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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der gegen die Klägerin gerichtete Einkommensteuerbescheid 2001 nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen ist.
3Auf den Namen der Klägerin war im Streitjahr ein gewerbliches Einzelunternehmen in S angemeldet unter der Firma „LRA“ (im Folgenden: LRA). Als Geschäftsführerin dieses Einzelunternehmens war Frau H 1, die Schwägerin der Klägerin, tätig. Die Klägerin selbst war hauptberuflich als Krankenschwester an der Uniklinik S angestellt. Sie entfaltete keine Tätigkeiten für die LRA.
4Geschäftsräume der Firma befanden sich auch in der A-Straße 1 in T, in einem der Klägerin gehörenden Gebäude. In diesem Gebäude befand sich auch die Steuerberaterkanzlei des Herrn H 2, des Bruders der Klägerin.
5In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001, welche am 27.11.2002 bei dem Finanzamt S einging, erklärte die Klägerin einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. X DM. Sowohl die Steuererklärung als auch die beigefügte Bilanz waren von der Klägerin unterschrieben. In der entsprechenden Gewinnermittlung waren unter dem Posten „Aufwendungen für bezogene Leistungen“ eine Zahlung von X DM an Frau R, die Mutter der Frau H 1, sowie eine weitere Zahlung von X € (= X DM) an Frau H 3, die Mutter der Klägerin, gewinnmindernd berücksichtigt. Beide Zahlungen waren mit der Bezeichnung „Vermittlungsprovision“ versehen. Frau H 3 gab die Zahlung in ihrer eigenen Einkommensteuererklärung des Jahres 2002 als Einkünfte an und versteuerte sie.
6Ebenfalls als Betriebsausgaben enthalten waren Aufwendungen aufgrund einer Rechnung der Firma M GmbH vom 03.12.2001 über X DM zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. X DM. Gegenstand der Rechnung war die Instandsetzung von Glasfasertapeten im Umfang von 138,60 qm in dem Gebäude in der A-Straße 1 in T.
7Das Finanzamt S veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß mit Bescheid vom 06.03.2003.
8Aufgrund eines zunächst gegen Frau R wegen der Nichterklärung der erhaltenen Zahlung von X DM geführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchsuchten am 03.05.2006 Beamte der Steuerfahndung die Geschäftsräume der Klägerin in der A-Straße 1 in T. Dabei fanden sie in diesen Geschäftsräumen einen Ordner, in dem sich zwei Gutschriften für die Vermittlung von Anteilen an einer Grundstücksgemeinschaft (Grundstücksgemeinschaft B-Straße 2 in N) befanden, die zum einen an Frau R und zum anderen an Frau H 3 gerichtet waren. Die Beamten leiteten daraufhin ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachtes der Einkommensteuerhinterziehung 2001 gegen die Klägerin ein. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin Betriebsausgaben für die Vermittlung von Anteilen an Grundstücken geltend gemacht habe, die tatsächlich keine Betriebsausgaben darstellten. Die Einleitung erfolgte am 03.05.2006 um 10:45 Uhr. Ebenfalls am 03.05.2006 um 10:45 Uhr ordnete der Steuerfahndungsbeamte U als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma LRA in der Ermittlungssache gegen die Klägerin an. Dies hielt der Beamte in einem Bericht über eine Durchsuchung vom 05.05.2006 fest. Darüber hinaus ordnete er ebenfalls am 03.05.2006 um 10:45 Uhr die Beschlagnahme der im Verzeichnis vom 03.05.2006 näher bezeichneten Gegenstände an, da sie als Beweismittel von Bedeutung sein könnten. In Beschlag genommen wurden dabei aus den Geschäftsräumen der Firma LRA mehrere Ordner mit Buchführungsunterlagen, ein Postausgangsbuch, Tüten mit Unterlagen und weitere Hefter, jeweils betreffend die Jahre 2001 bis teilweise 2003.
9Der steuerstrafrechtliche Ermittlungsbericht über die gegen die beschuldigte Klägerin geführten Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes B vom 02.11.2009 enthielt unter der Überschrift „Strafrechtliche Verfahrenshandlungen“ den folgenden Eintrag des Steuerfahndungsbeamten U (Prüfer):
10„Bl. 108-110 d.A.) b) Erlass eines von Durchsuchungsbeschlüssen durch das AG B im Steuerstrafverfahren gegen E
1127.10.06“
12Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Eintrags wird auf den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht Bezug genommen.
