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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung des Sohnes des Klägers beim Kindergeld als Kind nach § 63 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 32 Abs. 1 u. Abs. 4 EStG.
2Der Kläger erhielt zunächst laufend Kindergeld für seinen Sohn B. X. (geb. xx.xx.2000).
3Der Sohn absolvierte von Februar 2019 bis August 2019 einen Bundesfreiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) beim Malteser Hilfsdienst. Zeitlich während des Bundesfreiwilligendienstes nahm der Sohn an einem Ausbildungslehrgang für Rettungshelferinnen und Rettungshelfer teil. Am xx.07.2019 bestand der Sohn die staatliche Prüfung nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Rettungshelferinnen und Rettungshelfer vom 04.12.2017 (RettAPO 2017; GV. NRW. 2017, 919).
4Bei diesem Ausbildungslehrgang zum Rettungshelfer handelt es sich gem. § 1 Abs. 2 RettAPO 2017 um ein 160-Stunden-Programm (80 Stunden theoretische Ausbildung; 80 Stunden praktische Ausbildung), bei dem die Ausbildung darauf ausgerichtet ist, dass der Rettungshelfer nach Abschluss als Fahrer und Unterstützer der Rettungssanitäter beim Krankentransport tätig wird. Hinsichtlich der Inhalte des Ausbildungslehrgangs verweist § 1 Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 2 RettAPO 2017 auf die Anlagen 4 und 5 zur RettAPO 2017, auf die Bezug genommen wird.
5Im Anschluss an das vorzeitige Ende des Bundesfreiwilligendienstes im August 2019 begann der Sohn zunächst eine Ausbildung zum Mechatroniker bei der C.-AG. Diese Ausbildung wurde im Dezember 2019 nach Kündigung durch die Ausbildungsstelle vom xx.12.2019 vorzeitig beendet.
6Ab Dezember 2019 bewarb sich der Sohn des Klägers bei verschiedenen Ausbildungsstellen für eine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Zudem arbeitete der Sohn nach Aufhebung des Ausbildungsverhältnisses im Dezember 2019 daneben zunächst bei der Firma D. – Abschleppunternehmen in E. in Vollzeit. Das Arbeitsverhältnis wurde im März 2020 beendet.
7Ab Januar 2021 begann der Sohn eine Vollzeittätigkeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in F. Nach dem Arbeitsvertrag wurden ihm die Aufgaben eines Sanitätshelfers und Fahrers mit Verwaltungstätigkeiten im ärztlichen Notfalldienst übertragen. Hierfür erhielt er eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.000,00 Euro. Ab September 2022 wechselte er zum Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in E. und arbeitete dort mit vergleichbarer Tätigkeit in Vollzeit.
8Am xx.11.2022 bestand der Sohn des Klägers zudem die staatliche Prüfung zum Rettungssanitäter nach der RettAPO 2017.
9Die Beklagte hob am 06.02.2023 die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers ab März 2023 auf. Die Beklagte stützte die Entscheidung zunächst darauf, dass nach Aktenlage die Suche nach einem Ausbildungsplatz im Monat Februar 2023 beendet worden sei.
10Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.03.2023 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass sein Sohn auch ab März 2023 weiterhin ausbildungssuchend sei und er bisher keine Ausbildung abgeschlossen habe. Er habe sich im Oktober 2022 bei seinem aktuellen Arbeitgeber ASB E. ebenfalls für eine Ausbildungsstelle als Notfallsanitäter beworben. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurden von Seiten des Klägers Unterlagen bzgl. der Ausbildungsbemühungen des Sohnes eingereicht.
11Mit Einspruchsentscheidung vom 24.04.2023 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich auch ab März 2023 vorlägen. Einer Berücksichtigung stehe jedoch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegen, da der Sohn bereits im Juli 2019 eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe und seit 2021 einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgehe, was gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG eine für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes schädliche Erwerbstätigkeit darstelle.
12Eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liege vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erworben habe, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten. Voraussetzung sei, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt worden sei und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen worden sei. Erstmalig sei eine Berufsausbildung dann, wenn keine andere abgeschlossene Berufsausbildung und kein abgeschlossenes berufsqualifizierendes Hochschulstudium vorausgegangen seien. Der Abschluss zum Rettungshelfer sei dementsprechend als erstmalige Berufsausbildung einzuordnen.
