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Der Antrag wird abgelehnt.Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
I.
Die Antragsteller begehren die Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 vom 17.09.2020.
4Die Antragsteller wurden in den Jahren 2016 bis 2018 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer Grundstücksgemeinschaft, an der die Antragstellerin beteiligt ist.
5Bei der Arbeitgeberin (U GmbH & Co KG) des Antragstellers wurde in 2020 eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt. Nach den vom Prüfer getroffenen Feststellungen wurde dem Antragsteller in den Streitjahren von seiner Arbeitgeberin ein Audi A8 zur privaten Nutzung überlassen. Ein geldwerter Vorteil wurde von der Arbeitgeberin nicht versteuert und beim Bruttoarbeitslohn des Antragstellers mithin nicht berücksichtigt.
6Der Antragsgegner erließ am 17.09.2020 Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2016 bis 2018, in denen er den Arbeitslohn des Antragstellers um einen geldwerten Vorteil in Höhe von X € in 2016 und um X € jeweils in 2017 und 2018 für die Nutzungsüberlassung des Pkw erhöhte.
7Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit Einsprüchen vom 01.10.2020. Als Begründung trugen sie vor, dass die Versteuerung der privaten Kfz-Nutzung fälschlicherweise durchgeführt worden sei. Es habe ausschließlich eine berufliche Nutzung vorgelegen und es hätten auch andere Arbeitnehmer den Audi genutzt. Dies spreche gegen eine private Pkw-Nutzung.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.2024 wies der Antragsgegner die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung enthielt den Hinweis, dass die Aussetzung der Vollziehung am 12.02.2024 ende.
9Die Antragsteller erhoben am 22.01.2024 Klage beim Finanzgericht Münster, die unter dem Aktenzeichen 12 K 130/24 E geführt wird und über die der Senat noch nicht entschieden hat. Zur Begründung der Klage tragen sie vor, dass der Antragsteller kein steuerlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis mit der U GmbH & Co KG habe.
10Am 28.02.2024 erließ der Antragsgegner wegen Abgaben i.H.v. X € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank 1, in der die Antragstellerin als Vollstreckungsschuldnerin bezeichnet ist. Der Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 05.03.2024 eine Abschrift hiervon sowie eine Rückstandsaufstellung über Rückstände aus den Einkommensteuerfestsetzungen 2016 bis 2018 i.H.v. X € vom 28.02.2024 auf die Bezug genommen wird, übersandt. Am 06.03.2024 wurden die Rückstände i.H.v. X € durch die Drittschuldnerin bezahlt. Weitere Beträge für 2016 waren bereits durch Zubuchungen im Februar 2024 ausgeglichen worden.
11Die Antragsteller haben am 02.04.2024 den vorliegenden Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 gestellt. Sie tragen vor, dass ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zulässig sei, wenn die Vollstreckung drohe. Da die Pfändung bereits durchgeführt und der streitige Betrag bereits gepfändet sei, sei der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung mit dem Ziel der Rückzahlung der gepfändeten Beträge und des Erlöschens der Säumniszuschläge zulässig.
12Die Antragssteller beantragen sinngemäß,
13die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 vom 17.09.2020 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 08.01.2024 aufzuheben.
14Der Antragsgegner beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16Er trägt vor, dass in Anbetracht dessen, dass die Pfändung bei Antragstellung beim Finanzgericht durch Vollzahlung des Drittschuldners bereits erledigt und abgeschlossen gewesen sei und keine weiteren Pfändungsmaßnahmen mehr erforderlich gewesen seien, keine Pfändung mehr gedroht habe und es für die Antragsteller durchaus zumutbar gewesen wäre, den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung beim Finanzamt zu stellen. Es bestehe demnach keine Eilbedürftigkeit i.S. des § 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - mehr und der Antrag sei aus Sicht des Antraggegners unzulässig. Zudem sei der Antrag auch unbegründet.
17Sollte Aussetzung der Vollziehung gewährt werden, so werde angeregt diese nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren, da der Antragsteller auch bereits in der Vergangenheit grundsätzlich erst nach Pfändung gezahlt habe und eine Gefährdung des Steueranspruchs vorliege.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 12 K 130/24 E und 12 V 660/24 E und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
19II.
