Die Fahrten verteilen sich auf alle Monate in diesem Zeitraum, mit Ausnahme von November 2016, Februar 2017, April 2018 und Juni 2018, in denen Herr E nicht mit dem streitrelevanten Fahrzeug befördert wurde. Geht man davon aus, dass die Klägerin pro Woche durchschnittlich etwa 50 Fahrten durchführt (montags bis samstags täglich drei bis elf Fahrten), gelangt man insgesamt zu 2.600 Fahrten pro Jahr (50 Fahrten x 52 Wochen). Setzt man die Fahrten, bei denen Herr E befördert wurde, hierzu ins Verhältnis, ergibt sich ein Anteil von ca. 1,67 % im Jahr 2016 (29 Fahrten ab August), ca. 1,6 % im Jahr 2017 (42 Fahrten) und ca. 1,9 % im Jahr 2018 (50 Fahrten). Bei diesem Umfang kann nach Auffassung des Senats nicht mehr von einer lediglich „vorübergehenden“ zweckfremden Benutzung i.S. des § 5 Abs. 2 Satz 3 KraftStG ausgegangen werden. Vielmehr spricht die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der steuerschädlichen Beförderungen dafür, dass nicht mehr von einer „Ausschließlichkeit“ i.S. des § 3 Nr. 5 KraftStG gesprochen werden kann.
46dd. Für eine schädliche Verwendung, die eine Steuerbefreiung ausschließt, spricht auch, dass nach der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 4 KraftStG eine zweckfremde Benutzung des Fahrzeugs – jedes Mal – zu einer Mindeststeuerpflicht von einem Monat führt. Da im Streitfall eine solche zweckfremde Benutzung nahezu monatlich erfolgte, führt dies auch nach § 5 Abs. 2 Satz 4 KraftStG zu einer andauernden Steuerpflicht.
47ee. Schließlich ist der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG bezüglich des Begriffs „ausschließlich“ eindeutig. Der Gesetzgeber hätte, wenn er eine gewisse steuerunschädliche Mischverwendung hätte zulassen wollen, diesen Willen durch die Formulierung „fast ausschließlich“ zum Ausdruck bringen können. Eine solche Formulierung ist dem Gesetzgeber nicht fremd und z.B. in ertragsteuerlichen Vorschriften (wie z.B. §§ 2a Abs. 1 Nr. 6b, 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b, 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes) zu finden. Der Wortlaut des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG weicht hiervon ab, da die Ergänzung „fast“ (ausschließlich) fehlt. Damit enthält das Kraftfahrzeugsteuergesetz die Öffnung der Geringfügigkeit nicht ausdrücklich. Da es sich bei der Vorschrift des § 3 Nr. 5 KraftStG um eine Ausnahmevorschrift handelt, und der Begriff der „Krankenbeförderung“ bereits eher weit auszulegen ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Begriff „ausschließlich“ vorliegend eng auszulegen.
483. Aus den genannten Gründen kann dahingestellt bleiben, ob die Steuerfreiheit – wie der Beklagte meint – auch deshalb zu versagen ist, weil zwischen dem Datum der Ausstellung der ärztlichen Verordnung und dem Tag der tatsächlichen Ausführung der verordneten Krankenfahrt mehrere Tage oder gar Wochen verstrichen sind.
49Insoweit gibt der erkennende Senat jedoch zu bedenken, dass nach seinem Verständnis eine gewisse Dringlichkeit im Zeitpunkt der Fahrt bestehen muss. Das Gericht geht in Überstimmung mit dem FG Berlin-Brandenburg (Urteil in EFG 2019, 1917) insoweit davon aus, dass jede medizinisch angezeigte (indizierte) Behandlungsmaßnahme zu einer „gewissen Dringlichkeit“ i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1, 6. Fall KraftStG führt und damit keine weitere Einschränkung des Befreiungstatbestands vorliegt. Die Behandlung muss weder zwingend notwendig noch eilbedürftig sein. Damit sind insbesondere auch medizinische Rehabilitationsmaßnahmen als Krankenbehandlung und damit in Verbindung stehende Fahrten erfasst. Diese können bereits einige Zeit vor tatsächlicher Ausführung ärztlich verordnet werden (vgl. FG Berlin-Brandenburg in EFG 2019, 1917). Es kann von den zu befördernden Personen nicht erwartet werden, die notwendige ärztliche Verordnung für die Beförderung erst unmittelbar vor Antritt der anstehenden Fahrt einzuholen, da eine solche Vorgehensweise aus Gründen, die in der Organisation des allgemeinen Gesundheitssystems liegen, weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Regel tatsächlich möglich ist.
50C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
51D. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).