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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist, ob der Beklagte gegenüber dem Kläger den nachversteuerungspflichtigen Betrag gem. § 34a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) für seinen Mitunternehmeranteil an der B GmbH & Co. KG (nachfolgend: „B KG“) zutreffend festgestellt hat.
3Der Kläger war ursprünglich alleiniger Kommanditist der C GmbH & Co. KG (nachfolgend: „C KG“); Komplementärin war die nicht am Kapital beteiligte D GmbH. In den Veranlagungsjahren vor dem Streitjahr 2016 hat der Kläger für die auf ihn entfallenden Gewinne der C KG die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne gem. § 34a EStG in Anspruch genommen. Zum 31.12.2015 belief sich der nach § 34a Abs. 3 EStG jährlich festzustellende nachversteuerungspflichtige Betrag unstreitig auf 100.000 € (zuletzt festgestellt durch den bestandskräftigen Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags nach § 34a EStG für 2015 vom 24.06.2021).
4Mit Vertrag vom xx.xx.2016 gründete der Kläger die B KG, an welcher er ebenfalls als alleiniger Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 100 % beteiligt war; Komplementärin ohne Kapitalanteil war die E GmbH. Mit Vertrag vom xx.xx.2016 brachte der Kläger 99 % seines Kommanditanteils an der C KG mit Wirkung zum 30.12.2016 in die B KG ein.
5Im Veranlagungszeitraum 2017 entnahm der Kläger aus der B KG einen Betrag von 50.000 €. Da er der Auffassung war, dass der für ihn für die C KG festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag infolge der Einbringung nicht auf die B KG übergegangen war, kam es infolge der Entnahmen im Jahr 2017 nach seiner Auffassung nicht zu einer Nachversteuerung.
6Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 reichten der Kläger und seine Ehefrau am 22.02.2018 beim Beklagten ein. Beigefügt war u.a. eine Anlage 34a für den Kläger für seine Beteiligung an der C KG. Am 19.03.2018 erließ der Beklagte einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 2016 und am 23.03.2018 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34a EStG für 2016. Dabei ging der Beklagte – der Erklärung des Klägers folgend – davon aus, dass die Einbringung des Teilanteils an der C KG in die B KG nicht zu einem Übergang des für die C KG festgestellten nachversteuerungspflichtigen Betrags gem. § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Gesetzesfassung geführt hat (nachfolgend: „EStG“; soweit in diesem Urteil auf § 34 Abs. 7 EStG in der aktuell geltenden Fassung durch das Wachstumschancengesetz vom 27.03.2024 Bezug genommen wird, wird dies durch den Zusatz „neue Fassung“ bzw. „n.F.“ kenntlich gemacht). Am 17.01.2019, 04.09.2020 und 16.11.2020 erließ der Beklagte geänderte Feststellungsbescheide nach § 34a EStG für 2016; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen.
7Im Jahr 2019 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung ... eine Betriebsprüfung bei der C KG für die Jahre 2015 bis 2017 durch. Im Betriebsprüfungsbericht vom xx.xx.2019 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Einbringung des Mitunternehmeranteils von 99 % an der C KG in die B KG als Entnahme zu werten wäre, die eine Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 4 EStG auslöse.
8Der zur Umsetzung der Betriebsprüfungsfeststellungen berufene Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass keine Entnahme vorläge, sondern dass der nachversteuerungspflichtige Betrag quotal zu 99 % vom Mitunternehmeranteil des Klägers an der C KG auf den Mitunternehmeranteil zu übertragen und hier fortzuführen sei. Die Regelung im BMF-Schreiben vom 11.08.2008, BStBl II 838, Tz. 47, gemäß der bei der Einbringung eines Teil-Mitunternehmeranteils der nachversteuerungspflichtige Betrag nicht übergehe, sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Zurückbehaltung eines Anteils von nur 1 % eine missbräuchliche Gestaltung i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO) darstelle.
9Am 06.07.2021 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2016 unter Zugrundelegung der Feststellungen der Betriebsprüfung. Weiterhin erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34a EStG für 2016. In diesem Bescheid minderte er den für die C KG festgestellten nachversteuerungspflichtigen Betrag um 99 % (Bestand zum 31.12.2015: 100.000 €, Minderung um 99.000 €, Bestand zum 31.12.2016: 1.000 €). Korrespondierend stellte er einen nachversteuerungspflichtigen Betrag für die B KG zum 31.12.2016 in Höhe von 99.000 € fest.
10Der Kläger legte gegen den Feststellungsbescheid nach § 34a EStG für 2016 fristgemäß Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 01.09.2021 einen geänderten Bescheid, wobei die Änderung einen hier nicht streitigen Punkt betraf. Mit Einspruchsentscheidung vom 14.12.2022 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
11Der Kläger ist der Auffassung, dass der zum 31.12.2015 auf 100.000 € festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag auch nach der Einbringung des Teil-Mitunternehmeranteils im Jahr 2016 weiterhin vollständig dem (verbliebenen) Mitunternehmeranteil des Klägers bei der C KG zugeordnet werden müsse. Es sei nicht zu einem teilweisen Übergang des nachversteuerungspflichtigen Betrags gem. § 34 Abs. 7 Satz 2 EStG gekommen. Diese Regelung sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur auf die Einbringung von ganzen Mitunternehmeranteilen und nicht auf die Einbringung von Teilen eines Mitunternehmeranteils anwendbar. Zudem enthalte § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG auch keine Regelung zur Berechnung des übergehenden Nachversteuerungsbetrags.
12Die Bestimmungen in § 34 Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie in Satz 5 EStG n.F., nach denen auch die Übertragung/Einbringung von Teilanteilen erfasst werde, seien erst durch das „Wachstumschancengesetz“ vom 27.03.2024 (BGBl. 2024, Nr. 108) eingeführt worden und gem. § 52 Abs. 34 EStG n.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 anwendbar. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu § 34 Abs. 7 EStG n.F. handele es sich bei der Neuregelung gerade nicht um eine klarstellende Anpassung, vielmehr sei auch nach Auffassung der Bundesregierung die Übertragung/Einbringung eines Mitunternehmerteilanteils bislang nicht von § 34a Abs. 7 EStG erfasst worden.
13Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Regelungen der §§ 16, 34 EStG sei zu entnehmen, dass begrifflich zwischen dem Mitunternehmeranteil und dem Teil eines Mitunternehmeranteils zu unterscheiden sei. Der Begriff des Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 EStG umfasse den gesamten Gesellschaftsanteil sowie das wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters. Auch bei Anwendung des § 34a EStG dürfe daher der Begriff „Mitunternehmeranteil“ nicht mit dem Teil eines Mitunternehmeranteils bzw. einem Mitunternehmerteilanteil gleichgesetzt werden. Auch § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Alt. 2 EStG unterscheide eindeutig zwischen dem gesamten Mitunternehmeranteil und dem Teil eines Mitunternehmeranteils. Zwar umfasse im Anwendungsbereich der §§ 20, 24 UmwStG der Begriff des Mitunternehmeranteils auch den Teil eines Mitunternehmeranteils. Dies ergebe sich jedoch unmittelbar aus dem Gesetz, da in § 20 Abs. 4 Satz 1 bzw. § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG die Möglichkeit der Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils vorausgesetzt werde. Daraus könne im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass die Tatbestände der §§ 20, 24 UmwStG – jedoch auch nur diese – auch die Einbringung eines Teiles eines Mitunternehmeranteils erfassten.
14Auch die Gesetzesmaterialien stützten die Auffassung des Klägers. In Hinblick auf § 34 Abs. 7 Satz 2 EStG bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber einen Übergang des nachversteuerungspflichtigen Betrags auch im Fall der Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils beabsichtigt habe. Die Prüfbitte des Bundesrats im Zusammenhang mit einer Änderung des § 34a Abs. 6 EStG (Bundestags-Drucksache – BT-Drs. – 16/5377, S. 14 f. und 26) belege, dass der Gesetzgeber bewusst nur auf den Mitunternehmeranteil abgestellt habe.
15Der Grund für diese bewusste Differenzierung des Gesetzgebers zwischen dem Mitunternehmeranteil und dem Teil eines Mitunternehmeranteils liege offensichtlich darin, dass nur solche Übertragungen/Einbringungen einer Regelung durch § 34a Abs. 7 EStG bedurft hätten, in denen eine Fortführung des nachversteuerungspflichtigen Betrags beim übertragenden Mitunternehmer schlicht nicht möglich sei. Der nachversteuerungspflichtige Betrag werde zugleich subjektbezogen (d.h. für einen bestimmten Steuerpflichtigen) als auch objektbezogen (d.h. für einen bestimmten Gewerbebetrieb dieses Steuerpflichtigen) geführt. Nur wenn durch die Übertragung eines Mitunternehmeranteils diese Subjekt-/Objekt-Verbindung vollständig beendet worden sei, sei zu regeln gewesen, für welchen Steuerpflichtigen bzw. für welches Objekt der nachversteuerungspflichtige Betrag fortzuführen gewesen sei. Wenn lediglich der Teil eines Mitunternehmeranteils übertragen werde, bleibe der Steuerpflichtige Mitunternehmer, so dass die Subjekt-/Objektverbindung erhalten bleibe. Diese Fälle würden durch § 34a Abs. 7 EStG daher nicht geregelt. Gleiches gelte im Übrigen für § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG, wonach eine Nachversteuerung nur durchzuführen gewesen sei, wenn ein ganzer Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft eingebracht worden sei.
16Selbst falls man der Rechtsauffassung des Beklagten folgen wollte, wäre eine Umgehung der Nachversteuerungsregelungen im Übrigen nach wie vor möglich: Wenn man nämlich davon ausginge, dass der Nachversteuerungsbetrag zu 99 % auf die B KG übergegangen sei, könnte der Kläger ohne steuerliche Nachteile erhebliche Entnahmen aus der C KG zu Lasten seines dortigen Gesellschafterdarlehenskontos tätigen. Diese Entnahmen würden eine Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 4 EStG allenfalls in Höhe von 1 % des dort ursprünglich festgestellten nachversteuerungspflichtigen Betrages auslösen, da 99 % des nachversteuerungspflichtigen Betrages auf die B KG übergegangen seien.
17Entgegen der Auffassung des Beklagten stelle die vom Kläger gewählte Gestaltung auch keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO dar. Eine unvollkommene bzw. lückenhafte gesetzliche Regelung könne nicht durch die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs geheilt werden. Da der Gesetzgeber bewusst entschieden habe, dass der Nachversteuerungsbetrag bei der Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils nicht übergehe, liege in der Durchführung einer solchen Einbringung keine illegitime Gestaltung. Der Kläger habe auch keinen unangemessenen Steuervorteil erlangt, da die Gewinnentnahme ohne Nachversteuerung systemimmanent sei und auch auf anderem Wege erreichbar gewesen wäre.
18Schließlich sei die Gestaltung wegen beachtlicher außersteuerlicher Gründe gewählt worden. Der Kläger wolle sein Unternehmen perspektivisch auf seine ... Kinder übertragen, dabei jedoch zugleich die operative Führung durch einen geeigneten Nachkömmling sicherstellen. Hierzu sei die vorherige „Separierung“ eines Kleinstanteils erforderlich. Anders als bei einer GmbH könne ein Personengesellschafter nicht mehrere Gesellschaftsanteile halten, bei der ein Stimmrecht „abgesondert“ werden könne. Zukünftig sollten auf der Ebene der B KG die finanziellen Zuflüsse aus der Unternehmensgruppe nach einheitlicher Willensbildung aller ... Kinder verwaltet werden, während geplant sei, auf Ebene der C KG die grundsätzlichen strategischen Entscheidungen über das operative Geschäft der Unternehmens-Gruppe zu treffen. Diese Entscheidungen sollten jedoch nicht gleichberechtigt unter den Kindern getroffen werden.
