Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen hat.
3Der Kläger wurde am xx.xx.2007 zum Steuerberater bestellt. Seitdem war er zunächst in eigener Praxis als Steuerberater tätig.
4Anfang Oktober 2020 unterrichtete das Amtsgericht N-Stadt die Beklagte über einen gegen den Kläger erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Grundlage dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war ein Vollstreckungsbescheid über einen Hauptforderungsbetrag i. H. v. .... € (Gesamtforderung einschließlich Zinsen und weiterer Kosten: .... €).
5Außerdem wurde der Kläger aufgrund einer Anordnung aus dem Oktober 2020 wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen (Aktenzeichen DR II xxx/20). Diese Eintragung beruhte auf einem gegen den Kläger vorliegenden Zwangsvollstreckungsauftrag über eine Forderung i. H. v. .... € nebst Kosten i. H. v. .... €.
6Im weiteren Verlauf des Oktober 2020 beantragte der Kläger beim Amtsgericht N-Stadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit. Dieses wurde im November 2020 eröffnet.
7Ab dem November 2020 war der Kläger als Arbeitnehmer bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in N-Stadt tätig. Nach dem Anstellungsvertrag hat der Kläger die Aufgabe, seine Arbeitgeberin in ihrer beruflichen Tätigkeit nach ihren Weisungen zu unterstützen und insbesondere als Steuerberater bei der Aufstellung und Prüfung von handels- und steuerrechtlichen Jahresabschlüssen und der Bearbeitung von Steuererklärungen mitzuwirken. Gleichfalls hat er bei der allgemeinen, wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Beratung der Mandanten mitzuwirken (§ 1 des Anstellungsvertrags). Der Kläger hat seine gesamte Arbeitskraft ausschließlich für die Belange der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen. Er ist verpflichtet, während des Anstellungsverhältnisses keine auf Erwerb gerichtete Nebenbeschäftigung ohne schriftliche Genehmigung der Arbeitgeberin zu übernehmen. Insbesondere ist ihm eine selbständige freiberufliche Tätigkeit nicht gestattet (§ 4 Abs. 1 des Anstellungsvertrags).
8Im Dezember 2020 nahm die Beklagte ein Widerrufsverfahren gegen den Kläger auf.
9Im Januar 2021 informierte die Oberfinanzdirektion xxx die Beklagte über Steuerrückstände des Klägers in einer Gesamthöhe von .... € betreffend die Einkommensteuer der Jahre 2014, 2016 bis 2018, die Lohnsteuer September und Oktober 2020 sowie die Umsatzsteuer für die Jahre 2019 bis 2020.
10Im Mai 2021 schlossen der Kläger und seine Arbeitgeberin eine Ergänzungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag ab. Sie vereinbarten, dass Änderungen des Anstellungsvertrags von beiden Seiten der zuständigen Steuerberaterkammer unverzüglich mitgeteilt werden.
11Zum Abschluss des Widerrufsverfahrens, welches mit dem Austausch mehrfacher und umfangreicher Stellungnahmen seitens des Klägers und der Beklagten einherging, erließ die Beklagte am 30.06.2021 einen Bescheid, mit dem sie die Bestellung des Klägers als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen vermuteten Vermögensverfalls widerrief. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Stellungnahmen des Klägers und der Beklagten sowie das ebenfalls in der Verwaltungsakte der Beklagten befindliche Protokoll der Sitzung der Abteilung II Berufsrecht/Berufsaufsicht am xx.xx.2021 verwiesen.
12Hiergegen hat der Kläger am 02.08.2021 Klage erhoben.
13Zur Begründung trägt er vor: Die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintritt des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters sei nach der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre nicht mehr verfassungsgemäß. In Anbetracht des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit des Betroffenen erscheine die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen unverhältnismäßig, wenn der Betroffene bereits nach drei Jahren die Aussicht auf eine vollständige Bereinigung seiner Schulden hat. Zudem dürfte bei einer Zeitspanne von maximal drei Jahren bis zur möglichen Restschuldbefreiung auch fraglich sein, ob von ungeordneten Vermögensverhältnissen die Rede sein könne, die in absehbarer Zeit nicht geordnet werden könnten.
14Zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls im Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids verweist der Kläger darauf, dass er selbst den Insolvenzantrag gestellt habe, mit dem Insolvenzverwalter vollständig kooperiere und den pfändbaren Teil seines Einkommens zugunsten seiner Gläubiger abgetreten habe. Es bestünden keinerlei Hinweise mehr darauf, dass er in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben könnte. Er habe in der Vergangenheit alle Anstrengungen unternommen, um das Insolvenzverfahren geordnet zu beenden. Dies unternehme er nach wie vor. Ließe man diesen Sachverhalt nicht als Widerlegung der gesetzlichen Vermutung zu, so sei wohl kaum noch ein Fall denkbar, in dem dies trotz Insolvenz möglich wäre. Dies sei jedoch vom Gesetzgeber, der die Vorschrift als widerlegliche Vermutung ausgestaltet habe, nicht gewollt. Gleiches gelte im Falle eines geregelten Insolvenzverfahrens bezüglich der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis. Die selbständige Einleitung durch den Betroffenen und die vollständige Kooperation mit dem Insolvenzverwalter sowie darüber hinausgehende Anstrengungen einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens umfassten alle denkbaren Möglichkeiten, der auch auf der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis beruhenden Vermutung zu begegnen.
15Um den Entlastungsbeweis zu erbringen, verweist der Kläger im Wesentlichen auf das bestehende Anstellungsverhältnis. Er verfüge über keine eigenen Mandanten mehr. Die Mandanten seiner Arbeitgeberin betreue er im Rahmen seines Arbeitsvertrags unter Wahrung der erforderlichen Eigenverantwortlichkeit weisungsabhängig und sei mangels Organstellung, Prokura oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Vollmacht auch nicht berechtigt, seine Arbeitgeberin nach außen zu vertreten. Daher könne er auch nicht für seine Auftraggeberin unterzeichnen, Mandatsverträge schließen oder etwaige Barzahlungen entgegennehmen. Ein sonstiger Zugriff auf (Mandanten-)Gelder sei ihm mangels entsprechender Kontovollmachten ebenfalls nicht möglich. Er trete nicht nach außen für seine Arbeitgeberin als deren Vertreter auf. Die für ihn zuständigen Partner würden seine Tätigkeiten fortlaufend überwachen.
16Zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verweist der Kläger auf den zwischenzeitlichen Entwurf eines Insolvenzplans, den der Insolvenzverwalter nach Finalisierung vorzulegen beabsichtige. Somit sei spätestens im jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass er seine finanziellen Verhältnisse in ausreichender Weise wieder geordnet habe, jedenfalls aber, dass er sie in absehbarer Zeit ordnen könne.
17Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
18den Bescheid der Beklagten vom 30.06.2021 über den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater aufzuheben.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG sei verfassungsgemäß.
22Die Vermutung des Vermögensverfalls werde nicht durch die Tatsache widerlegt, dass der Kläger den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst gestellt habe. Dies reiche nicht aus. Vielmehr sei der zweifelsfreie Nachweis geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse erforderlich. Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation im Insolvenz(plan)verfahren zu bereinigen, habe noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet zu betrachten wären.
23Der Kläger habe den Entlastungsbeweis nicht erfolgreich geführt. Er habe keinen Anstellungsvertrag eingereicht, der den an einen in Vermögensverfall geratenen Berufsträger gestellten Anforderungen entspricht. Der Kläger betone zwar stets, seitens seiner Arbeitgeberin überwacht und kontrolliert zu werden. Eine vertragliche Verankerung etwaiger Überwachungs- und Kontrollbefugnisse sei bislang jedoch nicht vorgelegt worden. Weiter könne aufgrund der ausgewiesenen Versäumnisse bei der Erledigung der eigenen steuerlichen Angelegenheiten nicht von der Zuverlässigkeit des Klägers ausgegangen werden.
24Es bestünden auch aktuell keine geänderten Verhältnisse, die geeignet wären, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederbestellung zu belegen. Das Insolvenzverfahren dauere noch an.
25Ende Mai 2022 hat das Gericht durch einen klägerischen Schriftsatz in dem zugehörigen Prozesskostenhilfe-Verfahren davon Kenntnis erhalten, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers seit Anfang xxx 2022 beendet ist. Seit Anfang xxx 2022 ist der Kläger als Dozent tätig. Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten angezeigt.
