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Der Abrechnungsbescheid des Antragsgegners vom 18.11.2021 wegen des Umsatzsteuerbescheids für 2013 vom 06.12.2017 wird in Höhe von xyz € ab Fälligkeit bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.
Die Aussetzung der Vollziehung erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung der in den Entscheidungsgründen unter Gliederungspunkt II. 3. c) genannten Art in Höhe von xyz €.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Beschwerde wird zugelassen.
I.
2Streitig ist im Rahmen eines Abrechnungsbescheids die Rechtmäßigkeit von Aufrechnungen des Finanzamts (Antragsgegner) mit von Bauleistenden an den Antragsgegner abgetretenen Werklohnforderungen.
3Die Antragstellerin erbrachte Bauträgerleistungen und erteilte in diesem Zusammenhang Aufträge an die Firmen SF, NM, LT GmbH, TF, QJ, S GmbH, JJ, BN, NC GmbH, JN, BL, SV GmbH, NB, KL GmbH + Co KG, BB GmbH + Co KG, QM GmbH und QC GmbH (im Folgenden: Bauleistende). Die Antragstellerin und die Bauleistenden waren zunächst davon ausgegangen, dass die Antragstellerin gemäß § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) die Umsatzsteuer (USt) auf die an sie erbrachten Bauleistungen einzubehalten und abzuführen hatte. Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 22.08.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128, beantragte die Antragstellerin am 07.03.2014 die Erstattung der von ihr zu Unrecht gemäß § 13 b UStG erhobenen USt u. a. für das Streitjahr 2013.
4Der Antragsgegner informierte mit Schreiben vom 16.04.2015 die für die Bauleistenden zuständigen Finanzämter über den Erstattungsantrag der Antragstellerin. Für das Streitjahr 2013 ergingen USt-Änderungsbescheide vom 06.12.2017, 28.11.2018 und 13.12.2018. Mit weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem USt-Änderungsbescheid für 2013 vom 06.12.2017 wurde die USt-Festsetzung für die Antragstellerin herabgesetzt. In Höhe von xyz € entstand ein Erstattungsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner. Die Bauleistenden traten nach dem Vortrag der Antragsgegnerin in 2015 ihre Forderungen gegen die Antragstellerin auf Nachzahlung ihrer Werklohnforderungen i. H. d. gegen sie festgesetzten USt aus den Bauleistungen an den Antragsgegner ab. Am 18.12.2017 erklärte der Antragsgegner ausweislich des Abrechnungsbescheids die Aufrechnung der an ihn abgetretenen Werklohnforderungen mit dem USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin.
5Am 31.12.2020 beantragte die Antragstellerin einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), den der Antragsgegner am 18.11.2021 erließ. In dem Abrechnungsbescheid, auf den wegen des Inhalts verwiesen wird (Gerichtsakte Bl. 8 ff), wurden die an den Antragsgegner abgetretenen Werklohnforderungen der Bauleistenden gegen den USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin gegengerechnet mit der Folge, dass das Konto der Antragstellerin ausgeglichen war.
6Die Antragstellerin legte gegen den Abrechnungsbescheid vom 18.11.2021 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Einspruch und der AdV-Antrag wurden damit begründet, dass keine Aufrechnungslage vorgelegen habe. Der AdV-Antrag wurde vom Antragsgegner mit Bescheid vom 22.12.2021 (Gerichtsakte Bl. 14) abgelehnt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
7Die Antragstellerin begehrt bei Gericht AdV des Abrechnungsbescheids. Sie trägt unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 10.11.1987, VII B 137/87, vor, beim erstmaligen Abrechnungsbescheid handele es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, da dieser durch die Aufrechnung des Finanzamts eine belastende Regelung enthalte, mit der der eigentlich bestehende USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin zum Erlöschen gebracht werden solle. Für den Bereich der "Bauträgerfälle" sei nach der Entscheidung des Hess. FG vom 01.03.2016, 1 V 2262/15, bei einem Streit über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung AdV zu gewähren bis zur Entscheidung des Zivilprozesses über die bestrittene und an das Finanzamt abgetretene Werklohnforderung. Demgegenüber werde im Urteil des FG Münster vom 17.06.2020, 15 K 3839/17 (Revision anhängig: VII R 41/20), vertreten, dass Einwendungen gegen die zur Aufrechnung gestellte Forderung, die lediglich mit Rechtsansichten begründet würden oder bei denen es sich um Tatsachen handele, die umsatzsteuerliche Relevanz hätten (z. B. Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen), von der Finanzgerichtsbarkeit selbst zu entscheiden seien. Es sei somit offen, unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt auf den Zivilrechtsweg zur Feststellung der Gegenforderung zu verweisen sei. Die Beweislast trage der Antragsgegner, da dieser sich auf die wirksame Aufrechnung berufe. Der Antragsgegner habe bislang nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass Werklohnforderungen in der aufgerechneten Höhe bestünden, dass er Inhaber der Forderungen sei und keine Einrede dagegen i. S. v. § 390 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliege.