19Die vom Beklagten vorgenommene Bescheidänderung verstoße außerdem gegen die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO.
20Der Kläger beantragt,
21den Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags nach § 34a EStG für 2016 vom 06.07.2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.09.2021 sowie der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2022 dahingehend zu ändern, dass der für die B GmbH & Co. KG festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag auf 0,00 € herabgesetzt wird,
22hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 14.12.2022 und trägt ergänzend wie folgt vor:
26Der Begriff „Mitunternehmeranteil“ erfasse grundsätzlich auch den Teil eines Mitunternehmeranteils. Soweit der Gesetzgeber in anderen Regelungszusammenhängen habe sicherstellen wollen, dass eine Norm nur die Übertragung eines gesamten Mitunternehmeranteils und nicht auch eines Teilanteils erfasse, habe er dies ausdrücklich klargestellt (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG: „Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung […] des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist“). Weiterhin erfasse die Regelung des § 24 UmwStG nach allgemeiner Auffassung auch die Einbringung von Teilen eines Mitunternehmeranteils, obwohl dort ausschließlich der Begriff „Mitunternehmeranteil“ ohne weitere Differenzierung verwendet werde. Da § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG ausdrücklich auf § 24 UmwStG verweise, müsse dem verwendeten Begriff „Mitunternehmeranteil“ jeweils dieselbe Bedeutung zukommen.
27Soweit der Kläger argumentiere, dass bei der Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils aufgrund des Verbleibs eines Restanteils die Subjekt-/Objektbezogenheit gewahrt werde und die Nachversteuerung aus diesem Grund sichergestellt sei, könne dem nicht gefolgt werden. Der Nachversteuerungsbetrag beziehe sich auf die gesamte betriebliche Einheit; eine auch nur teilweise Entkoppelung des Nachversteuerungsbetrags vom Gesellschaftsanteil sei vom Gesetzgeber nicht gewollt.
28Entgegen der Auffassung des Klägers könne auch den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Einbringung von Teilen eines Mitunternehmeranteils bewusst aus dem Anwendungsbereich des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG habe ausnehmen wollen. In einem späteren Gesetzgebungsverfahren, welches eine Änderung des § 34a Abs. 6 EStG betroffen habe, habe der Finanzausschuss des Bundestags ausdrücklich ausgeführt, dass der Mitunternehmeranteil und der Teil eines Mitunternehmeranteils gleichgestellt seien (BT-Drs. 18/12128, S. 29 unten).
29Der Kläger könne sich auch nicht auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11.08.2008 (VV DEU BMF 2008-08-11 IV C 6-S 2290-a/07/10001, BStBl I 2008, 838) berufen. Zwar sei dort vorgesehen, dass § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG bei der Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils nicht anwendbar sei (BMF-Schreiben vom 11.08.2008, a.a.O., Tz. 47). Aus den Ausführungen im BMF-Schreiben unter Tz. 42 folge jedoch, dass dies nur unter dem Vorbehalt gelten solle, dass eine Verwirklichung aller Nachversteuerungstatbestände durch die verkleinerte betriebliche Einheit auch zukünftig möglich sei. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, da der beim Kläger verbleibende Geschäftsanteil von 1 % zu klein sei, um eine Nachversteuerung zu ermöglichen.
30Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, dass die vom Kläger gewählte Gestaltung als missbräuchlich i.S. des § 42 AO anzusehen sei. Der unangemessene Steuervorteil liege darin, dass die Gewinne aus dem eingebrachten Geschäftsanteil ohne Auslösung der Nachversteuerung entnommen werden könnten, während gleichzeitig aufgrund der geringen Größe des beim Kläger verbleibenden Geschäftsanteils keine Entnahmen aus diesem Geschäftsanteil vorgenommen werden könnten, die eine Nachversteuerung auslösten. Diese gesetzlich nicht vorgesehene Möglichkeit der Entnahme von zuvor thesaurierten und begünstig besteuerten Gewinne – und ohne Auslösung einer Nachversteuerung – werde auch in der einschlägigen Literatur kritisch gesehen. Die vom Kläger vorgetragenen außersteuerlichen Gründe für die gewählte Gestaltung erschienen zweifelhaft. Weitere Unterlagen zur behaupteten Nachfolgeplanung habe der Kläger nicht vorgelegt; auch der Gründungsvertrag der B KG sowie der Einbringungsvertrag enthielten keine Hinweise auf eine etwaige Nachfolgeplanung. Nach Auskunft des Klägers sei zudem nicht absehbar, wann die behauptete Nachfolgeplanung konkret umgesetzt werden solle.
31Schließlich könne der Kläger sich auch nicht auf die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO berufen. Die Regelung im BMF-Schreiben vom 11.08.2008, a.a.O, Tz. 47, sei nicht – wie von § 176 Abs. 2 AO vorausgesetzt – durch einen obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden. Zudem bestreite der Beklagte auch nicht die grundsätzliche Geltung des BMF-Schreibens, vielmehr sei die Berufung des Klägers auf die maßgebliche Regelung in Tz. 47 des BMF-Schreibens als rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO anzusehen.
32Der Rechtsstreit ist am 06.06.2024 mündlich vor dem Senat verhandelt worden; auf das Protokoll wird Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
35A. Der Senat legt die Klageschrift in der Weise aus, dass sich der Kläger mit seiner Klage nur insoweit gegen die in dem Bescheid vom 01.09.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2022 zusammengefassten Feststellungen nach § 34a Abs. 3 EStG für 2016 wendet, als die Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages für den Mitunternehmeranteil des Klägers an der B KG betroffen ist. Die Beteiligten haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung mit einer derartigen Auslegung der Klageschrift einverstanden erklärt.
