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Der Schenkungsteuerbescheid vom 31.10.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.02.2020 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der ihr gegenüber festgesetzten Schenkungsteuer für die Übertragung ihrer Stellung als Versicherungsnehmerin eines Leibrentenvertrages auf ihren Cousin, Herrn I. M..
3Die am 02.07.1926 geborene Klägerin schloss am 19.07.2018 einen Leibrentenvertrag bei der Q-Versicherung (nachfolgend auch als „Versicherung“ bezeichnet) nach dem Tarif A ab (Versicherungsnummer xxx, Tarifwerk 2017). Es handelte sich dabei um eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung, bei der der Versicherungsnehmer einen Einmalbetrag an das Versicherungsunternehmen zahlte. Bei Tod der versicherten Person sollte – abzüglich bereits gezahlter Renten – eine Beitragsrückerstattung an den hierfür Bezugsberechtigten erfolgen. Versicherungsbeginn war im Streitfall der 01.09.2018; versicherte Person, d.h. die Person, auf deren Leben die Versicherung abgeschlossen wird, war der am 12.02.1947 geborene Herr I. M.. Der Einmalbetrag einschließlich eventueller Zusatzversicherungen belief sich auf 150.098,13 EUR und der Zahlbetrag auf 150.000 EUR (unter Berücksichtigung von Leistungen aus der Überschussbeteiligung; vgl. Seite 2 „Antrag (L) Rentenversicherung“, Anmelderegisternummer xxx). Rentenzahlungsbeginn war der 01.09.2018. Da die erste vereinbarte Rente im Einmalbetrag berücksichtigt war, war die erste Rentenzahlung am 01.10.2018, einen Monat nach Versicherungsbeginn, fällig. Ausweislich einer „Darstellung für eine sofort beginnende Rentenversicherung nach Tarif A (Tarifwerk 2017)“ vom 17.07.2018 setzten sich die Leistungen zu Lebzeiten der versicherten Person aus der monatlich vereinbarten Rente von 439,29 EUR und der monatlichen Zusatzrente aus der Überschussbeteiligung von 98,13 EUR zusammen, was eine monatliche Gesamtrente von 537,42 EUR ergab. Zur Höhe der Zusatzrente war dort ausgeführt, dass diese jeweils aus der jährlichen Überschussbeteiligung nur für ein Versicherungsjahr zugesichert wurde. Das Bezugsrecht im Erlebensfall hatte der Versicherungsnehmer. Im Todesfall sollte der Einmalbetrag abzüglich der bereits gezahlten vereinbarten Renten zurückgezahlt werden, ohne Berücksichtigung der Renten aus der Überschussbeteiligung. Als Bezugsberechtigter beim Tod der versicherten Person wurde im Streitfall der Ehegatte der versicherten Person zum Zeitpunkt des Todes bestimmt.
4Dem Vertragsschluss lagen „Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung“ (AVB) mit Stand vom 01.01.2017 zugrunde. Nach § 1 Abs. 1a dieser Bedingungen handelte es sich bei dem Tarif A um eine lebenslange Rentenversicherung. Die Versicherungsleistung beim Tod der versicherten Person für den Tarif A („Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr bei Tod abzüglich bereits gezahlter Renten“) bestand nach § 1 Abs. 2 b AVB aus der Rückzahlung des Einmalbetrages abzüglich der bereits gezahlten vereinbarten Renten; dann sollte der Vertrag enden. § 6 AVB enthielt Ausführungen zu der Frage: „Wann können Sie eine Kapitalentnahme beantragen?“ In § 6 Abs. 1 Satz 1 AVB war für Rentenversicherung mit Rentengarantiezeit i. S. des § 1 Abs. 2a AVB die Möglichkeit vorgesehen, unter weiteren Voraussetzungen einmal pro Kalenderjahr Kapital zu entnehmen. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AVB war bei Rentenversicherungen mit Beitragsrückgewähr bei Tod i. S. des § 1 Abs. 2 b AVB die einmalige Kapitalentnahme nur mit Zustimmung der Versicherung möglich und nur so lange, wie ein Anspruch auf eine Todesfallleistung bestand. Der Höchstbetrag einer Kapitalentnahme entsprach bei einer Versicherung mit Beitragsrückgewähr bei Tod der Todesfallleistung, höchstens jedoch dem vorhandenen Deckungskapital, § 6 Abs. 2 Satz 1 der AVB. Darüber hinaus konnte gemäß § 7 AVB („Wann können Sie eine Kapitalleistung bei einer schweren Krankheit beantragen?“) bei einer erstmals während der Versicherungsdauer festgestellten schweren Krankheit der versicherten Person i. S. der „Bestimmungen zu den schweren Krankheiten bei der Dread Disease-Option“ eine Kapitalleistung verlangt werden, solange ein Anspruch auf eine Todesfallleistung bestand, § 7 Abs. 1 Satz 2 AVB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die AVB Bezug genommen.