8Selbst wenn der Antragsgegner Inhaber der Forderungen gegen die Antragstellerin sei, seien die Aufrechnungen ins Leere gegangen, weil die Forderungen einredebehaftet seien. Mit einredebehafteten Forderungen könne nicht aufgerechnet werden. Die Einrede müsse lediglich bestehen, sie müsse nicht konkret erhoben worden sein. Die Aufrechnung sei außerdem unzulässig, weil zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung keine (seinerzeit) aktuellen Freistellungsbescheinigungen der Bauleistenden nach § 48 b Einkommensteuergesetz (EStG) vorgelegen hätten. Für Bauleistungen, die im Streitfall unstreitig vorgelegen hätten, brauche die Antragstellerin selbst bei ordnungsgemäßer Abrechnung, richtigem Betrag und fehlender Verjährung allenfalls dann Zahlungen leisten, wenn aktuelle Freistellungsbescheinigungen nach § 48 b EStG vorlägen. Maßgeblich sei dafür der Zeitpunkt der Zahlung. Auch eine Aufrechnung sei Zahlung in diesem Sinne (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rn 64). Im Hinblick auf die geänderten Schlussrechnungen hätten in keinem einzigen Fall Freistellungsbescheinigungen vorgelegen. Dabei sei auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärungen und darauf abzustellen, ob die Bescheinigungen bei der Antragstellerin vorgelegen hätten. Die Antragstellerin habe ein Leistungsverweigerungsrecht bis zur Vorlage der Freistellungsbescheinigungen und zwar nicht nur i. H. d. fiktiven Einbehalts i. H. v. 15 %, sondern i. H. d. gesamten Zahlbetrags.
9Die Summe der zur Aufrechnung gestellten Forderungen betrage lediglich zyx €. Dies ergebe eine Differenz von 381,92 € zum Auszahlungsanspruch der Antragstellerin i. H. v. xyz €.
10Es sei auch keine Sicherheit zu fordern. Zwar habe das Hess. FG mit Beschluss vom 01.03.2016, 1 V 2262/15, die AdV von einer Sicherheitsleistung bis zur Klärung der zivilrechtlichen Fragen abhängig gemacht. Das FG Münster, Urteil vom 17.06.2020, 15 K 3839/17, habe sich aber nicht gehindert gesehen, den zivilrechtlichen Anspruch zumindest im Hinblick auf Rechtsfragen zu prüfen. Folge man dieser Auffassung, sei eine solche Prüfung auch im Aussetzungsverfahren vorzunehmen und könne nicht zur Anordnung einer Sicherheitsleistung führen. Eine Sicherheitsleistung scheide erst recht aus, soweit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts beispielsweise auf Rechenfehler oder anderen (rein steuerlichen) Punkten beruhe.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Antragstellerin wird auf ihren Schriftsatz vom 31.12.2021 Bezug genommen.
12Die Antragstellerin beantragt,
13den Abrechnungsbescheid des Antragsgegners vom 18.11.2021 ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen
14und die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
15Der Antragsgegner beantragt,
16den Antrag abzuweisen.
