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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.06.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2023 verpflichtet, Kindergeld für die Monate Juni 2022 bis Februar 2023 für die Kinder B Y, C Y und D Y festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist, ob der Aufenthalt der Kinder des Klägers im Streitzeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 im Gebiet der EU für die Gewährung von Kindergeld ausreicht.
3Der Kläger ist der Vater der Kinder B Y (geboren am xx.xx.2015), C Y (geboren am xx.xx.2018) und D Y (geboren am xx.xx.2020). Die Kindesmutter bezog bis Mai 2022 das Kindergeld für die drei Kinder und zeigte Ende Mai 2022 gegenüber der Familienkasse Q an, dass sie sich und die drei Kinder aus Deutschland abgemeldet und keine neue Adresse angegeben habe. Der Wohnsitz des Klägers bleibe weiterhin die ...-Straße ... in R. Das Kindergeld solle auf das Konto des Klägers überwiesen werden.
4Mit Bescheid vom 07.06.2022 lehnte die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2022 gegenüber dem Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kinder nicht mehr berücksichtigt werden könnten, da sie weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung findet, hätten.
5Mit von beiden Elternteilen am 21.06.2022 unterschriebenem Antrag beantragte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seine drei Söhne ab Juni 2022 an sich. Für die Kinder gab er keinen festen Wohnsitz an.
6Mit Schreiben vom 12.07.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die angeforderten Unterlagen vollständig eingereicht habe. Die Prüfung der Familienkasse habe ergeben, „dass die Anspruchsvoraussetzungen für Kindergeld vorgelegen haben. Der Bescheid vom 07.06.2022 hat weiterhin Bestand.“
7Mit E-Mail vom 18.07.2022 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er in Deutschland einen Wohnsitz habe und unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Seine Frau und die drei Kinder befänden sich auf Reisen innerhalb der Europäischen Union.
8Die Beklagte legte den am 21.06.2022 eingereichten Antrag als Einspruch gegen den Bescheid vom 07.06.2022 aus. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass für die Kinder die territorialen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlägen, da sich die Kinder mit der Kindesmutter zwar in wechselnden Ländern aufhielten, bei denen es sich jedoch ausschließlich um Staaten der EU, des EWR oder der Schweiz handele. In den Monaten Juni bis Oktober 2022 hätten sich die Kinder mit der Mutter in Deutschland – Dänemark – Deutschland – Belgien – Holland – Belgien – Frankreich – Italien – Österreich – Deutschland – Dänemark aufgehalten. Der Kläger reichte entsprechende Zahlungsbelege betreffend die Monate Juli 2022 bis Oktober 2022 ein. Derzeit halte sich die Familie in Deutschland auf. Es sei auch geplant, als nächstes Spanien zu bereisen. Die Auslandsreisen erfolgten in einem Wohnmobil.
9Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2023 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass gemäß § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG Kinder nicht berücksichtigt werden, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben. Es sei denn, sie lebten im Haushalt eines Berechtigten i. S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 a EStG, deren Voraussetzung der Kläger aber nicht erfülle. Es komme daher allein auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder in den genannten Gebieten an. Nach Würdigung der Beklagten hätten die Kinder B, C und D keinen Wohnsitz in einem begünstigten Gebiet.
10Die Beklagte versteht den Begriff des „gewöhnlichen“ Aufenthaltes gleichbedeutend mit „dauernd“. Den „gewöhnlichen“ Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt sei stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen. Kurzfristige Unterbrechungen blieben unberücksichtigt. Dieser Grundsatz könne analog auf andere Staaten übertragen werden. Sofern der gewöhnliche Aufenthalt nach diesen Grundsätzen in einem Staat der EU bzw. des EWR oder der Schweiz vorliege, wären aus Sicht der Beklagten die territorialen Voraussetzungen für die Kinder erfüllt und ein Anspruch auf Kindergeld gegeben. Dies wäre z.B. gegeben, wenn die Kindesmutter beispielsweise alle halbe Jahre von Dänemark nach Frankreich, von dort nach Italien usw. reise. Vorliegend sei davon auszugehen, dass die Kinder seit Juni 2022 weder im Inland noch in einem Staat der EU bzw. des EWR oder der Schweiz nicht nur vorübergehend verweilen und somit keinen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 der Abgabenordnung (AO) im Inland oder einem begünstigten Staat haben.
11Der Kläger hat gegen die vorgenannte Entscheidung am 09.03.2023 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass gemäß Art. 67 VO (EG) Nr. 883/2004 eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates hätte, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Der gewöhnliche Aufenthalt nach § 9 AO setze entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass sich eine Person in einem Einzelstaat der EU, des EWR oder in der Schweiz nicht nur vorübergehend aufhalte; vielmehr nehme § 9 Satz 1 AO sowohl auf Orte als auch auf Gebiete Bezug. Dabei sei der Begriff des Gebietes nicht einzelstaatsbezogen zu verstehen. Ausreichend sei, dass sich die Person gewöhnlich in dem Gebiet aufhalte, dass sich aus den Grenzen der Mitgliedstaat der EU, des EWR bzw. der Schweiz ergäbe. Ein anderes Verständnis würde der durch die Richtlinie 2004/38/EG garantierten Freizügigkeit zuwiderlaufen.
12Auf richterliche Nachfrage hat der Kläger weitere Kopien von Kontoauszügen aus dem Zeitraum Juni 2022 sowie November 2022 bis Februar 2023 eingereicht, aus denen sich Aufenthalte in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Spanien, Italien, Österreich und Dänemark ergeben. Ferner reichte er eine von der Gemeinde ... (Dänemark) am 30.60.2023 ausgestellte Wohnsitzbescheinigung ein, wonach die Kinder ab dem 22.12.2022 unter der Adresse ... gemeldet waren.
13Der Kläger beantragt,
14den Ablehnungsbescheid vom 07.06.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, zugunsten des Klägers für seine Kinder B Y, C Y und D Y Kindergeld für den Zeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 festzusetzen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie verweist zur Begründung auf ihre Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass nach dem Wortlaut des § 63 EStG auf den Aufenthalt in einem (bestimmten) EU/EWR-Mitgliedstaat abgestellt werde. Da es einen „europäischen“ Staat nicht gebe, sei der Linie des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) zu folgen, die auf einen gewöhnlichen sechsmonatigen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat abstelle. Sollte dieser nicht vorliegen, bestehe mangels territorialer Voraussetzungen des Kindes kein Anspruch auf Kindergeld.
18Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.10.2023 und der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.11.2023 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Kindergeldakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20A. Das Gericht entscheidet über die Klage im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
21B. Die zulässige Klage ist begründet. Die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld vom 07.06.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Die Beklagte hat zu Unrecht die Kindergeldfestsetzung für die Monate Juni 2022 bis Februar 2023 abgelehnt, da die Kinder des Klägers im Streitzeitraum als Kinder i. S. des § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 6 EStG zu berücksichtigen sind und der Kläger somit einen Anspruch auf Kindergeld hat.
22I. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland und ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kindergeldberechtigt.
23II. Die Kinder B, C und D sind Kinder i. S. des § 63 EStG. Sie sind gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG die leiblichen Kinder des Klägers i. S. des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Darüber hinaus ist der Anspruch auch nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG ausgeschlossen.
241. Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen (vgl. § 32 Abs. 1 und 6 EStG).
252. Die Kinder des Klägers hatten im Streitzeitraum keinen Wohnsitz im Inland oder in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat.
26Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung geklärt (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20.11.2008 - III R 53/05, BFH/NV 2009, 564, und vom 25.09.2014 - III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl II 2015, 655;). Danach ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass die Kinder keinen Wohnsitz im Inland haben.
273. Die Kinder haben jedoch einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem von der Norm des § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG umfassten Gebiet.
28a. Im Anwendungsbereich des § 63 EStG gelten die Begriffsbestimmungen des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts i. S. der §§ 8 u. 9 AO (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 – VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; BFH-Urteil vom 28.04.2010 – III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013; Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 63 EStG, Rn. 19, m.w.N.)
29b. Gemäß § 9 Satz 1 AO hat den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich der AO ist gemäß § 9 Satz 2 AO stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert (§ 9 Satz 3 AO).
30c. Ort i. S. der vorstehenden Regelungen ist eine bestimmte Stelle; Gebiet eine bestimmte Fläche der Erdoberfläche. Ort ist nicht stets eine politische Gemeinde, sondern auch ein umgrenztes Anwesen, z.B. Grundstück, Industriegelände oder Jagdrevier (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 9 AO, Rn. 5, m.w.N). Die Abgrenzung zum Gebiet ist fließend. Das Gebiet umfasst eine größere Fläche als der Ort, in jedem Falle das Gebiet eines Landkreises oder Landes, ohne dass es dabei auf die Einhaltung der Kreis- oder Landesgrenzen ankommt. Es muss sich nicht einmal um ein bestimmtes Gebiet innerhalb des Bundesgebietes handeln. In § 9 AO spricht Satz 1 von „diesem Ort“ und „diesem Gebiet“, Satz 2 von Aufenthalt im Geltungsbereich „dieses Gebietes“ (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 9 AO, Rn. 5). Damit sind ersichtlich verschiedene Größenordnungen angesprochen. Mit dem Nebeneinander der beiden Begriffe „Ort“ und „Gebiet“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Zuordnung des Aufenthalts zu einer bestimmten Stelle nicht erforderlich ist. Ausreichend ist sogar ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland insgesamt, denn dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass das „Gebiet“ i.S. des § 9 Satz 1 kleiner sein muss als das Bundesgebiet. Nach ihrem Sinn und Zweck ist auch keine dahingehende einschränkende Auslegung möglich. Im Gegenteil: Der Umstand, dass § 9 in erster Linie territoriales Anknüpfungselement für die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen ist, verlangt gerade - wie bei § 8 (vgl. Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 9 AO,§ 8 Rz. 17) - ein möglichst weites Begriffsverständnis. Etwas anderes kann sich nur im Einzelfall aus derjenigen Vorschrift ergeben, deren Tatbestand an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person anknüpft. So kann z.B. bei § 19 Bezugsgröße nur der einzelne Finanzamtsbezirk sein (vgl. insgesamt zum Vorstehenden: Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 9 AO, Rn. 19). Folglich kann ein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (vgl. FG Münster, Urteil vom 19.09.2019 - 5 K 3345/17 Kg, juris). Ein fester Mittelpunkt innerhalb des Gebiets ist nicht erforderlich. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 9 AO, Rn. 5, m.w.N.).