5Unter dem Datum 24.07.2018 wurde in einer „Anlage zum Antrag A – Tarif vom 24.07.2018“ mit der Versicherung eine „Zusatzvereinbarung für eine Kapitalentnahme“ geschlossen, die die Klägerin als Antragstellerin und Versicherungsnehmerin einerseits und Herr I. M. als versicherte Person unterzeichneten. Der Text lautet wie folgt: „Bei der von Ihnen gewählten Rentenversicherung ist die Ausübung der Kapitalentnahmeoption nur mit unserer Zustimmung möglich (Siehe „§ 6 Wann können Sie eine Kapitalentnahme beantragen?“ in den Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung mit sofort beginnender Ratenzahlung (AVB)). Sie wünschen jedoch schon jetzt Sicherheit für die Ausübung dieser Option. Daher stimmen wir einer Kapitalentnahme unter Abweichung von § 6 AVB bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrages unter den nachstehend aufgeführten Voraussetzungen zu:
6In den ersten fünfzehn Versicherungsjahren können Sie einmalig Kapital bis zu einer Höhe von 50 % des in § 6 AVB beschriebenen Höchstbetrages entnehmen. Der Höchstbetrag entspricht der Todesfallleistung – höchstens jedoch dem vorhandenen Deckungskapital. Für die Entnahme ist eine Gebühr in Höhe von 1 v.H. des Entnahmebetrages zu zahlen.
Nach Ablauf von fünfzehn Versicherungsjahren können Sie einmalig Kapital bis zur Höhe des oben genannten Höchstbetrages entnehmen. Der Entnahmebetrag muss darüber hinaus so bemessen sein, dass die verbleibende Rente die Mindestrente nach unseren „Bestimmungen über Gebühren und tarifabhängige Begrenzungen“ nicht unterschreitet.“
Die Klägerin schloss am 16.07.2019 mit Herrn I. M. einen Schenkungsvertrag, in welchem sie als Schenkende ihm als Beschenkten die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers aus der streitgegenständlichen Leibrentenversicherung unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs an der monatlich ausgezahlten Rentenleistung übertrug (§§ 2, 3 des Schenkungsvertrages). Der „Sachstand“ wurde unter § 1 dieses Vertrages so beschrieben, dass die Rentenleistung derzeit monatlich 537,42 EUR betrage, der Einmalbetrag zum Versicherungsbeginn erbracht sei und weitere Beiträge nicht vereinbart waren. In dem mit „Kündigung des Rentenversicherungsvertrages, Verzicht auf Kapitalentnahme“ überschriebenen § 4 des Vertrags kamen die Vertragsparteien darin überein, dass die Rentenversicherung eine verzinsliche Forderung i. S. des § 1076 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei und die §§ 1077 bis 1079 BGB anwendbar seien (§ 4 Abs. 1 des Schenkungsvertrages). Zudem erklärte der Beschenkte ausdrücklich seinen Verzicht auf das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages und auf ein evtl. bestehendes Recht zur Kapitalentnahme aus dem Versicherungsvertrag (§ 4 Abs. 2 des Schenkungsvertrages). Die Schenkung der Versicherungsnehmereigenschaft stand nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Schenkungsvertrages unter der auflösenden Bedingung, dass der Beschenkte den Rentenversicherungsvertrag zu Lebzeiten der Schenkenden ordentlich oder außerordentlich kündigte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 lit. b. des Schenkungsvertrages) bzw. ein evtl. bestehendes Recht auf Kapitalentnahme aus dem Versicherungsvertrag geltend machte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c. des Schenkungsvertrages). Bei Bedingungseintritt sollte die Schenkung der Versicherungsnehmereigenschaft ohne weiteres dinglich an „die Schenkenden“ zurückfallen; der Beschenkte bevollmächtigte die Schenkende zugleich unwiderruflich zur Abgabe von etwaig nötigen Erklärungen zur Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft, § 5 Abs. 1 Satz 2 f. des Schenkungsvertrages. Der Schenkenden stand nach § 6 Abs. 2 des Schenkungsvertrages unter bestimmten, dort im Einzelnen benannten Umständen ein Widerrufs- bzw. Rückforderungsrecht zu. Eine etwaig anfallende Schenkungsteuer sollte die Schenkerin ebenso tragen wie die Kosten des Vertrages und seiner Durchführung, § 7 Abs. 2 des Schenkungsvertrages. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schenkungsvertrag vom 16.07.2019 Bezug genommen.