17Er trägt vor, soweit die Bauleistenden bei anderen Finanzämtern als dem Antragsgegner geführt würden, hätten die anderen Finanzämter nicht alle korrigierten Rechnungen beigefügt. Der Antragsgegner gehe aber davon aus, dass auch in diesen Fällen die benötigten Unterlagen bei den anderen Finanzämtern vollständig vorgelegen hätten. Abtretungen aus anderen Bundesländern entfalteten erst mit Annahme durch den Antragsgegner ihre Wirkung, so dass auch hier entsprechende Angaben dem Finanzgericht zur Verfügung gestellt worden seien.
18Gemäß § 27 Absatz 19 UStG hätten die Firmen SF, NM, TF, QJ, S GmbH, JB, JJ, BN, NC GmbH, JN, BL, SV GmbH, NB, KL GmbH & Co KG, BB GmbH & Co KG, QM GmbH und QC GmbH, den gegen die Antragstellerin bestehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer an das jeweils für sie zuständige Finanzamt abgetreten (Gesamtbetrag yyy €). Die Ansprüche seien teilweise an Finanzämter außerhalb Nordrhein-Westfalens abgetreten worden. Das jeweilige Bundesland habe seine Forderung zwecks Einziehung an das Land NRW abgetreten.
19Die Aufrechnungslage sei gegeben gewesen. Die Antragstellerin habe Bauleistungen von den oben aufgeführten Unternehmern (Bauleistern) erhalten. Bei Vertragsschluss sei die Klägerin als Bauträgerin in Übereinstimmung mit den Bauleistern davon ausgegangen, dass diese für diese Leistung die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Hieran halte die Antragstellerin, gestützt auf das Urteil des BFH vom 22.08.2013, V R 37/10, nicht mehr fest. Die auf die Leistungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge seien in berichtigten Rechnungen durch die Bauleistenden nachgefordert worden. Die Ansprüche auf Zahlung dieser Beträge seien an das Land NRW abgetreten worden. Die Ansprüche seien fällig.
20Die von der Antragstellerin geltend gemachten Einwendungen griffen nicht. Aufrechnung sei die wechselseitige Tilgung von zwei sich gegenüberstehenden gleichartigen Forderungen durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Steuerschuldner und Steuergläubiger könnten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht nur durch Zahlung erfüllen, sondern auch durch Aufrechnung tilgen. Die wirksame Aufrechnung führe zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47 AO). § 226 AO regele die Aufrechnung mit Ansprüchen und gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§§ 3, 37 AO). § 226 Absatz 1 AO ordne an, dass im Steuerrecht für die Aufrechnung grundsätzlich – soweit nichts anderes bestimmt sei - die §§ 387 ff. BGB sinngemäß gälten. Die Aufrechnung setze nach § 226 Absatz 1 AO i. V. m. § 387 BGB voraus, dass die Hauptforderung und die Gegenforderung ihrem Gegenstand nach gleichartig seien (Gleichartigkeit), zwischen denselben Personen bestünden (Gegenseitigkeit) und die Hauptforderung erfüllbar und die Gegenforderung vollwirksam und fällig sei. Nach § 226 Absatz 1 AO i. V. m. § 387 BGB sei eine Aufrechnung möglich, sobald der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken könne. Das bedeute, dass die Gegenforderung fällig und die Hauptforderung erfüllbar sein müsse. Die Hauptforderung sei erfüllbar, sofern sie wirksam bestehe. Das sei mit ihrer Entstehung der Fall (§ 38 AO; vgl. auch § 271 BGB). Die Gegenforderung, nämlich der Anspruch, mit dem aufgerechnet werde, müsse nicht nur bestehen, sondern auch fällig sein. Der Aufrechnende müsse die ihm gebührende Leistung fordern können (§ 226 Absatz 1 AO i. V. m. § 387 BGB). Unbestritten sei die Gegenforderung, wenn sie ausdrücklich anerkannt werde oder wenn keine Einwendungen gegen sie erhoben würden. Auch das Erheben von Einreden mache die Gegenforderung zu einer bestrittenen Forderung, wenn die Einrede im Falle ihres Bestehens die Aufrechnung mit der Gegenforderung ausschließe.