13Es komme auch keine mehraktige einheitliche Erstausbildung mit dem Abschluss zum Rettungssanitäter bzw. der angestrebten Ausbildung zum Notfallsanitäter in Betracht, da der Sohn nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses als Rettungshelfer zunächst eine Ausbildung zum Mechatroniker aufgenommen habe. Erst danach habe sich der Sohn für die Ausbildung zum Notfallsanitäter beworben. Daher liege nicht der notwendige enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten vor.
14Hiergegen hat der Kläger am 17.05.2023 Klage erhoben.
15Zur Begründung führt er aus, dass sein Sohn durch den Abschluss der Ausbildung zum Rettungshelfer keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe. Es handele sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf, sondern vielmehr um einen lediglich vierwöchigen Lehrgang als Einstieg in den Rettungsdienst, welcher eine Weiterbildung darstelle. Auch der Abschluss zum Rettungssanitäter stelle keinen anerkannten Ausbildungsberuf dar. Es handele sich um einen Lehrgang, der 3 Monate dauere. Der Sohn strebe weiterhin die Ausbildung zum Notfallsanitäter an. Das Bewerbungsverfahren beim Arbeitgeber ASB E. für die Ausbildung ab dem Jahr 2024 laufe noch. Zudem seien die Abschlüsse Rettungshelfer, Rettungssanitäter und Notfallsanitäter als eine einheitliche erstmalige Berufsausbildung zu betrachten. Der Kläger hat hierzu auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.10.2022 (Az. 7 K 591/22) verwiesen.
16Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger zunächst die Zusage des ASB E. vom xx.06.2023, nach der dem Sohn ein Ausbildungsplatz zum 01.01.2024 zugesagt worden ist, und sodann den Ausbildungsvertrag vom xx.09.2023 zum 01.01.2024, nach dem eine verkürzte Ausbildungszeit von 33 Monaten vorgesehen ist, vorgelegt.
17Der Kläger beantragt,
18den Aufhebungsbescheid vom 06.02.2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.04.2023 aufzuheben.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
22Am 20.03.2024 hat ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Protokoll hierzu wird Bezug genommen.
23Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 20.03.2024 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
25I. Der Senat kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 der FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
26II. Der Aufhebungsbescheid vom 06.02.2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.04.2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dem Kläger stand im Streitzeitraum kein Anspruch auf Kindergeld zu, denn der Sohn des Klägers wurde zu Recht nicht als berücksichtigungsfähiges Kind im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1 u. Abs. 4 EStG beim Kindergeld eingeordnet.
271. Der Streitzeitraum umfasst den Monat ab der Aufhebung des Kindergeldes und reicht bis zum Ende des Monats, in dem die Einspruchsentscheidung bekanntgegeben wurde (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – v. 25.09.2014 – III R 36/12, BStBl II 2015, 286). Danach beläuft sich der Streitzeitraum vorliegend auf März 2023 bis April 2023.
282. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. c EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG insoweit unschädlich.
293. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der Sohn des Klägers mangels Ausbildungsplatzes im Streitzeitraum eine Berufsausbildung zum Notfallsanitäter nicht beginnen konnte und daher gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. c EStG grundsätzlich beim Kindergeld berücksichtigt werden konnte. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
304. Ein Kindergeldanspruch des Klägers im Streitzeitraum ist jedoch nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 u. 3 EStG ausgeschlossen.
31Eine schädliche Erwerbstätigkeit im Sinne von § 32 Abs. 4 Sätze 2 u. 3 EStG lag aufgrund der Vollzeittätigkeit des Sohnes im Streitzeitraum vor, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist. Zentraler Streitpunkt ist die Frage, ob der Sohn bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte.
