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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist die zutreffende Einkunftsart.
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie erzielt Einkünfte aus der Vermietung des Objekts I-Straße 40 in H, wobei es sich um ein Mehrfamilienhaus mit einem Ladenlokal handelt. Die Klägerin ist ferner seit dem 01.12.2003 mit 50.000 EUR (entspricht seit 2015 einer Quote von 4,24 %) an der Firma „X GmbH & Co. KG“ beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, die für das Streitjahr 2017 vom Finanzamt T mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 06.04.2020 gesondert und einheitlich festgestellt worden sind.
4Aufgrund der Beteiligung wurden die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung seit 2006 zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Steuerakten ist jedenfalls der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für das Jahr 2016 bestandskräftig geworden.
5Der Beklagte stellte mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auch für 2017 vom 14.08.2019 Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von insgesamt 28.767,87 EUR fest. Darin enthalten waren - neben den gewerblichen Beteiligungseinkünften – „umqualifizierte“ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 60.864,55 EUR, die die Klägerin selbst als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt hatte.
6Mit Schreiben vom 11.09.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid ein. Im Rahmen der Begründung wendete sie sich gegen die Feststellung der Einkunftsart „Gewerbebetrieb“. Richtig sei die Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung“. Die vom Beklagten angewendete „Abfärbetheorie“, die zu einer Umqualifizierung der Einkünfte führe, sei hier nicht einschlägig. Es sei vielmehr eine Bagatellgrenze anzuwenden, die vorliegend nicht überschritten worden sei. Außerdem sei fraglich, ob überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht im Hinblick auf die Beteiligung bestanden habe, da sie – zumindest von 2012 bis 2015 – nur Verluste aus der Beteiligung realisiert habe.
7Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die von der Klägerin angeführte Bagatellgrenze nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) bei der Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht zu berücksichtigen sei. Hiernach führe einkommensteuerrechtlich jede Beteiligung, aus der die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte beziehe, zu einer Umqualifizierung aller weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb.
8Am 03.01.2020 hat die Klägerin Klage erhoben.
9Zur Begründung wendet sie sich gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 06.06.2019 (zum Az. IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649). Das Urteil sei fehlerhaft. Die mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG verbundenen Nachteile für die Gesellschaft bzw. ihre Gesellschafter stünden nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Ziel. So führten die vom BFH angeführten steuermindernden Rücklagen nach § 6b EStG und Investitionsaufträge nach § 7g EStG lediglich zu einer temporären Steuerentlastung. Die Umqualifizierung zu gewerblichen Einkünften würde aber definitiv zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen. Auch die vom BFH angeführten Vorteile in Gestalt von erbschafts- und schenkungssteuerlichen Freibeträgen und Bewertungsabschlägen müssten jedoch zunächst durch den „Flaschenhals“ der Privilegierung und nicht als sogenanntes nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen qualifiziert werden. Außerdem stehe die Rechtsprechung des 4. Senates des BFH im Widerspruch zur Rechtsprechung des 8. Senats des BFH, der zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. EStG geurteilt habe. Hier hätte der Große Senat des BFH angerufen werden müssen.
10Der BFH habe in seinem Urteil vom 06.06.2019 ausführlich dargelegt, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG nicht als ein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterlegender Gewerbebetrieb gelte. Insoweit sei die Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG einschränkend auszulegen. In den Fällen, in denen es nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG einkommensteuerrechtlich zu einer Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte auf nicht gewerbliche Einkünfte komme, sei durch entsprechende Auslegung gewerbesteuerrechtlicher Normen zu verhindern, dass an sich nicht gewerbliche und damit auch nicht gewerbesteuerbare Einkünfte mit Gewerbesteuer belastet würden. Allerdings sei der Entscheidung des BFH nicht zu entnehmen gewesen, welche Konsequenzen dies für die gewerbesteuerliche Behandlung von Beteiligungserträgen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG habe. Möglicherweise sei hierüber nicht im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung im Sinne des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a Abgabenordnung (AO), sondern im Rahmen einer Veranlagung zur Gewerbesteuer zu befinden. Die Klägerin verweist des Weiteren auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren VIII R 1/22 und die Möglichkeit, dass der BFH in diesem Verfahren entscheidet, dass die gewerbesteuerliche Behandlung von Beteiligungserträgen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO festzustellen sei. In diesem Fall wäre eine Befreiung der Beteiligungserträge im Rahmen einer Veranlagung zur Gewerbesteuer wegen der Bindungswirkung der Feststellung dann aber für die Klägerin nicht mehr möglich.
