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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen eines Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 1, 4 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres 2015 (EStG) sowie in dessen Zusammenhang um das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauches i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO) im Einkommensteuerbescheid 2015.
2Die im Streitjahr verheirateten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger gründeten mit notariellem Vertrag vom 31.05.2006 die L & E Verwaltungs GmbH (GmbH). Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen und Immobilien sowie die Verwaltung eigenen Vermögens. Wie in § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der GmbH vom 31.05.2006 vorgesehen, erbrachten die Kläger das Stammkapital i.H.v. von jeweils 12.500€ durch Einlage von jeweils 3.800 Aktien der Q AG (AG), der Rechtsnachfolgerin der u.a. durch den Kläger gegründeten Q GmbH, zu einem Kurswert i.H.v. 3,76€ je Aktie. Den das Stammkapital übersteigenden Betrag i.H.v. jeweils 1.788€ (3.800 Aktien x 3,76€ - 12.500€) gewährten die Kläger der GmbH mit Vertrag vom 01.06.2006 jeweils als Darlehen (sog. Darlehen I).
3In der Folgezeit verkauften die Kläger der GmbH weitere Aktien der AG:
4Datum |
Anzahl der Aktien Kläger |
Kaufpreis in € |
Anzahl der Aktien Klägerin |
Kaufpreis in € |
Kurswert je Aktien in € |
14.08.2006 |
446.160 |
1.432.173,60 |
148.984 |
478.238,64 |
3,21 |
04.09.2006 |
0 |
72.919 |
239.903,51 |
3,29 |
|
€-Summe |
1.432.173,60 |
718.142,15 |
|||
€-Gesamt-summe |
2.150.315,75 |
||||
Aktien-Summe |
446.160 |
221.903 |
|||
Aktien-Gesamtsumme |
668.063 |
Der Verkauf erfolgte jeweils gegen die Gewährung von Darlehen in Höhe des jeweiligen Kaufpreises (zwei sog. Darlehen Aktien); das Darlehen konnte erstmals mit einer Frist von sechs Monaten zum 31.12.2012 gekündigt werden.
6In den Jahren 2006 und 2007 gewährte der Kläger der GmbH zwei weitere Darlehen i.H.v. 5.000€ (sog. Darlehen II) und 3.000€ (sog. Darlehen Nr. 6).
7Am 14.11.2007 und 30.07.2008 kaufte die GmbH weitere Aktien der AG (7.500 und 100.000) und besaß sodann insgesamt 783.163 Aktien (3.800 + 3.800 + 668.063 + 7.500 + 100.000).
8In den folgenden Jahren sank der Kurswert der Aktien.
9Im Jahr 2007 schloss die GmbH ihr Geschäftsjahr mit einem handelsrechtlichen Fehlbetrag i.H.v. 1.192.846,86 € ab.
10Am 21.02.2008 erklärte der Kläger, am 10.10.2009 die Klägerin ihren Rangrücktritt hinsichtlich der gewährten Darlehen mit folgenden Ausführungen: „Zur Beseitigung der Überschuldung und zur Vermeidung eines Insolvenzverfahren soll der Anspruch (…) auf Tilgung und Verzinsung des (…) Darlehens (…) nach Überwindung der Krise (…) erfolgen.“
11In den Jahren 2009 bis 2013 gewährten die Kläger der GmbH verschiedenen Darlehen: durch den Kläger am 01.10.2009 i.H.v. 5.000€ (sog. Darlehen Nr. 8), am 26.05.2010 i.H.v. 2.500€ (sog. Darlehen Nr. 10), am 01.09.2010 i.H.v. 49.500€ (sog. Darlehen Nr. 9) und 27.12.2012 bzw. 13.02.2013 i.H.v. 82.000€ (sog. Darlehen Nr. 11) und durch die Klägerin am 26.05.2010 i.H.v. 2.500€ (sog. Darlehen Nr. 10).
12Sämtliche Darlehen der Kläger wiesen unter Berücksichtigung der Änderungen vom 27.12.2011 eine Laufzeit bis zum 31.12.2015 auf; der Zinssatz betrug jeweils jährlich 0,1% und die Rückzahlung sollte in einer Summe am Ende der Laufzeit erfolgen.