21Eine Einrede oder ein Bestreiten der Gegenforderungen sei zum Zeitpunkt der Aufrechnungen nicht gegeben gewesen. Der Anspruch, mit dem aufgerechnet werde, und der Anspruch, gegen den aufgerechnet werde, müssten zwischen denselben natürlichen oder juristischen Personen bestehen. Der Aufrechnende müsse Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung sein; der Aufrechnungsgegner müsse Schuldner der Gegenforderung und Gläubiger der Hauptforderung sein. In diesem Sinne müsse wechselseitige Identität von Gläubiger und Schuldner vorliegen. Für die streitigen Forderungen sei die Schuldner-Gläubiger-Identität dadurch erreicht worden, dass das Land (anderes Bundesland) seine Ansprüche mit Abtretungserklärungen vom 11.10.2016, 18.12.2017 und 19.12.2017 und das Land (anderes Bundesland) mit Abtretungserklärung vom 07.03.2016 an das Land NRW abgetreten habe. Die Aufrechnung erfolge durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil (§ 226 Absatz 1 AO i. V. m. § 388 Satz 1 BGB). Die Erklärung der Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sei - unabhängig davon, ob sie vom Steuerpflichtigen oder von der Finanzbehörde abgegeben werde - als einseitige Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts eine empfangsbedürftige verwaltungsrechtliche (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung. Die Aufrechnung der o.g. Steueransprüche sei durch Aufrechnungserklärung vom 06.12.2017 erklärt worden. Gegenstand der Aufrechnung seien Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sowie schuldrechtliche Ansprüche aller Art. Mit Ansprüchen und gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis könnten alle schuldrechtlichen Ansprüche unabhängig davon aufgerechnet werden, ob es sich dabei um öffentlich-rechtliche oder um zivilrechtliche Ansprüche handele. Damit § 226 AO Anwendung finde, müsse jedoch mindestens eine der sich gegenüberstehenden Forderungen - Hauptforderung oder Gegenforderung - ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis sein. Die in der Entwicklung der Erhebungskonten dargestellten „Auszahlungen durch Aufrechnung“ hätten daher insoweit zum Erlöschen der oben bezeichneten Ansprüche geführt.
22Die zivilrechtliche Verjährung der zusätzlichen Forderung des leistenden Unternehmers
23gegen den Bauträger als Leistungsempfänger beginne nach § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB erst mit Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen, d. h. erst wenn das Finanzamt den leistenden Unternehmer darüber informiert habe, dass § 13b UStG rückwirkend nicht anzuwenden und er daher Steuerschuldner sei (BGH vom 17.05.2018, Az. VII ZR 157/17). Das Finanzamt habe die Bauleistenden aufgrund der Erstattungsanträge erst am 16.04.2015 angeschrieben. Es sei daher davon auszugehen, dass die Bauleistenden auch erst im Jahr 2015 Kenntnis von den Erstattungsanträgen erhalten hätten, sodass die Verjährung erst nach drei Jahren nach dem 31.12.2018 gegeben wäre. Die Aufrechnung mit dem Steuerbescheid 2013 sei auch für die erst in 2019 umgebuchten Beträge zulässig gewesen. Sei die Annahme der Abtretung durch das Finanzamt vor Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung erfolgt, könne eine Aufrechnung mit dem zivilrechtlichen Anspruch gegen den Erstattungsanspruch des Bauträgers nach § 215 BGB auch noch nach Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung erfolgen. In diesem Fall lägen nämlich die Voraussetzungen für die Aufrechnung vor Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung erstmals vor: Die Hauptforderung, d.h. der Umsatzsteuererstattungsanspruch des Bauträgers, sei abstrakt entstanden und die Gegenforderung, d.h. der zivilrechtliche Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer, sei aufgrund der Rechnungsberichtigung fällig. Soweit der Bauträger die Abtretungen nicht