32a. Eine erstmalige Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liegt nach der Rechtsprechung des BFH bei einer Ausbildungsmaßnahme vor, die in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang stattfindet, durch eine Prüfung abgeschlossen wird und durch die das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Hierdurch soll insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule erfolgen (vgl. BFH-Urteile v. 12.10.2023 – III R 10/22, BStBl II 2024, 267; v. 03.07.2014 – III R 52/13, BStBl II 2015, 152). Der BFH folgt damit den gesetzgeberischen Erwägungen hinsichtlich der Abgrenzung zwischen allgemein und spezifisch berufsqualifizierenden Ausbildungsmaßnahmen (vgl. dazu BT-Drs. 17/5125, 41). Nach der gesetzgeberischen Intention sollen allgemein berufsqualifizierende Maßnahmen wie beispielsweise ein Computerkurs nicht zu einer Erstausbildung führen. Voraussetzung für eine erstmalige Berufsausbildung ist dagegen jedoch nicht, dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), also um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt.
33Der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist insgesamt jedoch enger auszulegen als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. a EStG verwendete Merkmal der Berufsausbildung (vgl. BFH-Urteile v. 12.10.2023 – III R 10/22, BStBl II 2024, 267; v. 03.07.2014 – III R 52/13, BStBl II 2015, 152).
34b. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung insbesondere unter Verweis auf § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG auch eine zeitliche Komponente bei der Einordnung einer Ausbildungsmaßnahme als erstmalige Berufsausbildung berücksichtigt werden soll (so explizit die Urteile des FG Nürnberg v. 09.01.2023 – 3 K 782/22, juris sowie des FG Niedersachsen v. 30.01.2024 – 8 K 134/23, juris; in diese Richtung auch das Urteil des FG Hessen v. 21.05.2015 – 2 K 155/13, EFG 2015, 1613) folgt der Senat dem nicht (ablehnend auch Mutschler in BeckOK-EStG, § 32 EStG Rn. 357.2).
35Weder dem Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG noch der Gesetzesbegründung ist eine derartige Komponente zur Einordnung einer erstmaligen Berufsausbildung entnehmbar. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung der Abgrenzung anhand des Inhalts einer Ausbildungsmaßnahme den Vorzug gegeben.
36Eine einheitliche Auslegung mit dem auch in § 9 Abs. 6 EStG verwendeten Merkmal der Erstausbildung und dem Aspekt einer Mindestdauer von 12 Monaten aus § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG ist zudem systematisch nicht geboten. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es grundsätzlich geboten sein kann, ein Gesetzesmerkmal, das in einem Fachgesetz an mehreren Stellen verwendet wird, einheitlich auszulegen. Dies kann jedoch nur gelten, wenn das Merkmal auch in einem einheitlichen Regelungskontext samt entsprechender Zweckrichtung steht. § 9 Abs. 6 EStG und § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG stehen jedoch nicht in einem solchen einheitlichen Regelungskontext. In § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dient das Merkmal im Rahmen des Kindergelds der Abgrenzungsfrage, ob das Kind in die Lage versetzt ist, sich selbst zu unterhalten, sodass der dem Kindergeld zugrundliegenden Prämisse der Unterhaltsnotwendigkeit durch die Unterhaltsverpflichteten Rechnung getragen wird. § 9 Abs. 6 EStG dient demgegenüber der Abgrenzungsfrage, welche Ausbildungsaufwendungen dem Bereich der Einkünfteerzielung bzw. dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind (BT-Drs. 18/3017, 42; vgl. dazu auch Mutschler in BeckOK-EStG, § 32 EStG Rn. 345.1).
37Aufgrund dieser unterschiedlichen Regelungs- und Zweckrichtungen ist eine einheitliche Auslegung nicht angezeigt (so im Ergebnis auch BFH-Urteil v. 12.02.2020 – VI R 17/20, BStBl II 2020, 719 im Rahmen der Anwendung von § 9 Abs. 6 EStG).
38c. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zudem die Tendenz besteht, Ausbildungsmaßnahmen, die zeitlich während oder im Rahmen eines Freiwilligendienstes im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. d EStG stattfinden, nicht als erstmalige Berufsausbildung einzuordnen (so Urteil des FG Nürnberg v. 09.01.2023 – 3 K 782/22, juris; in diese Richtung auch Urteil des FG Hessen v. 21.05.2015 – 2 K 155/13, EFG 2015, 1613), kann der Senat dem ebenfalls nicht folgen.