26In der Sache hat am 24.06.2022 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
27Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war das über das Vermögen des Klägers eröffnete Insolvenzverfahren noch nicht beendet. Die letzten diesbezüglichen Veröffentlichungen datieren vom 09.04.2021 und betreffen u. a. die Veräußerung eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter. Außerdem ist der Kläger auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Schuldnerverzeichnis eingetragen (Anordnung des Obergerichtsvollziehers Tegeler vom 06.10.2020, Aktenzeichen DR II xxx/20 wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung).
28Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
29Entscheidungsgründe
30I. Der Senat konnte nach Hinweis gemäß § 91 Abs. 2 FGO trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung in der Sache entscheiden.
31II. Die Klage ist unbegründet.
32Der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2021 über den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen.
331. Eine Bestellung als Steuerberater ist zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG in der Fassung vom 29.07.2009, gültig bis 31.07.2021).
Im finanzgerichtlichen Verfahren gegen einen Widerrufsbescheid ist zu prüfen, ob dieser nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ergangen ist. Das Gericht muss aber auch eine im Zeitpunkt seiner Entscheidung bestehende veränderte Sachlage berücksichtigen, wenn sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung ergibt (Bundesfinanzhof [BFH] – Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504).
362. Die in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG genannten Voraussetzungen für den Widerruf lagen zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids vor. Der Kläger ist in Vermögensverfall geraten und hat nicht nachgewiesen, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet wären.
a) Der Kläger ist in Vermögensverfall geraten.
39aa) Zum einen wird der Vermögensverfall des Klägers vermutet (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG). Über das Vermögen des Klägers wurde im November 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses war zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht beendet. Außerdem war der Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufs in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diese Eintragung wurde wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung aufgenommen. Mithin wird der Vermögensverfall des Klägers aus zwei Gründen vermutet.
40(1) Der Kläger hat die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt.
41(2) Die nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG bestehende Vermutung des Vermögensverfalls kann widerlegt werden, wenn der Steuerberater, den insoweit die Darlegungslast trifft, durch die genaue Angabe von Tatsachen substantiiert darlegt und beweist, dass im Einzelfall trotz des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens oder der Eintragung im Schuldnerverzeichnis kein Vermögensverfall gegeben ist. Insoweit muss zweifelsfrei festgestellt werden, dass sich die Vermögensverhältnisse des Steuerberaters nachhaltig gebessert haben und er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Der Steuerberater hat hierfür seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie alle gegen ihn erhobenen Forderungen umfassend, belegmäßig und nachvollziehbar offenzulegen und anzugeben, ob und welche Vereinbarungen mit den Gläubigern getroffen worden sind, die erwarten lassen, dass die Schulden in geordneter Weise und in absehbarer Zeit beglichen werden können. Im Fall belegmäßig nachgewiesener Vermögenswerte des Steuerberaters, deren Verkehrswert zum Ausgleich der Verbindlichkeiten ausreicht, bedarf es darüber hinaus der Feststellung, ob diese tatsächlich zur Schuldentilgung eingesetzt werden können und sollen. Soweit die fehlende Berechtigung bestehender Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geltend gemacht wird, müssen der Nachweis getilgter Forderungen erbracht und eine Löschungsbestätigung vorgelegt werden (BFH-Beschluss vom 22.08.2017 VII B 23/17, BFH/NV 2017, 1663).
