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Die Vollziehung des Abrechnungsbescheides vom 10.03.2021 über die Entstehung von Säumniszuschlägen zur Grunderwerbsteuer 2019 wird rückwirkend ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Erledigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe aufgehoben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
I.
2Zu entscheiden ist, ob die Vollziehung eines Abrechnungsbescheides über die Entstehung von Säumniszuschlägen in voller Höhe aufzuheben ist.
3In der Sache streiten die Beteiligten über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der in einem Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge.
4Die Antragstellerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 00.00.2019 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin sind der Erwerb, das Halten, Verwalten und Vermieten von eigenem Grundbesitz.
5Mit notariellem Vertrag vom 00.00.2019 erwarb die Antragstellerin das beim Amtsgericht E im Grundbuch von L, Blatt 0001, Gemarkung L, Flur 1, Flurstücke 001, 002, 003 und 004 eingetragene Grundstück A-Straße 1, 2 zu einem Kaufpreis in Höhe von X €.
6Die mit dem Grundstückserwerb verbundene Grunderwerbsteuer in Höhe von X € wurde am 05.09.2019 fällig und von der Antragstellerin am 19.11.2019 entrichtet. Die durch die verspätete Zahlung entstandenen und für die Zeit vom 05.09.2019 bis zum 05.12.2019 berechneten Säumniszuschläge in Höhe von X € beglich die Antragstellerin am 09.01.2020.
7Am 24.02.2021 beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Abrechnungsbescheides in Bezug auf die Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer sowie zugleich die Aufhebung der Vollziehung der Säumniszuschläge in Höhe von X €.
8Daraufhin erteilte der Antragsgegner am 10.03.2021 den begehrten Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und lehnte zugleich die Aufhebung der Vollziehung der Säumniszuschläge ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 10.03.2021 verwiesen.
9Sowohl gegen den Abrechnungsbescheid als auch die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung legte die Antragstellerin fristgerecht Einspruch ein und erklärte sich wegen der beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge mit dem Ruhen der Einspruchsverfahren einverstanden.
10Mit Schreiben vom 18.08.2021 bat die Antragstellerin erneut um Aufhebung der Vollziehung der Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019 in Höhe von X €.
11Dies lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 19.10.2021 ab.
12Mit ihrem daraufhin bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag macht die Antragstellerin geltend, die Vollziehung der Säumniszuschläge sei nach dem Beschluss des BFH vom 31.08.2021 in dem Verfahren VII B 69/21 und unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 (Aktenzeichen -Az.-: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) in voller Höhe aufzuheben.
13Abweichend von dem vom BFH entschiedenen Fall (Az.: VII B 69/21), in dem sich der Aussetzungsantrag auf die hälftigen Säumniszuschläge, und zwar den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil, beschränkt habe, sei vorliegend eine vollständige Aufhebung der Vollziehung der Säumniszuschläge geboten.
14Soweit eine Norm verfassungswidrig sei, sei die Aussetzung der Vollziehung insgesamt vorzunehmen. Eine Beschränkung auf einen angemessenen Anteil sei im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht möglich.
15Die Antragstellerin beantragt,
161. die Vollziehung des Abrechnungsbescheides über Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019 vom 10.03.2021 in voller Höhe, d. h. in Höhe von X €, aufzuheben,
2. hilfsweise, für den Fall des vollen oder teilweisen Unterliegens, die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Zur Begründung trägt er vor, verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm bestünden nicht.
22Säumniszuschläge wirkten als Druckmittel, dienten der Abgeltung von Verwaltungsaufwand und seien eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern. Vorrangiger Zweck sei die Wirkung als Druckmittel.
23Aufgrund des Mischcharakters der Säumniszuschläge ließe sich dem Gesetz kein fester Zinsanteil entnehmen, welcher darauf überprüft werden könne, ob er nicht mehr realitätsgerecht und möglicherweise verfassungsrechtlich überhöht sei.
24Insbesondere könne auch nicht unter Wegfall des vorrangigen Zwecks des Druckmittels wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit von einem in Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil von 50 % ausgegangen werden. Es handele sich hierbei lediglich um einen im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme pauschalierten Erlass eines Teils der Säumniszuschläge.