39Ein Freiwilligendienst im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. d EStG stellt selbst zunächst keine Berufsausbildung dar. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Berufsausbildung und Freiwilligendiensten (vgl. dazu auch BFH-Urteil v. 12.10.2023 – III R 10/22, BStBl II 2024, 267). Davon unberührt bleibt es nach Auffassung des Senats aber, wenn ein Freiwilligendienstleistender im Rahmen oder zeitlich während eines Freiwilligendienstes Ausbildungsmaßnahmen absolviert, die isoliert geeignet sind, eine erstmalige Berufsausbildung zu vermitteln. Die gesetzgeberische Förderungsintention von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. d EStG ist insoweit nur auf den dem Freiwilligendienst innewohnenden Förderungszweck (Erlangung sozialer Erfahrungen und Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl; vgl. dazu auch BFH-Urteile v. 09.09.2020 – III R 15/20, BFH/NV 2021, 544; v. 13.12.2018 – III R 25/18, BStBl II 2019, 256; v. 07.04.2011 – III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325) als solchen bezogen. Dass der Gesetzgeber Freiwilligendienste und die während dieser Zeit bestehenden Gegebenheiten kindergeldrechtlich nicht uneingeschränkt begünstigt, zeigt sich bereits daran, dass der Ausschlusstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch bei Absolvieren von Freiwilligendiensten greift. Entsprechend ist es aus Sicht des erkennenden Senats als überschießend zu bewerten, wenn Ausbildungsmaßnahmen, die zeitlich während oder im Rahmen eines Freiwilligendienstes absolviert werden und isoliert die Anforderungen an eine erstmalige Berufsausbildung im kindergeldrechtlichen Sinne grundsätzlich erfüllen, jedenfalls nach Ableistung des Freiwilligendienstes unberücksichtigt blieben, obwohl durch sie Fähigkeiten und Kenntnisse erworben wurden, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der teleologischen Bedeutung von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hinsichtlich der Abgrenzungsfrage, ob das Kind in eine Lage versetzt ist, den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können.
40Die Einordnung einer solchen Ausbildungsmaßnahmen während oder im Rahmen eines Freiwilligendienstes als erstmalige Berufsausbildung wird weder durch die Erlangung sozialer Erfahrungen während des Freiwilligendienstes überlagert noch steht dies dem Förderungszweck der Freiwilligendienste entgegen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es im Rahmen vieler Freiwilligendienste gängige Praxis und üblich ist, dass den Freiwilligendienstleistenden Ausbildungsmaßnahmen angeboten werden und diese Angebote von den Freiwilligendienstleistenden regelmäßig angenommen werden, zumal hierdurch höherwertige Tätigkeiten im Rahmen eines Freiwilligendienstes ausgeübt werden können. Allerdings sind Freiwilligendienste auch ohne derartige Ausbildungsmaßnahmen zugänglich. Sie sind insoweit auch nicht verpflichtend. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Freiwilligendienste soll es gerade nicht auf die wirtschaftliche Wertigkeit und Attraktivität der im Rahmen der Freiwilligendienste ausgeübten Tätigkeiten ankommen.
41d. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist im vorliegenden Verfahren bereits die in 2019 absolvierte Ausbildungsmaßnahme zum Rettungshelfer als erstmalige Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzuordnen.
42Der Ausbildungsgang zum Rettungshelfer erfolgte nach der RettAPO 2017 und somit in einem öffentlich-rechtlich geregelten Ausbildungsgang. Der Ausbildungsgang schloss mit einer Abschlussprüfung ab. Dass es sich hierbei nicht um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf im Sinne des Berufsbildungsgesetzes handelt, ist unschädlich.
43Durch die Ausbildungsmaßnahme wurden auch Fähigkeiten und Kenntnisse erlangt, die den Sohn des Klägers zur Aufnahme eines Berufs befähigten und nicht mehr nur als allgemein berufsqualifizierend eingeordnet werden können. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich aus den Anlagen 4 und 5 zur RettAPO 2017 ergeben. Die dort genannten Lernziele und praxisbezogenen Inhalte sind spezifisch auf den Rettungsdienst- und Krankentransportbereich zugeschnitten und befähigen nach Abschluss des Ausbildungsgangs zu einer bestimmten berufspraktischen Tätigkeit. Dabei ist zu beachten, dass ein Arbeitgeber im Rettungsdienst- und Krankentransportbereich entsprechende Aufgaben nur Personen übertragen kann, die zuvor den Abschluss zum Rettungshelfer erlangt haben. Damit ist insgesamt keine Vergleichbarkeit mehr mit einer allgemein berufsqualifizierenden Maßnahme wie einem Computerkurs bzw. dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule gegeben.