31d. Auf welche Art von Territorium es hierbei ankommt, hängt jeweils vom Inhalt derjenigen Vorschrift ab, die an das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts anknüpft. So ist z.B. bei § 19 AO Bezugsgröße der einzelne Finanzamtsbezirk und bei § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 VStG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG das (gesamte) Inland (vgl. Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 9 AO, Rn. 19). Deshalb reicht es für das Entstehen einer unbeschränkten Steuerpflicht nach den letztgenannten Vorschriften aus, wenn sich der Aufenthalt im Inland über mehr als sechs Monate erstrecken soll, ohne dass ein längeres Verweilen an einem bestimmten Ort beabsichtigt ist (vgl. Avvento in: Gosch, AO/FGO, § 9 AO, Rn. 27)
32e. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen legt der Senat das i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG maßgebliche „Gebiet“ für die Würdigung des § 9 Satz 1 AO dahingehend aus, dass ein tatsächliches Verweilen im Inland und / oder in (ggfs. verschiedenen) EU-Mitgliedstaaten sowie in Staaten des EW-Raumes ausreicht, um einen Anspruch für die Kinder, die sich nicht nur vorübergehend nachweislich in diesem Gebiet aufhalten, zu begründen. § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG soll für den Bezug des laufenden Kindergeldes nach der Intention des Gesetzgebers zur Familienförderung auf den Europäischen Wirtschaftsraum begrenzen (vgl. BT-DrS 13/3084, S. 21). Dieser Zweck wird vor dem Hintergrund der Aufenthalte der Kinder vorliegend erfüllt.
33f. Die Umstände des Aufenthalts im EU-Raum müssen erkennen lassen, dass dieser nicht nur vorübergehend erfolgt. Es muss also nach den tatsächlichen Gegebenheiten erkennbar sein, dass der Aufenthalt auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Dies kann sich im Einzelfall aus den persönlichen und familiären Verhältnissen des Steuerpflichtigen, aus der Veranlassung des Aufenthaltswechsels oder aus vergleichbaren objektiven Anhaltspunkten erschließen lassen (vgl. Avvento in: Gosch, AO/FGO, § 9 AO, Rn. 18).
34Die Kindesmutter hat die Kinder aus den deutschen Melderegistern abgemeldet und keine neue Adresse angegeben. In der Folge hat sich die Kindesmutter mit den Kindern sowohl im Inland wie auch in verschiedenen europäischen Staaten aufgehalten und zwar perspektivisch auf gewisse Dauer angelegt als auch tatsächlich im Streitzeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 nachgewiesen. Damit haben die Kinder auch den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im EU-Raum erfüllt.
35g. Es mag zwar zutreffen, dass die Kinder des Klägers nicht in einem konkreten Mitgliedstaat der EU einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben. Letztendlich ist für den Senat die Auslegung des Begriffs „gewöhnlich“ durch die Beklagte aber als nicht von der Gesetzesintention gedeckt anzusehen. Wichtig und entscheidend ist, dass der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass für Kinder in Drittstatten, die sich nicht in den abgestimmten Systemen der EU und den sozialen Leistungen aufhalten, Kindergeld nicht gezahlt werden soll (vgl. BT-DrS 13/3084, S. 21). Dies wird im vorliegenden Fall – wenn auch ungewöhnlich – aber erfüllt.
364. Da der Kläger im Streitzeitraum im Inland - im Gegensatz zur Kindesmutter - erwerbstätig ist und die Kindesmutter in keinem einzelnen EU-Staat dauerhaft verweilt, der die Merkmale eines Wohnsitzes aufweist, ist die Prüfung des Kindergeldanspruchs nach den EU-rechtlichen Koordinierungsvorschriften nicht vorzunehmen. Soweit der Kläger mitgeteilt hat, dass die Kinder ab dem 22.12.2022 in der Gemeinde ... gemeldet waren, ergibt sich daraus nicht die Annahme eines Wohnsitzes, da sich die Kinder bereits ab Januar 2023 wieder in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten aufgehalten haben. Darüber hinaus handelt es sich bei der angegebenen Adresse um einen Campingplatz. Die Kindesmutter reist mit den Kindern in einem Wohnmobil. Mobile Einrichtungen aller Art, wie Wohnmobile, sind aber grundsätzlich nicht geeignet einen Wohnsitz zu begründen (Avvento, in Gosch, AO, § 8 Rn. 15).
37C. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 135 Abs. 1 FGO.
38D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.