10Am selben Tag unterzeichneten die Klägerin und der Beschenkte ein von der Versicherung bereitgestelltes Formular („Übertragung der VN-Eigenschaft“), wonach „mit Wirkung zum 01.08.2019“ der Beschenkte als neuer Versicherungsnehmer in den Vertrag eintreten und alle Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer aus dem Vertrag übernehmen sollte. Die Schenkerin sollte als bisherige Versicherungsnehmerin aus dem Vertrag ausscheiden. Die Versicherung übersandte Herrn I. M. am 23.07.2019 einen Nachtrag zum Versicherungsvertrag vom selben Tage. Danach war Herr I. M. „jetzt“ sowohl Versicherungsnehmer als auch versicherte Person. Beide Dokumente nahmen Bezug auf einen entsprechenden Antrag und der Nachtrag zusätzlich auf dazu abgegebene schriftliche Erklärungen und vereinbarte Bedingungen. Am 24.07.2019 teilte die Versicherung dem Beklagten mit, die Versicherungsnehmereigenschaft sei zum 01.08.2019 übertragen worden. Die Jahresrente betrage 6.449 EUR.
11Die Versicherung zahlte die Rente aus dem streitgegenständlichen Vertrag infolge des ihr mit Datum vom 16.07.2019 angezeigten Nießbrauchsrechts nach dem Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft weiterhin an die Klägerin aus.
12In der Schenkungsteuererklärung gaben die Klägerin und der Beschenkte an, der „Zuwender (Schenker)“ trage die Schenkungsteuer (Formular „Schenkungsteuererklärung, Zeile 17).
13Das beklagte Finanzamt setzte am 31.10.2019 Schenkungsteuer auf den 01.08.2019 fest „über den Erwerb des Herrn I. M. aus der Schenkung der Frau H. X. in B-Straße, H-Stadt vom 01.08.2019“. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Ihm lag ein Steuerwert der Versicherung von 150.537 EUR zugrunde, abzüglich Kosten und Gebühren (Steuerberatungskosten 559 EUR; Vertragskosten 857 EUR) sowie Nutzungs-/Duldungsauflagen („NBR H.. X.“) von 19.728 EUR.
14Mit Einspruchsentscheidung vom 17.02.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Schenkungsteuer sei zum Zeitpunkt des Schenkungsvertrages mit nachfolgender Annahme durch die Versicherung mit Wirkung zum 01.08.2019 entstanden. Der Zuwendungsempfänger sei im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung in die Versicherungsnehmerstellung eingerückt.
15Die Versicherung sei als verzinsliche Forderung mit dem Nennwert nach § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu bewerten. Der Beschenkte habe trotz vertraglicher Einschränkungen über die Versicherung tatsächlich und rechtlich frei verfügen können. Nach dem Versicherungsvertragsverhältnis habe er die Versicherung kündigen bzw. eine Teil- oder Vollkapitalisierung beantragen können, ohne dass die Schenkerin dies hätte aktiv verhindern können. Da allein der jeweilige Versicherungsnehmer Vertragspartner der Versicherung sei, hätte der Schenkungsvertrag die Versicherung nicht daran gehindert, einem Antrag des Versicherungsnehmers auf Auszahlung des Versicherungskapitals gemäß § 6 des Versicherungsvertrages zu entsprechen.
16Die Klage ist am 16.03.2020 beim FG eingegangen.
17Die Klägerin trägt vor, dass der Schenkungsvertrag eine Kapitalentnahme in das freie Vermögen des Beschenkten nicht zulasse. Das nach § 3 des Schenkungsvertrages vorbehaltene Nießbrauchsrecht führe dazu, dass eine Kapitalentnahme zu einer „Vertragsrücknahme“ führen müsse, weil dann das Nießbrauchsrecht als Kernbestandteil des Vertrages zerstört wäre. Auch nach § 4 des Schenkungsvertrages i. V. m. § 1077 BGB könne der Beschenkte weder das Kapital entnehmen noch die Rente kündigen; selbst bei Einziehung des Kapitals bestehe der Nießbrauch am Surrogat fort (§ 1079 BGB). Abgesehen davon sei in § 5 des Schenkungsvertrages bei einer Kapitalentnahme ein Widerrufs-/Rückforderungsrecht vorgesehen.
18In der gewählten Tarifvariante A habe der Versicherungsnehmer zudem weder ein Kündigungsrecht (§ 11 AVB) noch einen Rechtsanspruch auf eine Kapitalentnahme. Eine Kapitalentnahme sei abhängig von der Zustimmung des Versicherers.