44Entsprechend den obigen Ausführungen ist es hingegen ohne Relevanz für die Einordnung, dass der Abschluss zum Rettungshelfer innerhalb weniger Wochen im Rahmen bzw. während eines Bundesfreiwilligendienstes erfolgte.
45e. Hinsichtlich der Entscheidung des FG Hessen vom 21.05.2015 (2 K 155/13, EFG 2015, 1613), in der der Abschluss als Rettungshelfer nicht als erstmalige Berufsausbildung eingeordnet wurde, weist der Senat darauf hin, dass im dortigen Verfahren der Rettungshelferlehrgang in Hessen nicht öffentlich-rechtlich geregelt war und keine Abschlussprüfung stattgefunden hatte. Insofern unterscheidet sich der dort zugrundeliegende Sachverhalt maßgeblich vom Sachverhalt im vorliegenden Verfahren. Soweit das FG Hessen sein Ergebnis zudem auf den zeitlichen Aspekt sowie das Absolvieren im Rahmen eines Freiwilligendienstes gestützt hat, weicht der Senat insoweit entsprechend den obigen Ausführungen davon ab.
465. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze zur mehraktigen einheitlichen Erstausbildung.
47a. Nach der Rechtsprechung des BFH können mehrere Ausbildungsabschnitte bzw. Ausbildungsmaßnahmen eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (vgl. BFH-Urteil v. 12.10.2023 – III R 10/22, BStBl II 2024, 267). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.
48Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (vgl. insgesamt dazu BFH-Urteil v. 03.07.2014 - III R 52/13, BStBl II 2015, 152). Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt und keine Zäsur zwischen den Ausbildungsabschnitten vorliegt (vgl. BFH-Urteil v. 12.10.2023 – III R 10/22, BStBl II 2024, 267 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung). Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen (vgl. BFH-Urteile v. 09.09.2020 - III R 2/19, BFHE 270, 429, BStBl II 2021, 861; v. 11.04.2018 - III R 18/17, BStBl II 2018, 548).
49b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im vorliegenden Verfahren eine mehraktige einheitliche Erstausbildung zwischen den abgeschlossenen Ausbildungsmaßnahmen Rettungshelfer, Rettungssanitäter sowie der im Streitzeitraum beabsichtigen Ausbildung zum Notfallsanitäter nicht vor.
50Die Ausbildungsmaßnahmen zum Rettungshelfer, Rettungssanitäter und Notfallsanitäter haben aus Sicht des Senats im Ausgangspunkt einen engen sachlichen Zusammenhang zueinander, da sie dieselbe Berufssparte betreffen und die jeweils vorher vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten in den weiteren Ausbildungsmaßnahmen intensiviert und vertieft werden (so auch Urteil des FG Münster v. 17.10.2022 – 7 K 591/22, juris in Bezug auf Rettungssanitäter und Notfallsanitäter).
51Die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nach Abschluss des Ausbildungsgangs zum Rettungshelfer erfolgten vorliegend jedoch erst nach Eintritt einer Zäsur. Nach Abschluss des Rettungshelfers im Juli 2019 begann der Sohn des Klägers zunächst eine andere fachfremde Ausbildung zum Mechatroniker. Erst nachdem diese Ausbildung vorzeitig beendet wurde, fasste der Sohn den Entschluss, sich um eine weitere Ausbildung im Bereich des Rettungsdienstes zu bemühen. Insoweit hatte der Sohn des Klägers bei bzw. kurz nach Abschluss zum Rettungshelfer bereits keine dahingehende Absicht, als letztliches Ausbildungsziel den Abschluss zum Notfallsanitäter zu erlangen. Durch die angefangene Ausbildung zum Mechatroniker fand daher eine Zäsur statt, die der Annahme einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung entgegensteht.
52II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
53III. Die Revision war wegen der Erforderlichkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des BFH zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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