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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 des Aktiengesetzes (AktG) zu zahlende Zinsen Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (GewStG a.F.) sind.
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im Handelsregister des Amtsgerichts (AG) S unter dem Registerblatt HRB X eingetragen ist. Sie gehört zur international tätigen L-Unternehmensgruppe und ist unter anderem an der L Deutschland AG (im Folgenden L AG), welche früher unter dem Namen A AG firmierte, und an der H AG (im Folgenden: H AG), welche früher unter dem Namen H Verwaltungs-Aktiengesellschaft firmierte, beteiligt.
4Die Klägerin schloss als Organträgerin mit der L AG bzw. der H AG, jeweils als Organgesellschaften, am 00.00.1989 Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge (EAV). Sie war aufgrund dessen gegenüber den außenstehenden Aktionären verpflichtet, diesen gem. § 304 AktG einen angemessenen Ausgleich zu zahlen oder auf deren Verlangen die Aktien gegen eine Abfindung jeweils in angemessener Höhe zu erwerben (§ 305 Abs. 1 AktG). Im EAV zwischen der Klägerin und der L AG war die Höhe der zu leistenden Abfindung auf einen Betrag in Höhe von X DM (≈ X €) je Aktie der L AG mit einem Nennbetrag von 50 DM festgelegt. Die zu leistende Abfindung an außenstehende Aktionäre der H AG wurde im EAV zwischen der Klägerin und der H AG auf einen Betrag in Höhe von X DM (≈ X €) je Stammaktie der H AG mit einem Nennbetrag von 50 DM bzw. in Höhe von X DM (≈ X €) für Vorzugsaktien der H AG mit einem Nennbetrag von 50 DM festgelegt. Für Aktien mit höherem Nennwert sollten jeweils entsprechend erhöhte Abfindungsbeträge gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den beiden EAV vom 00.00.1989 wird auf die mit Schriftsatz vom 31.8.2020 auf einem USB-Stick übersendeten Kopien der Verträge Bezug genommen.
5Die Klägerin erwarb deshalb seit dem Jahr 1989 eine Vielzahl von Aktien von außenstehenden Aktionären entsprechend § 305 AktG zurück. Die gezahlten Barabfindungen bilanzierte sie als Anschaffungskosten der Aktien. Der zu zahlende Abfindungsbetrag war gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG in der jeweils gültigen Fassung nach Ablauf des Tages, an dem die EAV wirksam geworden sind, jährlich mit 2 bzw. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank / Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank / Basiszinssatz gem. § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu verzinsen. Auf diese Zinsen wurden nach ständiger zivilrechtlicher Rechtsprechung bisher geleistete Ausgleichszahlungen i.S.v. § 304 AktG angerechnet (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 16.9.2002 II ZR 284/01, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BGH – BGHZ – 152, 29 und vom 2.6.2003 II ZR 85/02, BGHZ 155, 110). Die Klägerin leistete die in den EAV der Höhe nach festgelegten Abfindungen nebst Zinsen i.S.v. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG jeweils innerhalb eines Jahres nach Ausübung des Optionsrechts durch die Anleger. Wegen der Einzelheiten zu dem jeweiligen Einreichungszeitpunkt der Aktien, zur Zinsberechnung und zur Höhe der anzurechnenden Ausgleichszahlungen wird auf die auf einem mit Schriftsatz vom 31.8.2020 übersendeten USB-Stick abgelegten Dateien „SpruchverfahrenZinsaufwandEinzelbuchungenLAG.xlsx“ und „SpruchverfahrenZinsaufwandEinzelbuchungenH.xlsx“ Bezug genommen.
6In den Jahren 2005 bis 2007 führten außenstehende Aktionäre der L AG und der H AG Spruchverfahren über die Angemessenheit der Abfindungen.
7In dem von den Aktionären der L AG geführten Spruchverfahren entschied das Landgericht (LG) R mit Beschluss vom 00.00.2000 in erster Instanz (Az. X), dass die angemessene Abfindung je Stammaktie im Nennwert von 50 DM X DM (≈ X €) betrage. Steuerrechtliche Folgen zog die Klägerin aus diesem Beschluss noch nicht; insbesondere bildete sie keine Rückstellung für auf die Abfindungs-Erhöhungsbeträge zu leistende Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG.
8Gegen den landgerichtlichen Beschluss legten sowohl einige Aktionäre wie auch die Klägerin sofortige Beschwerde ein. Nach Einholung diverser Stellungnahmen durch den Gutachter endete das Spruchverfahren schließlich mit der rechtskräftigen Entscheidung in der zweiten Instanz vom 00.00.2005 (Az. X) in der Weise, dass das Gericht die angemessene Barabfindung rechtskräftig um X € auf X € je Aktie im Nennwert von 50 DM erhöhte. Dieses erhöhte Barabfindungsangebot lief am 00.00.2006 ab. Die Klägerin leistete den Erhöhungsbetrag der Abfindung nebst Zinsen gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG nach Rechtskraft zum einen an die Aktionäre, die die Aktien bereits vor Beendigung des Spruchverfahrens bei ihr eingereicht hatten. Zum anderen zahlte sie den erhöhten Abfindungsbetrag zzgl. Zinsen gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG unmittelbar nach Einreichung der Aktien an solche außenstehenden Aktionäre, die erstmals nach Beendigung des Spruchverfahrens bis zum Ablauf des Barabfindungsangebots ihre Aktien bei ihr eingereicht hatten; für solche nach Beendigung des Spruchverfahrens eingereichte Aktien entstanden daher keine weiteren Zinsen für die Zeit ab Ausübung des Optionsrechtes.