13Mit zwei Aktienkauf- und -übertragungsverträgen vom 11.06.2015 veräußerte und übertrug die GmbH sämtliche von ihr gehaltenen die Aktien der AG an die Kläger; der Kläger erhielt 557.163 Aktien zu einem Kaufpreis i.H.v. 1.589.982,73€, die Klägerin 226.000 Aktien zu einem Kaufpreis i.H.v. 726.339,24€. In Übereinstimmung § 2 dieses Vertrages wurde jeweils die aus den Verträgen resultierende Kaufpreisforderung der GmbH gegenüber dem Kläger bzw. der Klägerin mit der jeweils bestehenden Forderung des Klägers bzw. der Klägerin gegenüber der GmbH aus den verschiedenen Darlehensverträgen mitsamt Zinsen verrechnet; die Darlehensverträge wurden zum 11.06.2015 gekündigt. Zum Zeitpunkt der Veräußerung betrug der Kurswert der Aktien 0,87€ je Aktie, mithin betrug der Wert der übertragenen Aktien an den Kläger 484.731,81€ und an die Klägerin 196.620€. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Aktienkauf- und -übertragungsverträge vom 11.06.2015 Bezug genommen.
14Am 23.07.2015 beschlossen die Kläger die Auflösung der GmbH zum 31.07.2015. Ausweislich des Handelsregisterauszuges wurde die Auflösung der GmbH nach Beendigung deren Liquidation am 21.09.2015 im Handelsregister eingetragen.
15In der Einkommensteuererklärung 2015 behandelten die Kläger den den Kurswert der Aktien übersteigenden Betrag der Übertragung vom 11.06.2015 als verdeckte Einlage und damit als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung für den Kläger i.H.v. 1.105.250,92€ und für die Klägerin i.H.v. 529.719,24€. Unter Berücksichtigung der übernommenen Stammeinlage i.H.v. jeweils 12.500€ erklärten die Kläger einen Auflösungsverlust für den Kläger i.H.v. 1.117.750,92€ und für die Klägerin i.H.v. 542.219,24€.
16In dem Einkommensteuerbescheid 2015 vom 31.07.2017 berücksichtigte der Beklagte unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3c Abs. 2 EStG negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Form eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG für den Kläger i.H.v. 90.900€ und für die Klägerin i.H.v. 9.000€. Dabei berücksichtigte er als Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung das Stammkapital i.H.v. jeweils 12.500€ sowie weitere an die GmbH während deren Krise gegebene Darlehen durch den Kläger i.H.v. 139.000€ (01.10.2009 i.H.v. 5.000€, am 26.05.2010 i.H.v. 2.500€, am 01.09.2010 i.H.v. 49.500€ und 27.12.2012 bzw. 13.02.2013 i.H.v. 82.000€) und durch die Klägerin i.H.v. 2.500€ (am 26.05.2010). Die von den Klägern behandelte verdeckte Einlage im Zusammenhang mit dem Rückkauf der Aktien berücksichtigte der Beklagte nicht als nachträgliche Anschaffungskosten, sondern wertete den Sachverhalt insoweit als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.
17Hiergegen legten die Kläger am 01.09.2017 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, der Verlust i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG sei höher. Die anlässlich des Kaufs der Aktien gewährten Darlehen seien von vornherein in der Finanzplanung als notwendige Kapitalausstattung der GmbH berücksichtigt gewesen, weil nur so die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung habe erreicht werden können. Es handele sich um Finanzplandarlehen, die bei einem Ausfall mit dem Nennwert zu bewerten seien. Auch habe der Beginn der Krise nicht im Jahr 2007 gelegen. Die … Bank habe noch bis zum Jahr 2013 Kredite gewährt, die die GmbH in voller Höhe zurückgezahlt habe. Selbst wenn der Beginn der Krise im Jahr 2007 gelegen habe, betrage der Nennwert der Darlehen nicht 0€, weil den Darlehen noch ein Aktienvermögen i.H.v. 979,005,44€ gegenüber gestanden habe.
