Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017.
3Unternehmensgegenstand der Klägerin in der Rechtsform einer GmbH ist […].
4Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin bereits für frühere Jahre teils Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer fest:
5Jahr |
Erinnerungen / vorab angefordert |
Eingang Erklärung |
Festgesetzter Verspätungszuschlag |
2009 |
- |
06.10.2011 |
|
2010 |
Erinnerung 22.02.2012 |
12.07.2012 |
600 € |
2011 |
Erinnerung 18.02.2013 |
07.11.2013 |
970 € |
2012 |
- |
30.11.2014 |
270 € |
2013 |
Vorab angefordert 30.09.2014 |
25.12.2014 |
120 € |
2014 |
Vorab angefordert 30.09.2015 |
25.04.2017 |
|
2015 |
Erinnerung 13.02.2017 |
25.04.2017 |
Nachdem die Klägerin für die Streitjahre 2016 und 2017 trotz Aufforderung keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) und erließ Bescheide vom 03.07.2019, mit denen er die Umsatzsteuer auf 8.750 € (2016) und 26.800 € (2017) und Zinsen zur Umsatzsteuer i.H.v. 161 € (2016) und 88 € (2017) festsetzte. Laut des Abrechnungsteils der Bescheide ergaben sich insoweit Gesamtnachzahlungen i.H.v. 2.340,53 € (2016) und 5.997,70 € (2017). Zugleich setzte der Beklagte Verspätungszuschläge i.H.v. 780 € (2016) und 800 € (2017) fest. In den Erläuterungen der Bescheide führte der Beklagte jeweils aus: „Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt, weil Sie trotz Aufforderung bisher keine Steuererklärung abgegeben haben. … Der Verspätungszuschlag wurde wegen verspäteter Abgabe / Nichtabgabe der Erklärung festgesetzt. …“ Die Umsatzsteuerbescheide standen gemäß § 164 Abs. 1 AO jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
7Am 05.08.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 ein. Darüber hinaus nahm die Klägerin auf die dem Beklagten am gleichen Tag auf elektronischem Weg (Elster) übermittelten Umsatzsteuererklärungen 2016 und 2017 Bezug und bat um Verrechnungsstundung des sich aus der Umsatzsteuererklärung 2016 ergebenden Guthabens mit der sich aus der Umsatzsteuererklärung 2017 ergebenden Nachzahlung. In den Umsatzsteuererklärungen hatte die Klägerin für 2016 eine Umsatzsteuer i.H.v. 4.823,91 € und damit eine Umsatzsteuererstattung i.H.v. 1.746,56 €, für 2017 eine Umsatzsteuer i.H.v. 22.356,96 € und damit eine Nachzahlung i.H.v. 1.466,66 € errechnet. Die Klägerin fügte ihrem Schreiben vom 05.08.2019 Summen- und Saldenlisten für 2016 und 2017 bei.
8Auf den Einspruch reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 08.08.2019 dahingehend, dass unter Abwägung von Ermessenserwägungen angesichts des durchweg säumigen Abgabeverhaltens der Klägerin lediglich eine Herabsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2016 um 300 € auf 480 € in Betracht komme. Zugleich bat der Beklagte mit Frist bis zum 11.09.2019 noch um die Übermittlung der E-Bilanzen nebst Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz. Mit Schreiben vom 25.09.2019 erinnerte er nochmals an die Abgabe der fehlenden übrigen Erklärungen und Bilanzen mit Frist bis zum 07.10.2019. Die Klägerin hingegen sah es als ausreichend an, dass sie die Umsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017 sowie Summen- und Saldenlisten dazu vorgelegt habe.
9Zwischen den Beteiligten wurde in der Folgezeit auch darüber gestritten, ob die Einreichung der Umsatzsteuererklärungen 2016 und 2017 innerhalb der Rechtsbehelfsfrist als Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 03.07.2019 auszulegen war.