19Auch durch die Anzeige der Schenkungs-/Nießbrauchsvereinbarung an den Versicherer sei der Beschenkte so gebunden, dass faktisch eine realisierbare Kapitalforderung ausgeschlossen sei. Die Versicherung würde wegen des ihr bekannten Nießbrauchsrechts an den laufenden Rentenzahlungen keine Kapitalauszahlung an den Beschenkten vornehmen.
20Bezüglich der Todesfallleistung weist die Klägerin darauf hin, dass diese zum gegebenen Zeitpunkt erbschaftsteuerlich bei der dann bezugsberechtigen Person zu erfassen sei, aber nicht beim Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer könne das Bezugsrecht nach freiem Ermessen lebzeitig ändern.
21Aus Sicht der Klägerin sei keine Kapitalforderung i. S. des § 12 Abs. 1 BewG, sondern eine Rentenversicherung i. S. des § 12 Abs. 4 BewG verschenkt worden.
22Das beklagte Finanzamt habe übersehen, dass die Versicherungsbedingungen, die dem Urteil des FG Köln vom 05.06.2019, 7 K 739/19, EFG 2019, 1912, zugrunde gelegen hätten, andere als im Streitfall seien.
23Die Klägerin trägt ferner vor, dass eine etwaige Kapitalauszahlung immer auch den Wert der lebenslangen Rente aus dem Vertrag schmälern würde und der wirtschaftliche Wert einer etwaigen Kapitalforderung durch die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen und das Nießbrauchsrecht gemindert sei.
24Selbst wenn man schenkungsteuerlich dennoch die Bereicherung anhand des Kapitalwertes ermitteln müsste, wäre dieser Wert jedenfalls mit 150.537 EUR zu hoch angesetzt. Gezahlt worden seien nur 150.000 EUR. Zum 01.09.2018 seien zudem Vertriebs-/Abschlusskosten angefallen, die das Deckungskapital/den inneren Wert mindern würden, ebenso wie die monatlichen Renten, die bis zum 01.08.2019 an die Klägerin geflossen seien. Das theoretisch maximal mögliche Auszahlungskapital sei auch dadurch gemindert, dass das Versicherungsunternehmen selbst bei Zustimmung zu einer Kapitalentnahme keine Kündigung zulasse, weil immer noch eine „beitragsfreie“ Rente bestehen bleiben müsse. Die Entnahmemöglichkeit nach der „Zusatzvereinbarung für eine Kapitalentnahme“ sei der Klägerin in zeitlich und der Höhe nach eingeschränktem Umfang eingeräumt worden. Indem der Versicherung im Zusammenhang mit der Übertragung der Versicherungsnehmerstellung auf den Beschenkten ein „Nießbrauch auf die Rentenversicherung“ angezeigt worden sei, sei damit die „Weiterzahlung der Rente“ an die ursprüngliche Versicherungsnehmerin beantragt worden. Der Versicherer würde daher bei einem Antrag auf Kapitalentnahme immer zunächst die Vertragsbeteiligten bzw. die beratenden Vermittler informieren. Da die Vertragsbeteiligten ihre Vertragsbeziehungen detailliert in den maßgeblichen Regelungen des Schenkungsvertrages (Widerrufs-/Rücktrittsgründe) geregelt hätte, könne eine tatsächliche Kapitalentnahme auf dieser Basis ausgeschlossen werden. Die Versicherung habe eine Auszahlung zugunsten des neuen Versicherungsnehmers ohne die Zustimmung des Nießbrauchers nicht vornehmen können.
25Die Klägerin beantragt,
26den Schenkungsteuerbescheid vom 31.10.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.02.2020 dahingehend zu ändern, dass der steuerliche Wert des erworbenen Vermögens mit 60.072 EUR angesetzt wird,
27hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
28Der Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen,
30hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
31Zur Begründung wiederholt und vertieft der Beklagte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Er verweist darauf, dass der Beschenkte in die Rechtsstellung als Versicherungsnehmer eingerückt sei, welche ihm nach § 6 AVB ein Recht auf Kapitalentnahme aus dem Versicherungsvertrag vermittele. Die zivilrechtlichen Regelungen des Schenkungsvertrages führten nicht dazu, dass die Schenkerin eine entsprechende Auszahlung der Versicherung an den Beschenkten hätte verhindern können, sondern könnten nur ein Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zur Folge haben.
32Die Q-Versicherung hat zum Sachverhalt mit Schreiben vom 01.06.2021 – nach einer gerichtlichen Aufklärungsverfügung – ausgeführt, dass § 6 AVB bei dem Tarif A nur eine einmalige Kapitalentnahmemöglichkeit vorsehe. Aktuell erteile sie aus geschäftspolitischen Gründen grundsätzlich keine Zustimmung zu eventuellen Kapitalentnahmewünschen beim Tarif A. Die versicherte Person habe nach der Übernahme des Vertrags als Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen können, dass sie bei entsprechender Antragstellung das gesamte verbliebene Deckungskapital hätte entnehmen können. Dagegen sprächen die Vertragsgrundlagen und der gesamte Beratungsprozess sowie die Vereinbarung vom 24.07.2018, welche die Möglichkeit der Kapitalentnahme zwischen den Vertragsparteien begrenzt habe.