13Das gegen die Klägerin eingeleitete Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung wurde am 13.01.2010 gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Die Staatsanwaltschaft war zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin kein Vorsatz hinsichtlich einer Steuerhinterziehung vorzuwerfen sei. Die Klägerin wurde jedoch mit Urteil des Amtsgerichts B (Az.: Js 09 – OWi /11) vom 00.00.2012 wegen leichtfertiger Steuerverkürzung mit einer Geldbuße belegt.
14Ein gegen den Bruder der Klägerin, Herrn H 2, eingeleitetes Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung wurde am 09.03.2010 ebenfalls gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auch diesbezüglich war die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beschuldigten kein Vorsatz bzw. keine Beteiligung an der Steuerhinterziehung nachzuweisen sei. Im Rahmen dieses Strafverfahrens war am 09.10.2007 ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts B ergangen hinsichtlich der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des H 2 in der A-Straße 1 in T.
15Aufgrund des Berichts der Steuerfahndung B über die steuerlichen Feststellungen vom 16.11.2009 erhöhte das Finanzamt S den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) mit Änderungsbescheid vom 28.01.2010 auf X DM wie folgt:
16Gewinn laut Erklärung: X DM
17Provisionszahlung R + X DM
18Provisionszahlung H 3 + X DM
19M GmbH + X DM
20Rückstellung USt - X DM
21Rückstellung GewSt - X DM
22Gewinn laut Prüfung: = X DM
23Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 05.02.2010. Das Finanzamt S gab das Verfahren im Sommer 2010 aufgrund eines Umzugs der Klägerin an das beklagte Finanzamt ab.
24In einem vor dem Finanzgericht (Az.: K /11) geführten Parallelverfahren hinsichtlich des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 verständigten sich die Klägerin und das Finanzamt St dahingehend, die Provisionszahlung von X DM an Frau H 3 als Betriebsausgabe anzuerkennen und den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf X DM zu reduzieren. Mit Einspruchsentscheidung vom 27.11.2013 übernahm der Beklagte dieses Ergebnis auch für die Einkommensteuer, setzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend fest und lehnte den Einspruch im Übrigen ab.
25Nach dem teilweise erfolglosen Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 02.01.2014 Klage vor dem Finanzgericht Münster erhoben, die mit Urteil des Senats vom 19.02.2019 abgewiesen worden ist. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung des Senats mit Urteil vom 06.05.2020 aufgehoben (Az. X R 26/19) und die Sache zurück an das Finanzgericht verwiesen.
26Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2001 im Zeitpunkt des angefochtenen Änderungsbescheides bereits abgelaufen gewesen sei. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO komme nicht in Betracht, da ihr der genaue Inhalt der gegen sie gerichteten Ermittlungshandlungen nicht bekannt gewesen sei. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO scheide aus, da kein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss zur Hemmung der Strafverfolgungsverjährung ergangen sei. Die behördliche Anordnung der Durchsuchung am 03.05.2006 sei nicht geeignet, die Strafverfolgungsverjährung und damit auch die Festsetzungsverjährung zu hemmen. Das Gericht dürfe die Annahme, es sei tatsächlich ein Durchsuchungsbeschluss ergangen, nur dann treffen, wenn dieser Beschluss in urkundlicher Form tatsächlich vorliege. Auf die Angabe des Steuerfahndungsprüfers in dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht könne sich das Gericht nicht stützen, da dem Prüfer dort auch Fehler unterlaufen sein könnten. Insbesondere könne der Prüfer die gegen Frau R ergangenen Beschlüsse fälschlicherweise der Klägerin zugeordnet haben. Der Prüfer habe schließlich aufgrund der Durchsuchung im Rahmen seiner Eilkompetenz am 03.05.2006 in dem Verfahren gegen die Klägerin keinen Durchsuchungsbeschluss mehr benötigt. Darüber hinaus greife die Verjährungsunterbrechung aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses nur dann, wenn dieser auch entsprechend ausgeführt wurde.
