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Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Erinnerungsführer.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
I.
2Streitig ist, in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren gemäß Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG – anzusetzen ist.
3Ausgangspunkt des erledigten Klageverfahrens 4 K 1652/19 F war eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J-Stadt (Prüfungsfinanzamt). Dabei wurde die Klägerin und hiesige Erinnerungsgegnerin (im Folgenden: Erinnerungsgegnerin) zunächst durch die T-Partnerschaftsgesellschaft mbB vertreten. Im Mai 2018 übersandte das Prüfungsfinanzamt den Bericht über die Betriebsprüfung vom 03.05.2018 an das Steuerbüro (Bl. 178 Bp-Handakte). Unter Tz. 2.4 des Prüfungsberichts stellte die Prüferin fest, dass die Erinnerungsgegnerin immaterielle Wirtschaftsgüter sowie ihren Geschäftswert entnommen habe. Der Teilwert sei in Höhe von 12.500.000 EUR anzusetzen.
4Die hiesige Prozessbevollmächtigte zeigte dem Prüfungsfinanzamt die Vertretung der Erinnerungsgegnerin an (Bl. 154 BP-Handakte) und nahm mit Schreiben vom 14.06.2018 zu dem im Prüfungsbericht angesetzten Entnahmegewinn auf rund elf Seiten Stellung (Bl. 158 ff. Bp-Handakte). Der Beklagte und hiesige Erinnerungsführer (im Folgenden: Erinnerungsführer) folgte diesen Einwendungen nicht und änderte den festgestellten Gewinn entsprechend den Prüfungsfeststellungen (Feststellungsbescheid vom 10.09.2018).
5Die Prozessbevollmächtigte legte für die Erinnerungsgegnerin Einspruch ein und verwies zur Begründung auf die Stellungnahme vom 14.06.2018 (Bl. 89 F-Akte). Mit der rund 20 Seiten langen Einspruchsentscheidung vom 10.05.2019 wies der Erinnerungsführer den Einspruch als unbegründet zurück.
6Die Klage begründete die Prozessbevollmächtigte mit einem rund 22-seitigen Schriftsatz (Bl. 68 ff GA). Außerdem nahm sie zu den Erwiderungen des Erinnerungsführers mit Schriftsätzen vom 03.01.2020 (rund neun Seiten, Bl. 102 ff GA), 17.04.2020 (rund zehn Seiten, Bl. 140 ff GA) und 15.06.2020 (rund sechs Seiten, Bl. 166 ff GA) Stellung. Der Berichterstatter erteilte mehrere schriftliche Hinweise und führte zwei Erörterungstermine mit den Beteiligten durch. Nachdem sich die Beteiligten auf einen Entnahmewert in Höhe von 417.695 EUR verständigt und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten (Bl. 501 ff GA), beschloss der Berichterstatter die verhältnismäßige Teilung der Kosten (Kostenbeschluss vom 26.04.2024, Bl. 571 ff GA).
7In dem Kostenfestsetzungsantrag vom 03.05.2024 setzte die Prozessbevollmächtigte eine Geschäftsgebühr für ihre Tätigkeit im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach Nr. 2300 VV in Höhe einer 2,0-fachen Gebühr an (Bl. 591 ff GA). Mit Beschluss vom 13.05.2024 erklärte der Berichterstatter die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (Bl. 632 GA). Die Urkundsbeamtin des Finanzgerichts Münster berücksichtigte in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.05.2024 antragsgemäß eine Geschäftsgebühr in Höhe einer 2,0-fachen Gebühr (Bl. 650 ff GA).
8Mit der Erinnerung begehrt der Erinnerungsführer die Reduzierung der Geschäftsgebühr auf 0,3. Er macht geltend, dass nur die Aufwendungen für das Einspruchsverfahren und nicht auch die vorausgegangenen Aufwendungen für die Betriebsprüfung erstattungsfähig seien. Hier habe die Prozessbevollmächtigte im Einspruchsverfahren lediglich auf ihre Stellungnahme zu dem Betriebsprüfungsbericht verwiesen.
9Der Erinnerungsführer beantragt,
10die Gebühr für das außergerichtliche Vorverfahren mit 0,3 anzusetzen.
11Die Erinnerungsgegnerin beantragt,
12die Erinnerung zurückzuweisen.
13Sie macht geltend, dass der Umstand, dass ihre Prozessbevollmächtigte bereits zu dem Betriebsprüfungsbericht umfangreich Stellung genommen habe, zu keiner geringeren Kostenfestsetzung führen dürfe. Hätte sie es unterlassen, bereits im Betriebsprüfungsverfahren umfangreich Stellung zu nehmen, wäre im Einspruchsverfahren ebenfalls eine 2,0-fache Gebühr angemessen gewesen. Allein die rechtzeitige Aufarbeitung des Gesamtvorgangs führe zu keiner Änderung der erstattungsfähigen Kosten.
14Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (vgl. Vermerk vom 17.06.2024, Bl. 13 GA).