10Mit Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 verwarf der Beklagte den Einspruch der Klägerin wegen Umsatzsteuer 2016 und 2017 als unzulässig. Weder die bloße Übermittlung der Umsatzsteuererklärungen noch das Schreiben vom 05.08.2019 seien als Einspruch auszulegen.
11Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 setzte der Beklagte den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2016 unter Änderung des Bescheides vom 03.07.2019 auf 480 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Bescheide würden weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Zur Begründung der festgesetzten Verspätungszuschläge verwies der Beklagte auf den für die Streitjahre zur Anwendung kommenden § 152 AO in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung. Die Klägerin habe die Abgabefristen für ihre Umsatzsteuererklärungen nicht eingehalten. Sie sei grundsätzlich verpflichtet gewesen, bis zum 31. Mai des Folgejahres ihre Erklärungen abzugeben. Da sie sich die Erklärungen von ihrem Steuerberater erstellen lasse, sei die Frist allgemein bis zum 31. Dezember des Folgejahres verlängert, d.h. hier bis zum 31.12.2017 bzw. 31.12.2018. Eine Fristverlängerung sei hier weder beantragt noch vom Beklagten bewilligt worden. Entschuldigungsgründe für die verspätete Abgabe der Erklärungen seien weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Das Versäumnis sei vorliegend nicht entschuldbar. Die Klägerin habe bereits in der Vergangenheit Steuererklärungen mit teilweise erheblicher Verspätung abgegeben. Bei der Bemessung der Höhe der Verspätungszuschläge sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Klägerin zahlreiche zusätzliche Erinnerungen und vorzeitige Anforderungen der Erklärungen schlichtweg ignoriert habe. Die Veranlagungsverfahren für die Vorjahre hätten zudem zu der Erkenntnis geführt, dass selbst Zuschläge von bis zu 970 € offensichtlich nicht dazu geeignet gewesen seien, die Klägerin zu einem veränderten Abgabeverhalten zu bewegen. Der zur Umsatzsteuer 2017 festgesetzte Verspätungszuschlag i.H.v. 800 € sei deshalb ermessensgerecht auch unter Berücksichtigung der inzwischen nachgereichten Erklärung. Denn falls diese Erklärung nach Eingang der noch ausstehenden fehlenden Unterlagen wie beantragt übernommen werden könne, werde sich voraussichtlich eine Steuerfestsetzung i.H.v. 22.356 € ergeben. Der Zuschlag von 800 € entspreche somit prozentual einem Zuschlag von ca. 3,6 % der Steuerfestsetzung und bewege sich damit noch im unteren Bereich des Ermessensspielraums, der Zuschläge von bis zu 10 % ermögliche. Zugunsten der Klägerin könne allerdings berücksichtigt werden, dass der Zuschlag zu Umsatzsteuer 2016 gegenüber der bisherigen Festsetzung auf 10 % der (voraussichtlichen) Steuerschuld von 4.823,91 €, also auf 480 € zu begrenzen sei. Der Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2016 werde deshalb auf 480 € herabgesetzt. Letztlich habe die Klägerin weder vorgetragen noch sei es aus anderen Umständen ersichtlich, dass Verspätungszuschläge in dieser Höhe die Klägerin finanziell überfordern oder gar in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen würden.
12Am 01.12.2019 hat die Klägerin Klage wegen Umsatzsteuer 2016 und 2017 und Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 erhoben.
13Der Beklagte hat am 17.07.2020 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag für 2016 und 2017 erlassen. Mit diesen hat er die Umsatzsteuer jeweils entsprechend der Umsatzsteuererklärungen vom 05.08.2019 festgesetzt und die Verspätungszuschläge weiterhin auf 480 € (2016) und 800 € (2017) festgesetzt. In den Bescheiden führte der Beklagte zu den Verspätungszuschlägen aus: „Der bisher festgesetzte Verspätungszuschlag bleibt unverändert bestehen.“ Weitere Erläuterungen zum jeweiligen Verspätungszuschlag enthielten die Bescheide nicht.