anerkenne bzw. sich entsprechend positioniere, gehe dieser Einwand ins Leere. Es handele sich ausschließlich um eine vertragliche Vereinbarung, die der Bauleistende (Abtretender/ Zedent) gegenüber seinem FA (Abtretungsempfänger/ Zessionär) schließe. Gegenstand des „Vertrages“ (der Abtretung) sei die Überlassung des Forderungsanspruchs, den der Bauleistende aus seiner korrigierten Rechnung gegenüber dem Bauträger habe. Der Bauträger habe im Wege des abgekürzten Zahlungsweges den durch den Bauleistenden abgetretenen Anspruch unmittelbar an das FA zu begleichen. Sollte der Bauträger einen Erstattungsanspruch haben, könne im Wege der Aufrechnung dieses Guthaben mit der abgetretenen Forderung aufgerechnet werden. Bezüglich der geltend gemachten Einrede sei zudem festzustellen, dass der Antragstellerin bereits mit dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 06.12.2017 in der Anlage zum Steuerbescheid mitgeteilt worden sei, an welche Bauleistende das Guthaben ausgezahlt worden sei. Diese Information habe die Antragstellerin nicht erst mit den angeforderten Abrechnungsbescheiden erhalten. Soweit die Gegenseite auf das Fehlen einer Bescheinigung nach § 48b EStG verweise und damit die Aufrechnung als unzulässig betrachte, sei festzuhalten, dass auch dieser Vortrag nicht einschlägig sei. Die Vorschriften der §§ 48ff. EStG dienten allein der Sicherung des Steueraufkommens und beschränkten sich in ihrer Anwendung auf die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Lohnsteuer. Die Umsatzsteuer sei ausdrücklich ausgenommen, da hier durch die §§ 51 ff. UStDV/§ 13b UStG eine ausreichende Sicherung bestehe. Ferner sei Gegenstand der Aufrechnung allein der Umsatzsteueranspruch, den der Bauträger an den Bauleistenden aufgrund korrigierter Rechnungen zu erbringen habe. Diesen Steueranspruch habe der Bauträger unter Verweis auf die alte Rechtslage bereits an das FA gezahlt. Erst durch die gesetzliche Neuregelung habe er nunmehr einen Erstattungsanspruch, der aber aufgrund bestehender Aufrechnungslage mit der abgetretenen Forderung der Bauleistenden aufgerechnet werden könne. Es verbleibe somit kein Raum für die Anwendung des § 48b EStG.
24Auch die Ausführungen über die Einbeziehung eines Zivilgerichts (Erhebung einer Feststellungsklage durch das Finanzamt) rechtfertigten keine Aussetzung der hier in Rede stehenden Aufrechnung (gemeint: des Abrechnungsbescheids). Der Gegenseite werde zugestimmt, wonach das Finanzgericht die Aufrechnungslage dem Grunde und der Höhe nach rechtlich ausreichend bewerten könne. Es stelle sich nur die Frage, ob dieses (FG-)Gericht auch die rechtlich zutreffende Beurteilung einer durch den Bauträger gegen die Rechnung erhobenen Mängelrüge (z.B. fehlerhafte Werklieferung/ Werkleistung) treffen könne. Nach Auffassung des Antragsgegners handele es sich hier um eine Frage, die in einem zivilen Verfahren geklärt werden müsse, da hierauf ausschließlich das BGB und die ZPO Anwendung fänden. Insoweit liege der Rechtsfrage keine steuerliche Thematik zu Grunde. Ferner rechtfertige eine nach ca. 8 Jahre erhobene Mängelrüge oder ähnlicher Einwand keine umfassende Aussetzung der Vollziehung, zumal die Gewährleistungsfrist für das Bauhandwerk fünf Jahre umfasse und der Bauträger im eigenen Interesse die Einwände innerhalb dieses Zeitraums hätte erheben müssen. Sollte das Gericht dennoch Aussetzung der Vollziehung gewähren, sollte diese nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden.
25Die von der Antragstellerin aufgeführten Differenzen ergäben sich aus nicht im Abrechnungsbescheid aufgeführte Umbuchungen.
26Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Antragsgegners wird auf seinen Schriftsatz vom 09.02.2022 verwiesen.
27II.
28Der zulässige Antrag ist --bis auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung-- begründet.