25Es widerspreche der gesetzlichen Konzeption, hieraus einen festen Zinsanteil (in Höhe von 50 %) abzuleiten, welcher zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Höhe der Säumniszuschläge anhand der Kriterien zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Zinssatzhöhe des § 238 AO herangezogen werden könne. Vielmehr beruhe die 50 %ige Aufteilung bzw. Differenzierung auf höchstrichterlicher Rechtsprechung, die in Analogie den in § 238 Abs. 1 AO gesetzlich definierten Zinssatz von 0,5 % auf den 1 %igen Zuschlag des § 240 AO übertragen habe.
26Die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 08.07.2021 (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) zur Unanwendbarkeit der Entscheidung zu §§ 233a, 238 AO auf sonstige Verzinsungstatbestände hätten zur Folge, dass verfassungsrechtliche Zweifel an § 240 AO nicht bestünden und eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung im Hinblick auf die Säumniszuschläge grundsätzlich nicht möglich sei.
27§ 238 AO und § 240 AO seien eigenständige, voneinander unabhängige Regelungen, die die Höhe der Zinsen und der Säumniszuschläge zwar jeweils typisierend, aber mit unterschiedlichen Bedingungen (z.B. für volle und angefangene Monate oder die Schonfrist) gesetzlich festlegten. Daher griffen die verfassungsrechtlichen Zweifel des BFH am Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO selbst in den Fällen, in denen die Säumniszuschläge wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen aus sachlichen Gründen bereits zur Hälfte erlassen seien, nicht unmittelbar auch auf die verbliebenen Säumniszuschläge durch.
28Im Übrigen läge im Streitfall keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin vor. Der nach der ständigen Rechtsprechung vorrangige Zweck der Säumniszuschläge, als Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuern zu wirken, werde vorliegend nicht in den Hintergrund gedrängt.
29Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.
30II.
31Der Antrag ist zulässig und begründet.
32Die Vollziehung des Abrechnungsbescheides über Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019 vom 10.03.2021 war in voller Höhe aufzuheben.
331. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 Satz 7 FGO).
34Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei der Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Für eine Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (BFH-Beschluss vom 23.08.2007 – VI B 42/07, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (BFH-Beschluss vom 11.06.1968 – VI B 94/67, BStBl II 1968, 657). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist. An die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschlüsse vom 19.02.2010 – II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144 und vom 04.07.2019 – VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060).
35Die Prüfung, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts vorliegen, erfolgt im Rahmen einer lediglich summarischen Prüfung. Dabei beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und andere präsente Beweismittel. Weitere Maßnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts muss das Gericht nicht ergreifen (BFH-Beschluss vom 14.02.1989 – IV B 33/88, BStBl II 1989, 516).
362. Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die begehrte Aufhebung der Vollziehung zu gewähren.
37a) Bei dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 10.03.2021 handelt es sich, da darin erstmalig Säumniszuschläge ausgewiesen werden, um einen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 69 FGO.
38(1) Abrechnungsbescheide sind vollziehbar, soweit in ihnen das Bestehen eines Anspruchs gegen den Steuerpflichtigen festgestellt wird (BFH-Urteil vom 15.06.1999 – VII R 3/97, BStBl II 2000, 46). Er ist regelmäßig nicht die Grundlage der Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Das sind nur die in § 218 Abs. 1 AO genannten Bescheide und Verwaltungsakte. Zu ihnen gehört der Abrechnungsbescheid grundsätzlich nicht und ist folglich auch in der Regel nicht vollziehbar. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn sich die Wirkung eines Abrechnungsbescheides nicht auf eine Negation beschränkt, sondern er entweder selbst eine positive Regelung enthält oder eine in einem Bescheid enthaltene positive Regelung aufhebt (BFH-Beschlüsse vom 20.07.2009 – VII S 22/09, BFH/NV 2009, 1599 und vom 08.11.2004 – VII B 137/04, BFH/NV 2005, 492). In diesen Fällen kann der Abrechnungsbescheid erstmalig eine Leistungspflicht begründen und selbst Grundlage der Verwirklichung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis sein, so dass die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung dann ausnahmsweise möglich ist (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 168. Lieferung 11.2021, § 218 AO Rz. 28 bis 30).
39Da Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO kraft gesetzlicher Anordnung entstehen, sind Einwendungen gegen ihren Ansatz und ihre Höhe mit einem Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) geltend zu machen (BFH-Beschluss vom 06.07.2015 – III B 168/14, BFH/NV 2015, 1344).