9Im Spruchverfahren bezüglich der Aktien der H AG entschied das LG T am 00.00.2006 in erster Instanz (Az. X), dass die angemessene Abfindung je Vorzugsaktie im Nennwert von 50 DM um X € auf X € und je Stammaktie im Nennwert von 50 DM um X € auf X € zu erhöhen sei. Mit Beschluss des Oberlandesgericht (OLG) F vom 00.00.2009 (Az. X) wurde die gegen diese Entscheidungen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung bildete die Klägerin bereits ab dem Jahr 2006 eine Rückstellung für die im Falle der Erfolglosigkeit der Beschwerde auf die nach der erstinstanzlichen Entscheidung festgesetzten Erhöhungsbeträge voraussichtlich zu zahlenden Zinsen.
10Die Klägerin verbuchte in den Streitjahren im Zusammenhang mit beiden geführten Spruchverfahren folgenden Zinsaufwand als Betriebsausgaben, wobei die Zinsen auf die Abfindungen für zurückgegebene Aktien der L AG unterjährig als laufender Aufwand und die Zinsen auf die Abfindungen für zurückgegebene Aktien der H AG als Zuführungsbeträge zu einer Rückstellung aufwandswirksam verbucht wurden:
11Bezeichnung |
Betrag |
|
Jahr 2006 |
Zinsen Aktien L AG |
X € |
Zinsen Spruchverfahren H AG |
X € |
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Summe |
X € |
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Jahr 2007 |
Zinsen Spruchverfahren H AG |
X € |
Summe |
X € |
Diese Zinsen berücksichtigte die Klägerin in den Streitjahren nicht als Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. Der Beklagte setzte den Gewerbesteuermessbetrag gegenüber der Klägerin für 2006 und 2007 zunächst erklärungsgemäß fest. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
13Im Jahr 2010 begann der Beklagte mit der Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung. Der Betriebsprüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Zinsrückstellung für die Aktien der L AG für das Jahr 2006 in Höhe von X € um einen Betrag in Höhe von X € und für das Jahr 2007 in Höhe von X € um einen Betrag in Höhe von X € zu kürzen sei, da die Zinsen insoweit auf noch nicht hereingeholten Aktien beruhten und daher eine Drohverlustrückstellung vorliege – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Zudem gelangte er zu der Auffassung, dass der nach Abzug der Drohverlustrückstellung verbleibende Zinsaufwand für Abfindungszahlungen an Aktionäre der L AG und der H AG (in 2006: X €, in 2007: X €) zur Hälfte gem. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen sei. Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung einer angemessenen Abfindung an die außenstehenden Aktionäre nach § 305 AktG sei mit Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre konkret begründet worden. Diese Schuld habe auch der Stärkung des Betriebskapitals gedient, da die Zahlung von unangemessen niedrigen Abfindungen an die außenstehenden Aktionäre eine Verringerung des Betriebskapitals verhindert habe. Es handele sich auch nicht um eine Vereinbarung des laufenden Geschäftsverkehrs und die Schulden hätten eine Laufzeit von mehr als einem Jahr gehabt.
14Der Beklagte schloss sich dieser Rechtsauffassung an und änderte die Gewerbesteuermessbetragsbescheide mit Datum vom 11.6.2012 entsprechend gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf.
15Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, welcher zunächst im Hinblick auf ein vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geführtes Verfahren zur Behandlung von Zinsen unter Geltung von § 8a des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (KStG) ruhte. Nachdem dieses Verfahren zugunsten der Klägerin entschieden worden war, änderte der Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 bzw. 2007, jeweils vom 7.7.2016, insoweit, nahm jedoch weiterhin eine hälftige Hinzurechnung des Zinsaufwandes der Klägerin für Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG vor. Anschließend wies er den Einspruch als unbegründet zurück.
16Gegen die Einspruchsentscheidung vom 12.3.2018 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
17Sie ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Zinsen seien schon deshalb keine Zinsen i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F., weil es an einer „Schuld“ im Sinne der Vorschrift gefehlt habe. Soweit Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG auf Abfindungen auch für die Zeit vor Ausübung des Optionsrechtes durch den jeweiligen Aktionär zu leisten gewesen seien, fehle es deshalb an einer Schuld, weil der Abfindungsbetrag, auf welchen die Zinsen geleistet worden seien, erst ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts geschuldet werde. Erst zu diesem Zeitpunkt, der regelmäßig zeitlich mit dem Zeitpunkt der Einreichung der Aktien zusammenfalle, entstehe erstmalig ein Anspruch des Aktionärs gegenüber der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung. Die Aktionäre hätten die Klägerin im Streitfall nicht gesondert über die Ausübung des Optionsrechts informiert, sondern dieses konkludent durch Einreichung der Anteile geltend gemacht. Die Zahlung der Abfindungen durch die Klägerin sei innerhalb einer Zeit von weniger als einem Jahr nach Einreichung der Aktien erfolgt, sodass auch für den Zeitraum ab Ausübung des Optionsrechts keine Dauerschuld vorliege.
18Soweit die Klägerin Zinsen auf Abfindungsergänzungsansprüche habe zahlen müssen, die erst im Rahmen der Spruchverfahren festgelegt worden seien, liege ebenfalls keine Dauerschuld vor. Zwar sei in diesen Fällen das Optionsrecht durch den betreffenden Aktionär regelmäßig zu einem Zeitpunkt ausgeübt worden, der mehr als ein Jahr zurückgelegen habe. Allerdings habe die Klägerin im Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts lediglich die in den EAV angebotenen Abfindungsbeträge geschuldet, welche sie auch innerhalb eines Jahres nach Ausübung des Optionsrechts bezahlt habe. Die Erhöhungsbeträge, welche ebenfalls zu verzinsen gewesen seien, hätten sich als Abfindungsergänzungsanspruch jedoch erst mit der Entscheidung im Spruchverfahren dem Grunde und der Höhe nach konkretisiert. Sie seien daher erst im Zeitpunkt der Entscheidung durch das jeweils zuständige Zivilgericht im Spruchverfahren entstanden. Da die Klägerin die Erhöhungsbeträge jeweils innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe der Entscheidungen in den Spruchverfahren beglichen habe, lägen auch insoweit keine Dauerschulden vor.
19Für die Frage des Vorliegens einer Dauerschuld müsse auf den Fälligkeitszeitpunkt der jeweiligen Verbindlichkeit abgestellt werden, da ungewisse Verbindlichkeiten nicht geeignet seien nachhaltig das Betriebskapital zu stärken. Die Klägerin verweist insoweit auf eine Entscheidung des BFH vom 8.9.1976 (I R 186/74, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1977, 9).
20Die Klägerin beantragt,
21die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 und 2007 vom 7.6.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.3.2018 dergestalt zu ändern, dass der Klägerin auf Grundlage von § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG entstandener Zinsaufwand in Höhe von X € (2006) bzw. X € (2007) bei der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung für Dauerschuldentgelte nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. unberücksichtigt bleibt,
22hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen,
25hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Er ist der Auffassung, dass es sich bei den gezahlten Zinsen im Zusammenhang mit den Verbindlichkeiten aus der Anschaffung von Aktien an der L AG bzw. der H AG von außenstehenden Aktionären um Dauerschuldzinsen handele, da die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten der nicht nur vorübergehenden Stärkung des Betriebskapitals gedient hätten. Schulden im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG a.F. seien auch solche, die der Höhe nach ungewiss seien (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Rheinland-Pfalz vom 26.4.2001 6 K 3450/98, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2001, 1159). Die Einordnung der gesamten Zinsen als solche i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. sei im Übrigen unabhängig von dem Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts zur Annahme des Abfindungsangebots. Denn die Optionsausübung entfalte Rückwirkung, sodass ein schuldrechtlicher Anspruch nicht erst mit Ausübung des Optionsrechts entstehe. Der BGH führe in seiner Entscheidung vom 8.5.2006 (II ZR 27/05, BGHZ 167, 299) aus, dass der Anspruch auf Abfindung bereits aufgrund des jeweiligen EAV entstehe. Die Erwerbsverpflichtung sei dem Grunde nach mithin bereits mit Wirksamwerden der EAV entstanden. Für diese Auffassung spreche auch, dass eine Anrechnung erhaltener Ausgleichszahlungen (nur) auf die rückwirkend berechneten Zinsen auf die jeweilige Barabfindung, nicht auf die Abfindung selbst vorzunehmen sei.
27Die Rechtsauffassung der Klägerin, nach welcher erst mit der Entscheidung im Spruchverfahren ein Abfindungsergänzungsanspruch geschuldet werde, treffe nicht zu. Die Entscheidungen der Gerichte führten zu einer rückwirkenden Umgestaltung des jeweiligen EAV; die neu festgesetzte Abfindung gelte nunmehr als von Anfang an vereinbart. Es liege in der Natur des Spruchverfahrens, dass die Angemessenheit eines Barabfindungsanspruchs erst mit einem rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteil abschließend konkretisiert und beziffert werde. Die Wirkung des Spruchverfahrens trete aber abweichend von der Auffassung der Klägerin nicht ex nunc, sondern ex tunc ein (vgl. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 6.6.2016 I-26 W 4/12 (AktE), Die Aktiengesellschaft – AG – 2017, 487) und erstrecke sich nicht nur auf die Verfahrensbeteiligten, sondern auf sämtliche außenstehenden Aktionäre.
28Für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass Zinsen, die auf den Zeitraum vor Ausübung des Optionsrechts entfallen seien, nicht zu den Schuldzinsen i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zählten, ergäben sich allenfalls Beträge in Höhe von X € für 2006 bzw. X € für 2007, um welche die bisher berücksichtigten Dauerschuldzinsen zu kürzen wären. Wegen der Einzelheiten zu der Berechnung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 25.1.2021 Bezug genommen.
29Der Senat hat am 15.12.2021 mit den Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe
31I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
32Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 und 2007 vom 7.6.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.3.2018 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
33Die Zinsen i.S.v. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, die auf den Zeitraum von der Wirksamkeit der EAV bis zur Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre, ihre Aktien gegen Zahlung einer angemessene Abfindung zurückzugeben, entfielen, durften schon in voller Höhe den Gewinn gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und nach § 7 Satz 1 GewStG a.F. folglich auch den Gewerbeertrag nicht mindern, sodass sich die Frage einer hälftigen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. insoweit nicht stellt (dazu unter 1.). Soweit die Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG auf den Zeitraum von der Ausübung des Optionsrechts bis zur Zahlung der Abfindungserhöhungsbeträge entfielen, ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG zwar nicht anwendbar, sodass der Gewinn der Klägerin, welcher nach § 7 Satz 1 GewStG a.F. für die Berechnung des Gewerbeertrags die Ausgangsgrundlage bildet, zunächst zutreffend in Höhe dieser Beträge gemindert worden ist (dazu unter 2.); diese Zinsen sind allerdings vom Beklagten zu Recht als Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. dem Gewerbeertrag der Klägerin zur Hälfte wieder hinzugerechnet worden (dazu unter 3.).
341. Die Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, die auf Zeiträume entfallen, in denen die außenstehenden Aktionäre ihr Optionsrecht auf Rückgabe ihrer Anteile noch nicht ausgeübt hatten, durften den Gewerbeertrag der Klägerin nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG a.F. und § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG als nicht abziehbare Betriebsausgaben (in voller Höhe) nicht mindern, denn es handelte sich hierbei um Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14, und 17 KStG an außenstehende Anteilseigner geleistet wurden.
35a. Eine Legaldefinition des Begriffs der „Ausgleichszahlungen“ fehlt sowohl im EStG wie auch im KStG (vgl. FG Münster vom 21.9.2007 9 K 4007/06 K, EFG 2008, 324; Olbing in Streck, KStG, § 16 KStG, Rn. 5). In der Literatur wird zwar teilweise vertreten, der steuerrechtliche Begriff entspreche der im Aktienrecht enthaltenen Regelung des § 304 AktG (so: Schiffers/Köster/Feldgen in EStG-eKommentar, § 4 EStG, Rn. 244). Überwiegend wird jedoch die Auffassung vertreten, dass der steuerliche Begriff der Ausgleichszahlungen weiter gefasst sei als die sich aus § 304 AktG ergebende Definition (so: Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 16 KStG, Rn. 28; Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 16 KStG, Rn. 16; Neumann in Gosch, KStG, § 16 Rn. 11 ff.; Walter in Bott/Walter, KStG, § 16 Rz. 7 ff.). Für diese Auffassung und gegen eine Gleichsetzung des Begriffs der Ausgleichszahlung in § 304 AktG und in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG spricht zunächst, dass eine Ausgleichszahlung im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG auch dann vorliegt, wenn es sich um eine Zahlung an einen außenstehenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in einer anderen Rechtsform als einer Aktiengesellschaft handelt (vgl. Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 16 KStG, Rn. 16). Für ein gegenüber § 304 AktG verselbständigtes Verständnis des Begriffs der Ausgleichszahlung im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG spricht ferner das Verständnis des Gesetzgebers zum steuerrechtlichen Begriff der Ausgleichszahlung. So hat er als Reaktion auf die BFH-Entscheidung vom 10.5.2017 (I R 93/15, BStBl II 2019, 278), nach welcher eine die aktienrechtlichen Mindestanforderungen übersteigende Zahlung nicht als Ausgleichszahlung anzusehen war, sondern zur steuerlichen Nichtanerkennung der Organschaft führte, die Nichtanwendungsregelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 KStG geschaffen, nach welcher die Vereinbarung und Leistung von Ausgleichszahlungen, die über den mindestens zugesicherten Betrag nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG hinausgehen, der steuerlichen Anerkennung einer Organschaft nicht entgegenstehen und daher auch den Mindestausgleich nach § 304 AktG übersteigende Beträge als Ausgleichszahlungen nach § 16 KStG zu versteuern sind (vgl. Scheuch, Finanzrundschau – FR – 2021, 529). Die Vorschrift setzt mithin ein abweichendes Verständnis des steuerlichen Begriffs der Ausgleichszahlungen von dem nach § 304 AktG zu leistenden Mindestbetrag voraus.
36Unabhängig davon erscheint es auch unter Berücksichtigung des mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG verfolgten Ziels, den Betriebsausgabenabzug für Leistungen auszuschließen, bei denen es sich um Einkommensverteilung an außenstehende Gesellschafter handelt, sachgerecht, den steuerrechtlichen Begriff der Ausgleichszahlung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG in der Weise zu verstehen, dass dieser sämtliche Zuwendungen (auch z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen und Zahlungen aufgrund von Nießbrauchsrechten an außenstehende Gesellschafter) umfasst, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Ersatz für den Anspruch der außenstehenden Gesellschafter auf Gewinnbeteiligung anzusehen sind (in diesem Sinne auch Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 16 KStG, Rn. 28; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG, § 16 KStG Rn. 22; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 16 KStG Rn. 36; vgl. auch BFH-Urteil vom 4.3.2009 I R 1/08, BStBl II 2010, 407 unter Rz. 44).
37b. Bei den auf den Zeitraum von der Eintragung der EAV ins Handelsregister bis zur Ausübung des Optionsrechtes durch die außenstehenden Aktionäre entfallenden Zinsen im Sinne von § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG handelt es sich wirtschaftlich um Ausgleichszahlungen im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG.
38aa. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die außenstehenden Aktionäre erst mit der Ausübung ihres Optionsrechtes aus der L AG bzw. aus der H AG ausgeschieden und erst zu diesem Zeitpunkt die Abfindungsverbindlichkeiten der L AG bzw. der H AG entstanden sind. Da die außenstehenden Aktionäre die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG bis zu ihrem endgültigen Ausscheiden mithin noch in ihrer Funktion als Gesellschafter der L AG bzw. der H AG erhalten haben, wurden in dem Zeitraum bis zur Ausübung der Optionsrechtes nicht schuldrechtliche Forderungen gegen die Gesellschaften verzinst, sondern die Einlagen der später ausgeschiedenen Gesellschafter.
39bb. In dieser Beurteilung sieht sich der Senat durch die zivilrechtliche Rechtsprechung bestätigt, aus der sich ergibt, dass die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, soweit sie auf den Zeitraum von der Wirksamkeit der EAV bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts entfällt, bei wirtschaftlicher Betrachtung der Ausgleichszahlung nach § 304 Abs.1 Satz 1 AktG entspricht.
40(1) Denn auch der BGH setzt die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, welche bis zur Ausübung des Optionsrechts geleistet wird, als „durchschnittliche Rendite“ des Aktionärs auf das von ihm eingesetzte Kapital mit dem Ausgleich gem. § 304 AktG gleich (vgl. BGH-Urteil vom 16.9.2002 II ZR 284/01, BGHZ 152, 29), indem er das vom Gesetzgeber nicht geregelte Problem einer Überschneidung von Ausgleich gem. § 304 AktG und Verzinsung gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG dahingehend auflöst, dass die empfangenen Ausgleichszahlungen auf die Abfindungszinsen anzurechnen sind, wenn der Gesellschafter sein Wahlrecht auf Barabfindung ausübt, nachdem er bereits vor Ausübung des Wahlrechts einen Ausgleich nach § 304 AktG erhalten hat. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ähnlich wie die Entgegennahme von Zinsen auf eine Forderung „Fruchtziehung“ sei und es ohne die Anrechnung zu vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Überkompensationen komme (vgl. BGH-Urteile vom 16.9.2002 II ZR 284/01, BGHZ 152, 29; vom 2.6.2003 II ZR 85/02, BGHZ 155, 110; vom 10.12.2007 II ZR 199/06, BGHZ 174, 378). Die Ausgleichszahlung sei jedoch nur mit den Abfindungszinsen, nicht mit der Barabfindung selbst zu verrechnen (vgl. BGH-Urteile vom 16.9.2002 II ZR 284/01, BGHZ 152, 29; vom 2.6.2003 II ZR 85/02, BGHZ 155, 110). Denn die Barabfindung repräsentiere „den Stamm des Vermögens, der durch die Ausgleichszahlung nicht angerührt“ werde (vgl. BGH-Urteil vom 16.9.2002 II ZR 284/01, BGHZ 152, 29). Dabei habe die Anrechnung nach den jährlichen „Referenzzeiträumen“ zu erfolgen, soweit die Zeiträume, für die der Ausgleich bzw. die Verzinsung gezahlt werde, deckungsgleich waren (vgl. BGH-Urteil vom 10.12.2007 II ZR 199/06, BGHZ 174, 378). Da ein Anspruch auf Ausgleich des außenstehenden Aktionärs nur solange besteht, bis er von seinem Optionsrecht nach § 305 Abs. 1 AktG Gebrauch macht (vgl. Stephan in Schmidt, K./Lutter, AktG, § 304 AktG, Rn. 25; van Rossum in Münchener Kommentar – MüKo – AktG, § 304 AktG, Rn. 126), ergibt sich eine Anrechnung des Ausgleichs auf die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG nur bis zur Ausübung des Optionsrechts.
41(2) Der BGH hat bei der Entwicklung dieser Rechtsprechung zur Anrechnung eines zuvor erhaltenen Ausgleichs gem. § 304 AktG auf nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG zu leistende Zinsen auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts – UmwBerG – (vom 28.10.1994, BGBl I 1994, 3210) berücksichtigt, mit welchem die Verzinsung erstmals normiert wurde. Nach dieser sollte die Einführung der Verzinsung den Zweck haben, eine Verzögerung eines Spruchverfahrens zu verhindern (vgl. BT-Drs. 12/6699, S. 179 u. S. 88). Dieser Zweck wird nach Ansicht des BGH jedoch auch nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung erfüllt, da er insoweit lediglich eine Korrektur zur Verhinderung von Überkompensationen vornehme (vgl. BGH-Urteil vom 16.9.2002 II ZR 284/01, BGHZ 152, 29). Aus den gleichen Erwägungen schließt die Gesetzesbegründung auch eine Einordung der Verzinsung als Ausgleichszahlung nicht aus.