33Auf weitere Nachfrage des Gerichts hat die Q-Versicherung mit Schreiben vom 07.10.2021 erläutert, dass zum Stichtag 01.08.2019 eine Kapitalentnahme von höchstens 69.602,31 EUR (d.h. 50 v. H. des vorhandenen Deckungskapitals von 139.204,61 EUR) möglich gewesen wäre. Bei einer unterstellten Kapitalentnahme in dieser Höhe hätte sich die laufende monatliche Rente, wie die Versicherung am 27.10.2021 dem Gericht mitteilte, auf ca. 90 EUR (garantierte Rente ca. 48 EUR, Überschussanteil ca. 42 EUR), ermäßigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben der Q-Versicherung vom 01.06.2021 und vom 07.10.2021 sowie auf den Telefonvermerk der Berichterstatterin vom 27.10.2021 Bezug genommen.
34Am 17.05.2021 hat die Berichterstatterin einen Erörterungstermin durchgeführt. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat hat am 27.10.2021 stattgefunden. Auf die jeweiligen Protokolle wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36Die Klage ist teilweise begründet.
37Der Schenkungsteuerbescheid vom 31.10.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.02.2020 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, als der Beklagte die Schenkungsteuer anhand einer Bemessungsgrundlage festgesetzt hat, die den Betrag der zum Stichtag 01.08.2019 maximal möglichen Kapitalentnahme von 69.602,31 EUR zzgl. des zu kapitalisierenden und um den Kapitalwert des Nießbrauchs zugunsten der Schenkerin zu ermäßigenden Jahreswertes der bei einer solchen Kapitalentnahme verbleibenden laufenden Rente von 90 EUR monatlich übersteigt.
381. Mit der Einräumung der Versicherungsnehmerstellung hat Herr I. M. auf den Stichtag 01.08.2019 eine Schenkung unter Lebenden i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erhalten, für die die Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG am selben Tage entstanden ist.
39a. Der Schenkungsteuer unterliegt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Die Steuer entsteht in diesen Fällen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG grundsätzlich mit der Ausführung der Zuwendung. Bei der Übertragung einer Versicherungsnehmerstellung wie im vorliegenden Fall ist das grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem der Zuwendungsempfänger in die Versicherungsnehmerstellung einrückt (FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987, rkr.; FG Köln, Urteil vom 05.06.2019 7 K 739/19, EFG 2019, 1912, rkr.; jeweils m.w.N.). Da es sich um einen Vertragspartnerwechsel handelt, bedarf es hierfür auch der Zustimmung des anderen Vertragspartners. Die Besteuerung der Zuwendung einer Versicherungsnehmerstellung hat deshalb in dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem die Zustimmung der Versicherung zum Vertragspartnerwechsel erteilt wird (vgl. FG Münster, Urteil vom 23.10.2014 3 K 265/12 Erb, EFG 2015, 240, rkr.).
40Im Streitfall hat die Versicherung auf den Stichtag 01.08.2019 ihre Zustimmung erteilt zu dem in § 2 des Schenkungsvertrages vom 16.07.2019 zwischen der Klägerin und Herrn I. M. vereinbarten unentgeltlichen Vertragspartnerwechsel. Zwar datiert der Nachtrag zum Versicherungsvertrag, welcher Herrn M. als neuen Versicherungsnehmer ausweist, schon vom 23.07.2019. Jedoch nimmt dieses Dokument, ebenso wie das entsprechende Anschreiben der Versicherung an Herrn I. M. vom selben Tage, ausdrücklich Bezug auf einen entsprechenden Antrag und die dazu abgegebenen schriftlichen Erklärungen, zu denen auch das von der Klägerin und Herrn I. M. unterschriebene Formular „Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft“ vom 16.07.2019 gehört. Darin erklären beide, dass der Vertragspartnerwechsel „mit Wirkung zum 01.08.2019“ erfolgen solle. Da die Versicherung überdies in ihrer Mitteilung vom 24.07.2019 an das beklagte Finanzamt angegeben hat, dass die Versicherungsnehmereigenschaft „zum 01.08.2019“ übertragen worden sei, ist die Zustimmung der Versicherung zum Vertragspartnerwechsel, wie sie sich nach den gesamten Umständen darstellt, auf den Stichtag 01.08.2019 erteilt worden. Das ist nach der mündlichen Verhandlung zwischen der Klägerin und dem Beklagten auch unstreitig.