291. Der Antrag ist zulässig. Zwar weist der angefochtenen Abrechnungsbescheid einen Kontostand von 0 € aus, gleichwohl liegt ein vollziehbarer Verwaltungsakt vor. Als vollziehbarer Verwaltungsakt kommt im Streitfall nur der Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs.2 AO in Betracht, da Aufrechnungserklärungen des Finanzamts nach der Rechtsprechung des BFH selbst keine Verwaltungsakte und damit auch keiner Aussetzung der Vollziehung fähig sind (BFH-Urteil vom 02.04.1987 VII R 148/83, BStBl II 1987, 536). Ein Abrechnungsbescheid entscheidet im Rahmen des Steuererhebungsverfahrens über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 218 Abs. 2 AO). Die in ihm getroffenen Feststellungen binden den Steuerpflichtigen und die Finanzbehörde. Die Vollstreckung darf über die in ihm festgestellten Beträge nicht hinausgehen. Daraus folgt, dass er dann einer Vollziehung fähig ist, wenn in ihm das Bestehen eines Anspruchs gegen den Steuerpflichtigen festgestellt wird. Einer AdV steht im Streitfall aber nicht entgegen, dass im Tenor des Abrechnungsbescheids ein ausgeglichenes Steuerkonto ausgewiesen ist. Zwar wird damit im Abrechnungsbescheid kein Anspruch des Antragsgegners festgestellt, der als Vollstreckungstitel geeignet wäre. Jedoch darf der im Tenor des Abrechnungsbescheids festgestellte Ausgleich des Steuerkontos nicht isoliert gesehen werden, sondern er muss zu dem vorausgegangenen Umsatzsteuerbescheid in Beziehung gesetzt werden. Aus diesem ergab sich ein Erstattungsanspruch der Antragstellerin i. H. v. xyz €. Insofern hat sich die rechtliche Situation der Antragstellerin durch die vom Finanzamt erklärten Aufrechnungen und deren Bestätigung im Abrechnungsbescheid gegenüber der vor Ergehen des Abrechnungsbescheids bestehenden Rechtsposition zu ihrem Nachteil verändert (s. dazu BFH-Beschluss vom 10.11.1987 VII B 137/87, BStBl II 1988, 43; Hess. FG, Beschluss vom 01.03.2016, 1 V 2262/15, juris).
302. Der Antrag ist auch begründet, denn es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids i. S. v. § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Zweifelhaft ist, ob der Antragsgegner den USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin wirksam durch Aufrechnung gemäß § 226 AO zum Erlöschen gebracht hat, obwohl die vom Antragsgegner aufgerechnete Forderung bestritten ist.
31a) Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen. Ernstliche Zweifel können danach z.B. bestehen, wenn die streitige Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum oder in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage nicht im summarischen Verfahren der AdV zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, siehe z.B. BFH, Beschluss vom 16.05.2019, XI B 13/19, BStBl II 2021, 950 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
32b) Es ist bislang rechtlich ungeklärt, ob die Finanzgerichte über den Bestand und die Durchsetzbarkeit sogenannter rechtswegfremder (zivilrechtlicher) Forderungen, mit denen das Finanzamt aufgerechnet hat, selbst entscheiden können, oder ob zuvor eine Entscheidung der Zivilgerichte eingeholt werden muss.
33aa) Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerverhältnis u. a. durch Aufrechnung nach § 226 AO. Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 387 BGB setzt die Aufrechnung eine Aufrechnungserklärung sowie das Vorliegen einer Aufrechnungslage (Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der geschuldeten Leistungen, Erfüllbarkeit der Hauptforderung und Fälligkeit der Gegenforderung des Aufrechnenden) voraus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufrechnungserklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben werden muss, zu dem eine Aufrechnungslage besteht; andernfalls ist die Aufrechnung unwirksam. Gemäß § 390 BGB kann eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden. Gemäß § 215 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch (auf Werklohnnachforderung) in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte.
34bb) Im Streitfall ist die Durchsetzbarkeit der zivilrechtlichen Werklohnnachforderungen, mit denen der Antragsgegner aufgerechnet hat, wegen von der Antragstellerin geltend gemachter Verjährung und eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB streitig. Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung (BFH, Beschluss vom 09.04.2002, VII B 73/01, BStBl II 2002, 509) ist eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung möglich, wenn diese unbestritten oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder vom zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist. Verfahrensrechtliche Probleme wirft eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die ein anderer Rechtsweg als für die Klageforderung gegeben ist, dagegen dann auf, wenn diese --wie im Streitfall-- nicht rechtskräftig festgestellt und bestritten ist. Denn nach § 322 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht wird, der materiellen Rechtskraft fähig. Es besteht somit die Gefahr, dass ein an sich nicht zuständiges Gericht mit Bindungswirkung gegenüber den nach der Rechtswegzuweisung entscheidungsbefugten Gerichten über das Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten Forderung entscheidet (BFH-Beschluss vom 06.08.1985, VII B 3/85, BStBl II 1985, 672).