27Die Klägerin beantragt,
28den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28.01.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2013 aufzuheben,
29hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen
32hilfsweise, im Falle des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
33Er ist der Ansicht, dass durch den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht B vom 27.10.2006 die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO eingetreten sei. Darüber hinaus greife die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO, da für die Klägerin erkennbar gewesen sei, dass und bezüglich welches Zeitraums, nämlich der Einkommensteuer 2001, gegen sie ermittelt wurde. Dies genüge für die Anwendbarkeit der Ablaufhemmung. Darüber hinaus sei die zehnjährige Festsetzungsfrist anzuwenden, da entweder der Klägerin oder aber dem Bruder, Herrn H 2, Steuerhinterziehung zur Last zu legen sei.
34Die Berichterstatterin hat den Zeugen U und den Zeugen C im Vorfeld schriftlich zu dem Ablauf des damaligen Strafverfahrens um Auskunft ersucht. Auf deren Stellungnahmen wird verwiesen.
35Die Berichterstatterin hat die Klägerin mit Verfügung vom 23.09.2021 unter Setzung einer Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dazu aufgefordert, bis zum 07.10.2021 darzulegen, welche Vermittlungsleistungen der Zahlung an Frau R zugrunde lagen, und hierfür entsprechende Zeugen zu benennen, sowie die Rechnung der Firma M GmbH vorzulegen und ebenfalls Zeugen für die durchgeführten Arbeiten zu benennen. Dies ist nicht erfolgt.
36Der Senat hat am 29.10.2021 erneut in der Sache mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
37Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das aufgehobene Urteil des Senats vom 19.02.2019 Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe
39Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
40Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
41I. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Änderungsbescheides am 28.01.2010 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.
421. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist im Regelfall vier Jahre. Sie beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist (Satz 2). Eine Steuerhinterziehung begeht nach § 370 Abs. 1 AO u.a., wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (Nr. 1), bzw. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (Nr. 2) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Versuch ist strafbar (Abs. 2). Eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht nach § 378 Abs. 1 AO, wer eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Leichtfertig bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit. Ein derartiges Verschulden liegt demnach vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen (vgl. BFH, Beschluss vom 25.06.1997 – VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8).
432. Die vierjährige Regelverjährungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO begann im Streitfall am 01.01.2003, da die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2001 bei dem damals zuständigen Finanzamt S am 27.11.2002 einging. Sie endete somit am 31.12.2006. Der streitbefangene, aufgrund der Steuerfahndungsprüfung ergangene Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2001 vom 28.01.2010 ist somit nach Ablauf der Regelverjährungsfrist ergangen.
443. Die Festsetzungsfrist war nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängert, da die Klägerin jedenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S.d. §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, 378 Abs. 1 AO begangen hat. Die objektive Steuerverkürzung besteht darin, dass Betriebsausgaben in dem ursprünglichen Steuerbescheid 2001 vom 06.03.2003 steuermindernd berücksichtigt wurden, obwohl eine betriebliche Veranlassung dieser Ausgaben nicht vorlag (siehe dazu unter III.). In subjektiver Hinsicht ist der Klägerin diesbezüglich jedenfalls leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen. Als Inhaberin des Einzelunternehmens hat sie die Bilanz des Jahres 2001 sowie ihre eigene Steuererklärung unterschrieben und bei dem Finanzamt eingereicht. Selbst wenn die Bilanz durch ihren Bruder H 2 vorgefertigt und die Geschäftsführung durch die Schwägerin H 1 durchgeführt worden ist, so hat die Klägerin es jedenfalls unterlassen, die von ihr unterschriebenen Dokumente zu prüfen. Der Vorgang stellt sich jedoch so dar, dass die Klägerin die Dokumente ohne weitere Prüfung „blind“ unterzeichnet hat. Die Auslagerung der eigenen steuerlichen Pflichten als Inhaberin eines Gewerbebetriebs auf eine dritte Person oder einen Steuerberater entbindet die Inhaberin des Unternehmens aber nicht von der weiteren Verantwortung. Sie konnte nicht ohne jegliche Überwachung darauf vertrauen, dass die steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden. Da die Klägerin keinerlei Kontrollmaßnahmen unternommen hat, ist ihr diesbezüglich jedenfalls Leichtfertigkeit vorzuwerfen (vgl. zur Leichtfertigkeit des Steuerpflichtigen bei Nichtprüfung der von Dritten erstellten Steuererklärung: Finanzgericht (FG) München, Beschluss vom 30.09.2008 – 14 V 2593/08, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 01.03.2002 – 4St RR 2/2002, BayObLGSt 2002, 45). Davon ging auch das Amtsgericht B aus, indem es die Klägerin wegen leichtfertiger Steuerverkürzung verurteilte und gegen sie eine Geldbuße festsetzte. Die somit verlängerte fünfjährige Frist endete grundsätzlich am 31.12.2007.