36B. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags nach § 34a EStG für 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten i.S. von § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte geht zu Recht davon aus, das der ursprünglich für die C KG festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag infolge der Einbringung im Jahr 2016 zu 99 % und damit in Höhe eines Betrages von 99.000 € auf die B KG übergegangen ist.
37I. Die Regelung des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG ist nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass sie auch die Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst.
38Für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend. Der Feststellung dieses Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung nach dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung), der Zusammenhang (systematische Auslegung) sowie der Zweck (teleologische Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (BFH-Urteil vom 13.09.2023 - II R 49/21, BFH/NV 2024, 226, Juris Rn. 17 m.w.N.).
39Der Wortlaut des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass auch die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst ist (nachfolgend Gliederungspunkt 1.). Auch regelungssystematische Erwägungen sprechen für diese Auslegung der Gesetzesnorm (Gliederungspunkt 2.). Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich nach Auffassung des Senats keine konkreten Anhaltspunkte dazu, wie der historische Gesetzgeber die hier streitige Rechtsfrage entschieden wissen wollte (Gliederungspunkt 3.). Einzuräumen ist, dass in § 34a Abs. 7 EStG nicht geregelt ist, wie im Falle der Teilanteilsübertragung die Höhe des übergehenden nachversteuerungspflichtigen Betrags zu berechnen ist. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Teilanteilsübertragungen nicht von § 34a Abs. 7 EStG erfasst sind; die insoweit bestehende Regelungslücke kann im Wege der Analogie bzw. ergänzenden Gesetzesauslegung gefüllt werden (Gliederungspunkt 4.).
401. Seinem Wortlaut nach erfasst § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG auch die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils. Zwar vertreten die Finanzverwaltung und mehrere Stimmen in der Literatur eine gegenteilige Auffassung. Diese ist indes erheblichen Zweifeln ausgesetzt.
41a. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Einbringung von Mitunternehmerteilanteilen nicht vom Wortlaut des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG erfasst wird (BMF-Schreiben vom 11.08.2008, a.a.O., Tz. 47; Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, 28.12.2021, S 2290a A-001-St 517, Juris, Rn. 43, 44). Dieses Verständnis des Wortlauts des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG wird auch in der Literatur geteilt (z.B. Lilienthal in: EStG-eKommentar, § 34a EStG, Rn. 178; Weitemeyer/Schumacher in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 34a EStG, Rn. H 17; Ley/Bodden in: Korn, Einkommensteuergesetz, § 34a Rn. 198, 205). Andere Autoren sehen die Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils zwar ebenfalls nicht vom Wortlaut des § 34 Abs. 7 Satz 2 EStG umfasst, sprechen sich jedoch für eine teleologische Extension der Gesetzesnorm aus (Wacker in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 34a Rn. 78; Niehus/Wilke in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34a EStG, Rn. 109; zustimmend wohl auch Ratschow in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 34a EStG, Rn. 81; Bindl, DB 2008, 949, 953).
42b. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG schon nach seinem Wortlaut auch die Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst (so auch in Hinblick auf § 34a Abs. 6 EStG: Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drs. 18/12128, Seite 29).
43Der in § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG verwendete Begriff „Einbringung eines Mitunternehmeranteils“ umfasst schon nach dem allgemeinen Wortverständnis auch die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils. In derselben logischen Sekunde, in der der Teil eines Mitunternehmeranteils übertragen wird, wird er zugleich von dem einheitlichen Mitunternehmeranteil des bisherigen alleinigen Mitunternehmers abgespalten und ist als solcher Gegenstand der Einbringung. Auch ein derart abgespaltener Teil eines Mitunternehmeranteils ist ein „Mitunternehmeranteil“ im üblichen Wortsinn. Wenn von der „Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils“ die Rede ist, ist dies nach Auffassung des Senats letztlich eine verkürzte Formulierung; gemeint ist die Übertragung eines Mitunternehmeranteils, der lediglich aus Sicht des übertragenden Mitunternehmers als Teil seines (bisherigen) Mitunternehmeranteils anzusehen ist.
44c. Für dieses Verständnis des Wortlauts des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG spricht der Vergleich mit anderen Normen des Einkommensteuergesetzes sowie des Umwandlungssteuergesetzes.
45aa. Die Regelungen der §§ 20, 24 UmwStG erfassen nach einhelliger Auffassung ebenfalls die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils, obwohl das Gesetz lediglich den Begriff „Mitunternehmeranteil“ verwendet (z.B. § 24 Abs. 1 UmwStG: „Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Personengesellschaft eingebracht…“).
46Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang vor, dass § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG eine weitere Regelung enthalte, aus der gefolgert werden könne, dass § 20 UmwStG grundsätzlich auch die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasse (Gesetzeswortlaut: „Die Sätze 1 und 2 sind bei der Einbringung von Teilen eines Mitunternehmeranteils nicht anzuwenden.“). Da § 34a Abs. 7 EStG keine vergleichbare Klarstellung enthalte, sei im Gegenschluss zu folgern, dass diese Norm eben nicht die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasse. Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht, da sie verschiedene Auslegungs- bzw. Argumentationslinien vermengt. Der Kläger argumentiert regelungssystematisch, indem er isoliert die Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG betrachtet und diese mit der Bestimmung des § 34a Abs. 7 EStG vergleicht. Die Ausgangsfrage, ob der in § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG verwendete Begriff „Mitunternehmeranteil“ auch den Teil eines Mitunternehmeranteils erfasst (was unstreitig zu bejahen ist), blendet der Kläger hierbei aus.
47Soweit der Kläger aus der Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG im Gegenschluss folgern möchte, dass § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG nicht auch die Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst, erscheint dies nach Auffassung des Senats auch deshalb nicht überzeugend, weil § 34 Abs. 7 Satz 2 EStG sogar ausdrücklich auf § 24 UmwStG Bezug nimmt. Dies lässt es naheliegend erscheinen, dass das in § 24 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs „Mitunternehmeranteil“ auch für die Regelung des § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG gilt und diese Norm des EStG daher ebenfalls die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst.