35In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob und ggfls. in welchen Fällen in den sogenannten Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 UStG die Finanzgerichte über die an den Fiskus abgetretenen Werklohnforderungen selbst entscheiden können, oder ob dafür die Zivilgerichte zuständig sind (siehe einerseits: FG Münster, Urteil vom 17.06.2020, 15 K 3839/17 U, EFG 2020, 1288, Rev. anhängig: VII R 41/20; andererseits: Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 01.03.2016, 1 V 2262/15, juris). Bei divergierenden finanzgerichtlichen Entscheidungen und einer fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Aussetzung der Vollziehung geboten.
363. Der Senat sieht es gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 3 FGO als sachgerecht an, Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung zu bewilligen.
37a) Eine Sicherheitsleistung ist angezeigt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der Aussetzung der Vollziehung insbesondere wegen der wirtschaftlichen Lage des Steuerschuldners gefährdet oder erschwert erscheint. Von einer Sicherheitsleistung soll gleichwohl abgesehen werden, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist. Schließlich darf die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten. Diese Voraussetzungen stehen im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) an einen effektiven Rechtsschutz. Die Sicherheitsleistung hat den Zweck, Steuerausfälle nach einer für den Steuerpflichtigen abschlägigen Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden. Insbesondere in den Fällen, in denen wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung eine Aussetzung erfolgen soll (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), wäre es im Allgemeinen unverhältnismäßig, dem Steuerpflichtigen die Aussetzung der Vollziehung zu versagen, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Leistung einer Sicherheit nicht zulassen. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung hat auch zu unterbleiben, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (s. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 22.09.2009, 1 BvR 1305/09, UR 2020, 150).
38b) Nach den vorgenannten Grundsätzen ist zur Wahrung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten eine Sicherheitsleistung angezeigt. Einerseits muss verhindert werden, dass die Antragstellerin ihren Erstattungsanspruch durch eine möglicherweise vom Antragsgegner zu Unrecht erklärte Aufrechnung verliert, andererseits muss auch die Erfüllung der an den Antragsgegner abgetretenen Werklohnforderung –wenn ihr keine dauernden Einreden entgegenstehen– gesichert bleiben. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium kann eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Antragstellerin nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat, obwohl sie die Frage der Sicherheitsleistung selbst angesprochen hat, nicht dargelegt, dass ihre wirtschaftlichen Verhältnisse die Leistung einer Sicherheit nicht zulassen würden oder eine unbillige Härte für sie bedeuten würde.
39c) Die Sicherheitsleistung kann in der in § 155 FGO i. V. m. § 108 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) genannten Art geleistet werden. Der Antragstellerin wird gemäß § 155 FGO i. V. m. § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO zugestanden, eine Sicherheit auch in der in § 241 AO genannten Art zu leisten oder ihren USt-Erstattungsanspruch aus der Rückgängigmachung der Besteuerung nach § 13b UStG sicherheitshalber an den Antragsgegner abzutreten.
404. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Anordnung der Sicherheitsleistung wirkt sich nicht zulasten der Antragstellerin aus (BFH-Beschlüsse vom 26.05.1988, V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 21.06.2005, X B 72/05, BFH/NV 2005, 1490; FG München, Beschluss vom 05.01.2021, 12 V 2528/20, juris; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO, Rz. 144 m.w.N.).
415. Die Beschwerdezulassung erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 128 Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 FGO. Es ist in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bislang ungeklärt, ob über den Bestand und die Durchsetzbarkeit der zivilrechtlichen Werklohnforderungen, mit denen in den sogen. Bauträgerfällen gemäß § 27 Abs. 19 UStG durch die Finanzverwaltung aufgerechnet wird, von den Finanzgerichten oder den Zivilgerichten zu entscheiden ist.
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