45Vorsätzliches Verhalten der Klägerin – oder ihres Bruders – vermag der Senat allerdings nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen. Dass die Klägerin Kenntnis von den fälschlicherweise in der Steuererklärung enthaltenen Betriebsausgaben hatte, steht nicht mit hinreichender Gewissheit fest. Auch hinsichtlich des Vorsatzes des Herrn H 2 mangelt es an den erforderlichen Feststellungen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass als Geschäftsführerin der LRA Frau H 1 eingetragen war und nicht feststeht, welchen Beitrag diese an dem gesamten Geschehen hatte. Der Senat folgt insoweit auch den Feststellungen der Staatsanwaltschaft B, die das Strafverfahren gegen Herrn H 2 aufgrund des nicht mit hinreichender Gewissheit feststellbaren Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat.
464. Der Fristablauf war jedoch nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt. Danach endet in den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Steuerordnungswidrigkeiten verjähren fünf Jahre nach ihrer Beendigung, § 31 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. §§ 377 Abs. 2, 378 Abs. 2, 384 AO. Diese Frist beginnt gem. § 31 Abs. 3 OWiG, sobald die Tathandlung beendet ist, nicht jedoch vor dem Eintritt des Taterfolgs. Da die Tathandlung in derartigen Fällen in der Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung zu sehen ist und der Taterfolg mit der Bekanntgabe des fehlerhaften Steuerbescheids eintritt, ist hinsichtlich des Beginns der Strafverfolgungsverjährung auf den späteren Zeitpunkt des Taterfolgs abzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2020 – X R 26/19, BFH/NV 2020, 1238).
47Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Änderungsbescheides 2001 am 28.01.2010 war die Verfolgung der Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt. Die Strafverfolgungsverjährung ist vorliegend erst mit Ablauf des 27.10.2011 eingetreten.
48Die Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheides 2001 vom 06.03.2003 (Donnerstag) gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 3 AO als am 10.03.2003 (Montag) erfolgt. Danach ist die Verfolgungsverjährung grundsätzlich mit Ablauf des 10.03.2008 eingetreten.
49Die Verjährung wurde jedoch durch den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses am 27.10.2006 unterbrochen. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG wird die Verjährung unterbrochen durch jede Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten. Dies gilt auch dann, wenn die Anordnung im Rahmen der Verfolgung der Tat als Straftat erfolgt, § 33 Abs. 4 S. 2 OWiG. Die Verjährung beginnt nach einer solchen Unterbrechung von neuem, § 33 Abs. 3 S. 1 OWiG. Nicht erforderlich für die Unterbrechung der Verjährung ist es, dass die Durchsuchungsanordnung auch tatsächlich umgesetzt wurde. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die ausdrücklich auf die Anordnung abstellt, nicht auf die Durchführung dieser Anordnung.
50Eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ist nach diesen Grundsätzen zwar nicht bereits dadurch eingetreten, dass der Steuerfahndungsbeamte U am 03.05.2006 um 10:45 Uhr als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma LRA in T in der Ermittlungssache gegen E angeordnet hat. Dasselbe gilt für die Anordnung der Beschlagnahme der im Verzeichnis vom 03.05.2006 näher bezeichneten Gegenstände. Die Verjährungsunterbrechung greift zwar auch bei derlei Anordnungen der Verfolgungsbehörde, die Steuerfahndung stellt jedoch gerade nicht die Verfolgungsbehörde dar. Verfolgungsbehörde hinsichtlich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist vielmehr die Straf- und Bußgeldsachenstelle oder an ihrer Stelle die Staatsanwaltschaft (vgl. § 35 Abs. 1 OWiG). Der Beamte der Steuerfahndung wird hingegen nur als Ermittlungsperson der jeweiligen Verfolgungsbehörde tätig. Dies ist so auch auf dem entsprechenden Bericht über die Anordnung festgehalten. Dies genügt nicht für die Unterbrechung der Verjährung (vgl. Gürtler in: Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 33 Rn. 26).