48bb. Soweit der Kläger aus der Regelung des § 16 EStG ableiten möchte, dass der in § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG verwendete Begriff „Mitunternehmeranteil“ nur den ganzen Mitunternehmeranteil erfasst, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Blick auf die Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsgeschichte sowie auf die aktuelle Fassung des § 16 EStG zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist.
49Nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2001 gültigen Rechtslage enthielt § 16 Abs. 1 EStG keine Klarstellung, nach welcher nur die Veräußerung eines ganzen Mitunternehmeranteils von den Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG erfasst sein sollte (damaliger Gesetzeswortlaut: „Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung […] 2. des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)“). Nach der damals ständigen BFH-Rechtsprechung umfasste der Begriff „Anteil eines Gesellschafters“ trotzdem nicht nur den ganzen Mitunternehmeranteil, sondern auch den Teil eines Mitunternehmeranteils. Zwar war diese Rechtsprechung Gegenstand regelmäßiger Kritik. Die kritischen Stimmen sahen die Erfassung von Teilanteilsübertragungen indes überwiegend nicht in Widerspruch zum Wortlaut des § 16 Abs. 1 EStG, sondern allein in Widerspruch zum Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 EStG; die Begünstigung der Veräußerung eines Teilanteils entspreche nicht dem Zweck der Regelung, weil der Veräußerer in diesem Fall nicht alle stille Reserven seines Mitunternehmeranteils geballt aufdecke (vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl II 2000, 123, Juris Rn. 53 f.). Der Gesetzgeber reagierte schließlich, indem er die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20.12.2001 dahingehend neu fasste, dass ausdrücklich nur noch die Veräußerung des gesamten Anteils eines Mitunternehmers erfasst ist; zudem wurde im neu eingefügten § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG ergänzend klargestellt, dass Gewinne aus der Veräußerung von Teilanteilen laufende Gewinne sind. Die Gesetzgebungsgeschichte des § 16 Abs. 1 EStG spricht mithin dafür, dass der in § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG verwendete Begriff „Einbringung eines Mitunternehmeranteils“ grundsätzlich auch die Einbringung eines Teilanteils erfasst, da diese Gesetzesnorm nicht (wie die aktuelle Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) eine ausdrückliche Beschränkung auf die Übertragung eines ganzen Mitunternehmeranteils aufweist.
50cc. Auch der Vergleich mit § 6 Abs. 3 EStG spricht nach Auffassung des Senats gegen das Wortlautverständnis des Klägers. In seiner ursprünglichen Fassung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 sah § 6 Abs. 3 EStG lediglich vor, dass bei der unentgeltlichen Übertragung des „Anteils eines Mitunternehmers an einem Betrieb“ die Buchwerte fortgeführt werden dürfen. Obwohl das Gesetz keine ausdrückliche Regelung bezüglich der unentgeltlichen Übertragung eines Teilanteils enthielt, wurde diese nach einhelliger Auffassung vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung ebenfalls erfasst. Zwar wurde durch das UntStFG vom 20.12.2001 die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz EStG eingefügt, nach der nunmehr ausdrücklich auch Teilanteilsübertragungen erfasst sind. Diese Regelung hatte nach dem Willen des Gesetzgebers und nach der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur indes lediglich klarstellende Funktion und diente der gesetzlichen Absicherung der bisherigen Besteuerungspraxis. Die Klarstellung wurde vorsorglich eingefügt, um die Regelung des § 6 Abs. 3 EStG klar von der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzugrenzen, die in der Fassung durch das UntStFG – abweichend von der bisherigen Rechtslage – lediglich noch die Übertragung ganzer Mitunternehmeranteile erfasste (vgl. Gesetzesbegründung zum UntStFG vom 10.09.2001, BT-Drs. 14/6882, S. 32; BFH-Urteil vom 12.10.2005 – X R 35/04, BFH/NV 2006, 521, Juris Rn. 37; vgl. z.B. auch die zusammenfassende Darstellung bei Wendt, FR 2005, 468, mit weiteren Nachweisen aus der Literatur).
512. Die teleologische Auslegung spricht ebenfalls dafür, dass § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG auch die Einbringung des Teils eines Mitunternehmeranteils erfasst.
52Der nach § 34a Abs. 3 EStG festzustellende nachversteuerungspflichtige Betrag ist keine abstrakte Rechengröße ohne Bezug zu realen wirtschaftlichen Sachverhalten, er repräsentiert vielmehr die im Betrieb bzw. in der Mitunternehmerschaft tatsächlich verbliebenen, nicht entnommenen Gewinne. Wenn ein Teil eines Mitunternehmeranteils unentgeltlich übertragen bzw. eingebracht wird und dies zu einem teilweisen Übergang der nicht entnommenen Gewinne auf einen anderen Steuerpflichtigen bzw. auf eine andere Mitunternehmerschaft führt, erscheint es daher folgerichtig, dass auch die Zuordnung des nachversteuerungspflichtigen Betrages entsprechend angepasst wird. Die gegenteilige Rechtsauffassung des Klägers würde dazu führen, dass die dem § 34a EStG immanente Konnexität zwischen den nicht entnommenen Gewinnen und dem nachversteuerungspflichtigen Betrag teilweise aufgehoben wird.