41b. Die Schenkungsteuer entstand zum Stichtag 01.08.2019 sowohl hinsichtlich des eines Anspruchs auf Kapitalentnahme in Höhe von 69.602,31 EUR als auch hinsichtlich der unter Berücksichtigung einer solchen Kapitalentnahme entsprechend ermäßigten verbleibenden laufenden monatlichen Rentenzahlungen, die anhand des kapitalisierten Jahreswerts abzüglich des Kapitalwerts des Nießbrauchs zugunsten der Schenkerin anzusetzen sind.
42aa. Die Steuer ist, soweit es um die Möglichkeit zur Entnahme des hälftigen Deckungskapitals geht, nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bereits am 01.08.2019 entstanden. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist insoweit nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a, 2. HS ErbStG hinausgeschoben. § 9 Abs. 1 Nr. 1a, 2. HS ErbStG sieht vor, dass die Steuer insoweit (erst) mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung bzw. des Ereignisses entsteht, wie zu einem Erwerb aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Ansprüche gehören. Zwar findet diese Regelung als lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG grundsätzlich auch auf Schenkungen unter Lebenden Anwendung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21.04.2009 II R 57/07, BStBl. II 2009, 606). Jedoch betrifft § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG nicht alle zivilrechtlich als betagt anzusehenden Ansprüche, sondern nur solche, bei denen der Eintritt oder der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses ungewiss oder unbestimmt ist (vgl. BFH-Urteile vom 27.08.2003 II R 58/01, BStBl. II 2003, 921; vom 07.10.2009 II R 27/07, BFH/NV 2010, 891, m.w.N.). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass bei Ungewissheit oder Unbestimmtheit des Eintritts oder des Eintrittszeitpunktes des zur Fälligkeit führenden Ereignisses eine wirtschaftliche Bereicherung im Schenkungszeitpunkt noch nicht vorliegt (vgl. zur Erbschaftsteuer FG Nürnberg, Gerichtsbescheid vom 12.09.2018 4 K 498/17, juris). Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann (BGH-Urteil vom 28.05.2020 III ZR 138/19, BGHZ 226, 161). Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB).
43Im Streitfall war am Übertragungsstichtag, dem 01.08.2019, der Anspruch auf Auszahlung des hälftigen Deckungskapitals von 69.602,31 EUR bereits fällig. Der Beschenkte rückte an diesem Tag in die Versicherungsnehmerstellung ein. Das hatte zur Konsequenz, dass sämtliche Rechte und Pflichten, die die Schenkerin aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherungsunternehmen hatte, auf ihn übergingen. Zu diesen Rechten gehörte insbesondere das Recht auf eine einmalige Kapitalentnahme in maximaler Höhe von 50 v. H. des in § 6 AVB beschriebenen Höchstbetrages in den ersten fünfzehn Versicherungsjahren, zu der die Versicherung in der Zusatzvereinbarung vom 24.07.2018 bereits ihre Zustimmung erteilt hatte. Damit konnte der Beschenkte diese Kapitalauszahlung erstmals am 01.08.2019 verlangen. Dass die Entnahme des anteiligen Kapitals an einen Antrag des Versicherungsnehmers gebunden war, steht der Fälligkeit des Anspruchs nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um das Geltendmachen des vorhandenen, bereits fälligen Anspruchs, verbunden mit der Erklärung, in welcher konkreten Höhe das Recht auf Kapitalentnahme tatsächlich geltend gemacht werde. Anders als im Fall des FG Köln (Urteil vom 05.06.2019 7 K 739/19, juris Rz. 47 ff.) sehen die Versicherungsbedingungen im Streitfall auch nicht vor, dass der Antrag auf Auszahlung nur mit einem bestimmten zeitlichen Vorlauf gestellt werden kann.
44Der vom Beschenkten in § 4 Abs. 2 des Schenkungsvertrages erklärte Verzicht auf das Recht zu Kapitalentnahme hat nicht zur Folge, dass der Anspruch auf die in der Zusatzvereinbarung geregelte Kapitalentnahme nicht der Schenkungsteuer unterliegen würde. Denn dieser Anspruch gegen den Versicherer ist mit dem Vertragspartnerwechsel zivilrechtlich wirksam auf den Beschenkten übergegangen. Der allein gegenüber der Schenkerin erklärte Verzicht lässt den Bestand des Kapitalentnahmerechts und die dingliche Verfügungsbefugnis des Beschenkten in Bezug auf dieses Recht – auch gegenüber der Schenkerin – unberührt. Welchen etwaigen Ansprüchen der Schenkerin sich der Beschenkte im Fall der Ausübung des Kapitalentnahmerechts ausgesetzt sehen könnte, ist für die Frage, ob er über das Kapitalentnahmerecht verfügen konnte, nicht entscheidend.