18Mit Einspruchsentscheidung vom 12.04.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es liege ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO vor. Die Kläger hätten grds. zu nachträglichen Anschaffungskosten führende verdeckte Einlagen in die GmbH vorgenommen, indem sie der GmbH für die Aktien mehr gezahlt hätten, als diese damals wert gewesen seien. Hierdurch sei die GmbH in die Lage versetzt worden, die nach Gründung durch die Kläger gewährten und von diesen bei Eintritt der Krise nicht zurückgeforderten Darlehen zurückzuzahlen. Ohne diesen Rückkauf der Aktien wäre der Verlust bzw. Wert des Darlehens mit 0€ zu bewerten gewesen, weil es sich um ein Darlehen behandelt habe, dass in finanziell guten Zeiten gegeben und bei Eintritt der Krise nicht abgezogen worden sei. Es liege kein Finanzplandarlehen vor. Das Darlehen sei nicht zur Kapitalausstattung der GmbH gewährt worden, sondern sei mit der Übertragung der Aktien verknüpft gewesen. Auch sei keine langfristige Bindung von mindestens zehn Jahren vorgesehen gewesen.
19Hiergegen haben die Kläger am 15.05.2019 Klage erhoben.
20Die Kläger sind im Wesentlichen der Auffassung, es läge kein Gestaltungsmissbrauch vor. Der Beklagte habe insoweit seiner Darlegungslast nicht entsprochen. Schon die Zeitdauer von neun Jahren zwischen Verkauf der Aktien an die GmbH im Jahr 2006 und Rückübertragung der Aktien durch die GmbH an die Kläger im Jahr 2015 widerlege einen Gestaltungsmissbrauch.
21Jedenfalls liege von Anfang an hinsichtlich der Kapitalausstattung der GmbH ein Finanzplandarlehen vor, das bei den Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung zu berücksichtigen sei. Die Kläger hätten von Anfang an geplant, eine Kombination von geringem nominalem Eigenkapital und erforderlichem Fremdkapital zu wählen, was wiederum von den Klägern und noch von dritte Seite zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Aufnahmen von anderweitigem Fremdkapital wäre dem beabsichtigen Gründungszweck der GmbH zuwider gelaufen. Die Kläger hätten die GmbH gegründet, um den Besitz und die Verwaltung der Aktien zu zentrieren, die Stimmrechte aus den Aktien zu bündeln, das Vermögen innerhalb der Familie zu strukturieren und eine weitere Stückelung der Aktien zwischen ihren vier Kindern zu vermeiden. Auch allein das Volumen und die Höhe des Wertes der übertragenen Aktien habe eine über das nominelle Stammkapital hinausgehend Finanzausstattung der GmbH erfordert. Die Darlehen seien langfristig fest vereinbart, zu nicht fremdüblichen Konditionen und in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung der GmbH gewährt worden. Eine Tilgungsmöglichkeit während der Darlehenslaufzeit und Sicherungsvereinbarungen hätten gefehlt.
22Demnach würden sich nachträgliche Anschaffungskosten für den Kläger i.H.v. 966.250,92€ und für die Klägerin i.H.v. 527.219,24€ ergeben.
23Der Kaufpreis für die Aktien sei unabhängig von dem tatsächlich niedrigeren Kurswert in exakt der Höhe festgelegt worden, in der die Gesellschafterdarlehen noch valutiert hätten.
24Für die Gestaltung lägen außersteuerliche Argumente vor. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12.12.2019 Bezug genommen.
25Die Kläger beantragen,
26den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 31.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2019 nach Maßgabe der Klagebegründung zu ändern.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Der Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, es liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Den Klägern sei nicht gelungen, außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung darzulegen. Es bleibe offen, warum die Maßnahmen der Vermögensstrukturierung innerhalb der Familie dienen sollten. Ein weiteres Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch sei, dass der Rückkauf der Aktien zu einem absolut überhöhten Preis und zur dadurch möglichen Ablösung der Darlehen erfolgt sei. Auch liege kein Finanzplandarlehen vor. Selbst wenn dem so wäre, ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger kein Verlust, da das Darlehen mit dem Rückkauf der Aktien in voller Höhe abgelöst worden sein soll. Zudem habe das zum Kauf der Aktien gewährte Darlehen nicht für die Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung gesorgt. Ebenso wenig habe das Darlehen einlageähnlichen Charakter gehabt.
30Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
31Der Senat hat am 14.06.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, auf deren Protokoll Bezug genommen wird.