53Dass die Konnexität zwischen den nicht entnommenen Gewinnen und dem nachversteuerungspflichtigen Betrag gewahrt werden soll, kommt auch in der gesetzlichen Regelung des § 34a Abs. 5 EStG zum Ausdruck. Durch diese Norm wird angeordnet, dass die Einbringung eines einzelnen Wirtschaftsguts in eine Mitunternehmerschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG entweder zur Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 4 EStG oder – auf Antrag des Steuerpflichtigen – zur Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrages auf die andere betriebliche Einheit führt. Nach Auffassung des Senats wäre es erkennbar widersprüchlich, wenn zwar die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter (gem. § 34 Abs. 5 Satz 1 EStG, antragsgebunden) und die Einbringung eines ganzen Betriebs/Mitunternehmeranteils (gem. § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG) zum teilweisen Übergang des nachversteuerungspflichtigen Betrags führen, nicht jedoch die Einbringung eines Teilbetriebs sowie des Teils eines Mitunternehmeranteils. Eine regelungssystematische Rechtfertigung für die unterschiedliche steuerliche Behandlung der verschiedenen Einbringungskonstellationen ist nicht ersichtlich (so auch die Stimmen in der Literatur, die sich für eine teleologische Extension des § 34 Abs. 7 EStG oder für eine analoge Anwendung von § 34a Abs. 5 EStG aussprechen, s.o.).
54In Tz. 42 des BMF-Schreibens vom 11.08.2008 (a.a.O), auf welches auch der Kläger verweist, wird ausgeführt, dass die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils keine Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 6 EStG auslöse, da diese beim Steuerpflichtigen im Rahmen des verbleibenden Teils des Betriebs oder Mitunternehmeranteils weiter möglich sei. Die hierin zum Ausdruck kommende Sichtweise, dass der Gesetzgeber Regelungsbedarf nur für solche Übertragungen/Einbringungen gesehen habe, in denen eine Fortführung des nachversteuerungspflichtigen Betrages beim übertragenden Betriebsinhaber bzw. Mitunternehmer gänzlich unmöglich sei, ist nach Auffassung des Senats jedoch unzutreffend. Falls dies tatsächlich die Sichtweise des Gesetzgebers gewesen wäre, hätte er auch die Regelung des § 34a Abs. 5 EStG nicht geschaffen. Denn auch im Falle der Einbringung eines einzelnen Wirtschaftsguts bleibt die übertragende betriebliche Einheit bestehen, so dass die subjektive bzw. objektive Zuordnung des nachversteuerungspflichtigen Betrags zu dem bisherigen Betriebsinhaber bzw. Betrieb grundsätzlich möglich wäre. Dennoch hat der Gesetzgeber in § 34a Abs. 5 EStG angeordnet, dass die Einbringung des Wirtschaftsguts entweder zur Nachversteuerung oder – als antragsgebundene mildere Variante – zur Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrags auf den anderen Betrieb oder Mitunterunternehmeranteil führen soll.
553. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Nichterfassung der Übertragung von Mitunternehmerteilanteilen dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprochen hat, trifft dies nach Auffassung des Senats nicht zu. Der Wille des historischen Gesetzgebers bleibt nach den Gesetzesmaterialien vielmehr unklar.
56a. In der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wird zur Regelung des § 34a Abs. 7 EStG Folgendes ausgeführt (BT-Drs. 16/4841, S. 64):
57„Wird ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil im Wege der Erbfolge oder vorweggenommenen Erbfolge übertragen, geht auch der nachversteuerungspflichtige Betrag dieses Betriebs oder Mitunternehmeranteils auf den Rechtsnachfolger über. Wird ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes zu Buchwerten in eine Personengesellschaft eingebracht, geht auch der für den eingebrachten Betrieb oder Mitunternehmeranteil festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag auf den neuen Mitunternehmeranteil über.“
58Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Bundesrat die Frage aufgeworfen, ob die Nachversteuerungsregelung des § 34a Abs. 6 EStG auch die Übertragung von Mitunternehmerteilanteilen erfasst und ausdrücklich auf die u.U. bestehenden Gestaltungspotentiale hingewiesen (BT-Drs. 16/5377, S. 14f.):
59„Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob eine Nachversteuerung des nachversteuerungspflichtigen Betrages zusätzlich in den Fällen der Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebs oder Teils eines Mitunternehmeranteils erfolgen müsste. Insbesondere könnte in Artikel 1 Nr. 23 in § 34a Abs. 6 nach Satz 1 ein neuer Satz etwa mit folgendem Wortlaut eingefügt werden: „Satz 1 Nummer 1 und 2 gelten für Teilbetriebe und Teile von Mitunternehmeranteilen insoweit entsprechend.“ […] Gestaltungspotenziale, die sich z. B. aus der Zurückbehaltung von geringfügigen Mitunternehmeranteilen zwecks Vermeidung der Nachversteuerung ergeben würden, würden vermieden.“
60Die Bundesregierung hat sich zu dieser Anregung des Bundesrats lediglich wie folgt geäußert (BT-Drs. 16/5377, S. 25, 26):
61„Die Bundesregierung wird den Vorschlag prüfen.“
62Die weiteren Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis darauf, ob eine solche Prüfung stattgefunden hat und aus welchem Grund der Anregung des Bundesrats schließlich nicht entsprochen worden ist. Im Bericht des Finanzausschusses wird zwar auf einen anderweitigen Änderungsvorschlag des Bundesrats betreffend § 34a Abs. 6 EStG eingegangen, nicht jedoch auf die oben zitierte Prüfbitte (BT-Drs. 16/5491, S. 20).
63b. Die vorstehend dargestellten Gesetzgebungsmaterialien lassen nach Auffassung des Senats keinen sicheren Schluss auf den tatsächlichen Willen des historischen Gesetzgebers zu.
64In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung wird letztlich nur der Gesetzeswortlaut paraphrasiert. Ausführungen zum Sinn und Zweck der Norm oder weitere Ausführungen, die auf die Absichten des Gesetzgebers schließen lassen, enthält die Gesetzesbegründung nicht.