14Im Hinblick auf die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen haben die Beteiligten den Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2016 und 2017 in der Hauptsache für erledigt erklärt, woraufhin der Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2016 und 2017 mit Beschluss vom 02.09.2020 abgetrennt worden ist.
15Zur Begründung der Klage wegen Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 trägt die Klägerin vor, dass die Verspätungszuschläge nicht nach § 152 AO begründet worden seien. Die in der Einspruchsentscheidung angeführte Begründung zur Herabsetzung des zuvor festgesetzten Verspätungszuschlags für 2016 reiche vorliegend nicht aus. Denn es sei rechtswidrig, Verspätungszuschläge nicht neu zu bemessen, wenn im Rahmen des Klageverfahrens die Umsatzsteuerzahllast herabgesetzt werde. Hierzu werde auf das Urteil des 5. Senats des Finanzgerichts Münster Az. 5 K 980/20 Bezug genommen. Unbegründete Verwaltungsakte könnten im Klageverfahren nicht mehr gemäß § 126 AO geheilt werden und seien aufzuheben.
16Zudem könne ein Verwaltungsakt, der kein Steuerbescheid nach § 155 AO sei, nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehen. Es stelle sich hier aber so dar, dass die Verspätungszuschläge unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen würden. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages sei zwar im Wege eines Verwaltungsaktes nach § 118 AO erfolgt, der nach § 122 AO bekannt gegeben worden sei, dies stelle aber keinen Steuerbescheid nach § 155 AO dar.
17Die Klägerin beantragt,
18die Festsetzungen von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 aufzuheben und die Festsetzungen von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er trägt zur Begründung vor, dass seine Ermessenserwägungen aus der ausführlichen Begründung der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 hervorgingen. Dort habe er bereits auf die sich nach den Umsatzsteuererklärungen 2016 und 2017 ergebenden Steuerfestsetzungen (nach vorausgegangenen Schätzungen) in Höhe von 4.823,91 (2016) und 22.356,96 (2017) abgestellt und den Zuschlag danach und auch die eingetretene Verspätung danach berücksichtigt. Der Beklagte verweist insoweit auf Seite 4 seiner Einspruchsentscheidung. Damit habe er seine Ermessensausübung schon im Vorhinein – im Rahmen der Einspruchsentscheidung – schriftlich dargelegt und begründet, sodass kein Anlass bestanden habe, diese Ermessenserwägungen in den geänderten Bescheiden vom 17.07.2020 nochmals schriftlich darzulegen. Im Endeffekt sei hier genau die Steuer festgesetzt worden, die sich im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zum Verspätungszuschlag und der darin enthaltenen Ermessensausübung vom 30.10.2019 schon abgezeichnet habe. Nur bei einer anderweitigen Umsatzsteuerfestsetzung – nicht wie mit den Steuererklärungen erklärt – hätte er ein neues Ermessen ausüben und dokumentieren müssen.
22Mit Beschluss vom 07.12.2020 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.
23Entscheidungsgründe
24I. Die Klage, über die die Einzelrichterin im Einvernehmen der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist teilweise begründet.
25Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019, über die im vorliegenden Verfahren ebenfalls zu entscheiden ist, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
261. Zunächst war vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 zu entscheiden, die an die Stelle der Festsetzungen vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 getreten und gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind.
27Wird ein angefochtener Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 68 Satz 1 FGO). § 68 FGO stellt allein auf die verfahrensrechtliche Situation ab, dass ein Änderungsbescheid als neuer Verwaltungsakt besteht (BFH, Urteil vom 20.03.2001 VIII R 44/99, BFH/NV 2001, 1133 Rn. 18; vgl. auch Hinweis auf nur wiederholenden Verwaltungsakt BFH, Urteil vom 20.05.2010 IV R 74/07, BStBl II 2010, 1104); es kommt nicht darauf an, dass der neue Verwaltungsakt den bisherigen materiell ändert (vgl. hierzu auch BFH, Urteile vom 26.06.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507; vom 08.02.2001 VII R 59/99, BStBl II 2001, 506; vom 23.02.2010 VII R 1/09, BFH/NV 2010, 1566; FG Hamburg, Urteil vom 25.02.2015 5 K 135/12, EFG 2016, 534, Rn. 37).
28Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 sind in ihrem Regelungsausspruch zwar inhaltsgleich mit den Festsetzungen vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019, da die Verspätungszuschläge weiterhin auf 480 € bzw. 800 € festgesetzt werden. Nach der maßgebenden verfahrensrechtlichen Situation führt aber auch die unveränderte Aufrechterhaltung der bisher festgesetzten Verspätungszuschläge als Ersetzung der bisherigen Festsetzungen dazu, dass die neuen Verwaltungsakte entsprechend § 68 Satz 1 FGO ohne erneute Einlegung eines Rechtsbehelfs Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind.
292. Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
30Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 liegen zwar vor, doch hat der Beklagte sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
31a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint, wobei das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen dem eigenen Verschulden gleichsteht (§ 152 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO).
32Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO a.F. erfüllt, hat die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen) und wie hoch sie ihn unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des § 152 Abs.2 AO a.F. festsetzt (sog. Auswahlermessen); vgl. BFH, Urteil vom 18.08.1988 V R 19/83, BStBl II 1988, 929, m.w.N. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 AO). Der Verspätungszuschlag darf gemäß § 152 Abs. 2 Satz 1 AO 10 Prozent der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrags nicht übersteigen und höchstens 25.000 € betragen.
33b) Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags liegen im Streitfall vor. Die Klägerin hat ihre Umsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017 nicht innerhalb der gesetzlichen Abgabefristen, sondern erst am 05.08.2019 abgegeben. Es ist ferner weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Säumnis entschuldbar sein könnte.
34c) Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 sind jedoch ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.
35Die Ermessensentscheidung der zuständigen Finanzbehörde, ob und in welcher Höhe es einen Verspätungszuschlag festsetzt, ist von den Gerichten nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbar. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob das Finanzamt den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das Finanzamt von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (BFH, Urteil vom 26.06.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rn. 25). Dabei darf das Gericht nicht die allein maßgeblichen Verwaltungserwägungen durch eigene Erwägungen ersetzen (vgl. BFH, Urteile vom 12.01.1988 VII R 36/86, HFR 1988, 240; vom 11.06.1997 X R 14/95, BStBl II 1997, 642, Rn. 16 - 17).
36Wegen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen gemäß § 102 FGO, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Verwaltungsakt begründet werden (§ 121 Abs. 1 AO). Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein, andernfalls ist diese rechtswidrig (vgl. BFH, Urteile vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579; vom 17.01.2017 VIII R 52/14, BStBl. II 2018, 740).
37Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen (BFH, Urteile vom 20.05.1994 VI R 105/92, BStBl II 1994, 836, Rn. 14; vom 26.03.1991 VII 66/90, BStBl II 1991, 545; vom 28.08.2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; vom 24.04.2014 IV R 25/11, BStBl II 2014, 819). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist allerdings, wie hier im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein (geänderter) Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH, Urteile vom 20.05.1994 VI R 105/92, BStBl II 1994, 836, Rn. 14; vom 26.06.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rn. 26). Das Gericht hat in einem solchen Fall zu beurteilen, ob die im Zusammenhang mit dieser neuen Verwaltungsentscheidung deutlich werdenden Ermessenserwägungen des Finanzamts i.S. von § 102 FGO der gerichtlichen Überprüfung standhalten (BFH, Urteil vom 20.05.1994 VI R 105/92, BStBl II 1994, 836, Rn. 14).