201. Der Antrag ist unzulässig.
21Gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung.
22Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist ein Antrag an das Gericht auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO nicht, wenn die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht. Ein vorheriger Antrag an die Finanzbehörde ist auch dann erforderlich, wenn – wie hier – die Aufhebung der Vollziehung beantragt wird (BFH-Beschluss vom 12.03.2013 XI B 14/13, BStBl II 2013, 390).
23Der Antragsgegner hat vor der Stellung des Antrages beim Gericht keinen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheides 2016 bis 2018 vom 17.09.2020 abgelehnt. Im Vorverfahren hatte er die Vollziehung ausgesetzt und die Befristung der für das Vorverfahren gewährten Vollziehungsaussetzung stellt keine Ablehnung dar. Dies wird vom Antragsteller auch nicht in Frage gestellt, sodass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
24Zwar ist – wie bereits ausgeführt - ein Antrag nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO bei Gericht auch ohne einen vorherigen an das Finanzamt gerichteten Antrag zulässig, wenn eine Vollstreckung droht. Das ist vorliegend aber nicht (mehr) der Fall.
25Eine Vollstreckung droht i. S. des § 69 Abs. 4 FGO, wenn die Finanzbehörde mit der Vollstreckung begonnen hat oder sie jedenfalls aus Sicht eines objektiven Beobachters so unmittelbar bevorsteht (BFH-Beschluss vom 11.08.2000 I S 5/00, BFH/NV 2001, 314), dass es dem Antragsteller nicht zumutbar ist, sich zunächst noch an die Finanzbehörde zu wenden (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 180. Lieferung, 3/2024, § 69 FGO, Rz. 78 m.w.N.).
26Vorliegend war im Zeitpunkt der Antragstellung die Vollstreckung allerdings bereits beendet, da am 06.03.2024 die noch bestehenden Rückstände i.H.v. X € durch die Drittschuldnerin bereits vollständig bezahlt worden waren. Zum Zeitpunkt der Antragstellung drohte also keine Vollstreckung mehr und es hatte auch keine Vollstreckung begonnen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 19.12.2014 II B 115/14, BFH/NV 2015, 473); die Vorschrift nach Abschluss der Vollstreckung anzuwenden, wäre weder mit dem Wortlaut noch mit dem Regelungszweck vereinbar (a.A. offenbar Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 279. Lieferung, 4/2024, § 69 FGO, Rn. 1122). In einem solchen Fall ist es auch nicht unzumutbar, die begehrte vorläufige Rückzahlung zunächst im Wege eines beim Finanzamt gestellten Antrags auf Aufhebung der Vollziehung zu verfolgen (vgl. auch Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.06.2017, 7 V 7151/17, EFG 2017, 1461, für den Fall einer Zahlung auf Androhung der Vollstreckung; zustimmend wohl: Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 180. Lieferung, 3/2024, § 69 FGO, Rn. 78).
27Für die Zumutbarkeit eines vorherigen Antrags bei der Behörde spricht – mit Blick auf den konkreten Streitfall – auch, dass die Antragsteller nichts dafür dargetan hat, warum sie sich nicht bereits mit der Ankündigung bzw. zumindest mit Erlass der Vollstreckungsmaßnahme an das Gericht gewandt haben.
28In Ansehung der Darlegungen der Antragsteller in der Antragsschrift zur Rückzahlung der gepfändeten Beträge besteht aus Sicht des Senats auch keine Veranlassung, dazu Stellung zu nehmen, ob es für die Beendigung der Vollstreckung auf die objektive Lage oder – mit Blick auf die Zumutbarkeit – ggf. auch auf den Erkenntnishorizont des Steuerpflichtigen ankommt.
292. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
303. Die Beschwerde wird nach §§ 128 Abs. 3 Satz 2, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil höchstrichterlich nicht geklärt ist, inwieweit ein Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO zulässig ist, wenn die rückständigen Beträge vor Stellung des Antrags bei Gericht durch Drittschuldnerzahlung vollständig entrichtet wurden und die Vollstreckung damit beendet war.