51Die Verjährung wurde jedoch durch den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgerichts B vom 27.10.2006 in dem Strafverfahren gegen die Klägerin unterbrochen. Der Senat ist davon überzeugt, dass ein solcher gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss am 27.10.2006 im Strafverfahren gegen die Klägerin ergangen ist. Zwar sind die entsprechenden Strafakten bereits vollständig vernichtet, so dass eine Abschrift dieses Beschlusses nicht mehr vorliegt. Dass ein solcher Beschluss ergangen ist, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aber aus dem Vermerk des Steuerfahndungsprüfers U auf Seite 4 des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsberichts der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts B vom 02.11.2009. Darin heißt es unter der Überschrift „Strafrechtliche Verfahrenshandlungen“:
52„Bl. 108-110 d.A.) b) Erlass eines von Durchsuchungsbeschlüssen durch das AG B im Steuerstrafverfahren gegen E
5327.10.06“
54Diese Angabe unter Bezeichnung der exakten Aktenseiten sowie des dazugehörigen Datums lässt zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass sich in der entsprechenden Ermittlungsakte auf der angegebenen Seite der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts B vom 27.10.2006 befand und dass dieser auch in dem Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin ergangen ist. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Angabe unter der Überschrift „strafrechtliche Verfahrenshandlungen“ erfolgt ist, da es sich bei dem Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gerade um eine solche Verfahrenshandlung handelt. Anders ist dieser Vermerk aus Sicht des Senats nicht zu erklären. Dass der Vermerk des Steuerfahndungsprüfers Fehler aufweist, ist für den Senat nicht erkennbar. Dass der Prüfer versehentlich einen gegen Frau R ergangenen Durchsuchungsbeschluss der Klägerin zugeordnet haben soll, überzeugt nicht. Dem steht die Angabe des Datums 27.10.2006 entgegen. Die Beschlüsse gegen Frau R sind hingegen bereits vor der Durchsuchung am 03.05.2006 ergangen. Es ist entgegen dem Klägervortrag auch nicht denklogisch ausgeschlossen, dass nach der Durchsuchung vom 03.05.2006 weitere Durchsuchungsanordnungen ergangen sind. Dies wird bereits dadurch widerlegt, dass auch im Verfahren gegen Herrn H 2 ein weiterer Durchsuchungsbeschluss hinsichtlich der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume in der A-Straße 1 in T ergangen ist. Dies ergibt sich aus der Einstellungsmitteilung der Staatsanwaltschaft B an den Vertreter des Herrn H 2 vom 09.03.2010.
55Die von der Klägerin vorgetragene rein theoretische Möglichkeit einer Fehleintragung müsste durch konkrete Anhaltspunkte untermauert werden. Der Bericht ist im Übrigen jedoch klar geordnet und lässt keine anderweitigen Fehler erkennen. Wäre letzteres der Fall gewesen, hätte der Senat möglicherweise zu einer anderen Entscheidung kommen können. Aufgrund fehlender Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Angaben in dem Bericht geht der Senat aber von der Richtigkeit der Eintragung aus.
56Dass der Zeuge U und der Zeuge C sich an die Einzelheiten dieses lange Zeit zurückliegenden Verfahrens nicht mehr erinnern können, ist daher für die Überzeugungsbildung des Senats nicht mehr von Bedeutung.
575. Ob eine Ablaufhemmung auch nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO eingetreten ist, kann dahinstehen.
58II. Die Einkünfte sind der Klägerin auch zuzurechnen. Die bekannten Tatsachen genügen nicht, um zur Überzeugung des Senats nachzuweisen, dass die Klägerin keinerlei Vorteile und keinerlei Risiken aus dem Gewerbe erzielt hat. Insbesondere sind keine Absprachen zwischen der Klägerin im Innenverhältnis mit ihrem Bruder, H 2, oder ihrer Schwägerin, H 1, über das Haftungsrisiko hinsichtlich der Geschäftstätigkeit des Unternehmens bekannt. Demnach muss der Senat von der gesetzlichen Ausgangslage ausgehen, wonach die Klägerin als Inhaberin des Gewerbebetriebs jedenfalls auch entsprechend an dem Haftungsrisiko beteiligt war und somit Unternehmerrisiko getragen hat. Die Zurechnung der Einkünfte zu der Klägerin ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
59III. Die Aufwendungen i.H.v. X DM und i. H. v. X DM wurden zu Recht nicht als Betriebsausgaben anerkannt.