65Der Bundesrat hat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens angeregt, die Nachversteuerungsregelung des § 34a Abs. 6 EStG um eine Regelung zu ergänzen, nach welcher auch Übertragungen von Teilbetrieben und von Teilen von Mitunternehmeranteilen erfasst werden. Zwar betraf der Änderungsvorschlag nicht die hier maßgebliche Regelung des § 34a Abs. 7 EStG; jedoch lassen sich die Erwägungen, die der Prüfbitte des Bundesrats zu § 34a Abs. 6 EStG zugrunde lagen, sinngemäß auf die hier entscheidende Norm des § 34a Abs. 7 EStG übertragen. Ob es zu der von der Bundesregierung zugesagten Prüfung gekommen ist und – soweit dies der Fall ist – aus welchem Grund die Prüfbitte des Bundesrats schließlich nicht bei Ausgestaltung der endgültigen Gesetzesfassung berücksichtigt worden ist, geht aus den Gesetzesmaterialien jedoch nicht hervor.
66Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass – wie vom Kläger vertreten – die Einbringung von Teilanteilen nach dem Willen der Gesetzgebungsorgane nicht von § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG erfasst sein sollte. Gegen eine solche Willensbildung der Gesetzgebungsorgane spricht jedoch, dass in § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG – anders als z.B. in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – keine ausdrückliche Klarstellung aufgenommen wurde, nach der nur die Einbringung eines ganzen Mitunternehmeranteils erfasst werden sollte. Wenn die Prüfbitte des Bundesrates im weiteren Gesetzgebungsverfahren erwogen und bewusst verworfen worden wäre, hätte die Einfügung einer solchen Klarstellung durch den Gesetzgeber nahegelegen. Denkbar wäre daher auch, dass die vom Bundesrat angeregte Ergänzung des § 34a Abs. 6 EStG als bloß klarstellend und aus diesem Grund entbehrlich angesehen wurde. Es erscheint nicht einmal ausgeschlossen, dass die Prüfbitte des Bundesrates im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren übersehen worden ist. Schließlich kann ebenso wenig ausgeschlossen werden, dass der Finanzausschuss die hier streitige Frage, ob auch Teilanteilsübertragungen zum teilweisen Übergang des nachversteuerungspflichtigen Betrags führen, der Klärung durch die Finanzgerichte überlassen wollte. Es zeigt sich, dass letztlich allenfalls Mutmaßungen über den Willen des Gesetzgebers angestellt werden können, da keiner der vorstehend dargestellten Abläufe des Gesetzgebungsverfahrens ausgeschlossen werden kann; eine sichere Feststellung des Willens des historischen Gesetzgebers ist nicht möglich.
67c. Die Gesetzgebungsmaterialien zu später ergangenen Gesetzen können nach Auffassung des Senats nicht zur Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers im Jahr 2008 herangezogen werden. Der Vollständigkeit halber sei dennoch angemerkt, dass auch die Gesetzesmaterialien zu den späteren Gesetzgebungsvorhaben ein widersprüchliches Bild zeichnen:
68In der Gesetzesbegründung vom 26.04.2017 zum Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen werden Ausführungen zu § 34a Abs. 6 EStG gemacht, denen zufolge der Begriff „Mitunternehmeranteil“ auch den Teil eines Mitunternehmeranteils umfasse (BT-Drs. 18/12128, Seite 29):
69„Entsprechend dem Verständnis zu § 6 Absatz 3 Satz 1 erster Halbsatz EStG sowie zu § 24 UmwStG (vgl. hierzu: § 24 Absatz 3 Satz 2 UmwStG) ist der Mitunternehmerteilanteil dem Mitunternehmeranteil gleichgestellt, ohne dass der Mitunternehmerteilanteil ausdrücklich angesprochen ist.“
70In der Gesetzesbegründung vom 02.10.2023 zum Wachstumschancengesetz wird hingegen davon ausgegangen, dass die im Gesetz verwendete Formulierung „Einbringung eines […] Mitunternehmeranteils“ nicht auch die Einbringung eines Teilanteils erfasse (BT-Drs. 20/8628, Seite 126):
71„Nur in den Fällen der unentgeltlichen Betriebsübergabe nach § 6 Absatz 3 EStG hatte der Rechtsnachfolger bisher den nachversteuerungspflichtigen Betrag fortzuführen. In den Fällen der unentgeltlichen Aufnahme in ein bestehendes Einzelunternehmen und der unentgeltlichen Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils verblieb der nachversteuerungspflichtige Betrag beim bisherigen (Mit-)Unternehmer. Diese Regelung war jedoch missbrauchsanfällig. So konnte der bisherige (Mit-)Unternehmer durch Beibehaltung eines geringfügigen Mitunternehmeranteils den nachversteuerungspflichtigen Betrag in voller Höhe behalten. Dies hatte jedoch in vielen Fällen zur Folge, dass aufgrund der Geringfügigkeit des verbleibenden Mitunternehmeranteils beim bisherigen (Mit-)Unternehmer eine Nachversteuerung praktisch unmöglich war. Nunmehr regelt § 34a Absatz 7 Satz 2 EStG, dass in den Fällen einer unentgeltlichen Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen und der unentgeltlichen Teilanteilsübertragung auch der nachversteuerungspflichtige Betrag quotal auf den Rechtsnachfolger übergeht. Zur Berechnung der Übertragungsquote ist das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens oder das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zugrunde zu legen. Hierzu gehören insbesondere alle Kapitalkonten des Rechtsvorgängers. Gleiches gilt in den Fällen, in denen Teilmitunternehmeranteile nach § 24 UmwStG zu Buchwerten in eine Mitunternehmerschaft eingebracht werden“
724. Der Umstand, dass § 34a Abs. 7 EStG keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, wie bei Übertragung eines Mitunternehmerteilanteils der mit dem Teilanteil übergehende nachversteuerungspflichtige Betrag zu berechnen ist, gebietet keine andere Gesetzesauslegung. Aus dem Fehlen einer diesbezüglichen gesetzlichen Regelung kann – wie aus den vorstehenden Erwägungen folgt – nicht abgeleitet werden, dass Teilanteilseinbringungen nicht von § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG erfasst sind. Die insoweit bestehende Regelungslücke ist im Wege der Analogie bzw. ergänzenden Gesetzesauslegung dahingehend auszufüllen, dass der nachversteuerungspflichtige Betrag in dem Verhältnis übergeht, in welchem Betriebsvermögen im Rahmen der Einbringung übertragen wird, wobei dieses Verhältnis unter Zugrundelegung der bilanziellen Buchwerte zu ermitteln ist.