Die Klage hat keinen Erfolg.
33I. Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 31.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung, FGO). Bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG sind im Zusammenhang mit den Aktienkauf- und -übertragungsverträgen vom 11.06.2015 keine weiteren nachträglichen Anschaffungskosten der Kläger gewinnmindernd zu berücksichtigen. Insbesondere liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor.
341. Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.
35Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG ist in Fällen des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG, wie im Streitfall, als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen.
36Nachträgliche Anschaffungskosten auf eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wie im Streitfall durch den Kläger und die Klägerin an der GmbH i.H.v. jeweils 50%, sind auch an die Gesellschaft gewährte Finanzierungshilfen, soweit diese Finanzierungshilfen bis zur Veräußerung der Beteiligung oder der Auflösung der Gesellschaft nicht zurück gewährt werden (siehe nur BFH, Beschluss vom 16.03.2012 IX B 142/11, juris). Zu diesen Finanzierungshilfen zählen auch verdeckte Einlagen, d.h. die Gewährung von Eigenmitteln über das gezeichnete Kapital hinaus (BFH, Urteil vom 02.10.1984 VIII R 36/83, juris; Beschluss vom 16.03.2012 IX B 142/11, juris). Auch sog. Finanzplandarlehen sind als eigenkapitalersetzendes Darlehen auch nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026) im Rahmen des § 17 Abs. 1, 4 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten gewinnmindernd zu berücksichtigen ist (BFH, Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, juris, und Beschluss vom 11.01.2019 IX B 126/17, juris).
37Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Gemäß § 42 Abs. 2 AO liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt (Satz 1); dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (Satz 2). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH, Urteil vom 25.08.2009 IX R 55/07, juris). Beim Vorliegen eines solchen Missbrauchs entsteht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
382. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind im Streitfall keine weiteren nachträglichen Anschaffungskosten für den Kläger und die Klägerin hinsichtlich ihrer jeweiligen Beteiligung an der GmbH zu berücksichtigen.
39a. Die im Zusammenhang mit den Aktienkauf- und -übertragungsverträgen vom 11.06.2015 stehenden verdeckten Einlagen des Klägers i.H.v. 966.250,92€ und der Klägerin i.H.v. 527.219,24€ aufgrund der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Kurswert der Aktien sind nicht als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Dem steht die Regelung des § 42 AO entgegen. Es handelt sich um eine unangemessene rechtliche Gestaltung.
40Die Rückzahlung der von den Klägern ursprünglich gewährten Geldbeträge mittels verschiedener Darlehensverträge nach den taggleichen (verdeckten) Gesellschaftereinlagen ist vergleichbar mit dem kurzfristigen Zurückzahlen eines sodann formell neu gewährten Darlehens zur Vermeidung der gewerbesteuerlichen Bewertung als Dauerschuldverhältnis (BFH, Urteil vom 19.06.1985 I R 115/82, juris; FG Hamburg, Urteil vom 10.02.2006 I 47/02, juris; FG Niedersachen, Urteil vom 26.09.2012, 2 K 13510/10, juris) ungewöhnlich und unangemessen. Zweck kann insoweit nur gewesen sein, den Klägern die steuermindernde Berücksichtigung wirtschaftlich bereits entstandener Vermögensverluste des Privatvermögens in Höhe der ursprünglichen Darlehen nach § 17 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 EStG zu ermöglichen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund als dass die Kaufpreise der Aktien in den Aktienkauf- und -übertragungsverträgen und damit mittelbar korrespondierend die Höhe der verdeckten Einlage, deren auflösungsgewinnmindernden Wirkung die Kläger begehren, nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger „unabhängig vom tatsächlich niedrigeren (…) Kurswert in exakt der Höhe festgelegt [worden ist], „in der die Gesellschafterdarlehen noch valutiert [en].“
41Die GmbH hat die ursprünglich gewährten Darlehen der Kläger nur zurückzahlen können, weil sie taggleich zuvor einen entsprechenden Betrag von den Klägern im durch Abschluss der Aktienkauf- und -übertragungsverträgen (neu) erhalten hatte Mithin hat sich durch die gegenläufigen Verrechnungen, was das zentrale Indiz für eine unangemessene Gestaltung ist (vgl. etwa BFH, Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, juris; FG Niedersachen, Urteil vom 26.09.2012, 2 K 13510/10, juris), weder die wirtschaftliche Position der Kläger noch der GmbH geändert. Dabei ist zu dem zu berücksichtigen, dass kein tatsächlicher Zahlungsfluss stattgefunden hat, sondern vielmehr (lediglich) eine Aufrechnung zwischen den sich gegenüberstehenden Ansprüchen der Kläger und der GmbH erfolgt ist. In Übereinstimmung mit § 2 der Aktienkauf- und –übertragungs-verträge sind jeweils die aus diesen Verträgen resultierende Kaufpreisforderung der GmbH gegenüber dem Klägers bzw. der Klägerin mit den jeweils bestehenden Forderungen des Klägers bzw. der Klägerin gegenüber der GmbH aus den verschiedenen Darlehensverträgen mitsamt Zinsen verrechnet und die Darlehensverträge zum 11.06.2015 gekündigt worden.
42Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Urteil vom 25.08.2009 IX R 55/07, juris, steht dem nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn Wertpapiere, die innerhalb der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit Verlust veräußert werden, zwei Tage danach in gleicher Art, aber in unterschiedlicher Anzahl und zu unterschiedlichem Kurs wieder gekauft werden. In diesem Fall ist der Kaufpreis der Aktien, und damit auch der Veräußerungsgewinn, durch den Börsenwert der Aktien bestimmt worden, wohingegen im hiesigen Streitfall der Kaufpreis der Aktien gerade unabhängig von dem tatsächlich niedrigeren Kurswert bestimmt worden ist, nämlich exakt in der Höhe, in der die Gesellschafterdarlehen noch valutiert haben und damit zielgerichtet im Hinblick auf § 17 Abs. 4 EStG.
43Für die im Streitfall gewählte Gestaltung haben die Kläger nicht nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO außersteuerliche Gründe nachgewiesen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
44Die von den Klägern mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.12.2019 vorgetragenen außersteuerlichen Gründe stehen nicht in Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung der Aktienkauf- und –übertragungsverträge, sondern vielmehr mit den (insoweit unerheblichen) Motiven für die Gründung und Inwerksetzung der GmbH.
45Entgegen der klägerischen Auffassung ist im Rahmen des § 42 AO die Zeitdauer von neun Jahren zwischen Verkauf der Aktien an die GmbH im Jahr 2006 und Rückübertragung der Aktien durch die GmbH an die Kläger im Jahr 2015 unerheblich. Der für den Gestaltungsmissbrauch maßgebliche Sachverhalt liegt in den Aktienkauf- und -übertragungsverträgen begründet.
46Eine (naheliegende) angemessene rechtliche Gestaltung unter Berücksichtigung des klägerischen Interesses an der Vermeidung eines Insolvenzverfahrens, wie in den Rangrücktrittserklärungen des Klägers vom 21.02.2008 und der Klägerin vom 10.10.2009 bekundet, wäre gewesen, dass die Kläger zur Abwendung der Überschuldung der GmbH als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt, unmittelbar nach Kenntnis dieser Umstände mit der Liquidation der Gesellschaft begonnen hätten oder die Aktien der GmbH (lediglich) zum (geringeren) tatsächlichen Kurswert abgekauft hätten. Unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt dieser Kenntnis ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Kläger unmittelbar bevor sie am 23.07.2015 die Auflösung der GmbH zum 31.07.2015 beschlossen haben, die Aktienkauf- und -übertragungsverträge am 11.06.2015 abgeschlossen haben.
47b. Entgegen der klägerischen Auffassung liegen auch keine nachträgliche Anschaffungskosten in Form von Finanzplandarlehen vor.
48aa. Die Annahme eines Finanzplandarlehens setzt voraus, dass es von vornherein derart in die Finanzplanung der Kapitalgesellschaft einbezogen worden ist, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Finanzausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll (dazu und zum Folgenden BFH, Beschluss vom 11.01.2019 IX B 126/17, juris). Entscheidend ist, ob sich die planmäßige Gesellschafterfinanzierung aus einer Gesamtwürdigung des Gesellschafts- und/oder Darlehensvertrages und der im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge vorliegenden Umstände ergibt.