38Im Falle der Herabsetzung der festgesetzten Steuer, auf die sich der Verspätungszuschlag bezieht, hat der Betroffene einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung (BFH, Urteil vom 29.03.1979 V R 69/77, BStBl. II 1979, 641). Die Finanzbehörde ist von Amts wegen verpflichtet, eine vollständig neue Ermessensentscheidung (§ 5 AO) zu treffen, denn durch die Herabsetzung der Steuerschuld haben sich die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert, so dass die Festsetzung des Verspätungszuschlags rechtswidrig geworden ist (Cöster, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 152 Rdn. 108). Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Betroffenen mitzuteilen und zu begründen (BFH, Urteil vom 08.09.1994 IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520).
39Im Streitfall sind die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 rechtswidrig. Die im Zusammenhang mit den Festsetzungen vom 17.07.2020 deutlich werdenden Ermessenserwägungen des Finanzamts halten der gerichtlichen Überprüfung i.S. von § 102 FGO nicht stand. Jedenfalls fehlt es an der für eine Ermessensentscheidung gemäß § 121 Abs. 1 AO erforderlichen Begründung.
40Wie ausgeführt ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Festsetzungen vom 17.07.2020, die gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind, abzustellen. Mit diesen setzte der Beklagte die Verspätungszuschläge – anlässlich der geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen im laufenden Klageverfahren – nochmals in gleicher Höhe wie zuvor fest, ohne in diesen ersetzenden Festsetzungen jedoch Ausführungen zu machen, aus denen erkennbar wird, dass er sich seinem erneut bestehenden Ermessen, ob und in welcher Höhe er die Verspätungszuschläge festsetzt und bemisst, bewusst war und welche Ermessenserwägungen er bei Erlass der ersetzenden Festsetzungen angestellt hat.
41Der jeweilige Hinweis in den Festsetzungen vom 17.07.2020, der bisher festgesetzte Verspätungszuschlag bleibe unverändert bestehen, beinhaltet zwar die Ablehnung einer (weiteren) Herabsetzung der Verspätungszuschläge (vgl. BFH, Urteile vom 20.05.1994 VI R 105/92, BStBl II 1994, 836, Rn. 11; vom 20.09.1990 V R 85/85, BStBl II 1991, 2). Darüber hinausgehende Erläuterungen zur Ausfüllung des bestehenden Ermessens zum jeweiligen Verspätungszuschlag enthielten die Festsetzungen aber nicht, obwohl solche Erläuterungen für die Darlegung etwa angestellter Ermessenserwägungen erforderlich gewesen wären. Damit ist es dem Gericht vorliegend verwehrt festzustellen, ob und welche Ermessenserwägungen hier den maßgebenden Festsetzungen zugrunde gelegen haben.
42Der Beklagte kann sich insofern nicht darauf berufen, dass er in der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 seine damaligen Ermessenserwägungen umfassend zum Ausdruck gebracht habe und in diese bereits die Höhe der nunmehr erklärten und zu einem späteren Zeitpunkt auch entsprechend festgesetzten Umsatzsteuer mit einbezogen habe. Denn im Rahmen früherer Festsetzungen der Verspätungszuschläge angestellte und niedergelegte Ermessenserwägungen sind nicht Grundlage der insoweit hier vorzunehmenden gerichtlichen Überprüfung. Außerdem bleibt für das Gericht unklar, ob sich der Beklagte überhaupt bewusst war, dass er bei Erlass der Festsetzungen vom 17.07.2020 nochmals eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte, mithin ob der Beklagte hier sein Ermessen unterschritten hat.
433. Darüber hinaus sind im vorliegenden Verfahren aber nicht auch die Festsetzungen von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 aufzuheben, mit denen die Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 in Höhe von 480 € und zur Umsatzsteuer 2017 in Höhe von 800 € festgesetzt wurden. Denn diese sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
44a) Aufgrund der Aufhebung der unter dem 17.07.2020 erlassenen Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 ist im vorliegenden Verfahren auch darüber zu entscheiden, ob die „wiederauflebenden“ Festsetzungen der Verspätungszuschläge vom 03.07.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 rechtmäßig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen.