11Einen schriftsätzlich gestellten Antrag, das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH in dem Verfahren VIll R 1/22 anzuordnen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung wieder zurückgenommen.
12Die Klägerin beantragt,
13unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2017 vom 14.08.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden,
14hilfsweise, die Revision zuzulassen
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
18Am 15.03.2022 hat der Senat durch Gerichtsbescheid entschieden. Mit Schreiben vom 14.04.2022 hat die Klägerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Am 13.05.2022 ist mündlich vor dem Senat verhandelt worden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Der Gerichtsbescheid gilt als nicht ergangen (§ 90a Abs. 3 FGO), da die Klägerin innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragt hat.
21I. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2017 vom 14.08.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
221. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit u.a. einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt (Alternative 1) oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht (Alternative 2).
23a) Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass die Klägerin im Streitjahr mit Einkünfteerzielungsabsicht ihren Grundbesitz vermietet hat.
24b) Zudem hat die Klägerin im Streitjahr aus der „X GmbH & Co. KG“ gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen. Das für die Durchführung des Gewinnfeststellungsverfahrens der „X GmbH & Co. KG“ zuständige Betriebsstättenfinanzamt hat für diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch für das Streitjahr 2017 bestandskräftig festgestellt und anteilig der Klägerin als an dieser Gesellschaft beteiligte Mitunternehmerin zugerechnet. Ausweislich des Feststellungsbescheides für 2017 für die „X GmbH & Co. KG“ vom 06.04.2020 entfielen laufende (Beteiligungs-)Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 5.481,13 € auf die Klägerin, die nach Anwendung des § 15a EStG im Folgebescheid, d.h. im vorliegend angefochtenen Feststellungsbescheid der Klägerin, mit 0 € als laufende steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen waren.
25Dieser Gewinnfeststellungsbescheid ist als Grundlagenbescheid für das für die Durchführung des Gewinnfeststellungsverfahrens für die Klägerin zuständige FA u.a. hinsichtlich der Mitunternehmerstellung der Klägerin und der Art und Höhe der festgestellten Einkünfte nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend. Einwendungen gegen die Feststellungen in einem (wirksamen) Grundlagenbescheid, wie vorliegend die von der Klägerin geltend gemachte fehlende Gewinnerzielungsabsicht im Hinblick auf ihre Beteiligungseinkünfte, können daher mit Erfolg nur in einem gegen einen solchen Bescheid gerichteten Verfahren, nicht aber in dem Verfahren gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden (vgl. § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO). Im Verfahren gegen den Folgebescheid kann lediglich die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit eines Grundlagenbescheids geltend gemacht werden, denn ein unwirksamer bzw. nichtiger Grundlagenbescheid erzeugt keine Bindungswirkung. Anhaltspunkte dafür, dass der Gewinnfeststellungsbescheid der „X GmbH & Co. KG“ nichtig ist, sind jedoch nicht ersichtlich und im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
26c) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, kommt die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG bei Einkünften aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ohne Bagatellgrenze zur Anwendung (BFH, Urteil vom 06.06.2019 IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649).
27Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er der Begründung der Einspruchsentscheidung folgt (§ 105 Abs. 5 FGO).
28II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
29III. Die Zulassung der Revision erfolgt mit Blick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren VIII R 1/22 und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).