42(3) Um die Vermutung des Vermögensverfalls aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids zu widerlegen, verweist der Kläger im Wesentlichen auf seinen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, seine fortdauernde Erwerbstätigkeit als angestellter Steuerberater während des Insolvenzverfahrens und die laufende Abführung der pfändbaren Anteile seines Einkommens. Dieses Vorbringen hat nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des BFH keinen Erfolg. Hiernach ist allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Restschuldbefreiung, zu bereinigen, für das Vorliegen des Widerrufstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG unerheblich. Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans ist es ungewiss, ob das Ziel der Bereinigung der Vermögensverhältnisse erreicht werden kann. Solange dies aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, sondern offen ist, ob die Bereinigung der desolaten Situation letztlich gelingen wird, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne des StBerG und mithin von einer Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nicht ausgegangen werden (BFH-Beschlüsse vom 30.04.2009, VII R 32/08, BFH/NV 2009, 1463; vom 17.12.2009 VII B 71/09, BFH/NV 2010, 699; vom 04.03.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563; vgl. auch Willerscheid in Kuhls, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 46 StBerG Rz. 31 ff., m. w. N.). Dieser Rechtsprechung des BFH schließt sich der erkennende Senat an. Zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids war ein Insolvenzplan weder angenommen noch bestätigt. Wann, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis das Insolvenzverfahren beendet werden kann, stand nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Mithin war es zu diesem Zeitpunkt ungewiss, ob das Ziel der Bereinigung der Vermögensverhältnisse erreicht werden kann.
43(4) Hinsichtlich der Vermutung des Vermögensverfalls aufgrund der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids trägt der Kläger keine darüber hinausgehenden, separaten Einwendungen vor. Jedenfalls macht der Kläger nicht geltend, dass die Eintragung im Schuldnerverzeichnis nicht berechtigt gewesen sei. Ein Nachweis über die Tilgung der der Eintragung zugrundliegenden Forderung und eine Löschungsbestätigung ist nicht vorgelegt worden.
44bb) Zum anderen ist auch aus anderen Gründen ein Vermögensverfall beim Kläger eingetreten. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Steuerberater in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (BFH-Urteil vom 18.03.2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 1598). Ein Indiz für einen Vermögensverfall liegt vor, wenn erhebliche Schulden (u. a. Steuerschulden) bestehen (Finanzgericht [FG] Hamburg, Urteil vom 02.12.2021 6 K 112/20, juris, - Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VII B 7/22).
45Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen eines Vermögensverfalls vor. Zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids war der Kläger in ungeordneten und schlechten finanziellen Verhältnissen. Insbesondere hatte der Kläger Steuerrückstände in einer Gesamthöhe von .... € betreffend die Einkommensteuer der Jahre 2014, 2016 bis 2018, die Lohnsteuer September und Oktober 2020 sowie die Umsatzsteuer für die Jahre 2019 bis 2020. Außerdem liefen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Forderungen i. H. v. .... € und .... €.
46cc) Die Auffassung des Klägers, dass die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintritt des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre nicht mehr verfassungsgemäß sei, teilt der Senat nicht. Der Senat hält § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG für weiterhin verfassungsgemäß. Nach der ständigen Rechtsprechung der FG und des BFH ist § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG verfassungsgemäß. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG steht mit der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Berufsfreiheit in Einklang. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 GG ist gewahrt.
47Die Steuerberatung ist ein Teil der Rechtsberatung. Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege, die als ein wichtiges Gemeinschaftsgut anzusehen ist. Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Interessen der Steuerpflichtigen. Deren Interessen werden aber durch zerrüttete Vermögensverhältnisse des Steuerberaters potentiell gefährdet, weil die Gefahr besteht, dass der Steuerberater das Vertrauen seiner Auftraggeber missbraucht oder deren Interessen sonst durch den bestehenden oder vermuteten Vermögensverfall beeinträchtigt werden. Gegenüber dem Allgemeininteresse, diese Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu vermeiden, muss das Interesse des betroffenen Steuerberaters an der Fortführung seines Berufs zurücktreten. Die Ordnung seiner Vermögensverhältnisse liegt allein in seinem Verantwortungsbereich und ist von ihm so zu gestalten, dass sie mit den Anforderungen, die sein beruflicher Status an ihn stellt, übereinstimmt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass der Vermögensverfall den Widerruf der Bestellung nicht automatisch nach sich zieht, sondern § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG dem Steuerberater die Möglichkeit gibt, den Entlastungsbeweis zu führen (BFH-Beschluss vom 16.09.2009 VII B 75/09, juris).