40(2) Nach den unstreitigen Angaben der Beteiligten wurden die im angefochtenen Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge darin erstmalig ausgewiesen, so dass es sich bei dem Abrechnungsbescheid insoweit um einen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 69 FGO handelt. Gegenstand des Abrechnungsbescheides ist unter anderem, dass Säumniszuschläge im Umfang von X € auf die im Abrechnungsbescheid ausgewiesene Grunderwerbsteuerforderung 2019 in Höhe von X € für die Zeit vom 05.09.2019 bis zum 05.12.2019 entstanden sind.
41b) Es bestehen nach Auffassung des Senats nach der im vorläufigen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstlichen Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO) an der Feststellung des Antragsgegners, dass die im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge in Höhe von X € nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO in Ansatz zu bringen sind. Dies beruht darauf, dass aus der Sicht des Gerichts die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge zweifelhaft erscheint.
42Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf eines Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO).
43Säumniszuschläge sind ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten und kraft Gesetzes sofort zu leistenden Steuerschuld anhalten soll, so dass sie insoweit eine Art Zwangsmittel darstellen (BFH-Urteil vom 26.01.1988 – VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695). Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (BFH-Urteil vom 30.03.2006 – V R 2/04, BStBl II 2006, 612; BFH-Beschluss vom 02.03.2017 – II B 33/16, BStBl II 2017, 646).
44(1) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 08.07.2021 in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 entschieden, dass § 233a AO in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und daher verfassungswidrig ist, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 zur Anwendung gelangt, und dass zwar eine Fortgeltung der genannten Regelung für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2018 geboten ist, dass es aber für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume bei der Unanwendbarkeit als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG bleibt.
45Im Weiteren hat das BVerfG in dem vorgenannten Beschluss vom 08.07.2021 (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) darauf hingewiesen, dass andere Verzinsungstatbestände nach der AO einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürfen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass Steuerpflichtige im Bereich der Teilverzinsungstatbestände – anders als bei der Vollverzinsung – grundsätzlich die Wahl hätten, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschaffen.
46(2) Der BFH hat seinerseits in verschiedenen Entscheidungen bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO geäußert. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil des BFH vom 30.06.2020 – VII R 63/18, BStBl II 2021, 191 sowie die Beschlüsse des BFH vom 14.04.2020 – VII B 53/19, BFH/NV 2021, 177 und vom 31.08.2021 – VII B 69/21. Letzteren hat der BFH zwar nicht veröffentlicht, er ist jedoch von der Antragstellerin in dieses Verfahren eingebracht worden.
47In seiner Entscheidung vom 31.08.2021 (Az.: VII B 69/21) führt der BFH aus, die verfassungsrechtlichen Zweifel gelten aus seiner Sicht jedenfalls insoweit, als Säumniszuschläge nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion.
48Diese einschränkende Äußerung dürfte nach Ansicht des erkennenden Gerichts darauf beruhen, dass sich das Aussetzungsbegehren in dem dort zugrunde liegenden Verfahren auf die Hälfte der Säumniszuschläge, und zwar den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil, beschränkt hat, so dass der BFH keine Entscheidung über eine darüber hinausgehende Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu treffen hatte.
49Da die Regelung zur gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nach Auffassung des Senats allerdings nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein kann und es keine Teil-Verfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm geben kann, gebieten die bestehenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, die zumindest der BFH bereits geäußert hat, vorliegend eine vollständige Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides über die Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer 2019. Das Gericht schließt sich insoweit den benannten Entscheidungen des BFH an.
50Für eine Aussetzung bzw. – wie im Streitfall – eine Aufhebung der Vollziehung genügen bereits die bestehenden Zweifel und die insoweit unklare Rechtslage. Die Verfassungswidrigkeit muss noch nicht abschließend festgestellt und vom BVerfG bestätigt worden sein.
513. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
524. Die Beschwerde war gemäß § 128 Abs. 1, 3 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Frage, ob die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge verfassungsgemäß ist, und ob sich eine etwaige Verfassungswidrigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge auf die entstandenen Säumniszuschläge insgesamt auswirkt oder sich nur auf den Teil der Säumniszuschläge beschränkt, der einen Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern beinhaltet, mithin eine zinsähnliche Funktion hat, ist – soweit der Senat dies feststellen konnte – bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt.