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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gegenüber der Klägerin ergangene bestandskräftige Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31.12.2015 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) zu berichtigen ist.
2Die Klägerin … [zwecks Neutralisierung wurde ein Halbsatz entfernt] ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von EUR …. Im Streitjahr hielten die C, die D und die E jeweils EUR … der insgesamt … Aktien. Gegenstand des Unternehmens ist die … [zwecks Neutralisierung entfernt].
3Am 25.02.2017 wurde die Körperschaftsteuererklärung für 2015 dem Beklagten (dem Finanzamt --FA--) elektronisch übermittelt. Darin erklärte die Klägerin einen Steuerbilanzgewinn in Höhe von EUR …. In der beigefügten, ebenfalls in elektronischer Form übermittelten Anlage KSt 1 F (Erklärung zur gesonderten Feststellung u.a. des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG auf den 31.12.2015) gab die Klägerin den festzustellenden Betrag des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 sowie den Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und den Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres jeweils mit EUR 0,- an. Ein Jahresabschluss auf den 31.12.2015 war der Steuererklärung nicht beigefügt.
4Das FA führte die Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für 2015 antragsgemäß durch und erließ unter dem 06.07.2017 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid für 2015 sowie einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2015 nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG (im Folgenden: Feststellungsbescheid). Das steuerliche Einlagekonto auf den 31.12.2015 wurde darin mit EUR 0,- festgestellt.
5Im Zuge dieser Erstveranlagung hatte die zuständige Sachbearbeiterin des FA, die Zeugin F, die Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2017 u.a. zur Übermittlung der bislang fehlenden E-Bilanzen für die Jahre 2014 und 2015 aufgefordert (s. Körperschaftsteuerakte, Trennstreifen „2015“). Die E-Bilanzen wurden dem FA in der Folgezeit von der Klägerin elektronisch übermittelt. Auf dem vorgenannten Schreiben vom 26.05.2017 sind hinter den dort aufgeführten und angeforderten Unterlagen handschriftlich Haken und Vermerke notiert worden. Hinter den dort aufgeführten E-Bilanzen für 2014 und 2015 ist handschriftlich der Vermerk „übermittelt“ notiert worden. Ein Ausdruck der E-Bilanz für das Jahr 2015 befindet sich in den im vorliegenden Klageverfahren vom FA vorgelegten Steuerakten (s. Hefter „Einspruch 2015“). Der Ausdruck der E-Bilanz wurde erst während des vorliegenden Klageverfahrens erstellt (s. das dort aufgedruckte Datum des 6.7.2021, s. hierzu des Weiteren den Schriftsatz des FA vom 16.10.2023). Aus der E-Bilanz für 2015 ergibt sich, dass die Klägerin hinsichtlich eines Betrags von EUR 150.000,- [zwecks Neutralisierung wurde der Betrag im gesamten Urteil geändert] eine Kapitalrücklage gebildet hat (vgl. Seite 5 des Jahresabschlusses im Hefter „Einspruch 2015“ der FA-Akte). Aus dem beigefügten Kontennachweis zur E-Bilanz zum 31.12.2015 geht hervor, dass sich das Schlusskapital des Kapitalkontos „Kapitalrücklage“ auf EUR 150.000,- belief (vgl. Bl. 11 der ausgedruckten E-Bilanz im Hefter „Einspruch 2015“ der FA-Akte). Als “Bestandteil“ ist hierzu die Position „Kapitalrückl. durch Zuzahlungen in EK“ mit dem vorgenannten Betrag von EUR 150.000,- aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das o.g. Schreiben des FA vom 26.05.2017 sowie den Ausdruck der E-Bilanz auf den 31.12.2015 sowie den beigefügten Kontennachweis in den Steuerakten des FA Bezug genommen.
6Nach Eingang der E-Bilanz beim FA führte die Zeugin F noch im Juli 2017 eine automatisierte Prüfberechnung der eingereichten E-Bilanz durch, aufgrund dessen eine automatische Hinweismitteilung ausgegeben wurde. Diese befindet sich in Papierform in der Bilanzakte des FA und weist folgenden Text aus: „Die Kapitalrücklage hat sich gegenüber dem vorangegangenen Wj. um EUR 150.000,00 verändert. Bitte prüfen, ggf. Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto beachten und die festsetzungsnahen Daten aktualisieren.“ Auf diesem Papierausdruck ist handschriftlich die Abkürzung „AG“ vermerkt. Der Ausdruck der Hinweismitteilung trägt den Aufdruck „*170705*“. Laut den Erläuterungen des FA lässt dieser Aufdruck darauf schließen, dass die Zeugin F die E-Bilanz am 05.07.2017 freigegeben hat (s. Schriftsatz des FA vom 16.10.2023).
7Mit Bescheiden vom 04.01.2018 wurden jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 2015 sowie im Feststellungsbescheid aufgehoben. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wurde seinerzeit durch den zwischenzeitlich zuständig gewordenen Sachbearbeiter des FA, den Zeugen G, veranlasst, der seit Anfang Dezember 2017 im Veranlagungsbezirk tätig war.
8Mit Schreiben vom 12.11.2019 beantragte die Klägerin beim FA eine Änderung des Feststellungsbescheids nach § 129 AO dahingehend, das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2015 in Höhe der in der Bilanz ausgewiesenen Kapitalrücklage von EUR 150.000,- festzustellen. Diesen Änderungsantrag lehnte das FA mit Bescheid vom 19.11.2019 ab. Den dagegen einlegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 01.03.2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO lägen im Streitfall nicht vor. Eine Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO ergebe sich im Streitfall zwar aus der Nichterfassung des Betrags von EUR 150.000,- im steuerlichen Einlagekonto. Dieser Betrag sei als nicht in das Nennkapital geleistete Einlage i.S. des § 27 Abs. 1 S. 1 KStG der Klägerin auch im Wirtschaftsjahr 2015 zugeflossen und wäre daher im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen gewesen. Diese Unrichtigkeit sei zum damaligen Zeitpunkt aber nicht offenbar gewesen, da diese Unrichtigkeit für das FA nicht zweifelsfrei aus dem ihm vorliegenden Akteninhalt erkennbar gewesen sei. Allein die Einstellung des Betrags von EUR 150.000,- als Kapitalrücklage in der Bilanz habe nicht zwingend eine entsprechende Erfassung beim steuerlichen Einlagekonto zur Folge, da die Zuführung zur Kapitalrücklage laut Bilanz nicht zwangsläufig einen Zugang bei der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auslöse. Hierzu müsse die Einlage auch tatsächlich geleistet werden (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 26.02.2017 7 K 3119/16). Aus der von der Klägerin vorgenommenen Bezeichnung „Kapitalrückl. durch Zuzahlung in EK“ ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass eine entsprechende Einlage auch tatsächlich noch im Wirtschaftsjahr 2015 an die Gesellschaft geleistet worden sei. Der Zufluss im Wirtschaftsjahr 2015 sei erst durch die spätere Einreichung der Zahlungsnachweise am 19.02.2021 nachgewiesen worden. Im Übrigen stünde einer Berichtigung nach § 129 AO entgegen, dass im Streitfall die ernsthafte Möglichkeit einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung durch das FA bzw. eines Rechtsirrtums bestünde. Denn trotz des Programmhinweises, die Auswirkungen des Zugangs auf die Kapitalrücklage im Hinblick auf das steuerliche Einlagekonto zu überprüfen, habe die damalige Sachbearbeiterin von der Einholung weiterer und ausführlicher Auskünfte abgesehen. Der für die zutreffende Feststellung des steuerlichen Einlagekontos maßgebliche Sachverhalt habe sich nicht ohne weiteres aus den der Sachbearbeiterin vorliegenden Unterlagen ergeben. Die fehlenden Angaben hätte die Sachbearbeiterin aber erkennen und bei der Klägerin erfragen können (Hinweis auf das Urteil des FG München vom 27.06.2007 6 K 1881/05). Im Übrigen sei auch nicht auszuschließen, dass die damalige Sachbearbeiterin des FA bei der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos mit EUR 0,- eigene rechtliche Überlegungen angestellt habe. Aus dem nicht vorhandenen Vermerk zum Programmhinweis könne eine rechtliche Würdigung weder ausgeschlossen noch angenommen werden, sodass die konkrete Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben sei. Da die Klägerin über den Kontennachweis zur Bilanz zum 31.12.2015 hinaus keine weiteren Angaben zur Höhe des steuerlichen Einlagekontos gemacht habe, sei es nicht auszuschließen, dass die Sachbearbeiterin des FA aufgrund eben dieser fehlenden Angaben der Klägerin den bewussten Entschluss gefasst habe, das steuerliche Einlagekonto mit dem Betrag von EUR 0,- festzustellen (Hinweis auf das Urteil des FG Thüringen vom 18.10.2017 3 K 127/17).
9Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung des streitgegenständlichen Bescheids nach § 129 AO vor. Die Gesellschafter der Klägerin hätten in Höhe eines Betrags von EUR 150.000,- eine Zuzahlung in das Eigenkapital im Kalenderjahr 2015 vorgenommen. Dieser Betrag sei als Kapitalrücklage erfasst und im Rahmen der Übermittlung der E-Bilanz auch so dargestellt worden. Im Kontennachweis sei unter der Kontobezeichnung „Kapitalrücklage“ die Erläuterung „Kapitalrückl. durch Zuzahlungen in EK“ aufgeführt worden. Im Streitfall ergebe sich die Unrichtigkeit daraus, dass der Betrag von EUR 150.000,- nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst worden sei, obwohl dieser Betrag als Zuzahlung in das Eigenkapital i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG der Klägerin im Wirtschaftsjahr 2015 zugeflossen und daher im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen gewesen wäre. Das Wort „Zuzahlungen“ in der im Kontennachweis vermerkten Erläuterung „Kapitalrückl. durch Zuzahlungen in EK“ dokumentiere hierbei auch, dass damit unweigerlich der Zahlungsfluss gemeint sei. Es handele sich hierbei um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO, da dieser Fehler auf der Hand liege, also durchschaubar und augenfällig sei. Denn die Klägerin habe mit ihrer Feststellungs- und der Körperschaftsteuererklärung eine E-Bilanz und auch den entsprechenden Kontennachweis mit dem o.a. Vermerk eingereicht. Damit habe es offensichtlich auf der Hand gelegen, dass das steuerliche Einlagekonto auch diesen Betrag ausweisen musste. Zudem sei die E-Bilanz in Form der Einheitsbilanz übermittelt worden. Damit sei der Einwand des FA unerheblich, dass das steuerliche Einlagekonto regelmäßig nicht mit der handelsrechtlichen Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) übereinstimmen müsse. Im Übrigen sei ja auch aus den eingereichten Unterlagen, insbesondere dem Kontennachweis, unzweideutig zu entnehmen gewesen, dass der Betrag auch eingezahlt worden sei. Demzufolge habe sich die Unrichtigkeit der Feststellung ohne weiteren Ermittlungen nachvollziehen lassen. Angesichts der Erläuterungen im Kontennachweis habe keine mehr als nur theoretische Möglichkeit einer anderen Rechtsansicht bestanden, warum das steuerliche Einlagekonto nicht erhöht werden sollte.
10Die Klägerin beantragt,
11unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.11.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2021 den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid zum 31.12.2015 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 und § 28 Abs. 1 KStG dahingehend zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto mit EUR 150.000,- festgestellt wird.
12Das FA beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass es aus der elektronisch übermittelten E-Bilanz auf den 31.12.2015 nicht habe erkennen können ob der Betrag von EUR 150.000,- auch tatsächlich eingezahlt worden sei. Im Übrigen sei auch weiterhin die ernsthafte Möglichkeit einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung seitens des FA und das Vorliegen eines Rechtsirrtums nicht ausgeschlossen, so dass im Ergebnis die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO nicht vorlägen.
15Der Senat hat die Streitsache mit den Beteiligten mündlich verhandelt und die beiden Mitarbeiter der Finanzverwaltung Frau F und Herrn G zu dem Geschehensablauf im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Körperschaftsteuer 2015 als Zeugen gehört. Zum Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2023, insbesondere zu den Aussagen der Zeugen, wird auf das Protokoll Bezug genommen.
16Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen, sowie die den Streitfall betreffenden und dem Gericht vorliegenden Steuerakten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19Der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
201. Zwischen den Beteiligten ist insoweit unstreitig, dass die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 mit EUR 0,- materiell unrichtig ist. Zutreffend wäre eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos mit EUR 150.000,- gewesen. Im Streitfall mangelt es aber an einschlägigen Korrekturnormen, auf die eine Anpassung des Feststellungsbescheids an die materielle Rechtslage gestützt werden kann.
21a. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO scheidet aus, da der streitgegenständliche Bescheid vom 04.01.2018, mit dem das FA den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO aufgehoben hat, mangels Einlegung eines Einspruchs bestandskräftig geworden ist.
22b. Die von der Klägerin begehrte Änderung des Feststellungsbescheids kann auch nicht auf die Vorschrift des § 129 AO gestützt werden. Gemäß § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen, § 129 Satz 2 AO.
23aa. Eine - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende - ähnliche offenbare Unrichtigkeit kann nur vorliegen, wenn sie auf ein mechanisches Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (BFH-Urteile vom 17.6.2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505; vom 4.6.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801). § 129 Satz 1 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (BFH-Urteil vom 14.6.2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056). Es muss sich um einen Fehler handeln, der in einem sonstigen mechanischen, zumal unbewussten, gedankenlos-gewohnheitsmäßigen, unwillkürlichen Vertun besteht, beispielsweise eines Übersehens, eines falschen Ablesens, eines falschen Übertragens, Verwechselns, Vertauschens oder Vergessens. Hervorgerufen werden muss der Fehler durch Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit, Abgelenktheit o.ä. (Tehler, Deutsches Steuerrecht 2009, 1019). Ob ein solches mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz zu beurteilen (BFH-Urteile vom 27.5.2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; vom 1.8.2012 IX R 4/12, BFH/NV 2013, 1).
24Eine Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO ist hierbei nicht erst dann ausgeschlossen, wenn es sicher feststeht, dass es zu einem Denk- oder Überlegungsfehler gekommen ist. Vielmehr ist das bereits dann der Fall, wenn es ernsthaft und mehr als nur theoretisch möglich erscheint, dass es zu einem Denk- oder Überlegungsfehler gekommen ist (vgl. etwa BFH, Urteile vom 23.7.2020 V R 37/18, BStBl. II 2021, 50; vom 7.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657; s. auch etwa Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz. 41, m.w.N.).
25Der mechanische Fehler muss zudem ebenso mechanisch, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können (ständige Rechtsprechung des BFH, s. BFH-Urteile vom 29.3.1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711; vom 31.7.1990 I R 116/88, BFHE 162, 115; vom 28.10.1992 II R 111/89, juris; vom 12.4.1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1; vom 16.3.2000 IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372; vom 27.5.2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946).
26bb. Das Vorliegen eines mechanischen Fehlers, der ebenso mechanisch beseitigt werden kann, ist aber nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO; der mechanische Fehler muss auch offenbar sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Fehler auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Beschluss vom 27.2.2014 X B 157/13, BFH/NV 2014, 825). Bei Offenlegung des Sachverhalts muss er für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar sein (BFH-Urteile vom 4.6.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; vom 6.11.2012 VIII R 15/10, BFHE 239, 296, BStBl II 2012, 307). Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche; dagegen ist nicht erforderlich, dass für den Bescheidadressaten auch der an Stelle des unrichtigen zu setzende richtige Inhalt des Bescheids offenbar ist (BFH-Urteile vom 11.7.2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 1.7.2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004; vom 7.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657; vom 10.3.2020 IX R 29/18, BStBl II 2020, 698). Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige selbst die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte (BFH-Urteil vom 7.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657). Der Fehler darf nicht erst durch Abfrage subjektiver Einschätzungen seinerzeit Beteiligter ermittelt und auf diese Weise „offenbart“ werden können (BFH-Urteil vom 11.7.2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810). Etwaige entgegenstehende innere Absichten des beteiligten Verwaltungsbeamten müssen sich sonach in einer irgendwie nach außen tretenden, „offenbaren“ Handlungsweise „beim Erlass“ (vgl. § 129 Satz 1 AO) des betreffenden Bescheides oder auch „im Vorfeld“ der Steuerfestsetzung niederschlagen; spätere Bekundungen des Beamten können dies nur verifizieren (BFH-Urteil vom 29.1.2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139).
27cc. Grundsätzlich muss der zu korrigierende Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde verursacht werden. Denn § 129 Satz 1 AO stellt für das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit ausdrücklich auf einen Fehler ab, der „beim Erlass des Verwaltungsakts“ entstanden ist (BFH-Urteile 31.7.1990 I R 116/88, BFHE 162, 115; vom 23.1.1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; vom 4.6.2008 X R 47/08, BFH/NV 2008, 1801). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, kann eine offenbare Unrichtigkeit aber ausnahmsweise dann vorliegen, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 17.6.2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505; vom 3.6.1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342; vom 14.6.2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056; vom 27.8.2013 VIII R 9/11, BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439). Voraussetzung ist, dass der Fehler für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war (BFH-Urteile vom 25.2.1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550; vom 24.7.1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 3.6.1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342). Die Unrichtigkeit muss sich ohne Weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen oder Anlagen hierzu oder aus den Akten des Finanzamts des streitgegenständlichen Zeitraums ergeben (von Wedelstädt in Gosch, § 129 AO Rz. 43). Dies ist insbesondere dann nicht mehr der Fall, wenn der zuständige Sachbearbeiter Vorakten nicht einsieht oder eine anderweitig notwendige Sachverhaltsaufklärung nicht durchführt. Eine mangelhafte Amtsermittlung stellt keine offenbare Unrichtigkeit dar und steht einer solchen auch nicht gleich (BFH-Urteile vom 31.7.1990 I R 116/88, BFHE 162, 115; vom 23.1.1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; vom 27.5.2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946).
28dd. Die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO vorliegen, trägt derjenige, zu dessen Gunsten sich die Berichtigung nach § 129 AO auswirkt bzw. der sich darauf beruft (vgl. etwa BFH, Urteil vom 19.3.2009 IV R 84/06, BFH/NV 2009, 1394; s. auch etwa Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz. 80). Hierbei ist allerdings der o.g. Maßstab zu beachten, dass eine Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO bereits dann ausgeschlossen ist, wenn es ernsthaft und mehr als nur theoretisch möglich erscheint, dass es zu ein Denk- oder Überlegungsfehler gekommen ist (vgl. etwa BFH, Urteil vom 10.3.2020 IX R 29/18, BStBl II 2020. 698; Beschluss vom 26.11.1998 VI B 223/98, BFH/NV 1999, 593).
29Die Frage, ob es ernsthaft und mehr als nur theoretisch möglich erscheint, dass es zu einem Denk- oder Überlegungsfehler gekommen ist, ist hierbei nicht allein aufgrund der in den Steuerakten befindlichen schriftlichen Unterlagen zu beurteilen. Das Gericht ist vielmehr gehalten, den hierfür entscheidenden Sachverhalt umfassend aufzuklären. Hierzu kann auch eine Beweisaufnahme durchgeführt werden. Ggf. kann eine solche auch geboten sein (vgl. etwa BFH, Urteil vom 10.3.2020 IX R 29/18, BStBl II 2020. 698; s. auch etwa Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz. 71).
30ee. Für die vorliegende Konstellation, in welcher eine Berichtigung nach § 129 AO im Hinblick auf die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG streitig ist, ist im Hinblick auf vorliegenden Streitfall insbesondere die folgende Rechtsprechung von Relevanz:
31Der Bundesfinanzhof hat die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO in einem Fall als erfüllt angesehen, in dem in der Steuererklärung der Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 € angegeben war, aus dem mit der Steuererklärung eingereichten Jahresabschluss jedoch hervorging, dass dieser Endbestand nicht zutreffend sein konnte. Konkret war in dem Jahresabschluss eine Erhöhung der Kapitalrücklage ersichtlich. Aus den Erläuterungen in dem Jahresabschluss war des Weiteren ersichtlich, dass diese Erhöhung zumindest teilweise im betreffenden Jahr der Gesellschaft zugeflossen war, und zwar in Form von Darlehensforderungen gegenüber einem Dritten und in Form von Geldbeträgen. Der BFH hat ausgeführt, dass es unter Heranziehung des eingereichten Jahresabschlusses ausgeschlossen gewesen sei, dass ein unvoreingenommener Dritter die Angabe zum Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit EUR 0,- als zutreffend ansehen könnte. Das genüge für eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO. Es sei hierfür unbeachtlich, dass aus den eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich gewesen sei, in welcher Höhe der Zugang zum steuerlichen Einlagekonto genau anzunehmen sei und hierzu noch weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich gewesen seien. Vielmehr sei allein entscheidend, dass ersichtlich sei, dass der angegebene Wert von EUR 0,- nicht stimmen könne. Des Weiteren hat der BFH ausgeführt, es sei im dortigen Fall ausgeschlossen gewesen, dass die Angabe zum steuerlichen Einlagekonto auf einem Rechtsfehler des dortigen Klägers beruht habe. Hierzu sei zu berücksichtigen, dass in der Steuererklärung lediglich Angaben zur Höhe des Endbestands des steuerlichen Einlagekontos, nicht aber solche zur Höhe der Einlagen des laufenden Jahres enthalten gewesen seien. Schließlich habe im dortigen Fall das Finanzamt die Angaben der Klägerin aus der Steuererklärung übernommen, ohne dass Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass dieses hierbei rechtliche Überlegungen angestellt habe. Es sei daher von einem sog. doppelten mechanischen Fehler auszugehen (vgl. BFH, Urteil vom 08.12.2021 I R 47/18, BStBl II 2022, 827).
32In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung hat das Thüringer Finanzgericht über einen Fall entschieden, in dem mit der Steuererklärung der entsprechende Jahresabschluss eingereicht worden war, aus dem ein Zugang zur Kapitalrücklage ersichtlich war. Dem Jahresabschluss war wiederum ein Kontennachweis beigefügt, aus dem – in vergleichbarer Weise wie im vorliegenden Streitfall – die entsprechende Buchung auf dem Unterkonto „Kapitalrückl. durch Zuzahlungen in EK“ ersichtlich war. Das Thüringer Finanzgericht hat hierzu ausgeführt, aus diesen Unterlagen sei ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 KStG nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen, so dass eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO bereits deshalb nicht vorliege. Die Buchung auf dem vorgenannten Unterkonto lasse allein auf eine Zuführung zur Kapitalrücklage in Form von Zuzahlungen in das Eigenkapital i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB schließen. Diese würden jedoch nicht zwingend und nicht ohne Weiteres mit einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG übereinstimmen (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 18.10.2017 3 K 127/17, EFG 2018, 903). Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat demgegenüber für einen vergleichbaren Vermerk im dort der Steuererklärung beigefügten Bilanzbericht („d. Zuzahl. in das Eigenkap.“) angenommen, es liege offensichtlich auf der Hand, dass die dortige Zuführung zur Kapitalrücklage i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB auch zugleich zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 KStG geführt habe. Es nahm hiervon ausgehend an, dass eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO gegeben sei (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231).
33Das Finanzgericht Düsseldorf hat ebenfalls über einen Fall entschieden, in dem aus der dort mit der Steuererklärung eingereichten Bilanz ersichtlich war, dass im dortigen Streitjahr eine Kapitalrücklage in bestimmter Höhe gebildet worden war. Das FG Düsseldorf kam zu dem von ihm entschiedenen Fall zu dem Schluss, dass aus den einzelnen Bilanzpositionen eindeutig erkennbar gewesen sei, dass die Bildung der Kapitalrücklage zugleich zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 KStG geführt hat. Konkret folgerte es dies daraus, dass sich bei der dortigen quasi „inaktiven“ Gesellschaft ausschließlich zwei Aktivpositionen in signifikantem Umfang erhöht hätten. Es sei ersichtlich gewesen, dass dies nur auf einem Mittelzufluss von außen haben beruhen können, weil als einzig sinnvoll denkbare andere Quelle für den Mittelzufluss die Selbstfinanzierung durch die Klägerin etwa durch die Erzielung von Veräußerungsgewinnen in Betracht gekommen sei. Diese habe aber anhand der ebenfalls mit eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung und der Detaillierung hierzu ausgeschlossen werden können. Aufgrund des daher für einen unvoreingenommenen Dritten ersichtlichen Zugangs zum steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG hat das Finanzgericht eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO angenommen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 7.9.2023 7 K 677/22 F, juris).
34ff. Nach diesen Grundsätzen war eine Änderung des hier in Rede stehenden Feststellungsbescheids gemäß § 129 Satz 1 AO nicht möglich. Der Senat kann im Streitfall nicht die ernsthafte Möglichkeit ausschließen, dass der Zeuge G bei dem Erlass des hier maßgeblichen Feststellungsbescheids vom 04.01.2018 einem die Änderung nach § 129 AO ausschließendem Irrtum unterlegen ist.
35(a). Der Feststellungsbescheid vom 04.01.2018, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist, ist – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - unrichtig.
36(aa) Unerheblich ist, dass das FA in diesem Bescheid lediglich den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, dagegen nicht die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 mit dem Wert von EUR 0,- nochmals ausdrücklich aufgenommen hat. Denn die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 164 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 AO). Damit hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Fiktion geregelt, durch die erreicht wird, dass es sich für den Steuerpflichtigen insoweit um einen erstmaligen Steuerbescheid handelt (BFH-Urteil vom 28.05.1998 V R 100/96, BStBl II 1998, 502, Oellerich in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 164 AO Rz. 128).
37(bb). Die Unrichtigkeit ergibt sich im Streitfall daraus, dass die im Streitjahr 2015 vorgenommene Zuführung zur Kapitalrücklage in Höhe von EUR 150.000,- nicht im steuerlichen Einlagekonto bei der Klägerin erfasst worden ist. Dieser Betrag ist der Klägerin als nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG im Wirtschaftsjahr 2015 zugeflossen und wäre im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen gewesen.
38(cc). Diese Unrichtigkeit war für einen unvoreingenommenen Dritten anhand der von der Klägerin eingereichten E-Bilanz einschließlich des dieser beigefügten Kontennachweises sowie der in der Bilanzakte abgehefteten Hinweismitteilung auch erkennbar.
39(1). Aus der vorliegenden E-Bilanz auf den 31.12.2015 war ersichtlich, dass eine Kapitalrücklage zum Ende des Wirtschaftsjahres in Höhe von EUR 150.000,- gebildet worden war. In Zusammenhang mit der in der Bilanzakte abgehefteten Hinweismitteilung war zudem ersichtlich, dass sich der Bestand des steuerlichen Einlagenkontos zum Schluss des Vorjahres auf EUR 0,- € belaufen hat, so dass daraus geschlossen werden konnte, dass eine Zuführung zur Kapitalrücklage in dieser Höhe im Streitjahr erfolgt sein musste. Zwar ist dem FA insoweit zuzugeben, dass allein aufgrund dieser Merkmale bzw. Angaben der Klägerin nicht automatisch geschlussfolgert werden konnte, dass das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2015 einen Zugang in dieser Höhe ausweisen musste. Denn das steuerliche Einlagekonto muss nicht mit der handelsrechtlichen Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB übereinstimmen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.07.2007 1 K 1338/12, EFG 2014, 2081, Tz. 37; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2015 10 K 10093/14). Es bedarf in diesen Fällen der weitergehenden Klärung, ob mit der handelsbilanziell dargestellten Zuführung zur Kapitalrücklage auch ein Zugang zu dem für steuerliche Zwecke maßgeblichen Einlagekonto einhergeht. Dies ist nicht selbstverständlich, denn handelsrechtlich kann die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB auch durch die Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter bewirkt werden (Förschle/K. Hoffmann in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 9. Auflage 2014, § 272 HGB Rn. 198; Kropff in Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2013, § 272 HGB Rn. 139; Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2018, § 8 Rn. 89), während ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto den tatsächlichen Zufluss der Mittel voraussetzt (FG München, Urteil vom 14.12.2015 7 K 1250/14, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231; FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 27 Rn. 35), wozu aber die Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter gerade nicht genügt. Im Zusammenhang mit der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos setzt daher eine Änderung nach § 129 AO aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit voraus, dass sich aus dem Akteninhalt sowohl die Erhöhung der Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 HGB als auch ein tatsächlicher Mittelzufluss bei der Gesellschaft ergibt (FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11; FG Düsseldorf, Urteil vom 07.09.2023 7 K 677/22 F, zitiert in juris).
40(2). Unter Einbeziehung der weiteren Angaben in der E-Bilanz der Klägerin konnte nach Ansicht des Senats aber dennoch der Schluss gezogen werden, dass im Streitjahr 2015 ein entsprechender Zufluss von Mitteln, wie er für eine Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos erforderlich ist, in die Kapitalrücklage geleistet worden ist. Zwar geht dies nach Auffassung des Senats nicht ohne Weiteres aus der im Kontennachweis zum Konto Kapitalrücklage ersichtlichen Position i.H.v. EUR 150.000,- mit der Bezeichnung „Kaprückl. durch Zuzahlungen in EK“ hervor. Diese Formulierung nimmt ersichtlich Bezug auf die Regelung des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, wonach Zuführungen zur Kapitalrücklage in Form von „anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten“, bewirkt werden können. Hierbei sind jedoch auch die o.g. Zuführungen durch Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter erfasst, welche keinen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG begründet. Allerdings war aus der Aktivseite der beim FA eingereichten E-Bilanz ersichtlich, dass dort gerade keine Forderungen gegen die Gesellschafter ausgewiesen waren, welche der in Rede stehenden Zuführung zur Kapitalrücklage i.H.v. EUR 150.000,- entsprechen konnten. Damit war für einen unvoreingenommenen Betrachter aus den beim FA eingereichten Unterlagen ersichtlich, dass die Zuführung zur Kapitalrücklage jedenfalls nicht durch Einräumung einer solchen Forderung bewirkt worden ist. Dies ließ für einen solchen Betrachter zugleich den Schluss zu, dass die Zuführung dann in der Form eines Mittelzuflusses bewirkt worden sein muss, welcher zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG geführt hat. Zwar war nicht ersichtlich, welche Art von Mittelzufluss dies war (möglich ist etwa der Zufluss von Geldmitteln, aber auch die Übertragung von Forderungen gegenüber Dritten etc.). Das ändert jedoch nichts an der vorstehenden Beurteilung. Dem Senat ist abgesehen von der Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter keine Zuführung zur Kapitalrücklage i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ersichtlich, welche nicht zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG führt.
41gg. Dennoch scheidet im Streitfall eine Änderung nach § 129 AO aus. Der Senat ist davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO), dass die ernsthafte und mehr als nur theoretische Möglichkeit besteht, dass sich der Zeuge G im Zusammenhang mit der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit dem Bescheid vom 04.01.2018 in einem Denk- oder Überlegungsfehler befand, welcher die Anwendung des § 129 AO ausschließt.
42(a). Ausgangspunkt der fehlerhaften Eigenkapitalfeststellung war zunächst folgender Umstand: Die Klägerin hat in ihrer beim FA eingereichten Feststellungserklärung auf den 31.12.2015 erklärt, dass sich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Ende des Vorjahres als auch zum 31.12.2015 auf EUR 0,- belaufen habe. Da die Klägerin mit der beim FA eingereichten Körperschaftsteuererklärung 2015 sowie der Erklärung über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den 31.12.2015 keine weiteren Unterlagen, insbesondere weder eine Bilanz noch eine Gewinn- und Verlustrechnung, beim FA eingereicht hatte, ist von der zum damaligen Zeitpunkt für die Klägerin zuständigen Sachbearbeiterin des FA, der Zeugin F, die Körperschaftsteuerveranlagung für die Klägerin zwar erklärungsgemäß durchgeführt und das steuerliche Einlagekonto auf den 31.12.2015 auf EUR 0,- festgestellt worden. Allerdings hat die Zeugin F beide Bescheide, die jeweils vom 07.06.2017 datierten, zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und die Klägerin zur Vorlage der fehlenden Unterlagen (E-Bilanzen für 2014 und 2015) aufgefordert. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids vom 06.07.2017 war dieser daher zwar materiell-rechtlich fehlerhaft, da das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2015 mit EUR 0,- statt mit dem zutreffenden Wert von EUR 150.000,- festgestellt worden ist. Nach Ansicht des Senats lag aber beim Erlass des Erstbescheids unter dem 06.07.2017 keine dem FA unterlaufene offenbare Unrichtigkeit vor. Denn der Zeugin F lagen zu diesem Zeitpunkt weitergehende Unterlagen, insbesondere der Jahresabschluss und die Gewinn- und Verlustrechnung, gerade nicht vor. Weder für die Zeugin F noch für einen unvoreingenommenen Dritten war daher zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass der von der Klägerin in ihrer Feststellungserklärung selbst erklärte und vom FA entsprechend übernommene Wert von EUR 0,- für das steuerliche Einlagekonto fehlerhaft gewesen ist.
43(b). Nach dem Erlass des Feststellungsbescheids vom 07.06.2017 sind die angeforderten Unterlagen beim FA eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Zeugin F für die Klägerin noch steuerlich zuständig. Die Zeugin F konnte sich nach eigener Aussage aber nicht mehr konkret an die weitere Bearbeitung des Steuerfalls erinnern. Allerdings hat sie aufgrund des nach ihrer Erinnerung in diesem Fall üblichen Bearbeitungsablaufs gemutmaßt, dass sie nach dem Eingang der E-Bilanz eine automatisierte Prüfberechnung für diese Bilanz durchgeführt hat. Weiterhin hat sie auf den Hinweis des Gerichts, dass eine entsprechende Hinweismitteilung in Papierform in der Steuerakte abgeheftet worden sei, gemutmaßt, dass aufgrund der Prüfberechnung wahrscheinlich eine digitale Hinweismitteilung im PC-Programm „aufgeploppt“ sei. Diese digitale Hinweismitteilung, wonach sich die Kapitalrücklage gegenüber dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr um EUR 150.000,- verändert habe, sei dann wohl von ihr ausgedruckt worden, da sie mit dem Digitalen noch nicht so vertraut gewesen sei. Die ausgedruckte Hinweismitteilung sei dann wohl von ihr mit dem Kürzel „AG“ versehen worden. Dies könne sie sich nur so erklären, dass sie im Veranlagungsbezirk überwiegend mit GmbHs und KGs zu tun gehabt habe. Eine AG sei für sie vielleicht etwas Besonderes gewesen und möglicherweise habe sie sich im Zusammenhang mit diesem Vermerk gedacht, sie gucke sich das später noch einmal genauer an und prüfe das, wenn sie den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebe. Nachdem der Zeugin F die in den Steuerakten befindliche ausgedruckte Hinweismitteilung vom Vorsitzenden vorgelegt worden ist, hat die Zeugin F bestätigt, dass der handschriftliche Vermerk „AG“ von ihr stamme. Weiterhin hat sie geäußert, dass, nachdem sie den Vermerk und den Prüfhinweis gesehen habe, ihre Mutmaßung über den weiteren von ihr durchgeführten Bearbeitungsablauf Sinn mache.
44Der Zeuge G ist dann ab Dezember 2017 für die Klägerin steuerlich zuständig geworden. In seiner Zeugenvernehmung hat dieser ausgesagt, er könne sich nicht mehr konkret an den vorliegenden Steuerfall erinnern. Erst nachdem er die Stockakten beim FA nach seiner Ladung als Zeuge eingesehen habe, habe er gesehen, dass er den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben habe. Auf Nachfrage des Vorsitzenden an den Zeugen G, ob er mutmaßen könne, was er sich bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 4.1.2018 möglicherweise gedacht habe, hat der Zeuge G ausgesagt, er könne sich nicht daran erinnern. Generell sei es aber so, dass für den Fall der Bearbeitung des Folgejahres das Programm der Finanzverwaltung den zuständigen Sachbearbeiter in digitaler Form darauf hinweise, das für die Vorjahre noch ein Vorbehalt der Nachprüfung bestehe und man überprüfen solle, ob der Vorbehalt der Nachprüfung für das Vorjahr aufgehoben werden könne. Auf Nachfrage des Vorsitzenden, was er unabhängig vom vorliegenden Fall generell und üblicherweise prüfe, wenn er einen Vorbehalt der Nachprüfung aufhebe, hat der Zeuge G ausgesagt, dass es darauf ankäme, aus welchem Grund der Vorbehalt der Nachprüfung gesetzt worden sei. Wenn dieser bspw. wegen fehlender Unterlagen gesetzt worden sei, wäre dann zu prüfen, ob diese Unterlagen eingegangen seien. Wenn diese vorliegen und entsprechend steuerlich gewürdigt worden seien, könne in einem solchen Fall der Vorbehalt der Nachprüfung in der Regel aufgehoben werden. Wenn diese Unterlagen bereits von einem vorhergehenden Mitarbeiter geprüft und steuerlich gewürdigt worden seien, könne man das in der Regel daran erkennen, dass bereits ein entsprechender Vermerk gemacht oder eventuell ein Haken im Programm gesetzt worden sei. Dann könne man davon ausgehen, dass das geprüft worden sei. Auf Nachfrage des Vorsitzenden an den Zeugen G, ob er sich im Streitfall daran erinnern könne, ob er den in Papierform in der Steuerakte abgehefteten Prüfhinweis und den Vermerk darauf bereits als abschließende Prüfungshandlung verstanden bzw. angesehen hat, hat der Zeuge F erklärt, dass er sich daran nicht erinnern könne. Auf weitere Nachfrage des Vorsitzenden, ob der Zeuge G heute noch sagen könne, was er möglicherweise veranlassen würde, wenn er den Vermerk „AG“ in einer Akte vorgefunden hätte, wenn er prüfen würde, ob der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben werden könne, erklärt der Zeuge G, dass er das so nicht beurteilen könne.
45(c). Aufgrund der vorliegenden Aktenlage und der vorgenannten Aussagen der beiden Zeugen geht der Senat von Folgendem aus:
46Maßgeblich ist nach Auffassung des Senats der Zeitpunkt, in dem der Zeuge G die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 04.01.2018 veranlasst hat. Beim Erlass des ursprünglichen Bescheids vom 07.06.2017 schied eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO aus (s.o. unter I.1.b. gg. (a)). Es kam daher darauf an, ob „beim“ Erlass des Bescheids vom 04.01.2018 dem Zeugen G eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO unterlaufen ist.
47Der Senat hält es für außerordentlich fernliegend, dass der Zeuge G sich im vorgenannten Zeitpunkt in einem Denk- oder Überlegungsfehler über die materiell-rechtliche Frage des Zugangs zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG befunden hat, welcher eine Anwendung des § 129 AO ausschlösse. Das wäre dann der Fall, wenn er bewusst von der Zuführung zur Kapitalrücklage zum 31.12.2015 Kenntnis genommen hätte, hierzu aber aufgrund einer unzutreffenden Rechts- oder Tatsachenwürdigung davon ausgegangen wäre, dass diese nicht zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG geführt hat. Der Senat geht davon aus, dass der Zeuge G im Falle einer solchen Würdigung durch ihn etwas dazu in den Akten vermerkt hätte. Ein solcher Vermerk oder anderweitige Anhaltspunkte für eine solche Würdigung sind aber aus den Akten nicht ersichtlich.