45Soweit der Beklagte für den Übertragungsstichtag von einer umfassenden Möglichkeit zur Kapitalentnahme ausgeht, steht dem allerdings der in § 6 Abs. 1 Satz 2 AVB normierte Zustimmungsvorbehalt der Versicherung entgegen. Bei der zu erteilenden Zustimmung handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) für das Entstehen des Rechts auf Kapitalentnahme. Das ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AVB, die bei Rentenversicherungen mit Beitragsrückerstattung bei Tod, zu denen auch das streitgegenständliche Versicherungsprodukt gehört, in Abgrenzung zu den in § 6 Abs. 1 Satz 1 AVB genannten Rentenversicherungen mit Rentengarantiezeit, „nur“ mit Zustimmung der Versicherung eine solche Kapitalentnahme vorsieht. Auch die Zusatzvereinbarung vom 24.07.2018 betont, dass die Kapitalentnahmeoption nach § 6 AVB „nur“ mit Zustimmung der Versicherung möglich sei, und macht deutlich, dass dem Versicherungsnehmer durch die Zusatzvereinbarung in dieser Hinsicht Planungssicherheit verschafft werden solle. Das bedeutet im Umkehrschluss – und in Übereinstimmung mit den Angaben der Versicherung gegenüber dem Gericht –, dass der in § 6 Abs. 1 Satz 2 AVB normierte Zustimmungsvorbehalt nicht lediglich pro forma Bestandteil des Versicherungsvertrages war, sondern als eine Rechtsbedingung im technischen Sinne zu verstehen ist, und dass die Versicherung grundsätzlich restriktiv mit der Erteilung einer etwaigen Zustimmung umzugehen beabsichtigte. Der jeweilige Versicherungsnehmer durfte keinesfalls sicher davon ausgehen, dass und in welcher Höhe die Versicherung einer Kapitalentnahme gemäß § 6 Abs.1 Satz 2 AVB zustimmen würde.
46Der Bereicherung des Beschenkten im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG am Stichtag 01.08.2019 standen in Bezug auf die Kapitalentnahmemöglichkeit die im Schenkungsvertrag vereinbarten Widerrufsvorbehalte bzw. auflösenden Bedingungen nicht entgegen.
47Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Sie setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dafür, ob dies der Fall ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.06.2007 II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; BFH-Urteil vom 06.05.2015 II R 34/13, BStBl. II 2015, 821; BFH-Urteil vom 16.09.2020 II R 33/19, BFH/NV 2021, 317).
48Die zwischen der Klägerin und dem Beschenkten in § 5 Abs. 2 des Schenkungsvertrages vereinbarten Widerrufs-/Rückübertragungsrechte ändern an dem zivilrechtlichen Übergang der gesamten Versicherungsnehmerstellung nichts. Deshalb kann dahinstehen, ob die Ausübung des Rechts auf Kapitalentnahme nach den vertraglichen Bestimmungen überhaupt ein solches Recht begründen würde. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass selbst ein freier Widerrufsvorbehalt bei einer Schenkung der Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht entgegensteht (BFH-Urteil vom 13.09.1989 II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034; BFH-Urteil vom 28.06.2007 II R 21/05, BStBl. II 2007, 669). Denn ein solcher Widerrufsvorbehalt hindert den Bedachten nicht an der freien Verfügung über das auf ihn schenkweise übertragene Vermögen. Erst die Ausübung des Widerrufsrechts und die Herausgabe des Geschenks führen in einem solchen Fall nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit.
49Bezüglich der in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Schenkungsvertrages vereinbarten auflösenden Bedingungen gilt nichts anders. Solange die jeweilige auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) nicht eingetreten ist, hat der zivilrechtliche Übergang der Versicherungsnehmerstellung mit allen damit verbundenen Rechten Bestand. Insofern verbietet sich auch eine Gesamtbetrachtung, die zwei rechtliche Schritte miteinander verquickt: Zwar haben die Klägerin und der Beschenkte in § 5 Abs. 1 Satz 1 lit. a des Schenkungsvertrages festgelegt, dass die Schenkung unter der auflösenden Bedingung der Geltendmachung eines Rechts auf Kapitalentnahme aus dem Versicherungsvertrag steht. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass dieses Kapitalentnahmerecht mit seinem Eintritt in die Versicherungsnehmerstellung auf den Beschenkten übergegangen ist.
50bb. Auch hinsichtlich des Anspruchs auf die lebenslangen monatlichen Rentenzahlungen ist die Schenkungsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bereits mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entstanden. Da die Renten monatlich, d.h. zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, war die Steuerentstehung nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben.