48Das Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der gesetzlichen Regelungen zur Restschuldbefreiung haben an der gesetzlichen Grundentscheidung nichts geändert, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben darf, wer in geordneten Verhältnissen lebt. Insbesondere ist das Bestehen des insolvenzrechtlichen Instituts der Restschuldbefreiung oder deren Verfahrensdauer nicht notwendige Voraussetzung dafür, dass § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dadurch Rechnung getragen, dass der Vermögensverfall den Widerruf der Bestellung nicht automatisch nach sich zieht, sondern § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG dem Steuerberater die Möglichkeit gibt, den Entlastungsbeweis zu führen. Außerdem kann die gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG möglicherweise bestehende Vermutung eines Vermögensverfalls aufgrund eines eröffneten Insolvenzverfahrens – auf die sich der Senat hier im Übrigen nicht allein stützt – widerlegt werden. Im Übrigen kann der Betroffene, nachdem er nachgewiesen hat, wieder in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben, die Bestellung als Steuerberater jederzeit wieder beantragen (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 3 StBerG).
49b) Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.
50Der Entlastungsbeweis gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG erfordert einen substantiierten und glaubhaften Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Die bloße Behauptung bestimmter Tatsachen reicht nicht aus. Die Beantwortung der Frage, ob der Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine zusammenfassende Beurteilung der gesamten Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können. Die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt dem vom Widerruf seiner Bestellung betroffenen Steuerberater. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die für den Erlass des Widerrufsbescheids zuständige Beklagte und das Finanzgericht eine konkrete Gefährdung der Mandanteninteressen nicht darzulegen brauchen (BFH-Beschlüsse vom 05.06.2015 VII B 181/14, BFH/NV 2015, 1440 und 18.11.2008 VII B 119/08, BFH/NV 2009, 614).
51Nach der Rechtsprechung des BFH ist § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch auf angestellte Steuerberater anzuwenden. Der Umstand, dass ein Steuerberater nur als Angestellter tätig wird, reicht nicht für den Nachweis aus, dass Mandanteninteressen nicht betroffen sind (BFH-Beschluss vom 29.05.2002 VII B 262/01, BFH/NV 2002, 1344). Der angestellte Steuerberater hat aber die Möglichkeit, sich gegenüber seinem Arbeitgeber vertraglichen Beschränkungen und Kontrollen zu unterwerfen, die, soweit diese vom Arbeitgeber tatsächlich durchgeführt werden, geeignet sein können, die wegen des Vermögensverfalls zu befürchtende konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen weitgehend auszuschließen (BFH-Beschluss vom 16.09.2009 VII B 75/09, juris unter Verweis auf BFH-Urteil vom 04.12.2007 VII R 64/06, BFHE 220, 558).
52Um den Entlastungsbeweis zu erbringen, verweist der Kläger im Wesentlichen auf die Ausgestaltung seines Angestelltenverhältnisses. Er sei unter Wahrung der erforderlichen Eigenverantwortlichkeit weisungsabhängig und könne seine Arbeitgeberin nach außen nicht vertreten. Daher könne er für seine Arbeitgeberin nicht unterzeichnen, keine Mandantenverträge schließen oder etwaige Barzahlungen entgegennehmen. Mangels Kontovollmachten habe er auch keinen sonstigen Zugriff auf (Mandanten-)Gelder. Er trete nicht als Vertreter seiner Arbeitgeberin auf und werde fortlaufend von den für ihn zuständigen Partnern überwacht.
53Diese vom Kläger vorgebrachte Gestaltung des Angestelltenverhältnisses findet keine ausdrückliche Grundlage in dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag. Dieser Anstellungsvertrag lässt nicht erkennen, ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin über die finanzielle Situation des Klägers und einen möglichen Widerruf der Bestellung als Steuerberater informiert war. Auch lässt sich dem Anstellungsvertrag nicht ausdrücklich entnehmen, dass und von welchen Personen der Kläger bei seinen Tätigkeiten fortlaufend überwacht wird. Hingegen lässt der Anstellungsvertrag erkennen, dass der Kläger nicht nur bei der Aufstellung und Prüfung von handels- und steuerrechtlichen Jahresabschlüssen und der Bearbeitung von Steuererklärungen, sondern auch bei der steuerrechtlichen Beratung der Mandanten tätig wird (vgl. § 1 des Anstellungsvertrags).