48Der Senat hält es dagegen für ernsthaft und jedenfalls mehr als nur theoretisch möglich, dass der Zeuge G sich beim Erlass des Bescheids vom 04.01.2018 in einem anderen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler befunden hat, und zwar in einem solchen über den bisherigen Verlauf des Verwaltungsverfahrens. Es erscheint aufgrund der Aussage der Zeugin F zwar nicht sicher, aber möglich und sogar wahrscheinlich, dass sie die o.g. Hinweismitteilung mit dem Hinweis auf die Veränderung der Kapitalrücklage und der Aufforderung, die Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto zu überprüfen, ausgedruckt, die Prüfung aber noch nicht vorgenommen, sondern diese für einen späteren Zeitpunkt belassen habe, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben werde. Die Zeugin F hat angesichts der in den Akten befindlichen Unterlagen (insbesondere der Hinweismitteilung und des darauf von ihr angebrachten Vermerks „AG“) einen solchen Geschehensablauf gemutmaßt. Er erscheint dem Senat hierbei zumindest durchaus plausibel. Der Zeuge F hat bekundet, er könne sich nicht an den vorliegenden Steuerfall erinnern. Auf die Frage, was er generell und üblicherweise bei der Aufhebung eines Vorbehalts der Nachprüfung prüfe, hat er bekundet, das komme darauf an, aus welchem Grund der Vorbehalt der Nachprüfung gesetzt worden sei. Wenn dieser etwa wegen fehlender Unterlagen gesetzt worden sei, sei zu prüfen, ob diese Unterlagen eingegangen seien. In den Akten der Klägerin befand sich hierbei die abgeheftete Hinweismitteilung sowie ein Schreiben vom 26.05.2017, mit welchem die Zeugin F als vorherige Bearbeiterin nach der ersten Bearbeitung der Steuererklärung bei der Klägerin u.a. die E-Bilanzen für 2014 und 2015 angefordert hatte. Auf dem vorgenannten Schreiben sind hinter den dort aufgeführten und angeforderten Unterlagen handschriftlich Haken oder Vermerke notiert worden, wobei hinter den dort angeführten E-Bilanzen für 2014 und 2015 der Vermerk „übermittelt“ notiert worden ist. Der Senat geht davon aus, dass diese Haken und Vermerke von der Zeugin F bei Eingang der Unterlagen angebracht wurden. Der Senat hält es angesichts dessen für nicht fernliegend, dass der Zeuge G bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung diesen Akteninhalt wahrgenommen hat und hierbei zu dem (irrtümlichen) Schluss gekommen ist, die vorherige Bearbeiterin habe die mit der Hinweismitteilung aufgeworfene Frage des Zugangs zur Kapitalrücklage bereits abschließend geprüft und es sei nunmehr diesbezüglich nichts weiter zu veranlassen. Angesichts dessen, dass die Hinweismitteilung in ausgedruckter Form in der Bilanzakte abgeheftet war, hält der Senat es nicht für fernliegend, dass der Zeuge G diesen bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auch wahrgenommen und nicht schlicht übersehen hat. Des Weiteren hält der Senat es nicht für fernliegend, dass er die Hinweismitteilung für bereits bearbeitet bzw. erledigt angesehen hat, weil diese ersichtlich im Rahmen einer vorherigen Bearbeitung erstellt worden ist und auf ihr nicht etwa vermerkt war, dass noch etwas zu veranlassen oder zu prüfen sei. Hierbei verhält es sich so, dass der Senat den vorstehenden Geschehensablauf nicht etwa für erwiesen oder feststehend ansieht, sondern ihn aufgrund der Aktenlage und der o.g. Aussagen der beiden Zeugen als möglichen Geschehensablauf ansieht. Diesen möglichen Geschehensablauf hält der Senat hierbei allerdings nicht für lediglich fernliegend, sondern für ernsthaft möglich und jedenfalls mehr als nur theoretisch möglich.
49Der Senat ist der Auffassung, dass diese ernsthafte und jedenfalls mehr als nur theoretische Möglichkeit, dass der Zeuge G bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit dem Bescheid vom 04.01.2018 dem vorgenannten Denk- oder Überlegungsfehler unterlag, nach den o.g. Grundsätzen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO ausschließt. Er hätte dann einem Denk- oder Überlegungsfehler über den bisherigen Verfahrensablauf und konkret über den Umstand unterlegen, ob zu der abgehefteten Hinweismitteilung betreffend den Zugang zur Kapitalrücklage noch etwas zu prüfen oder zu veranlassen ist. Es läge dann kein bloßes mechanisches Übersehen des Zeugen G vor, sondern eine Überlegung von ihm, aufgrund des bisherigen Verfahrensablaufs von weiteren Maßnahmen und einer weiteren Sachverhaltsermittlung abzusehen.
50II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
51III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
52IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es erscheint dem Senat nicht hinreichend geklärt, ob die Anwendung des § 129 AO auch in der vorliegenden Konstellation ausgeschlossen sein kann, in welcher die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass der Bearbeiter der Finanzverwaltung einem Denk- oder Überlegungsfehler unterlegen hat, welcher sich nicht auf die materielle Rechtslage, sondern auf den bisherigen Verfahrensablauf und hierbei speziell auf den Umstand bezieht, dass der vorherige Bearbeiter eine aus den Akten ersichtliche noch offene Frage bereits abschließend geprüft hat.
53… … …