601. Betrieblich veranlasst i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG sind alle Aufwendungen, die in einem tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817 m.w.N.). Der objektive Zusammenhang einer Aufwendung mit dem Betrieb wird regelmäßig dadurch begründet, dass die Leistung, die die Zahlung entgilt, dem Betrieb förderlich ist. Allein die Tatsache, dass eine Leistung dem Betrieb in Rechnung gestellt wird, reicht hingegen für die betriebliche Veranlassung nicht aus. Die Leistung muss auch tatsächlich von dem Rechnungsaussteller erbracht worden sein (BFH, Beschluss vom 06.10.1993 – VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
61Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist derjenige, der eine Ausgabe steuermindernd geltend macht, darlegungs- und beweispflichtig (sogenannte Feststellungslast). Ermittelt die Finanzbehörde erhebliche Umstände, die darauf hindeuten, dass an den Steuerpflichtigen bzw. dessen Betrieb gerichtete Rechnungen nur zum Schein ausgestellt worden sein könnten, so hat der Steuerpflichtige seinerseits nachzuweisen, dass dies nicht zutrifft, sondern die Leistungen wie in den Rechnungen ausgewiesen erbracht worden sind (FG Hamburg, Urteil vom 27.11.2019 – 2 K 111/17, DStRE 2020, 606; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.12.2001 – 3 K 1168/99, juris). Die Anforderungen an den Nachweis der betrieblichen Veranlassung sind umso strenger, je außergewöhnlicher bzw. zweifelhafter der zugrundeliegende Sachverhalt ist.
622. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 FGO) hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass die der Zahlung von X DM an Frau R, die Mutter der Schwägerin der Klägerin, zugrundliegende Vermittlungsleistung tatsächlich von dieser ausgeführt worden ist. Nach den seitens der Klägerin unwidersprochenen Feststellungen der Steuerfahndung hat Frau R in ihrer Befragung am 06.04.2006 gegenüber den Beamten der Steuerfahndungsstelle B ausgesagt, dass sie gegenüber der Firma der Klägerin keine Vermittlungsleistungen erbracht habe und dementsprechend auch keine Forderung gegenüber dieser Firma gehabt habe. Es bestehen für den Senat keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Die Klägerin hat – auch nach Aufforderung durch das Gericht – nichts vorgetragen, das eine betriebliche Veranlassung dieser Zahlung nachweisen könnte.
633. Gleiches gilt für den Betrag von X DM aus der Rechnung der Firma M GmbH. Auch diesbezüglich ist die betriebliche Veranlassung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Rechnung tatsächlich erbrachte Leistungen zugrunde liegen. Dies beruht zum einen darauf, dass sich nach den Feststellungen der Steuerfahndung nach dem äußeren Erscheinungsbild der Rechnung Zweifel an deren Echtheit ergeben, dass der darin ausgewiesene Preis überhöht erscheint, die fragliche GmbH im Zeitpunkt der Leistungserbringung keinen bekannten Geschäftssitz mehr hatte und die Renovierung nur knapp zwei Jahre nach dem Erstbezug der Immobilie erfolgte. Die Klägerin hat hierzu – auch nach Aufforderung durch das Gericht – nichts vorgetragen und auch die fragliche Rechnung nicht vorgelegt.
64IV. Die Änderung des angefochtenen Bescheides am 28.01.2010 war jedenfalls nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig. Ob eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO – wie von dem Beklagten vorgenommen – trotz § 164 Abs. 4 AO noch möglich war, ist daher unerheblich. Ein Änderungsbescheid ist selbst bei der Angabe einer fehlerhaften Änderungsgrundlage rechtmäßig, wenn er durch den Tatbestand einer anderen Änderungsvorschrift gedeckt ist (vgl. BFH, Beschluss vom 12.08.2013 – X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761).
65V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 2 FGO.
66VI. Die Revision war nicht zuzulassen. Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Insbesondere sind die mit der steuerrechtlichen Beurteilung der vorliegenden Fallgestaltung verbundenen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich beantwortet worden. Die Entscheidung beruht auf einer Gesamtwürdigung der im Streitfall festgestellten Tatsachen.