45§ 68 FGO soll dem Rechtsuchenden umfassenden Rechtsschutz sichern. Der Kläger soll nicht durch den Erlass eines ändernden oder ersetzenden Bescheids aus dem Verfahren gedrängt werden (BFH, Urteil vom 26.06.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507; zu § 68 Satz 3 FGO a.F.: BFH, Urteil vom 29.01.2003 XI R 84/00, BFH/NV 2003, 1330). Die Vorschrift dient darüber hinaus der Prozessökonomie und der Verfahrensvereinfachung. Sie soll den Beteiligten weitere – außergerichtliche und gerichtliche – Rechtsmittelverfahren gegen Änderungsbescheide ersparen, indem der mit dem ändernden oder ersetzenden Bescheid verbundene Verfahrensgegenstand in den bereits anhängigen Rechtsstreit aufgenommen wird. Der Kläger wird nicht auf ein neues Verfahren verwiesen, wenn seinem Klageinteresse ggf. auch im anhängigen Verfahren entsprochen werden kann (vgl. Schallmoser in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, Stand 11/2022, § 68 FGO Rz 7 ff.).
46Ein im Sinne von § 68 FGO ändernder oder ersetzender Verwaltungsakt nimmt zwar den ursprünglichen Verwaltungsakt in seinen Regelungsgehalt auf (vgl. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.10.1972 GrS 1/72, BStBl II 1973, 231), so dass der ursprüngliche Verwaltungsakt in dem Umfang, in dem er in den ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt aufgenommen worden ist, für die Dauer des Bestehens des ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakts suspendiert ist. Hieraus folgt aber nicht, dass mit der Aufhebung des ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakts der ursprüngliche Verwaltungsakt auch endgültig beseitigt ist. Der ursprüngliche Verwaltungsakt tritt wieder in Kraft, wenn der ihn ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt aufgehoben wird (vgl. hierzu: Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.10.1972 GrS 1/72, BStBl II 1973, 231; BFH, Urteile vom 20.10.2004 II R 74/00, BStBl II 2005, 99; vom 26.06.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rn. 36).
47Im Streitfall trägt die Aufhebung nur der ersetzenden Festsetzungen vom 17.07.2020 dem Anfechtungsbegehren der Klägerin, welches von vornherein auf die ersatzlose Aufhebung der festgesetzten Verspätungszuschläge gerichtet war, deshalb nicht ausreichend Rechnung. Denn die Aufhebung nur der ersetzenden Festsetzungen vom 17.07.2020 hat zur Folge, dass die ursprünglichen Festsetzungen vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 wieder in Kraft treten. Das Gericht hat deshalb vorliegend auch darüber zu entscheiden, ob die „wiederauflebenden“ Festsetzungen der Verspätungszuschläge vom 03.07.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 rechtmäßig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen.
48b) Die „wiederauflebenden“ Festsetzungen der Verspätungszuschläge vom 03.07.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 sind nicht zu beanstanden, so dass diese nicht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben sind.
49Wie bereits unter I.2.b) ausgeführt, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vor. Die Klägerin hat ihre Umsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017 nicht innerhalb der gesetzlichen Abgabefristen, sondern erst am 05.08.2019 abgegeben. Es ist ferner weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Säumnis entschuldbar sein könnte.
50Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 erfolgten zudem ermessensfehlerfrei. Für die gerichtliche Kontrolle ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 maßgeblich. Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO in vollem Umfang erneut zu prüfen. Sie ist auch nicht gehindert, eine neue, für den Steuerpflichtigen günstigere Ermessensentscheidung zu treffen, wie den Verspätungszuschlag – mit einer entsprechenden Begründung – herabzusetzen, was der Beklagte hier mit der Herabsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2016 im Rahmen der Einspruchsentscheidung getan hat.