73Eine solche Ermittlung des übergehenden nachversteuerungspflichtigen Betrags erscheint nach Auffassung des Senats aufgrund regelungssystematischer Erwägungen geboten. Da der nachversteuerungspflichtige Betrag die in der Mitunternehmerschaft verbliebenen, nicht entnommenen Gewinne repräsentiert, ist es folgerichtig, dass der nachversteuerungspflichtige Betrag in dem Verhältnis übergeht, in dem auch das aus den nicht entnommenen Gewinnen gebildete Betriebsvermögen übergeht. Die Anwendung dieses Aufteilungsmaßstabs bewirkt, dass z.B. bei einer hälftigen Übertragung eines Mitunternehmeranteils auch der nachversteuerungspflichtige Betrag grundsätzlich hälftig übergeht. Ein anderer sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist nach Auffassung des Senats nicht erkennbar und wird auch vom Kläger nicht benannt. Soweit die Mitunternehmerschaft bzw. deren Mitunternehmer über Sonderbetriebsvermögen verfügen, muss allerdings auch dieses mit seinen Buchwerten in die Verhältnisrechnung einbezogen werden. Auch dies lässt sich unmittelbar aus der Systematik des § 34a EStG ableiten. Da die Steuerbegünstigung des § 34a EStG nach einhelliger Auffassung auch nicht entnommene Gewinne im Sonderbetriebsvermögen erfasst, wäre es erkennbar systemwidrig, das vorhandene Sonderbetriebsvermögen bei der Ermittlung des übergehenden nachversteuerungspflichtigen Betrags außer Acht zu lassen.
74Dass der vorstehend beschriebene Aufteilungsmaßstab sachgerecht ist und sich nach der Systematik des § 34a EStG geradezu aufdrängt, zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass der Gesetzgeber durch das Wachstumschancengesetz vom 27.03.2024 eine inhaltsgleiche, kurz und prägnant gehaltene Regelung in § 34a Abs. 7 Satz 3 und 5 EStG n.F. eingefügt hat.
75II. Auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten kommt keine andere Entscheidung in Betracht.
761. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO berufen. Nach dieser Bestimmung darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Bescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit geltendem Recht in Einklang stehend bezeichnet wird.
77Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 176 Abs. 2 AO sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar weicht der Senat mit dem vorliegenden Urteil vom BMF-Schreiben vom 11.08.2008, a.a.O., Tz. 47, ab. Indes ist bislang noch kein Urteil eines obersten Bundesgerichts ergangen, welches die Regelungen im BMF-Schreiben vom 11.08.2008 als nicht mit geltendem Recht in Einklang stehend bezeichnet hat. Die Vorschrift des § 176 Abs. 2 AO kommt nach ihrem Wortlaut nicht zur Anwendung, wenn zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und ggf. erst anschließend eine Verwaltungsvorschrift als nicht mit dem Recht im Einklang stehend bezeichnet wird (BFH-Urteil vom 24.08.2023 – V R 49/20, BFHE 281, 270; BFH-Urteil vom 20.12.2000 – I R 50/95, BStBl II 2001, 409).
782. Ebenso wenig kann in Hinblick auf die Aussagen im BMF-Schreiben vom 11.08.2008, Tz. 47, Vertrauensschutz nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gewährt werden. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann nur in besonderen Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz von Treu und Glauben einen Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat. Der Vertrauenstatbestand besteht in einer bestimmten Position oder einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere Teil bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.03.2021 – VIII R 47/18, BStBl II 2021, 696; BFH-Urteil vom 12.03.2020 – VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849).
79Derartige Vertrauensschutzerwägungen können nach Auffassung des Senats im vorliegenden Klageverfahren schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich beim Steuerfestsetzungs- und beim Billigkeitsverfahren um materiell-rechtlich und auch formell-rechtlich getrennte Verfahren. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO würde daher die Stellung eines entsprechenden Antrags voraussetzen. Weder hat der Kläger einen solchen Antrag gestellt, noch hat der Beklagte hierüber entschieden. Unabhängig davon kann es aufgrund der Bindung der Finanzbehörden und der Finanzgerichte an das Gesetz keinen generellen Vertrauensschutz in die Gültigkeit von norminterpretierenden Verwaltungsanweisungen geben, wenn diese mit dem Gesetz nicht in Einklang stehen (vgl. dazu etwa Huber, FR 2024, 508, 509 und Myßen, FR 2024, 512, 513).
80III. Die von den Verfahrensbeteiligten diskutierte Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Finanzverwaltung in sinngemäßer Anwendung des § 42 AO von den selbst gesetzten Verwaltungsanweisungen abweichen darf, ist nicht entscheidungserheblich und kann daher dahingestellt bleiben. Bei dem BMF-Schreiben vom 11.08.2008 – insbesondere bei der hier relevanten Passage unter Tz. 47 – handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, welche die Finanzgerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 07.07.2021 – III R 40/19, BStBl II 2021, 864) und die für die Entscheidungsfindung des Senats im vorliegenden Verfahren mithin nicht von Bedeutung ist.
81IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
82V. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Zwar betrifft die Frage, ob § 34a Abs. 7 Satz 2 EStG a.F. auch die Einbringung eines Mitunternehmerteilanteils umfasst, ausgelaufenes Recht. Da die Änderung von § 34a Abs. 7 EStG jedoch erst kürzlich mit dem Wachstumschancengesetz vom 27.03.2024 (BGBl. 2024, Nr. 108) erfolgt ist, kann sich die hier streitige Rechtsfrage auch in nicht absehbarer Zukunft noch für einen größeren Kreis von Steuerpflichtigen stellen.