15II.
16Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.05.2024 ist rechtmäßig. Die Urkundsbeamtin hat für das Vorverfahren zutreffend eine 2,0-fache Gebühr angesetzt.
171. Nach § 139 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – gehören zu den erstattungsfähigen Kosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendung einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nur erstattungsfähig, wenn das Gericht – wie im Streitfall mit Beschluss vom 13.05.2024 geschehen – die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Nur die Kosten eines zwingend vorgeschalteten Vorverfahrens sind nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO zu erstatten (FG Düsseldorf Beschluss vom 05.03.2014 6 Ko 307/14 KF, EFG 2014, 863). Aufwendungen, die das Verwaltungsverfahren bis zum Erlass des Verwaltungsaktes betreffen oder die vor Einlegung des Einspruchs angefallen sind, werden nicht erfasst (Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rn. 126).
18Gemäß Nr. 2300 VV RVG ist die Geschäftsgebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren im Rahmen einer 0,5 bis 2,5-fachen Gebühr anzusetzen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Gebühr beträgt lediglich 0,3, wenn sich der Auftrag auf Schreiben einfacher Art beschränkt. Dies ist anzunehmen, wenn das Schreiben weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält (Nr. 2301 VV RVG). Die Geschäftsgebühr ist eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG –, bei der der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (FG Hamburg Beschluss vom 25.01.2018 4 K 85/17, EFG 2018, 686).
192. Nach diesen Grundsätzen ist der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 2,0 nicht zu beanstanden.
20a) Der Ansatz einer erhöhten Geschäftsgebühr ist nicht unbillig, da die Tätigkeit umfangreich und schwierig war. Zwischen den Beteiligten waren verschiedene, jeweils sehr komplexe Streitfragen (insbesondere Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern bei Unternehmenspachtverträgen, Realisationszeitpunkt, Bewertung, verfahrensrechtliche Fragen) streitig. Der Zeitaufwand war – was sich nicht zuletzt aus dem Umfang der Schriftsätze der Beteiligten, den richterlichen Hinweisen und der Durchführung von zwei längeren Erörterungsterminen ergibt – außergewöhnlich hoch. Auch ergibt sich die besondere Bedeutung aus den enormen steuerlichen Auswirkungen (streitige Bemessungsgrundlage: 12.500.000 EUR). Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht das Gericht insofern von weiteren Ausführungen ab.
21b) Der Einwand des Erinnerungsführers, dass die Tätigkeit im Einspruchsverfahren deshalb als einfach anzusehen sei, weil die Prozessbevollmächtigte in der Einspruchsbegründung lediglich auf ihre Stellungnahme im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens verwiesen habe, führt im Ergebnis zu keiner anderen Betrachtung.
22Es ist zwar anerkannt, dass es zu einer Reduzierung der Geschäftsgebühr kommen kann, wenn ein Rechtsanwalt erhebliche Synergieeffekte – beispielsweise durch gleichgelagerte Einspruchsverfahren – erzielt (FG Hamburg Beschluss vom 25.01.2018 4 K 85/17, EFG 2018, 686). Diese Betrachtungsweise kann allerdings wegen der Regelungen in Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 VV RVG und § 15a Abs. 2 RVG (nunmehr § 15a Abs. 3 RVG) nicht für Synergieeffekte zwischen dem Außenprüfungs- und dem sich anschließenden Einspruchsverfahren gelten.
23Den Regelungen in Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 VV RVG lässt sich entnehmen, dass derartigen Synergieeffekten nicht durch den Ansatz einer geringeren Gebühr, sondern vielmehr durch eine Anrechnung Rechnung zu tragen ist (vgl. BT-Drucks. 17/11471, Seite 273). So wird nach Satz 1, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, diese Gebühr auf eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient, angerechnet. Und nach Satz 3 ist bei der Bemessung der weiteren Geschäftsgebühr innerhalb eines Rahmens nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist.
24Auf diese Anrechnung kann sich der Erinnerungsführer allerdings nicht berufen. Denn nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter – hier der Erinnerungsführer – auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da der Erinnerungsführer die im Außenprüfungsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht zu erstatten hat. Auch ist die Regelung in § 15a Abs. 2 RVG auf Anrechnungen nach Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG anwendbar (vgl. Sächsisches Finanzgericht Gerichtsbescheid vom 26.02.2016 2 K 1851/15 (Kg); BT-Drucks. 17/11471, Seite 273; Böwing-Schmalenbrock in Gosch, § 139 FGO Rn. 475; a.A. ohne weitere Begründung allerdings Brandis in Tipke/Kruse, § 139 FGO Rn. 136; zur abweichenden Beurteilung zur alten Regelung in Nr. 2301 VV RVG, welche für die weitere Geschäftsgebühr einen abgesenkten Rahmen vorsah, wenn bereits eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen war, vgl. Finanzgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 12.06.2013 5 Ko 314/13, EFG 2013, 1700).
253. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Rn. 23).