51Vorliegend ist der Begründungsmangel (§ 121 Abs. 1 AO) in Form der fehlenden Begründung der Ermessensentscheidung bei den ursprünglichen Festsetzungen der Verspätungszuschläge vom 03.07.2019 durch die dann im Rahmen der Einspruchsentscheidung nachgeholte Begründung jeweils geheilt, § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO. Der Beklagte hat in der Einspruchsentscheidung nicht nur sein Entschließungsermessen, was sich auf der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuererklärungen gründete, dargelegt. Er hat in der Einspruchsentscheidung auch begründet, weshalb er die Verspätungszuschläge auf 480 € und 800 € festgesetzt hat. Hierbei hat er sowohl den Zweck der Ermächtigung zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen als auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet. Die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen sind ausführlich in der Einspruchsentscheidung dargelegt. Der Beklagte hat vor allem auf das allgemeine und besondere Abgabeverhalten der Klägerin abgestellt, nämlich dass die Klägerin zahlreiche zusätzliche Erinnerungen und vorzeitige Anforderungen der Erklärungen schlichtweg ignoriert habe. Der Beklagte sah es hier im Weiteren als ermessensgerecht an, zur Umsatzsteuer 2017 einen betragsmäßig erheblichen Verspätungszuschlag in Höhe 800 € festzusetzen und zur Umsatzsteuer 2016 den maximal möglichen Verspätungszuschlag von 10 % der Steuer, welche sich aus der nunmehr abgegebenen Umsatzsteuererklärung der Klägerin ergebe, auszuschöpfen. Weil in den Vorjahren selbst Zuschläge von bis zu 970 € offensichtlich nicht dazu geeignet gewesen seien, die Klägerin zu einem veränderten Abgabeverhalten zu bewegen, sei eine finanzielle Überforderung der Klägerin weder ersichtlich noch sei eine solche vorgetragen worden. Insgesamt hat der Beklagte damit die Gegebenheiten des konkreten Falles, wie den Zweck des Verspätungszuschlags, die Dauer der Fristüberschreitung, die Häufigkeit der verspäteten Abgabe oder Nichtabgabe von Steuererklärungen, sowie die Höhe des Erstattungsbetrages und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in seine Überlegungen miteinbezogen. Ein Ermessensfehler kann nicht festgestellt werden.
524. Ergänzend wird aber darauf hingewiesen, dass der Beklagte infolge der mit Bescheiden vom 17.07.2020 geänderten Festsetzungen – der Herabsetzungen der Umsatzsteuern 2016 und 2017 – zu prüfen hat, in welchem Umfang die für die Festsetzung des Zuschlags maßgebenden Gesichtspunkte noch gegeben sind; diese Prüfung erstreckt sich sowohl auf die Obergrenze von 10 % der festgesetzten Steuer als auch auf die Ermessenskriterien. Denn die Finanzbehörde ist von Amts wegen verpflichtet, neue Ermessensentscheidungen (§ 5 AO) zu treffen, wenn sich durch die Herabsetzung der Umsatzsteuern die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert haben (vgl. hierzu BFH, Urteile vom 29.03.1979 V R 69/77, BStBl II 1979 641; vom 08.09.1994 IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520; FG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2008 18 K 2172/07 AO, EFG 2008, 1345; FG Münster, Urteil vom 09.04.2020 5 K 908/20, juris). Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf wiederholte Prüfung der Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 einschließlich neuer Ermessensentscheidungen. Ein bloßer Verweis des Beklagten auf die bereits im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 getroffene Ermessensentscheidung, die insbesondere bereits die erst später erfolgten Steuerherabsetzungen im Blick hatte, reicht aus bereits ausgeführten Gründen nicht aus.
53II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Zwar verbleibt es nach Aufhebung der Festsetzungen der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 vom 17.07.2020 bei den festgesetzten Verspätungszuschlägen in Höhe von 480 € (für 2016) und 800 € (für 2017). Doch ist der Beklagte gehalten, dem Anspruch der Klägerin auf neue Ermessensentscheidungen über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 nachzukommen. Damit unterliegt die Klägerin nur zu einem geringen Teil.
54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.