42(3) Der Sichtweise des BGH, wonach es sich bei dem Ausgleich nach § 304 AktG ebenso wie bei der für den gleichen Zeitraum zu leistenden Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG um nichts anderes als um die Verzinsung des vom außenstehenden Aktionärs eingesetzten Kapitals handelt und daher ein erhaltener Ausgleich auf einen Zinsanspruch nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG zur Verhinderung einer Überkompensation anzurechnen ist, hat sich auch die zivilrechtliche Literatur weit überwiegend angeschlossen (vgl. van Rossum in MüKo AktG, § 305 AktG, Rn. 185 ff; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 305 AktG, Rn. 33; Veil/Preisser in Spindler/Stilz, AktG, § 305 AktG, Rn. 108; kritisch: Koch in Hüffer/Koch, AktG, § 305 AktG, Rn. 54; Stephan in Schmidt, K./Lutter, AktG, § 305 AktG, Rn. 122).
43cc. Der Behandlung der auf den Zeitraum bis zur Ausübung des Optionsrechtes entfallenden Zinsen als Ausgleichszahlung im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG steht auch nicht entgegen, dass der außenstehende Gesellschafter die Verzinsung vom Organträger ausgezahlt bekommt, obwohl er Gesellschafter der Organgesellschaft ist. Denn auch Bezüge von Dritten können Bezüge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sein. So nimmt die überwiegende Auffassung in der Literatur zu Recht an, dass vom Organträger geleistete Ausgleichszahlungen gem. § 304 AktG auch dann Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind, wenn sie unmittelbar vom Organträger geleistet werden (vgl. Kollruss, FR 2015, 705). Für die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, die wirtschaftlich die Rendite des außenstehenden Aktionärs auf die von ihm geleistete Einlage ist und damit aus Sicht der Gesellschaft eine Verzinsung von Eigenkapital darstellt, muss daher das gleiche gelten.
44dd. Von der außerbilanziellen Hinzurechnung des auf den Zeitraum vom Abschluss der EAV bis zur Ausübung des Optionsrechtes entfallenden Zinsaufwandes ist schließlich auch nicht deshalb teilweise abzusehen, weil die Zinsen nur zum Teil (in Bezug auf die außenstehenden Aktionäre der L AG) bei der Klägerin abgeflossen sind und im Übrigen (in Bezug auf die außenstehenden Aktionäre der H AG) bei der Klägerin aufwandswirksam als Rückstellung erfasst worden sind. Denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG knüpft – im Gegensatz zu § 16 KStG – nicht an die Zahlung, sondern an die Verringerung des Betriebsvermögens an und erfasst infolge dessen auch als Verbindlichkeiten oder im Rückstellungswege erfasste Aufwendungen (allgemeine Auffassung, vgl. nur Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG, § 16 KStG Rn. 44).
45c. Eine hälftige Hinzurechnung der Zinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, die auf den Zeitraum vor Ausübung des Optionsrechts entfallen, als Dauerschuldentgelte i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. scheidet mithin schon deshalb aus, weil diese bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 7 Satz 1 GewStG a.F. insgesamt nicht abgesetzt werden durften.
462. Soweit der Zinsaufwand nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG für Zeiträume nach Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre entstanden ist, stellt dieser wirtschaftlich keine Ausgleichszahlung i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG dar; die Klägerin hat ihren Gewinn, welcher nach § 7 Satz 1 GewStG a.F. für die Berechnung des Gewerbeertrags die Ausgangsgrundlage bildet, insoweit zutreffend ermittelt. Denn ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts und der Rückgabe der Anteile, welche im Streitfall zeitlich zusammen fielen, erhielten die außenstehenden Aktionäre auch keinen Ausgleich nach § 304 AktG mehr (vgl. BGH-Urteil vom 2.6.2003 II ZR 85/02, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2003, 2166; Stephan in Schmidt, K./Lutter, AktG, § 304 AktG, Rn. 25; Meilicke/Kleinertz in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 304 AktG, Rn. 68; Deilmann in Hölters, AktG, § 304 AktG, Rn. 16; a.A. wohl Emmerich in Emmerich/Habersack, AktG, § 305 AktG, Rn. 19). Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellt die Verzinsung ab diesem Zeitpunkt mithin eine Verzinsung von Fremdkapital dar.
473. Soweit der Klägerin nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG Zinsaufwand für den Zeitraum ab der Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre entstanden ist, ist dieser dem Gewerbeertrag gem. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. in Höhe von 50 % wieder hinzuzurechnen. Nach dieser Vorschrift sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Entgelte für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, hinzuzurechnen.
48a. Die Zinsen, die der Klägerin für von ihr zu zahlende Abfindungen für den Zeitraum ab der Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre auf die Abfindungen entstanden sind, stellten Entgelte für gegenüber den außenstehenden Aktionären bestehende Schulden dar.
49aa. Der Begriff der Schuld bezeichnet eine Belastung des Vermögens, die als betrieblich veranlasste Verpflichtung einem Dritten gegenüber rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2018 III R 37/17, BStBl II 2019, 275). Eine solche Schuld kann – anders als es die Klägerin meint – bilanziell auch durch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abgebildet worden sein, soweit für die der Rückstellung zugrunde liegenden Verbindlichkeit ein entgeltähnlicher Aufwand entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 11.4.1984 I R 56/80, BStBl II 1984, 598; Köster in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, Rn. 51; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl. 2017, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, Rn. 4; Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG, Rn. 36). Unerheblich ist der Inhalt der Verpflichtung, ihre Höhe und Fälligkeit sowie das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital und wie sie beim Steuerpflichtigen ausgewiesen wird (vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl. 2017, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, Rn. 5). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 8.9.1976 (I R 186/74, BStBl II 1977, 9), denn der BFH stellte in dieser Entscheidung ausdrücklich klar, dass es sich auch bei der von ihm in diesem Fall zu beurteilenden Rekultivierungsverpflichtung, aufgrund derer eine Rückstellung gebildet wurde, um eine echte Verbindlichkeit handelte; das Vorliegen einer Dauerschuld verneint er allein deshalb, weil es sich – anders als im vorliegenden Streitfall – um eine Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsbetriebs handelte.
50bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, welche der Senat für zutreffend erachtet, bestand in den Streitjahren ab dem Zeitpunkt der Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre, mit welcher diese zugleich ihr Wahlrecht nach § 305 Abs. 1 AktG ausübten, eine Schuld der Klägerin zur Leistung einer den Vorgaben des § 305 Abs. 1 bis 3 AktG entsprechenden Abfindung, denn die von der Klägerin zu leistende Abfindungszahlung entstand bereits mit Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre (vgl. Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 305 AktG, Rn. 29). Dies gilt auch für die Abfindungsergänzungsbeträge, die von der Klägerin zu zahlen waren, weil die in den EAV festgelegten Abfindungsbeträge zu niedrig bemessen waren. Entgegen der Auffassung der Klägerin entstand eine Schuld auch insoweit nicht erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in den Spruchverfahren; die Entscheidungen führten vielmehr zu einer rückwirkenden Umgestaltung der EAV in der Weise, als hätten die Verträge mit Wirkung für alle von Anfang an ein den Vorgaben des § 305 Abs. 1 bis 3 AktG entsprechendes Abfindungsangebot enthalten (vgl. Urteil des OLG Karlsruhe vom 14.5.2008 7 U 43/07, OLGR Karlsruhe 2008, 524; Koch in Hüffer/Koch, AktG, § 305 AktG, Rn. 59; Böttcher/Habighorst/Schulte in Goslar/Wilsing, UmwR, § 13 SpruchG, Rn. 4; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und Konzernrecht, § 13 SpruchG, Rn. 3). Mit der Rechtskraft der Entscheidungen in den Spruchverfahren trat lediglich die Fälligkeit der bereits durch die Abfindungsverträge und die Ausübung des Optionsrechts entstandenen Schulden ein (vgl. Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 305 AktG, Rn. 29; van Rossum in MüKo, AktG, § 305 AktG, Rn. 221).
51Dem steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungsergänzungsansprüche der außenstehenden Aktionäre im Zeitpunkt der Einreichung der Anteile der Höhe nach noch nicht bestimmt waren, da nach den vorstehend dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen auch der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten eine Schuld i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. darstellen können. Eine Hinzurechnung ist in solchen Fällen, in denen für eine der Höhe oder dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeit ggf. eine Rückstellung nebst Zinsrückstellung zu bilden ist, zu einer umfassenden Berücksichtigung von Schuldzinsen gerade erforderlich. Denn die steuerliche Gewinnminderung tritt bereits zum Zeitpunkt der Bildung der Rückstellung ein, sodass auch nur zu diesem Zeitpunkt eine Hinzurechnung möglich ist vgl. Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Auflage 2017, § 8 GewStG, Rn. 4). Insoweit droht auch keine Doppelberücksichtigung in Fällen, in denen sich hinterher herausstellt, dass eine zutreffend gebildete Rückstellung auch für die Zinsen in einer den tatsächlich geschuldeten Betrag übersteigenden Höhe gebildet wurde. Denn in diesen Fällen ist der Gewerbeertrag insoweit zu vermindern, wie die aufzulösende Rückstellung in einem früheren Erhebungszeitraum zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. geführt hat (Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Auflage 2017, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, Rn. 23 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).
52Die Verzinsung für den Zeitraum ab Einreichung der Anteile und Ausübung des Optionsrechts durch die außenstehenden Aktionäre nach § 305 Abs. 1 AktG ist auch ein Entgelt für die Zurverfügungstellung von Kapital in Höhe einer den Vorgaben des § 305 Abs. 1 bis 3 AktG entsprechenden Abfindung. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung wird ab Einreichung der Anteile der Anspruch des Aktionärs auf Zahlung der Abfindung verzinst; diese Verzinsung ist eine auf die Laufzeit der Nutzung des Fremdkapitals bezogene Vergütung für eine entstandene Schuld.
53b. Die Zinsen, die der Klägerin für von ihr zu zahlende Abfindungen für den Zeitraum ab der Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre auf die Abfindungsergänzungsansprüche entstanden sind, sind ferner als sog. Dauerschulden i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zu qualifizieren.
54aa. Bei den als Dauerschulden zu qualifizierenden Verbindlichkeiten unterscheidet die Rechtsprechung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 16.10.1991 I R 88/89, BStBl II 1992, 257) entsprechend dem Wortlaut des § 8 Nr.1 GewStG a.F. zwischen den Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb oder mit der Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen (erste Tatbestandsgruppe), und den Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (zweite Tatbestandsgruppe). Dabei ist unter einem Teilbetrieb im Sinne der Vorschrift nur dann der Erwerb der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu verstehen, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Beteiligung das gesamte Nennkapital der Gesellschaft umfasst (vgl. BFH-Urteil vom 16.10.1991 I R 88/89, BStBl II 1992, 257).