51Der Nießbrauchsvorbehalt zugunsten der Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 des Schenkungsvertrages steht dem Übergang des Anspruchs auf monatliche Rentenzahlungen auf den Beschenkten nicht entgegen. Maßgeblich ist, wie dargestellt, für Zwecke des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausschließlich die Zivilrechtslage. Mit dem Eintritt als Vertragspartner hat der Beschenkte auch die Gläubigerstellung bezüglich des Anspruchs auf monatliche Rentenzahlungen erworben. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass sich die Klägerin und der Beschenkte nach § 4 Abs. 1 des Schenkungsvertrages darüber einig waren, dass es sich bei der Rentenversicherung um eine verzinsliche Forderung i. S. des § 1076 BGB handele und die §§ 1077 bis 1079 BGB anwendbar seien. Die §§ 1076 bis 1079 BGB regeln die Nutzungsrechte bei Nießbrauch an verzinslichen Forderungen. Der Nießbraucher darf diese Forderungen nur in der Weise nutzen, dass die Substanz gegen den Willen des Forderungsberechtigten nicht gemindert wird. Aus diesem Grunde kann der Nießbrauchsberechtigte nur zusammen mit dem Gläubiger die verzinste Forderung einziehen (§ 1077 i. V. m. § 1076 BGB). Mit der Leistung des Schuldners erlangen Gläubiger und Nießbraucher Mitbesitz in der Form, dass der Gläubiger das Eigentum und der Nießbraucher den Sachnießbrauch erwirbt. Die §§ 1078, 1079 BGB gewährleisten, dass bei allen Maßnahmen, die den Bestand der verzinslichen Forderung betreffen, Nießbraucher und Gläubiger zusammenwirken müssen (vgl. im Einzelnen Laukemann in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 1076 Rz. 2, § 1077 Rz. 6, § 1079 Rz. 3). Aus dieser Rechtslage ergeben sich aber keine weitergehenden Einschränkungen des Forderungsinhabers, die eine von den o. g. Grundsätzen abweichende schenkungsteuerrechtliche Beurteilung rechtfertigen würden (FG Köln, Urteil vom 05.06.2019 7 K 739/19, EFG 2019, 1912). Insbesondere hat der Gläubiger des Rechts einen gerichtlich gemäß § 894 der Zivilprozessordnung (ZPO) durchsetzbaren Anspruch gegenüber dem Nießbraucher, dass dieser die erforderliche Mitwirkung an dem Erfüllungsgeschäft des Schuldners vornimmt (§ 1078 BGB; Bayer in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1078 Rz. 1; Staudinger/Heinze (2017) BGB, § 1078 Rz. 9).
522. Der Wert des steuerpflichtigen Erwerbs entspricht der Bereicherung des Bedachten (§ 1 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) am Stichtag.
53Dabei ist der Anspruch auf Kapitalentnahme gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert von 69.602,31 EUR zu bewerten. Nach diesen Vorschriften sind Kapitalforderungen mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder niedrigeren Wert begründen. Solche besonderen Umstände liegen im Streitfall nicht vor. Eine Bewertung anhand des Rückkaufwertes gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG war nicht vorzunehmen, weil diese Vorschrift nur für noch nicht fällige Ansprüche gilt. Der Anspruch auf Kapitalentnahme war indes, wie dargestellt, am Übertragungsstichtag bereits fällig.
54Der Anspruch auf die – unter Berücksichtigung der maximal möglichen Kapitalentnahme reduzierten – laufenden monatlichen Rentenzahlungen ist gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 14 Abs.1 Satz 1 BewG mit dem Kapitalwert anzusetzen. Auszugehen ist dabei von einer monatlichen Rente von 90 EUR und einem Alter des Beschenkten von 72 Jahren am Übertragungsstichtag. In Abzug zu bringen ist insoweit die aus dem Vorbehaltsnießbrauch erwachsene Belastung durch das vorbehaltene Nießbrauchsrecht der Klägerin, die am Übertragungsstichtag 93 Jahre alt war. Diese Nutzungs- bzw. Duldungsauflage ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 14 Abs. 1 BewG mit ihrem Kapitalwert zu berücksichtigen.
55Ferner sind, wie im angefochtenen Steuerbescheid, Steuerberatungskosten in Höhe von 559 EUR und Vertragskosten in Höhe von 857 EUR abzuziehen.
563. Die Berechnung der festzusetzenden Schenkungsteuer wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen. Insbesondere ist dabei auch die von der Klägerin übernommene Schenkungsteuer zu berücksichtigen.
574. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
585. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
596. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 der ZPO.