49Maßgebliche Gesichtspunkte für die Annahme eines Finanzplandarlehens sind u.a. das Vorliegen einer zwischen dem Gesellschafter und der Kapitalgesellschaft getroffenen Vereinbarung, der zufolge die Mittel einlageähnlichen Charakter haben und wie Einlagen behandelt werden sollen. Diese Vereinbarung kann entweder im Gesellschaftsvertrag, in einem Gesellschafterbeschluss oder in einer schuldrechtlichen Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag enthalten sein. Dabei ist zu berücksichtigen, ob zumindest nach der Einschätzung des Gesellschafters das Darlehen für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele unentbehrlich war. Weitere Gesichtspunkte, die in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, sind u.a. die fehlende Kündigungsmöglichkeit des Darlehensgebers, nicht fremdübliche Konditionen der Darlehensgewährung, ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gründung der Gesellschaft und dem Abschluss des Darlehensvertrags, eine langfristige, nicht nur den vorübergehenden Geldbedarf abdeckende Überlassung der Darlehensmittel, das Fehlen von Tilgungsmöglichkeiten während der Darlehenslaufzeit, das Fehlen von Sicherheiten oder das Vorliegen einer Rangrücktrittserklärung.
50bb. Unter Zugrundelegung einer angemessenen rechtlichen Gestaltung nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO sind im Streitfall keine zu nachträglichen Anschaffungskosten führenden Finanzplandarlehen gegeben.
51Unter Zugrundelegung einer angemessenen rechtlichen Gestaltung hinsichtlich der Aktienkauf- und -übertragungsverträge in der Form, dass die Kläger die Aktien von der GmbH (lediglich) zum (geringeren) tatsächlichen Kurswert gekauft hätten und dementsprechend die klägerischen Darlehensforderungen gegenüber der GmbH lediglich in der (geringeren) Höhe des Kaufpreises erloschen wären (vgl. § 2 Aktienkauf- und –übertragungsverträge), mithin in Höhe der Differenz zwischen Kaufpreis bzw. Buchwert der Aktien und Darlehensverbindlichkeiten diese auch nach Durchführung der Aktienkauf- und -übertragungsverträge noch valutiert hätten, liegen keine Finanzplandarlehen vor.
52Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls sind die Darlehen nicht von vornherein derart in die Finanzplanung der GmbH einbezogen worden, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Finanzausstattung der GmbH durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden sollte.
53Zwar erscheint der Zinssatz von 0,1% nicht fremdüblich zu sein, jedoch liegt weder eine fehlende Kündigungsmöglichkeit durch die Kläger als Darlehensgeber vor noch lag eine nicht nur den vorübergehenden Geldbedarf abdeckende Überlassung der Darlehensmittel durch die Kläger an die GmbH vor. Sämtliche Darlehen des Klägers und der Klägerin sind durch die Aktienkauf- und –übertragungsverträge gekündigt worden. Ebenso hatten sämtliche Darlehen eine feste Laufzeit, die zuletzt am 27.12.2011 bis zum 31.12.2015, mithin jedenfalls nicht langfristig, verlängert worden ist. Auch die zum Aktienerwerb im Jahr 2006 führenden Darlehensverträge (zwei sog. Darlehen Aktien) konnten erstmals mit einer Frist von sechs Monaten zum 31.12.2012 gekündigt werden. Auch sind die Rangrücktrittserklärungen am 21.02.2008 durch den Kläger und am 10.10.2009 durch die Klägerin nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Darlehen erfolgt. Auch ist während der Darlehenslaufzeit eine Tilgung nicht ausgeschlossen gewesen; zwar sollte nach den Darlehensverträge die Rückzahlung in einer Summe am Ende der Laufzeit erfolgen, jedoch ist die vertragliche Regelung ebenso wenig tatsächlich gelebt worden wie die vereinbarte Vertragslaufzeit. Durch die Aktienkauf- und –übertragungsverträge sind sämtliche Darlehensverbindlichkeiten der Kläger vor Ende der Vertragslaufzeit am 31.12.2015 getilgt und die die entsprechenden Verträge gekündigt worden.
54II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
55III. Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen. Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Es handelt sich um die Anwendung von feststehenden Rechtsgrundsätzen auf den Einzelfall.