55Die Verbindlichkeiten der ersten Tatbestandsgruppe sind ohne Rücksicht auf ihre Laufzeit Dauerschulden (vgl. BFH-Urteil vom 16.10.1991 I R 88/89, BStBl II 1992, 257). Verbindlichkeiten der zweiten Tatbestandsgruppe sind dagegen nur dann Dauerschulden, wenn sie der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (vgl. BFH-Urteil vom 16.10.1991 I R 88/89, BStBl II 1992, 257). Ob eine Verbindlichkeit im letzteren Sinne Dauerschuld oder laufende Verbindlichkeit ist, richtet sich in erster Linie nach dem Charakter der Schuld: Dient die Schuld der Beschaffung des eigentlichen Dauerbetriebskapitals, das der Betrieb nach seiner Eigenart und seiner speziellen Anlage und Gestaltung ständig benötigt, so spricht dies für eine Dauerschuld (vgl. BFH-Urteile vom 16.10.1991 I R 88/89, BStBl II 1992, 257; vom 13.12.2006 VIII R 51/04, BStBl II 2008, 137). Der BFH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass eine Schuld der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dient, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt (vgl. BFH-Urteil vom 15.5.2008 IV R 77/05, BStBl II 2008, 767). Steht die Schuld mit einzelnen laufenden und nach Art des Betriebes immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen in Zusammenhang (z.B. mit dem Erwerb von Umlaufvermögen) und wird sie in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt, so dient sie trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals (vgl. BFH-Urteile vom 26.10.2004 I R 82/10, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2012, 605; vom 13.12.2006 VIII R 51/04, BStBl II 2008, 137; vom 15.5.2008 IV R 77/05, BStBl II 2008, 767). Vergleichbares gilt für Rückstellungen, die ungewisse Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs betreffen; diese werden erst dann zu Dauerschulden, wenn sie nicht innerhalb von 12 Monaten nach Beseitigung der Ungewissheit getilgt werden (BFH-Urteile vom 19.12.1973 I R 31/72, BStBl II 1974, 387; vom 6.2.1985 I R 81/81, BStBl II 1985, 431). Hingegen sind Schulden, die der Beschaffung des für das Unternehmen erforderlichen Anlagevermögens dienen, ihrem Charakter nach Dauerschulden, wenn ihre Laufzeit insgesamt 12 Monate überschreitet (vgl. BFH-Urteil vom 5.2.1987 IV R 105/84, BStBl II 1987, 448); maßgebend ist insoweit allein die tatsächliche Dauer der Verstärkung des Betriebskapitals (BFH-Urteil vom 27.02.1991 I R 29/89, BStBl II 1991, 529).
56bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, entfielen die für den Zeitraum ab Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre entstandenen Zinsen auf die Abfindungsergänzungsansprüche vollumfänglich auf Dauerschulden, da die Klägerin die den Zinsen zugrunde liegenden Abfindungsergänzungsschulden nicht innerhalb von 12 Monaten nach der Einreichung der Aktien erfüllt hat und die Schulden der Finanzierung von Anlagevermögen – dem Erwerb der Anteile an den Organtöchtern – dienten. Der Zinsaufwand, welcher auf den Zeitraum nach Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre entfiel, ergab sich ausschließlich deshalb, weil die Klägerin in den im Jahr 1989 geschlossenen EAV eine zu niedrige, nicht den Vorgaben des § 305 Abs. 1 bis 3 AktG entsprechende Abfindungszahlung vorgesehen und bis zum Abschluss des Spruchverfahrens den Aktionären bei Einreichung lediglich den zu niedrigen Betrag gezahlt hatte. Das Kapital in Höhe des späteren Zinsaufwands stand der Klägerin auch zur dauernden Verstärkung ihres Betriebskapitals über einen Zeitraum von ca. 3 bis 17 Jahren – je nach Einreichungszeitpunkt – zur Verfügung. Zinsaufwand entstand der Klägerin für den Zeitraum nach Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre der L AG ausschließlich durch bereits im Zeitraum von 1989 bis 2003 eingereichte Anteile; die Klägerin leistete den im Spruchverfahren ermittelten Abfindungserhöhungsbetrag jedoch erst im Jahr 2006 nach Abschluss des Spruchverfahrens. Betreffend die H AG entstand der Klägerin in den Streitjahren Zinsaufwand für den Zeitraum nach Einreichung der Aktien durch die außenstehenden Aktionäre ausschließlich durch bereits im Zeitraum von 1989 bis 2006 eingereichte Anteile; in dem Spruchverfahren der H AG leistete die Klägerin die Abfindungsergänzungsansprüche jedoch erst im Jahr 2009 mit rechtskräftiger Beendigung des Spruchverfahrens.
57II. Auch wenn sich auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung in den Streitjahren ein höherer Gewerbeertrag ergäbe als er bisher in den streitgegenständlichen Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag berücksichtigt worden ist, verbleibt es bei einer Klageabweisung aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren bestehenden Verböserungsverbots, welches aus der allgemeinen Rechtsschutzfunktion abgeleitet wird (vgl. BFH-Beschluss vom 10.3.2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042).
58III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Zulassung der Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, denn es liegt bisher keine finanzgerichtlicher Rechtsprechung zur Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG auf nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG an außenstehende Aktionäre zu leistende Zinsaufwendungen vor.