54Im Übrigen sind die Ausführungen des Klägers zu seiner nichtselbständigen Tätigkeit nicht derart substantiiert und konkret, dass mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Zunächst ist aufgrund des klägerischen Vortrags nicht erkennbar, inwieweit er im konkreten Einzelfall und Berufsalltag weisungsabhängig und eigenverantwortlich tätig wird. Der Kläger trägt lediglich in abstrakter Form vor, dass er unter Wahrung der erforderlichen Eigenverantwortlichkeit weisungsabhängig sei; dies ist allerdings bei angestellten Steuerberatern grundsätzlich der Fall und liegt im Wesen der abhängigen Beschäftigung. Auch hinsichtlich der fortlaufenden Überwachung durch für ihn zuständige Partner der Arbeitgeberin liegt kein konkreter klägerischer Vortrag vor. Es bleibt offen, welche konkreten Tätigkeiten mit welcher Überwachungsmaßnahme oder Überwachungstiefe durch die für ihn zuständigen Partner kontrolliert werden. Auch bleibt offen, ob sich die fortlaufende Überwachung lediglich auf den weisungsabhängigen Teil seiner Tätigkeit oder auch auf den in Eigenverantwortung ausgeübten Bereich seiner Tätigkeit bezieht.
55Schließlich ist die Bestellung als Steuerberater vorbehaltlos. Dem Kläger war es mithin jederzeit möglich, wieder selbständig tätig zu werden. Die im Anstellungsvertrag enthaltende Wettbewerbsklausel und die im Nachgang abgeschlossene Ergänzungsvereinbarung standen jedenfalls einer jederzeitigen Beendigung des Angestelltenverhältnisses nicht entgegen; zu der es nach dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheid dann auch tatsächlich gekommen ist.
563. In der Zeit zwischen dem Ergehen des Widerrufsbescheids der Beklagten und der Entscheidung des Gericht haben sich die dem Widerrufsbescheid zu Grunde liegenden Verhältnisse nicht in der Weise verändert, dass nunmehr einem Antrag auf Wiederbestellung (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) stattzugeben und der Widerrufsbescheid aus diesem Grunde aufzuheben wäre. Im Streitfall bestand der Vermögensverfall auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet wären.
a) Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dauert das über das Vermögen des Klägers eröffnete Insolvenzverfahren noch an. Außerdem ist der Kläger weiterhin im Schuldnerverzeichnis eingetragen und es ist infolgedessen auch nichts dafür ersichtlich, dass die den Vermögensverfall begründenden Verbindlichkeiten getilgt wären. Die aus diesen voneinander unabhängigen Gründen bestehenden Vermutungen des Vermögensverfalls hat der Kläger auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht widerlegt. Ein Insolvenzplan liegt lediglich im Entwurf vor, er ist weder angenommen noch bestätigt. Hinsichtlich der der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegenden Forderung ist weder nachgewiesen, dass diese getilgt wurde, noch liegt eine Löschungsbestätigung vor. Schließlich belaufen sich – selbst nach dem klägerischen Vortrag – die im Insolvenzverfahren angemeldeten und unbestrittenen Forderungen auf ... € (s. Entwurf eines Insolvenzplans, Bl. 63 der Gerichtsakte) und es bestehen weiterhin Steuerrückstände (Forderung des FA N-Stadt i. H. v. ... €, s. Entwurf eines Insolvenzplans, Bl. 62 der Gerichtsakte). Mithin dauern die ungeordneten und schlechten finanziellen Verhältnisse des Klägers an.
59b) Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ergibt sich eine potentielle Gefährdung der Interessen der Auftraggeber aufgrund des Vermögensverfalls des Klägers. Der Kläger hat im Laufe des Verfahrens und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nichts über die bereits oben – unter 2. – gewürdigten Ausführungen hinausgehendes Substantiiertes vorgetragen, was dies widerlegen könnte.
60Auch die zwischenzeitlich aufgenommene Dozententätigkeit führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Bestellung als Steuerberater ist, wie bereits ausgeführt, vorbehaltlos. Es ist dem Kläger – zumal nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses – jederzeit möglich, wieder selbständig als Steuerberater tätig zu werden. Im Ergebnis ergibt sich damit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und im Vergleich zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheids erst recht eine potentielle Gefährdung der Interessen der Auftraggeber aufgrund des Vermögensverfalls des Klägers.
61III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).